Es wird wieder ruhig in der Unterblätterhaufenhöhle. Nicht, dass es hier jemals laut wäre. Aber spät nachts, da ist es am Schönsten hier. Ich habe gelesen, die Depressionen wären da am Schlimmsten. Das mag ich gar nicht glauben. Es stimmt, morgens ist es schlimmer als abends. Aber nachts empfinde ich es nicht so. Aber ich habe ja auch eine andere Zeitrechnung. Das Licht des Tages versuche ich auszublenden und wenn es geht wegzuschlafen. Hier in der Höhle ist das auch egal. Jede Tageszeit ist ok, niemand hält sich daran. Wozu auch.
Mit einem Lächeln hab ich gelesen, dass es hier auch Menschen gibt, die noch ihren Alltag meistern können. Das ist gut, sehr gut. Er ist es, der uns antreibt, der uns nicht verzweifeln lässt. Denen drücke ich die Daumen und hoffe, dass es lange so weiter geht. Ich hab keinen mehr. Und er fehlt mir auch nicht. Man beginnt ein neues Leben hier in der Unterblätterhaufenhöhle. Ein ganz anderes Leben als das, was man jahrzehntelang gelebt hatte. Auch ich hatte einen "normalen" Arbeitstag von ca. 12 Stunden und zu Hause hab ich an meinem PC weiter gearbeitet. Ja, so verrückt kann man tatsächlich sein. Und das im öffentlichen Dienst. Das glaubt kein Mensch. Aber wir wollten die Firma neu gestalten, zukunftsfähig machen. Neue Konzepte, neues Denken. Ja, ich hatte damals noch Visionen. Immerhin, wir haben was bewegt. Natürlich wurden wir dafür nicht belohnt. Ganz im Gegenteil. Die Betonkopffraktion hat uns wenige ziemlich fertig gemacht. Wir haben zwar gewonnen, aber um welchen Preis. Er war zu hoch. Der Geschäftsführer wurde abgewählt vom Aufsichtsrat, ich wurde versetzt in eine unsägliche Abteilung und die beiden anderen haben von sich aus gekündigt. Das war der Dank für jahrelange Arbeit, zum großen Teil unbezahlt.
Aber das ist Vergangenheit. Eigentlich dachte ich, ich hätte dieses Kapitel meines Lebens abgeschlossen, genauso wie meine geschiedene Ehe, genauso wie vieles anderes. Aber es geht nicht. Es ist immer noch da irgendwie. Manchmal denke ich, was hab ich ein Glück, dass es hinter mir liegt. Und manchmal vermisse ich es. Dann krieche ich unter einen Blätterhaufen und versuche meine Gedanken anders auszurichten. Was natürlich nicht geht. Die Vergangenheit ist schon ein schweres Pfund, man kann sie nicht verdrängen und leider sind die guten Dinge des Lebens wohl verschütt gegangen. Was im Rückblick bleibt ist eher nicht so gut. Ich weiß, es ist der Kopf. Nur Tot, Ärger, Streit, Kampf, Verzicht und dieser schwindsuchtartige Verlust der Kraft, sich dagegen zu wehren.
Es sind natürlich noch viel mehr Faktoren als diese, aber manches kann ich nicht aufschreiben. Die bleiben verschlossen in meinem Kopf. Sie sind das Kino in meinem Schlaf. Immer wieder und sie machen mich kaputt. Man kann sich nicht wehren. Und oft denke ich mir, dass es eine gerechte Strafe ist. Also muss ich sie annehmen und akzeptieren.
Das Problem ist, wie kann man damit umgehen, außerhalb der Unterblätterhaufenhöhle, die nur ein zeitlich begrenztes Refugium sein kann. Darauf habe ich keine Antwort. Die Realität überfordert mich zunehmend, ohne Hilfe schaffe ich nicht mehr sehr viel. Aber das muss ich auch nicht. Ich bin raus. Lebe hier in der Unterblätterhaufenhöhle und verstecke mich vor der Welt da oben. Und doch weiß ich, dass sie mich einholen und vernichten wird.
Ja, so ist das hier in der Unterblätterhaufenhöhle
lg
Hobo