Hallo Bigmax
Ein Indianer weint nicht!
Immer stark sein, nie eine Schwäche zeigen, alles perfekt können, jemand sein zu dem alle mit ihren Sorgen und Problemen kommen können, sogar im Beruf Helfender, erfolgreich sein , die Familie ernähren, allen etwas bieten, Leistungsdruck, Arbeitsplatzverlustangst, gesellschaftlich genügen, fest auf dem Boden stehen. Ein Fels in der Brandung für Jedermann...
Kenne ich sehr gut, das ist mit der Zeit eine extreme Belastung, unter der auch manch einer zusammenbrechen kann der nicht an Depressionen leidet.
Auch bei mir war es ähnlich und all dies ebenfalls aufgrund der Umstände wie ich als Kind behandelt wurde. Ich musste trotz der widrigsten und lebensfeindlichsten Umstände immer Leistung erbringen, es blieb mir gar nichts anderes übrig und ich habe sie erbracht, viele Jahre lang, bis ich eines Tages zusammenbrach und dann gar nichts mehr ging.
Mir war wie dir bewusst, dass es so nicht weiter gehen kann, aber ich wusste auch nicht wie ich mich daraus befreien konnte, ohne alles aufzugeben. Dafür fehlte mir lange Zeit der Mut.
Kliniken, Therapien, Selbsthilfegruppen, gute Partnerschaften usw. helfen alle relativ wenig, wenn man trotzdem weitermacht wie bisher. Man steht im Leben und macht oft genau dass, was einem durch "Erziehung" jahrelang eingeprägt wurde, sich davon zu befreien ist immens schwer. Es liegt wie du erkannt hast an uns und nur wir können eine Veränderung bewirken.
Den Kampf gegen eine Krankheit aufzunehmen erachte ich zunehmend als sinnlos, man muss die Krankheit eher umarmen und mit ihr Frieden schließen, sie annehmen, denn es ist ja nicht zu ändern. Kampf kostet so viel Energie die man auch für anderes einsetzen könnte. Ich lebe seit ich Kind bin mit Depressionsschüben und Stimmungsschwankungen. Klar nervt es manchmal, wenn man fröhlich sein möchte umgeben von guten Leuten und sie fährt voll ein, aber sie ist ein Teil von mir, den ich Zeit meines Lebens kenne. Ich bin so. Ich selber finde es wunderschön, wenn Menschen ihre Emotionen nicht unterdrücken. Wie oft habe ich schon mit traurigen Freunden weinen dürfen..., nur ich selber habe es mir nie gestattet eine Schwäche zu zeigen, warum eigentlich nicht?
Es mag seltsam und verrückt klingen wenn ich dies hier nun so schreibe, aber ich bin auch dankbar dafür am Leben zu sein, wenn mich diese trübe Stimmung überfällt, sie zeigt mir, dass auch Perfektionismus Grenzen hat.
Ich habe mir lange überlegt, warum genau mir die Schwankungen zu schaffen machen und herausgefunden, dass ich mich darüber hauptsächlich ärgere, weil es die anderen um mich herum belastet, ich ihnen quasi den Spaß verderbe, wenn ich nur da sitze und nichts sage. Mir wurde dadurch auch schmerzhaft bewusst, dass es wieder einmal nicht um mich geht, wenn andere mich und meine Stimmung nicht einschätzen können. Ich wollte ihren Ansprüchen genügen, kein Langweiler, kein Spielverderber sein. Viel zu lange habe ich mich deshalb hinter Masken versteckt, aber sie aufrecht zu erhalten hat mich mehr Energie gekostet als ich zugeben wollte. Mit zunehmender Offenheit haben mir auch andere ihr wahres Gesicht offenbart und ich erkannte, dass weitaus mehr Menschen Masken tragen als ich immer annahm.
"Ich bin wie ich bin!". Mich so zu akzeptieren wie ich bin, war einer meiner wichtigsten Schritte. Nicht immer nur auf Andere zu achten und ihren Ansprüchen zu genügen, darüber nachzudenken was sie wohl von mir denken..., sondern in erster Linie einmal mir selbst gerecht zu werden. Daran arbeite ich immer noch tagtäglich und das schlechte Gewissen und die Schuldgefühle, die ich anfangs dabei hatte, werden immer weniger. "Ich bin auch jemand!", es braucht manchmal viele Jahre bis man dies nicht nur im Stillen denkt und geistig mit dem Fuss aufstampft, sondern auch in Tat umsetzt.
So, genug getextet :-). Das alles hilft dir vermutlich auch nicht weiter, da du es eh schon lange weißt.
Hast du es schon mit autogenem Training versucht? Mich hat dies sehr viel weitergebracht und wer tagtäglich für sich selber diese 30 Minuten aufbringt wird merken, welch ungeheure Kraft trotz allem in uns steckt. Man darf allerdings nicht schon nach einer Woche aufgeben, denn sofort stellt sich der gewünschte Erfolg nicht ein, aber längerfristig merkt man die Veränderungen deutlich, die innere Unruhe und Panik sind bei mir dadurch gänzlich verschwunden und mein Selbstbild habe ich mir damit neu erschaffen. Heute kann ich zu mir stehen.
Auf jeden Fall ein herzliches Willkommen auch von mir und vielleicht kannst du die Frage, die mich seit meiner Kinderzeit beschäftigt beantworten.
Warum dürfen Indianer eigentlich nicht weinen?
Alles Liebe
Epines