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Autor Thema: Schall und Wahn  (Gelesen 390 mal)

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Schall und Wahn
« am: 19 März 2010, 22:46:55 »

Wahnsinn ist das Blut, Normalität das Organ Haut. Durchschneidet man letztere, strömt Wahnsinn heraus. Das Blut beginnt die möglichst schnelle Verstopfung der nun offenen Stelle. Das macht der Körper von selbst. Um Körper zu sein, der lebt, braucht er seine spezielle Art von Geschlossenheit, von Umschlossenheit. Was, im Dunkeln, umschlossen wird, besteht physikalisch zu 2/3 aus Wasser. Wasser ist der Sinn.

Der Wahnsinn ist nur das Blut, nur ein Transportmittel, das sich immer zu bewegt, das den Wahnsinn verbreitet.

Setzt Wahnsinn ein?
Wann setzt Wahnsinn ein?

Vielleicht dann, wenn man sich ablenken will, dies aber nicht mehr schafft. Weil man bei allem, was man probiert, daran denken muss, dass man sich ablenken will. Weil man das pure, sozusagen Gegenstandslose, das nackte Warten nicht ertragen kann? Wenn man sich in einem Zeitstau befindet und seiner Gewalt im zunehmenden Masse ausgesetzt ist. Wenn man alle Anstrengungen unternimmt, die Zeit wieder in einen Strom hinein zu bewegen. Je mehr man allerdings dem Stau ausgesetzt ist, nichts mehr dagegen unternehmen kann, ist man sogar gewillt sich dem Stau auszusetzen. Schwimmen. Man zerfliesst in sich selbst, erfährt eine allseitige Ohnmacht, die so total ist, dass sie überhaupt kein Unterscheiden mehr möglich macht. Untergang.

Dann wird rot zu schwarz.

Einmal habe ich an meiner Wand eine Mücke erschlagen, die mich vorher gestochen hat. Ihre tote Reste auf der weisen Wand, ein schwarzer Fleck in Mückensilhouette, darum einem Rahmen in blutrot. Später habe ich versucht den Fleck wegzumachen, das schwarz war ganz leicht zu entfernen, nur das rot es wollte nicht gehen. Betrachtet man die Wand ganz genau, kann man jetzt immer noch sehen, einen dezenten hellroten Flecken erkennen. Er lässt sich nicht entfernen.

Erinnerungen verweilen auch immer.

Einmal habe ich gesehen wie er aus lauter Wut eine Scheibe zerschlagen hat, die in einen Türrahmen eingefasst war, dickes milchiges Glas. Dick gemacht damit es nicht zersplittert, keinen verletzt, es hat es zerstört, wie so vieles. Die Scherben haben in seiner Hand gesteckt, dem Unterarm, überall war dieses fliesende Rot, dass auf den Boden getropft ist. Der Wahnsinn ist nicht aus ihm rausgetropft, er hat nur infiziert, wie all das andere Böse. Das rot ist mir geblieben.

Wenn Antibiotika nicht wirken, tötet eine Infektion Gewebe, Körperteile müssen dann vielleicht amputiert werden, um das restliche Leben zu retten. Das geht nur mit einem chirurgischen Eingriff, der von Experten durchgeführt wird.

Einmal war ich selber ein Chirurg, ohne es zu wissen. Messer, Schere, Feuer, Licht, sind für kleine Kinder nichts, man sollte ihnen erst recht kein Skalpell in die Hand drücken. Damals als ich ein ungewollter Chirurg war, habe ich partiell Gefühle entfernt. Gefühle amputieren sich von selber, es schmerzt noch nicht einmal, man bemerkt es auch nicht direkt, denn das Leben will eben Überleben, denkt nicht daran, dass viel später diese Phantomschmerzen auftauschen.

Für Glieder gibt es Prothesen, die funktionieren, bei den Gefühlen nur ein Imitat. Es fehlt etwas, etwas das andere in ihren tiefsten Inneren spüren, da die eigene Welt einfach anders tickt. Gefühlsautist. Es existiert keine reale Verbindung zu der Welt, die hat man durchschnitten ohne es zu bemerken, zu wollen. Die Zeit vergeht weiter und Stück für Stück löst man sich mehr darin auf, selbst wenn man meint fest in der Welt zu stehen. Einer, der immer ein Stück daneben steht, nicht versteht. Schemen, die sich immer wiederholen, die normal erscheinen für lange Zeit. TIC-TAC, ein Countdown, der irgendwann endet. Die Welt endet, die die man sich selbst gebastelt hat, es ist eine schöne Welt solange bis der Klebstoff morbide wird und einfach zerbröckelt, dann fällt alles auseinander.

Dann ist die Welt in ein rot getaucht. Das Rot hat diese magische Anziehungskraft. Wenn das rot entlang des Handgelenk auf den Boden tropft. Rot ist eine so lebende Farbe, sie pulsiert. Bildet am Boden eine kleine Pfütze, die langsam zu einem Teich wird, der sich zu einem See ausweitet. Einen See auf dem man segeln kann, weit weg von all dem. Bis der Wind stoppt, einfach aus den Segeln genommen wird und man wieder in das Schwarz gezerrt wird. Ich vermisse das Treiben und muss daran denken. Ich lächele, vielleicht irgendwann kann ich doch ein Pirat sein, der kapert.

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