Hallo Michi, Crying Angel,
ich hab für meine Antwort ein paar Tage verstreichen lassen, weil ich weiß, wie groß der Schock ist, wenn ein geliebter Mensch von einem geht- und wenn er noch so alt ist. Und was da alles so auf einen zukommt.
Du hättest Dein Fragezeichen ruhig weglassen können, es ist besser so. Grade heute, da das Leiden und Sterben alter Menschen aufgrund der medizinischen Möglichkeiten oft unnötig verlängert wird, ist das "Einschlafen" geradezu eine Gnade.
Der Todestag meines Vaters hat sich vor wenigen Tagen zum drittenmal gejährt, da besteht dann schon ein gewisser Abstand. Siechtum war seine schlimmste Angst, und sein schneller Tod sozusagen wunschgemäß, auch wenn er nach eigenen Worten "das Sterben noch nicht vorhatte", aber nun, den Zeitpunkt kann man sich nicht aussuchen.
Ich hatte zudem die Vergleichsmöglichkeit mit dem schweren Tod meiner Mutter eineinhalb Jahre vor dem seinen, die total verkrebst, mit Schlaganfall und offenem Herzinfarkt daniederlag und doch recht hart hat kämpfen müssen, bis sie endlich in´s erlösende Koma fallen durfte und letztendlich friedlich sterben.
Dennoch empfand ich das Sterben meiner Eltern als weitestgehend natürlich, da beide hochbetagt waren und ihr Leben gelebt hatten. Alles in allem war es wie ein "Heimgehen".
Als vor gut einem Vierteljahrhundert mein jüngerer Bruder mit 21 Jahren beim Bergsteigen tödlich abstürzte, war die Sachlage eine ganz andere. Daran hatte ich mindestens zehn Jahre zu knabbern, weil einem das "Warum" nicht aus dem Kopf will und man sich immer wieder bei dem Gedanken ertappt, wie alt er jetzt wäre und wie sein Leben wohl aussehen würde.
Es dauert, bis man sowas als gegeben hinnehmen kann.
Je älter man wird, desto mehr Menschen sterben um einen her, Verwandte, Freunde, Bekannte, die einen zu jung, die andern alt genug, und irgendwann taucht unweigerlich die Frage auf, weshalb die einen vorzeitig gehen mussten und du noch immer hier bist. Fast wie ein schlechtes Gewissen, und sei es noch so absurd, dagegen kann man gar nichts machen.
Mein Vater hat als Sanitätsfahrer im Russlandkrieg entsetzliche und grauenvolle Dinge erlebt, am meisten aber quälte ihn bis zuletzt die Frage, weshalb all die unzähligen "armen Teufel" um ihn her haben sterben müssen und er überlebt hat. Damit konnte er sein Lebtag nicht fertig werden.
Heute kann ich ihn verstehen. Schon seltsam, dieses Leben.
Ich wünsch Dir ein schönes Wochenende
Sintram