Liebe Sommerwind!
Das Umfeld KANN helfen, oh ja. Und es gibt auch genug, die das durchaus WOLLEN.
Zum Partner: Meiner kann das auch nicht nachvollziehen (Gott sei Dank!). Aber er kann mittragen. Und das tut er, seitdem er ein Bild hat, wie ich mich manchmal fühle. Und ein Stoppwort. Das funktioniert. Zu beidem schreib ich noch was, wenn's recht ist.
Bild: Ein kilometerlanger Bericht über alles, was Du erlebst hast, kann erschlagend wirken. Ein Bild reicht aber, um zu beschreiben, wie Du Dich fühlst. Ich hab meinem Liebsten gesagt:
Stell Dir vor, da ist ein laaaaaanger Gang. Keine Tür. Fenster links und rechts. Auf dem Boden von Zeit zu Zeit Riesenlöcher. Mein Leben ist ein Gehen durch diesen Gang. Die Fenster haben Rolläden. Manchmal kommt eine Wegstrecke, da sind alle Rolläden runter, es ist finster, ich muss mich langsam vortasten, um auf dem unebenen Boden nicht in diese Löcher zu fallen. Manchmal sind einige Rolläden ein wenig hochgezogen, manchmal sind Fenster auch ganz offen und hell. Dann seh ich, wo ich hintreten muss. Manchmal gibt es auch einen Abschnitt, da ist gar kein Loch im Boden. Und so geht es immer weiter - mal dunkel, mal ganz finster, mal dämmrig, mal hell. Mal muss ich über Löcher klettern, mal fall ich rein und muss mich wieder rausarbeiten, mal ist kein Loch in Sicht. Da der Gang immer wieder Biegungen hat, kann ich auch nicht immer vorausschauen. Die Rolläden an den Fenstern kann ich manchmal selbst hochziehen, wenn ich die Strippen erwische. Aber manchmal komm ich auch einfach nicht dran. So fühl ich mich.
Seitdem ich ihm dieses Bild an die Hand gegeben habe, kann mein Liebster mich fragen und tut es auch manchmal: Ist wieder finster? Kann ich Dir über so ein Loch hinweg helfen? Kann ich für Dich an nem Rolladen zupfen? Wir bleiben in dem Bild. Für ihn bedeutet das nämlich, dass er nicht nachfühlen können muss, wie es mir geht, sondern dass er es einfach akzeptieren kann, wenn für mich gerade in diesem Moment genau dieser Gangabschnitt 'dran' ist. Nachfühlen kann er es nicht. Aber mitgehen kann er. Und anders als bei minutiösen Berichten über hunderttausend schreckliche Erlebnisse muss er sich nicht überlasten mit Ereignissen, die er nicht ändern kann, weil sie in der Vergangenheit liegen. Das Bild reicht, um Transparenz zu schaffen und Verstehen zu ermöglichen. Über konkretes vergangenes Erleben reden wir nur 'häppchenweise', wenn's dran ist und er z.B. nach bestimmten Dingen fragt.
Und zweitens: Das Stoppwort. Wenn Dich ein depressiver Schub erwischt, kann alles, was der andere tut, möglicherweise nur falsch sein, sei es noch so lieb gemeint. Und manchmal kann der andere das auch nicht erkennen, wie akut es gerade ist. Damit ich nicht in die Situation komme, lange erklären zu müssen, wo ich gerade gar nichts erklären kann, haben wir ein Signalwort vereinbart. Oder Stoppwort. Wenn so ein Punkt kommt, wo ich einfach nicht mehr kann, sag ich schlicht das vereinbarte Signalwort, und mein Partner weiß Bescheid: Achtung, im Moment hat sie nicht in der Hand, was sie tut oder nicht, wie sie reagiert oder was sie sagt. Wir haben vereinbart: Fällt das Signalwort, geht mein Liebster auf 'Standby', lässt mich in Ruhe, ist aber im Hintergrund verlässlich da. Mit dem Signalwort ist er nicht mehr hilflos, was er denn nun um Himmels willen tun soll oder wo er die Zauberworte findet, die alles wieder gut machen. Das entlastet ihn - und mich, weil ich mich nicht mehr lange rechtfertigen muss.
Liebe Sommerwind, vielleicht hilft es Dir ja :)
Alles Gute,
Christa