Eigentlich nichts so wirklich. Ich befinde mich derzeit in einer Lebensphase, die ich schon kenne und mehrfach durchlebt habe. Aber alleine damit sein, möchte ich auch nicht. Mit meinem Umfeld möchte ich nicht sprechen, sonst hätte ich einen Stempel, der nicht so einfach weg zu bekommen wäre. Außerdem: wie sollte ich so ein Gespräch beginnen?
Hallo. Ich bin 23 Jahre alt, befinde ich 6 Monate vor meinem Berufsabschluss und blicke demnach vor einer geregelten und positiven Zukunft. Ich lebe mit meinem Partner seit fast 2 Jahren zusammen und wir planen die nächsten Schritte zwar vage, aber mit einem guten Gefühl. Ich verdiene mir neben der Ausbildung mein Geld selbst, habe ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter und ausreichend Interessen, die mir Freude bereiten.
Und dann kam vor ein paar Monaten das große ABER.
Seit ich 13 Jahre alt war, habe ich mit Depressionen und emotionaler Instabilität zu kämpfen. Mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Ich war mehrere Jahre in Therapie und bis 2016 in einer Selbsthilfegruppe. Im Sommer 2016 fand ich, dass ich diese nicht mehr bräuchte. Ich war glücklich und hatte das Gefühl, mit Episoden meiner Depression bestens allein zurecht zu kommen. Seit etwa einem halben Jahr hält es mich jedoch wieder fest. Und mein Problem ist hierbei, dass so viele Verhaltensmuster zusammenspielen, dass ich nicht weiß wie ich mich einordnen sollte.
Ich bin extrem unausgeglichen. Damit beschreibe ich keine Abwesenheit eines Bedürfnisses oder Ähnlichem. Ich erfahre an den meisten Tagen nur zwei Gefühlslagen, extremes Glück, oder extreme Niedergeschlagenheit. Wenn ich mich im Zustand der Euphorie befinde, ist das zwar für meinen Arbeitsalltag okay, macht mir persönlich jedoch eine Scheißangst. Ich kenne mich selbst mittlerweile gut genug um zu wissen, dass ich nach einigen Stunden wieder in ein Loch fallen werde. Sobald ich an diesem Punkt stehe, habe ich Panikgefühle und Weinanfälle. Oft beginnen diese auf dem Weg von Job 1 zu Job 2. Wenn ich Ruhe habe und gezwungen bin, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Mittlerweile habe ich Panik, sobald ein freier Tag in Aussicht steht. Solang ich kann, nehme ich mir sämtliche Arbeit, die ich bekommen kann und bin zum teil von 5 bis 23 Uhr beruflich gebunden. Unter diesem Pensum leidet natürlich die gemeinsame Zeit in der Beziehung.
Ich habe auch Probleme mit dem Essen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe es zu essen. Gutes Essen zeichnet für mich eine gewisse Lebensqualität aus. Jedoch, nachdem ich im letzten Jahr einiges an Gewicht verloren habe, beschäftige ich mich zwanghaft mit dem Gedanken des Zunehmens. Wenn ich in Gesellschaft esse, ist alles gut. Doch wenn ich mit mir selbst zuhause esse, fühle ich mich danach schrecklich. Das führt vermehrt dazu, dass ich mich nach den Mahlzeiten übergebe oder Sport treibe. Ich habe so oft versucht dies zu unterlassen, doch kann ich mich ohne diese Maßnahmen nicht mehr selbst ansehen. Mehrmals täglich checke ich mein Spiegelbild, um mich selbst auf Gewichtszunahme zu kontrollieren.
Als letztes Thema beschäftigt mich die Krankheit meines Vaters. Er ist seit Jahren alkoholkrank und nun sind die Folgen so drastisch, dass es lebensbedrohlich ist. Auch darüber kann ich mit niemandem (Ausnahme hierbei: mein Freund) sprechen, ohne mich entweder extrem weinerlich oder extrem kaltherzig anzuhören. Ich wechsle bei diesem Thema zwischen Verdrängung, hysterischer Depression und "Wird schon".
Mich nervt meine eigene Gefühlswelt. Zu einem Arzt zu gehen ist keine Option, da ich schlichtweg keine Zeit habe um krank zu sein. In den kommenden Monaten stehen Prüfungen, Facharbeiten und Bewerbungsgespräche an. Und nicht eine Sache davon will ich verpassen, da ich in den letzten 2,5 Jahren so viel Zeit in meine berufliche Selbstfindung gesteckt habe. So kurz vor dem Ziel geht das einfach nicht.
Ich weiß, dass es andere mit ähnlichen Spektren gibt und ich hoffe, sie hier zu finden. Und wenn nicht, hab mich zumindest meine Situation niedergeschrieben. Und das fühlt sich fast an, wie darüber zu sprechen. Vielleicht ist es eine Phase, vielleicht nicht. Fakt ist, ich will das nicht mehr. Und mich nervt außerdem, dass ich genug Fälle von Leuten kenne, denen es WIRKLICH schlecht geht -während ich mich in meiner Erste-Welt-Probleme Situation umher wälze.