Gästebereich (Schreiben ist ohne Registrierung möglich) > Gästebereich

Drang- sich selbst zerstören zu wollen

(1/15) > >>

why:
Hallo,
mir geht es seit ein paar Wochen ziemlich mies.
Ich hatte schon einige suizidale Phasen, aber diesmal ist es anders, in mir ist
ein regelrechter Drang, dass ich mich zerstöre und das geht weit über das SVV hinaus.
Ich bin über mich selbst irritiert und verstört und weiß nicht, was das zu bedeuten hat.
Was passiert da mit mir?
why

Ina:
 
Hallo why,

was da mit oder in Dir passiert, kann ich Dir nicht sagen, aber eines ist offensichtlich: Du brauchst Hilfe. Was Du hier beschreibst, ist für mich jedenfalls ein klares Zeichen dafür, dass Handlungsbedarf besteht.

Du sagst, Dein eigenes Verhalten irritiere Dich und Du wüsstest nicht, was es zu bedeuten habe. Ich kenne Dich nicht und habe daher keine Antwort darauf, aber ich kann Dir erzählen, wie es bei mir war. Vielleicht gibt es ja Parallelen?

Es liegt mehr als zehn Jahre zurück, aber ich erinnere mich noch gut daran, dass auch ich den Drang hatte, mich selbst zu zerstören. Dieser Drang war nicht mit Suizidgedanken gleichzusetzen. Ich habe mich selbst regelrecht gehasst, konnte mich – so, wie ich damals war – und mein Leben kaum ertragen und kam nicht mit mir, meiner Vergangenheit und letztlich auch nicht mit der Gegenwart klar. Meiner Situation musste unbedingt endlich ein Ende gesetzt werden, aber anstatt meine Lebensumstände und meine Lebensweise zu verändern, versuchte ich, mich selbst zu zerstören. Aus Verzweiflung, aus Wut und vor allem, weil ich mich aufgrund meiner Depression und meiner Ängste völlig hilflos und machtlos fühlte. Wenn man schon richtig tief drinsteckt, ist destruktives Verhalten leider einfacher, als große Veränderungen in seinem Leben zu schaffen.

Ich musste erst einmal begreifen, dass ich nicht „schlecht“ bin, obwohl mir dies jahrelang von anderen suggeriert und eingeredet wurde. Ich musste lernen, mich mit meinem Schmerz und meinen Schwächen anzunehmen, nicht mehr böse auf mich zu sein und wohlwollend mit mir umzugehen. Und ich musste einsehen, dass es mich nicht weiterbringt, mir selbst zu schaden – und dass ich mir mit diesem Verhalten selbst im Wege stehe. Es hat seine Zeit gebraucht, aber ich habe es geschafft, Nein zu meinem Selbstzerstörungsdrang zu sagen und den Großteil der damit verknüpften Verhaltensweisen aus meinem Leben zu verbannen. Dafür habe ich auch Unterstützung von außen gebraucht – und das möchte ich Dir ebenfalls ans Herz legen: Wenn Du bereits in therapeutischer Behandlung bist, mach es dort ganz offen zum Thema. Wenn das nicht der Fall ist, kümmere Dich um einen Therapieplatz! Um zu lernen, Dich selbst besser zu verstehen und etwas an Deinem Verhalten und in Deinem Leben zu verändern, ist das sicher ein guter, erster Schritt. Vielleicht sind auch andere Dinge hilfreich für Dich. Was mir selbst am meisten geholfen hat, war die Liebe sowie der Austausch mit Menschen, die mich verstehen, es gut mit mir meinen, sich aber auch nicht scheuen, mir ihre ehrliche Meinung zu sagen und mir auf liebevolle Weise den Spiegel vorzuhalten.


Alles Liebe
Ina
 

Violetta:
Hallo Why,
hinter dem Drang sich selber zu zerstören, verbergen sich manchmal versteckte und komplexe Probleme für deren Lösung man einen Profi braucht. Hier möchte ich mich Ina Divas Beitrag anschließen, dass du dir Hilfe suchst.
Andererseits leben wir durch die Corona-Pandemie seit zwei Jahren und einer unsicheren und angespannten Situation, die besonders durch die Kontaktbeschränkungen auf sehr grundlegende Weise äußerst stressig ist. Kurz bevor ich heute Morgen zur Arbeit aufbrechen wollte, hatte ich den Wunsch alles kurz und klein zu schlagen. Es war eine Reaktion auf die ganzen Unsicherheiten und Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie. Vor einigen Jahren hätte ich diese Aggression noch auf mich selber gelenkt, weil man mir eingetrichtert hatte, ich dürfe weder aggressiv noch wütend sein. Und etwas kaputt machen war ganz und gar verboten. Also konnte ich Wut und Aggression nur gegen mich richten. Dann habe ich gelernt, dass ich ein Recht auch auf meine negativen Gefühle habe. Wenn ich erkenne woher meine Wut kommt, kann ich manchmal die Ursache beseitigen. Aber häufig kann ich nichts tun oder ändern. Dann muss die Wut umgelenkt werden oder eine andere Form bekommen, damit sie mir nicht schadet.
Es ist nicht klug, das Auto des Nachbarn zu zertrümmern, oder die eigene Wohnungseinrichtung zu zerschlagen. Aber: Liegt im Keller noch Zeug, dass zum Wertstoffhof soll? Das darf kurz und klein geschlagen werden. Dann passt es vielleicht sogar in die Mülltonne. Hat man irgendwelche alten Zeitungen und Zeitschriften rumliegen? Die dürfen zerrissen und zerfetzt werden, bis die Schnipsel fliegen. Manchmal hilft es einen imaginären Feind zu bekämpfen und seine ganze Wut und Anspannung daran auszulassen. Meine „Lieblingsfeinde“ sind Schmutz und Staub auf dem Hof, die ich mit dem Besen bekämpfe und im Herbst das Laub, dem ich mit dem Rechen den Garaus manche.

why:
Vielen Dank für eure Rückmeldungen.
@InaDiva: deine Situation vor 10 Jahren trifft so meine Situation heute ziemlich gut. Ich bin in Therapie und habe auch eine Ärztin. Beide kennen mich recht gut und wenn ich das richtig deute, auch etwas überrascht über dieses Denken.
Meine Ärztin hat mich jetzt krank geschrieben, denn ich muss aus der Situation meiner Arbeit raus, das hat aber zu Folge, dass meine Wiedereingliederung abgebrochen ist. Und schon geht das Gedankenkarusell rund.
Mir fehlt zur Zeit die Fähigkeit, klare Gedanken zu formulieren, in mir herrscht Chaos im Kopf, ich weiß
nicht mehr weiter
why

Ponyhof:
Liebe why

keine Ahnung ob das stimmt, was verstehe ich schließlich von Psychologie?
Aber ich habe den Eindruck, dass dieser Drang sich zu schaden und zu zerstören "eigentlich" etwas sehr wichtiges ist. Nämlich: Mir haben schon diverse Ärzte erklärt, dass man zum Aufarbeiten von Traumata Widerstände überwinden muss. Teilweise sehr sehr starke Widerstände. DAS sei das Problem. Dass man sich sträubt und fürchtet und nichts weniger will als das Problem angehen. Auf keinen Fall!
ICH habe es so gemacht (und ich habe den völlig subjektiven Eindruck, dass es tatsächlich funktioniert - so und nicht anders), dass ich die ganze Selbstzerstörungsenergie in diese Richtung gelenkt habe. (Schließlich war der Widerstand ja auch ein Teil von mir). Feuer frei und
*Peng* fiel der Widerstand und die Therapie machte gute Fortschritte.
Ich habe keine Ahnung, ob das pures Glück war bei mir, oder ob die Natur das so eingerichtet hat, um dem Menschen ein Mittel zu geben auch sehr starte Widerstände zu überwinden.
Ich kann nur sagen, dass - als die schlimmsten Traumata verarbeitet waren - dieser akute Selbstzerstörungsdrang nachließ. So als hätte ich ihn dann nicht mehr benötigt. Aufgabe erfüllt.
Aber wie gesagt:
Das ist nichts weiter als meine ganz persönliche Erfahrung. Ahnung habe ich keine.

Alles Gute
Ponyhof

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Antwort

Zur normalen Ansicht wechseln