Eine wahre Maikäfergeschichte
Aus Bodenheimer, Materialien zur Geschichte Entomologie bis Linné 1928
Wir schreiben das Jahr 1497. Ein Jahr in dem die Maikäfer in unglaublichen Massen auftraten und alles was Blätter hatte kahl fraßen. Die Angst einer Hungersnot war gross und in ihrer Verzweiflung hatte die Stadt Bern Bittprozessionen gegen die Käfer unternommen. Aber weder Weihwasser noch Gebete hatten die Tiere von ihrer Fresslust abhalten können und deshalb hat der Pfarrer der Gemeinde den Bischof von Lausanne, Benoit de Montferrand in einem Brief um Erlaubnis gebeten einen kanonischen Prozess gegen die fressgierigen Insekten zu führen.
Mit Glockengeläut und in feierlichster Robe verlas der Priester mit resoluter Stimme das bischöfliche Ausweisungsdekret:
„Im Namen meines gnädigen Herrn des Bischofs in Lausanne und Kraft der hochlöblichen Dreieinigkeit, durch das Verdienst des Heilands Jesu Christi und aufgrund des Gehorsams, den ihr der heiligen Kirche schuldet, bitte ich euch Maikäfer allesamt und jeden einzelnen, im Besonderen von allen Orten zu weichen, an denen Nahrung für Menschen und Vieh wächst und keimt!“
Sechs Tage lang gab die bischöfliche Anordnung den Maikäfern Zeit sich mit ihren Engerlingen davon zu machen – widrigenfalls sie sich vor dem Richterstuhl des hochwürdigen Herrn in Lausanne zu verantworten hätten.
Natürlich leisteten die unverschämten Maikäfer der Anordnung keine Folge, weder verließen sie fristgerecht das Gebiet um Bern, noch erschienen sie vor dem geistlichen Gericht in Lausanne. Deswegen wurde über sie in Abwesenheit verhandelt. Sie hatten sogar das Recht sich einen Anwalt zu nehmen, aber keiner stellte sich für ein solch makabres Schauspiel zur Verfügung. Darum sah sich das geistliche Gericht genötigt den Prozess ohne einen Advocatus diaboli durchzuführen, der zum Schein die Interessen der Insekten hätte vertreten sollen.
Die Verhandlung begann wie bei allen anderen Prozessen auch. Es wurden Zeugen vernommen die über das gemeingefährliche Treiben der Insekten berichteten und da kein Verteidiger der Tiere das Wort ergriff, verkündete der Bischof folgenden Bannfluch:
„Im Namen der göttlichen Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Verdamme ich, Bischof Benoit, euch verruchte Untiere, welche Maikäfer genannt und nicht einmal zu den Tieren gerechnet werden können!“
Alle segnend verließ der Bischof den Gerichtssaal, er hatte sein Möglichstes getan.
Solche und ähnliche Tierprozesse wurden nicht nur von geistlichen, sondern auch von weltlichen Gerichten in vielen Ländern abgehalten, sie offenbaren die Ohnmacht und Ratlosigkeit die damals gegenüber den Pflanzenschädlingen herrschten die ganze Ernten vernichteten und dadurch Hungersnöte auslösten.
LG
Epines