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Autor Thema: einfach mal mitteilen  (Gelesen 1558 mal)

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Anso

  • Gast
einfach mal mitteilen
« am: 21 Februar 2013, 21:35:56 »

Hallo ihr lieben,

nachdem ich mich nun lange hier durchgelesen habe und mich in vielem einfach wieder erkennen konnte, schreibe ich mir hier nun auch die "Seele aus dem Leib". Und das ist das erste Mal, dass ich überhaupt alles in einen zusammenhängenden Text verfasse.

Ich denke, dass ich Depressionen habe, dazu stehe ich momentan unter ziemlichem Druck, da meine Ausbildung sich dem Ende neigt und die Abschlussprüfung quasi zum Greifen nah ist.

Ich denke, ich fange einfach mal an:

Meine Eltern heirateten nur, weil ich schon auf der Welt und mein Bruder unterwegs war. Klar, ich habe keine Schuld daran, aber ich hatte oft den Eindruck, dass sie nicht sehr glücklich waren. Streitereien, geschrei und gebrüll war an der Tagesordnung. Damit kam ich klar, ich hatte schon früh ein wirklich wundervolles Hobby gefunden, in das ich flüchten konnte. Dies waren und sind es immer noch: Pferde.

Ich muss sagen, dass ich doch glücklich aufgewachsen bin und hatte eine glückliche Kindheit, bis ich 14/15 Jahre alt wurde. In dem Alter fing ich langsam an, mich für Jungs zu interessieren. Leider begriff das auch mein Vater und ließ mich ab der Sekunde nicht mehr aus den Augen. Jedes Mal, wenn wir allein zu Hause waren, kam er in mein Zimmer...
Ich mochte mich irgendwann nicht mehr umziehen oder duschen gehen, da mein Vater quasi immer in der Nähe war... (ich denke, näher erläutern muss ich es nicht?)

Zum Schluss aß ich nichts mehr, bzw. konnte nichts mehr bei mir behalten, ich schlief kaum noch, Intimheit konnte ich mir nicht mehr vorstellen und fand mich nur noch abstoßend und ekeleregend.
So flüchtete ich mich so gut es aus der "realen Welt" war quasi 24 Stunden täglich bei meinem Pferd - ohne das Tier hätte ich diese Zeit nicht geschafft.

Als ich meinen ersten richtigen Freund fand, hörte mein Vater auf. Zum Glück!
Das Intimleben war mir nicht wichtig, ich lag immer auf dem Rücken und wartete bis es vorbei war, den Kopf dabei "ausschalten" war nicht.
Es war nicht besser geworden, ich hatte nichts verarbeitet und es auch niemandem erzählt.
Durch meinen Freund kam ich an Gras, erst saß ich nur daneben, später machte ich mit.
Meine Eltern merkten es natürlich und ich hatte keine Wahl, als damit aufzuhören, wenn ich nicht nach Kanada zu Verwandten geschickt werden wollte und mein Pferd beim Händler landet.

Mein Freund und ich trennten uns und wieder fiel ich in ein tiefes Loch.
Ich schaffte mein Fachabitur nicht und zu Hause war die Hölle los deswegen.

Das war vor ca. 3 Jahren, damals lernte ich meinen jetzigen Freund kennen, der mich dort raus holte und mit mir zusammen zog. Es ist meine erste richtige und ernste Beziehung und ich weiß, dass er viel mit mir aushalten muss.
Ich kann weder Diskutieren noch Streiten, mein Hals ist wie zugeschnürt und ich bekomme, egal wie sehr ich es möchte, keinen Ton heraus, das geht mir auch so, wenn ich über meine Gefühle oder Empfinden reden soll. Das wurde in meiner Familie nie gemacht, es wurde sich nicht entschuldigt und auch nicht über Gefühle o.ä. geredet.

Mittlerweile ist der Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr kann.
Jede Nacht habe ich Alpträume, weine egal wann. Durch das viele weinen und den wenigen Schlaf, habe ich täglich Kopfschmerzen.

Mein Freund weiß von der Sache mit meinem Vater und auch von der restlichen Vergangenheit, aber gerade jetzt kann ich mich ihm nicht mitteilen! Wo es doch eigentlich gerade jetzt so wichtig wäre.
Mein Hals ist wie zugeschnürrt, wir leben mittlerweile fast einfach nur noch nebeneinander her.
Manchmal habe ich das Verlangen, ihn zu berühren, meinen Arm um ihn zu legen oder einfach seine Hand zu nehmen, aber irgendetwas in mir hält mich zurück. :(

Mit meinem Ausbildungsbetrieb habe ich gesprochen, die wissen bescheid und sagen selber, dass ich mir Zeit nehmen soll.

Von meinem Arzt fühle ich mich ein wenig allein gelassen...
Er gab mir eine Liste mit Therapeuten, die ich abtelefonieren sollte.
Da ich dort soweit nichts erreichte, bekam ich die Nummer von der Tagesklinik und Antidepressiva, die mich müde machen sollten und hungriger, da ich ungewollt immer mehr abnehme.
Und mehr nicht.

In der Tagesklinik müsste ich mich anmelden, das Problem ist jedoch, dass die Mutter von meinem Freund dort die Ansprechpartnerin ist!
Das heißt, dass sie zwangsläufig mitbekommt, dass ich dort gern ambulant behandelt werden wollen würde.
Jetzt ringe ich mit mir, ob ich das möchte oder nicht, da es sie im Normalfall nichts angehen würde. Oder?

Momentan bin ich wieder täglich bei meinem Pferd, genieße jede Sekunde, denn dieses Tier ist -grob gesagt- das einzige, was mich im Moment am Leben hält.


Ich danke euch für das Lesen meines teilweise doch ziemlich verwirrenden Textes.
Erneut musste ich fest stellen, dass es mich wirklich noch oft zum weinen bringt, selbst, wenn ich nur darüber schreibe.
Aber es tut doch wider erwarten gut. :)
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Nicki

  • Gast
Re: einfach mal mitteilen
« Antwort #1 am: 21 Februar 2013, 22:05:18 »

Hallo Anso,

ich wollte dir nur schreiben, das ich deinen Text gelesen habe.
Ich kann gerade leider nicht viel dazu schreiben, dazu muß ich deine Geschichte erst etwas verarbeiten, aber das mit dem Pferd kenne ich, habe selber eins, das ich in schweren Zeiten auch als meine "Lebensversicherung" bezeichnet habe.
Gib nicht auf und laß dich bei deinem Pferd fallen, wenn du es sonst schon nicht kannst!

Ich schick dir viel Kraft und liebe Grüße,
Nicki
Gespeichert

Anso

  • Gast
Re: einfach mal mitteilen
« Antwort #2 am: 22 Februar 2013, 09:09:21 »

Vielen Dank für das Lesen, Nicki, und natürlich auch für deine lieben Worte!
Das bedeutet mir sehr viel, da ich mich doch momentan sehr allein gelassen fühle.

Es ist wirklich unglaublich, wie viel Kraft einem Tiere geben. Mein Pferd begleitet mich nun seit dem Jahre 2001 und wird im nächsten Monat schon 33 Jahre alt. Sehr oft denke ich, dass er vom einen auf den anderen Tag gehen könnte,  die Wahrscheinlichkeit ist einfach groß, obwohl er für sein Alter wirklich noch fit, gesund und voller Lebensfreude ist.

Oft gehen wir einfach nur stundenlang spazieren und genießen die Natur, die uns umgibt, und natürlich die gemeinsame Zeit.
Ich muss sagen, dass er mein Ruhepol ist. Er bringt mich durch seine Tollpatschigkeit zum Lachen und heitert mich auf.


Allerdings: Wenn ich zu meinem Pferd will, muss ich zwangsweise auch zu meinen Eltern, da er bei ihnen steht und ich kann es mir leider nicht leisten, ihn dort weg zu holen, bzw. möchte ich eigentlich auch nicht, da er dort schon viele Jahre zu Hause ist und sich dort sehr wohl fühlt.
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grau

  • Gast
Re: einfach mal mitteilen
« Antwort #3 am: 22 Februar 2013, 12:06:26 »

hallo anso,
du schreibst, dass du dich deinem freund gerade jetzt nicht mitteilen kannst. es hört sich an, dass du es aber gerne möchtest.
vielleicht lässt du ihn lesen, was du hier geschrieben hast. es wäre eine möglichkeit dich ihm mittzuteilen.

ich finde es gut, dass du diesen schritt gemacht hast hier zu schreiben und wenn es dir gut tut, schreibe weiter.
zur tagesklinik verstehe ich dein dilemma. aber wäre es wirklich so schlimm, wenn die mutter deines freundes wüsste, dass du dort bist.
wie ist dein verhältnis zu ihr ?
gibt es vielleicht noch eine andere klinik in deiner nähe ?
es wäre vielleicht gut für dich das erlebte in einer klinik anzugehen, um es evt. verarbeiten zu können.

ich wünsche dir auch viel kraft und drücke mal dein pferd von mir ;o)
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missing

  • Gast
Re: einfach mal mitteilen
« Antwort #4 am: 23 Februar 2013, 02:24:30 »

Hallo Anso,

es ist schön zu hören, dass dir das schreiben gut tut - geht wohl allen hier so. Also fühl dich frei, weiter hier zu schreiben, wenn du magst!

Du hast den Mut gefasst, hier alles wenigstens in groben Zügen zu schreiben: das hättest du nicht getan, wenn du nicht emotional "am überquillen" wärst und Wege suchst.

Ich finde, du bist es dir *und* deinem Freund schuldig, dass du mit ihm darüber sprichst!! Du hast gewiss schon selbst lange darüber gegrübelt, *warum* du nicht mit ihm über alles sprechen konntest, oder? Ist es die fehlende Übung, weil früher zuhause nie über Gefühle gesprochen wurde? (Dann ist es an dir, es endlich besser zu machen als deine Eltern!) Oder hast du Angst, ihn zu verlieren? (Eine wirkliche Freundschaft/Liebe hält Vertrautheit aus!) - Wo genau liegt deine Angst?

Du merkst, dass es dir nicht wirklich gut geht, so wie alles im Moment ist. Fazit: du MUSST Hilfe suchen. Von alleine wird keine Vergangenheit verschwinden ... Wer ist da erst mal naheliegender als der, den du deinen Freund nennst?! - Schreib ihm einen Brief, eine Email ... Oder taste dich gaaanz langsam heran, indem du erst mal sagst "du, ich muss da über etwas mit dir reden, aber ich kann es jetzt im Moment noch nicht - keine Angst, es geht nicht um uns beide" (um dich selber aber schon mal unter Zugzwang zu setzen). Oder oder ...

Was die Tagesklinik betrifft, möchte ich grau zupflichten: es geht primär um DEIN Leben, Anso. Um DEIN Leben, und dass DU darin glücklich wirst - NUR darum. Wenn jemand in so einer Klinik arbeitet, hat er hoffentlich Verständnis für die Gründe, warum Menschen in diese Klinik kommen. Also wird er auch Verständnis haben für dich ...

Und: ich bin zwar kein Pferdemensch, aber ich kann deine Schilderungen gut verstehen - und ich freu mich mit dir, dass du diesen Ruhepol hast! Mein Ruhepol sind Musikinstrumente und ein unglaublich lieber Kater ;-)

Melde dich mal wieder!

LG, missing
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Anso

  • Gast
Re: einfach mal mitteilen
« Antwort #5 am: 23 Februar 2013, 11:54:31 »

Erstmal vielen lieben Dank für eure Antworten! (:
Das bedeutet mir wirklich sehr viel.

@ grau: Das Verhältnis zu der Mutter meines Freundes ist eigentlich recht gut.
Wir verstehen uns, aber sonst habe ich nicht sonderlich viel Kontakt zu ihr.

Es gibt, soweit ich weiß, noch eine weiter weg. Jedoch soll diese nicht so gut sein, wie die, wo ich eigentlich gern hin wollte.

Natürlich drücke ich mein Pferd von dir und vielen Dank!


@ Wohlstandspudel: also ist es nicht unnormal, dass viele von denen oft nicht mal ans Telefon gehen, ja?
Das beruhigt mich! Ich werde es auf jeden Fall weiter versuchen.
Habe Nummern von Therapeuten und Psychatern, werde alle anrufen und ein wenig nerven, bis sie ans Telefon gehen und mich dann auf die Warteliste setzen lassen.

>In dem Krankenhaus, in der sich die Tagesklinik befindet, gibt es auch ambulante Hilfe, meinst du, dass ich dort etwas bewirken könnte, wenn ich dort einfach hinfahre? Oder können die einen wieder nach Hause schicken, ohne, dass man etwas erreicht hat? (entschuldigung, aber ich habe damit noch nicht allzu viel Erfahrung)<


@missing: Ja, ich könnte mich selber dafür hauen, dass ich einfach nicht mit ihm sprechen kann. Obwohl ich weiß, dass er ein liebevoller und verständnissvoller Mensch ist, der für mich sein letztes Hemd geben würde.
Ich kann selber nicht genau erkennen, warum ich es nicht kann. Es könnte sein, dass es an der fehlenden "Übung/Erfahrung" mit sowas liegt, oder dass er es die Angst ist, dass er es vielleicht doch nicht verstehen könnte. Was ich jedoch ausschließen kann, ist, dass ich ihn verlieren würde. Dafür haben wir schon zu viel gemeinsam durchgemacht, was uns einfach zusammen geschweißt hat.

Er ist sehr süß, wenn er weiß, dass ich ihm etwas sagen will, es aber nicht kann. Nimmt mich in den Arm und ermutigt mich. Droht mir mit Kitzelstrafen, wenn ich es nicht sage. Oft ist es aber schon zu spät, sobald er mich in den Arm nimmt, fange ich an zu weinen und kann mich erst wieder beruhigen, wenn ich allein bin und mich zurück gezogen habe.

Danke für die Idee mit dem Brief und der E-Mail. Ich denke, ich werde ihm einen Brief schreiben, sodass ich überhaupt zusammenfassend weiß, was ich sagen möchte. Sodass ich nachher nicht vor ihm sitze und nur noch stottere (das kenne ich nämlich schon).

Ich hoffe, einfach, dass die Mutter meines Freundes privates und berufliches trennen kann.

Das die Musik für dich das, was mein Pferd für mich ist, kann ich sehr, sehr gut nachvollziehen!




Ich schlafe wieder besser. Wie es dazu kam? Ich habe während meiner Kindheit schon immer Hörspiele gehört, erst waren es Bibi und Tina (etc.), später dann die drei Fragezeichen. Jetzt höre ich jeden Abend eine der vielen vorhandenen Folgen von den drei Fragezeichen und konzentriere mich nur darauf. Meine Alpträume sind zwar nicht weg, aber die Hörspiele helfen ungemein. Es lenkt ab. Keine Ideallösung, aber zumindest ein wenig mehr Schlaf.
Erst fand es mein Freund seltsam, als ich ihm jedoch erklärte, dass ich dann besser schlafe, fand er es in Ordnung und wir schlafen Arm in Arm jeden Abend zu diesen Hörspielen ein.
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Anso

  • Gast
Re: einfach mal mitteilen
« Antwort #6 am: 23 Februar 2013, 14:16:21 »

Vielen Dank für die schnelle Antwort! :)

Gut, dann rufe ich weiterhin an und bleibe hartnäckig! Danke!
Gespeichert
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