Wieder mal die Hälfte vergessen...
Das ist es jedenfalls, wovon ich mich abwenden möchte. Ich möchte das richtige, wahre Ergebnis sehen, wenn ich die Waage betrachte. Eine wichtige Voraussetzung, damit das gelingt, ist, denke ich, bereits gegeben: Auch wenn es sich hin und wieder so anfühlt (!), als wäre "alles" schlecht, weiß (!) ich immerhin schon mal, dass das nicht wirklich der Fall ist. Ich glaube, das ist es bei den wenigsten. Natürlich gibt es vereinzelte Tage oder Phasen, an / in denen so ziemlich alles schief läuft, was schief laufen kann. Das ist aber seltenst ein Dauerzustand, nur lässt man während solcher Phasen – in all seiner Melancholie und seinem Schmerz – leider das Positive außer Acht, ob man will oder nicht. Dann wirkt natürlich ALLES dunkel, trist und grau (oder schwarz).
Und Du hast recht, Kleo: Diese Momente des Glücks – die es höchstwahrscheinlich bei jedem von uns gibt, seien sie auch noch so klein und unscheinbar und eben nicht immer als solche wahrnehmbar – sind es, die uns zeigen, dass das Leben wertvoll ist. Und sie sind es auch, die uns nicht gänzlich die Hoffnung und Zuversicht verlieren lassen. Ich halte es für sehr wichtig, sich das immer mal wieder bewusst zu machen: Dass eben NICHT alles schlecht ist, sondern dass es durchaus auch noch gute Momente gibt. Denn wie soll man sonst den Mut aufrechterhalten, weiterzugehen? Und wie sollte man in diesem Weitergehen sonst einen Sinn erkennen? Um überhaupt weitergehen zu wollen (!), braucht man einen Sinn, zumindest ein kleines Ziel – aber ohne die Hoffnung, dass "es" besser wird, ist es schwierig, sich eines zu setzen. Hier gilt es also, sehr wachsam zu sein, um Glück, Freude oder andere positive Gefühle als das wahrzunehmen, was sie sind – und vorher noch: sich ihnen nicht zu verschließen! Menschen mit Depressionen haben ja leider nicht selten Schwierigkeiten damit, sich so etwas zuzugestehen bzw. sich selbst zu "erlauben", sich trotz allem auch mal gut zu fühlen, Dinge und Momente zu genießen oder aber sich etwas Gutes zu tun und in Eigeninitiative für schöne, wohltuende Erlebnisse zu sorgen.
Das ist der Grund, warum ich diesen Thread eröffnet habe: Ich brauche etwas, woran ich mich festhalten kann! Obwohl... Eigentlich lautet die Frage nicht: "Woran kann ich mich festhalten?", sondern: "WIE kann ich mich daran festhalten?" – schließlich gibt es ja immer wieder schöne Momente und ich muss nicht erst danach suchen bzw. welche kreieren (andererseits kann man natürlich nicht genug davon haben – umso mehr, desto besser!).
Ich finde Deinen Gedanken sehr wichtig und gut:
Manchmal hilft es nicht zu denken sondern wahrzunehmen.
Einfach die Augen öffnen, seine Umgebung wahrnehmen, die Menschen, Gerüche, Eindrücke.
Ein aufmerksamer, klarer Blick auf den Moment – Achtsamkeit für das, was gerade ist (oder hinter einem liegt) – ohne es zu "zerdenken" oder es bewerten zu wollen – ja, das hilft definitiv dabei, im Jetzt zu bleiben und der Depression (wenigstens für einen gewissen Zeitraum) die Macht zu entziehen, die Kontrolle über unsere Gefühls- und Gedankenwelt zu übernehmen.
Wäre sie doch nur nicht so stark – und das Nicht-Denken nicht so schwer!
Vorhin schrieb ich, dass ich bereits gelernt habe, mir Dinge bzw. Momente nicht mehr im Nachhinein schlechtzureden. Dem liegt zweifellos eine gewisse, erlernte Achtsamkeit für den Moment zugrunde. Ein Bewusstmachen des Erlebten, indem ich es noch einmal Revue passieren lasse – und wie anfangs beschrieben ein Festhalten dessen in schriftlicher Form, teils auch mit Hilfe von Fotos oder durch Gespräche darüber mit involvierten Personen, sofern es welche gab.
Meistens (zum Glück nicht immer) ist dieses Bewusstmachen und das (schriftliche) Festhalten aber nichts als ein ziemlich sachlicher Rückblick auf das Erlebte. Das damit verbundene positive Gefühl ist bis dahin oftmals schon vergangen – ich erinnere mich allenfalls daran...
"Nicht denken, sondern wahrnehmen", das klingt so gut – und ist doch so schwer! In aller Regel (aber auch hier: zum Glück nicht immer!) beginnen meine Gedanken wieder, sich zu drehen, sobald (oder kurz nachdem) es um mich herum still geworden ist und vermeintliche (!) Ruhe einkehrt. Oder – wenn ich es doch mal geschafft habe, nach schönen Momenten oder einem besonderen Erlebnis innezuhalten und das gute Gefühl eine Weile zu halten – so unvermittelt, dass ich sie schlichtweg nicht mehr abwenden kann. Ich wüsste jedenfalls nicht, WiE. Wenn die negativen Gedanken und Ängste einsetzen, ist es im Grunde schon zu spät...
Ich weiß zwar noch nicht, ob es in der Umsetzung funktioniert, aber ich werde mir Deine Worte ("Manchmal hilft es nicht zu denken sondern wahrzunehmen. Einfach die Augen öffnen, seine Umgebung wahrnehmen, die Menschen, Gerüche, Eindrücke.") beim nächsten Mal ganz bestimmt in Erinnerung rufen! Danke dafür!