Meine Tochter Sara.
Ich möchte Dir mit diesem Brief zeigen, daß ich mich sehr darum bemühe Dich zu verstehen.
Du bist unglücklich und auch sauer darüber, was passiert ist und in welcher Lage Du nun bist dies hast Du Dir sicherlich nicht gewünscht.
So bleibt Dir nichts anderes übrig, als mir die Schuld dafür zu geben.
Sonst wäre ja Dein Leben noch schwerer für Dich und Du müsstest Dich dabei noch mehr anstrengen, mich als Deinen Vater vergessen zu können.
Leider sind dann die Schuldgefühle, die ich dadurch empfinden soll, weder für Dich noch für mich befreiend, es wird eine tägliche Last, die mit der Zeit immer schwerer wird.
Ich dagegen hatte in den letzten 4 Jahren keine echte Chance mehr, Anteilnahme an Deinem Leben zu erhalten.
Fühlte mich ausgegrenzt und ohnmächtig war nur noch Zuschauer.
Ist das in Ordnung, war dies gerecht?
Wie hätte ich dies denn wirklich verhindern können?
Du hast Recht damit, wenn ich mich in dieser Zeit viel zu oft mit Dingen befasst habe, die mit dem familiären Leben zu Dir eigentlich nichts zu tun hatten.
Ich habe mich darin geflüchtet um nicht wahr haben zu wollen, daß die Ehe zu Deiner Mutter wohl gescheitert war.
Und doch mache ich dabei einen Unterschied zwischen den Beeinflussungen, die auf Deine Mutter wirkten und dem eigentlichen Mensch Silvia, den ich immer noch liebe.
Deine Mama ist in gewisser Weise ein Opfer ihrer Lebensumstände geworden und leidet sehr darunter, auch wenn sie sich das nicht anmerken lässt.
Dies macht mich sehr traurig und es ist auch für Dich nicht leicht, in dem Du diese Last leider mit trägst.
Ich würde alles darum geben, Deine Mutter aus dieser Verstrickung zu befreien und mit ihr wieder ein menschliches Verhältnis haben zu können.
Ja, ich habe in meiner Enttäuschung vieles verkehrt gemacht und bin oft über das Ziel hinaus geschossen.
Meine Ängste alles zu verlieren, was einmal zu meinem Leben gehört haben soll, hat mich zum Elefanten im Porzellan-Laden werden lassen.
Deine Mutter hat mir in ihrer ständigen Unzufriedenheit mit sich selbst das Gefühl vermittelt, das ich mich ihr bedingungslos unterwerfen solle, um dann noch das Recht zu haben in Deiner Nähe sein zu dürfen.
Das hat mir die Luft zum Atmen genommen. Diese so bei mir erzeugten Ohnmachtsgefühle und die Kränkungen daraus waren deshalb so schlimm und unerträglich, weil ich nie eine richtige Mutter hatte.
Damit habe ich Deine Mutter unbewußt sicherlich überfordert, weil sie ja auch keine richtigen Eltern hatte. Das ist sehr tragisch und ein leidvolles Schicksal für den Mensch Silvia und Martin!
Vielleicht wirst Du, Sara, dies eines Tages verstehen können.
Deiner Mutter möchte ich auch sicher nicht absprechen, das sie sich nicht ernsthaft darum bemühte, für eine Familie alles zu tun, was ihr möglich war. Es hat leider nicht gereicht.
Nur gibt es zu dem Verhältnis zwischen Mann und Frau in einer Ehe auch das getrennt zu sehende Verhältnis zwischen Vater und Mutter, Deine natürlichen Eltern - auf die Du einen bedingungslosen Anspruch hast!
So bitte ich Dich herzlich darum, darüber einmal nachzudenken.
Glaube mir, daß ich Dich ganz bestimmt nicht zu einem Denken beeinflussen möchte, nur damit Du vielleicht mich wieder ein wenig magst es kann nur aus Dir selbst heraus ein ehrliches Bedürfnis dafür entstehen.
Doch eines sollst Du nie vergessen:
Ich werde Dich immer lieb haben und Du wirst immer meine Tochter sein egal was ist und sein wird!