Hallo Anonym
Habe mir lange überlegt, ob ich dazu etwas schreiben soll, denn ich gehöre eigentlich zu jenen Personen die still leiden, ich hätte niemals gejammert, auch weil ich nicht gewollt hätte, dass jemand weiss das es mir nicht gut geht.
Ich werde im Chat selten bis nie unfreundlich behandelt und wenn, dann spreche ich es an.
Im RL begegnen mir jedoch viele Menschen die über ihre neusten Leiden, Krankheiten, oder Operationen berichten und ich habe mich oft gefragt, warum sie mir nicht erzählen, dass in ihrem Garten noch die Rosen blühen, oder ihnen am Morgen ein Fuchs begegnet ist, oder dass sie im Supermarkt eine Kaffeeaktion entdeckt haben.
Mit einer Krankheit erhält man eine Wichtigkeit die man sonst im Leben nicht hat. Ich rede nun nicht nur von psychischen Erkrankungen, denn die verschweigt man ja oft lieber, weil man sonst den Stempel "verrückt" aufgedrückt bekommt.
Man erhält dadurch das man leidet und Schmerzen hat Zuwendung und Mitgefühl und dies tut gut. Wer sonst im Leben wenig davon bekommt nutzt oftmals auch unbewusst diese Möglichkeit von anderen bedauert, aber auch bewundert zu werden. Ich bin mit einer solchen Mutter aufgewachsen, deren Leiden immer im Zentrum standen, die von allen bedauert, aber auch für ihren Leidensweg, den sie "tapfer" beschritt, Bewunderung erhielt. Demnach hatte sie eine Krankheit nach der Anderen, dies ist bis heute so geblieben.
Es liegt vermutlich in der Erziehung. Viele Kinder werden emotional vernachlässigt, aber wenn sie krank sind, kümmert sich die Mutter um sie. Legt ihre Hand auf die Stirn, deckt sie zu, misst Fieber, bringt Tee, versucht das Kind zu verwöhnen u.s.w. Wenn ein Kleinkind umfällt und weint , wird es sofort in die Arme gerissen und getröstet.
Manche lernen also schon sehr früh, dass Krankheiten Zuwendungen und Mitgefühl bedeuten und somit gute Gefühle auslösen. Oftmals ist dies das einzige Mal, wo man als Kind überhaupt Zuwendungen der Mutter erhält.
Nun blicken wir nach Ghana, wo eine Bekannte bei verschiedenen Heilerinnen und Heilern eine Forschungsarbeit durchgeführt hat.
Im Gespräch mit ihr über genau dieses Thema, hat sie mir folgendes erzählt:
Wenn sich ein Kind in Ghana verletzt, oder krank ist, wird es von allen ignoriert. Meine Bekannte fand dies damals sehr lieblos. Aber ihr wurde erklärt, dass ein böser Geist in dem Kind ist und das alle anderen darum fürchten, dass dieser in Form der Krankheit auch auf sie übergeht, wenn sie dem Kind Zuwendung schenken. Das Kind wird versorgt aber nicht verhätschelt und getröstet.
Es wird also genau das Gegenteil von dem praktiziert wie wir uns hier verhalten. Eine Krankheit ist für diese Menschen etwas Böses über das man nicht spricht. Niemandem käme es da in den Sinn über seine Krankheit zu sprechen. Die Menschen haben als Kind nie Zuwendung erhalten als sie krank waren und brauchen es darum auch nicht, wenn sie erwachsen sind. Wenn man da die Leute fragt wie es ihnen geht, erzählen sie allerlei, was sie so gemacht haben, oder machen werden. Die Frage "wie geht es dir" wird niemals in Verbindung gebracht mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Ich fand dies damals sehr spannend und habe dann auch viele Menschen darauf angesprochen, wenn sie mir wieder brühwarm von ihren Operationen erzählten, die ich notabene gar nie hören wollte. Mich interessiert viel mehr was Leute so machen, egal ob dies nun bedeutet den ganzen Tag vor der Glotze gesessen zu haben, als wie sehr sie leiden und wie oft sie schon operiert wurden. Darum frage ich manchmal frech nach:" und sonst hast du nichts erlebt?"
Nun zum Chat hier, wo Menschen sind die oftmals als Kind, aber auch als erwachsene Personen zu wenig Zuwendung erhalten haben.
Ich kann natürlich nur von mir aus gehen und von einigen die ich kenne, aber es braucht lange bis man endlich den Mut findet überhaupt zu jammern und offen zu sagen wie schlecht man sich wirklich fühlt.
Wo, wenn nicht in einem Chat bei dem es um psychische Erkrankungen geht, kann man überhaupt jammern? Hier geht es auch nicht darum Zuwendung und Anerkennung zu erhalten, denn die bekommt man ja wirklich nicht in einem Chat, sondern einfach nur darum einmal loslassen zu dürfen, ohne gleich als Versager oder Memme abgestempelt zu werden. Einfach zu berichten wie es ganz tief im Innern aussieht. Man möchte es einfach los werden und ich persönlich empfinde dies als legitim.
Natürlich könnte man sich ärgern, wenn eine Person ständig jammert und man ihr hunderte von Lösungsvorschlägen schreibt, die sie allesamt ablehnt, weil sie ihr nichts bringen würden. Aber man muss einfach bedenken, dass was uns selber geholfen hat, nicht unbedingt auch anderen hilft und es ist auch ihnen überlassen was sie mit all unseren lieb gemeinten Vorschlägen tun werden. Ich persönlich bin deshalb nie beleidigt, wenn jemand meine Vorschläge nicht annimmt, auch weil ich darum weiss, dass man es manchmal zwar wollen würde, aber schlicht nicht kann.
Aber ich höre auch nicht auf darüber zu berichten was mir einst geholfen hat *zur Waldhütte hinüber winke ;-)*, denn manchmal kann man doch so einiges gebrauchen, was damals auch mir gut getan hat, aber es ist jedem selbst überlassen es anzuwenden.
Einige haben wohl die Erwartungshaltung auf Mitgefühl zu stoßen - nicht zu verwechseln mit Mitleid - auch dies empfinde ich in einem Selbsthilfe Chat/Forum, in dem man zusammen einen Weg beschreitet und versucht sich gegenseitig zu helfen einen legitimen Wunsch.
Was ich jedoch genau so wie du nicht nachvollziehen kann ist Unfreundlichkeit, schroffe Abfuhren nach Fragen, bei denen man das Gefühl hat unerwünscht zu sein.
Du hast natürlich Recht wenn du dich fragst, warum jemand ständig jammert, dass niemand mit ihnen Kontakt will und wenn man sich um sie bemüht kommt eine Abfuhr, aber bedenke, dass die Person sich vielleicht auch die Leute selber aussuchen möchte mit denen sie sich unterhält und vielleicht gehörst du eben nicht unbedingt dazu.
Klar kann man dies auch freundlicher kommunizieren, aber manchmal gibt es Leute die dies partout nicht verstehen wollen. Ich sage nun nicht, dass du zu diesen gehörst, denn ich kenne dich ja nicht. Aber ich erkenne sehr wohl, dass dich diese Abfuhren verletzen, du möchtest freundlich sein zu jenen denen es nicht besonders gut geht und verstehst nicht warum es nicht ankommt.
So geht es mir auch ab und zu und schlechte altbekannte Gefühle über diese Abfuhr kommen dann sofort auf.
Manchmal stellt man auch unbewusst Fragen, die den anderen selber schon lange beschäftigen und dieser nicht darüber reden möchte. Ich fragte einmal jemanden innerhalb eines Gespräches:" Bist du denn glücklich in deiner Beziehung?" Darauf kam eine unglaublich schroffe Antwort. Dadurch war von meiner Seite die Kommunikation sofort beendet... Als ich diese nach einer Stunde verdaut hatte, fragte ich dasselbe noch einmal, worauf die Antwort war:"Du gibst wohl nie auf"! Das hatte mich erneut sehr viel mehr verletzt, als wenn die Person einfach schlicht gesagt hätte: "Schau, genau darüber kann ich nicht reden." Jemand anderes, sagte mir einmal als ich mich freundlich um ihn bemühte und eine Frage stellte:"Mit dir, werde ich darüber ganz bestimmt nicht reden!" Da habe ich zu mir gesagt, aber über allen anderen Mist will er mit mir reden. Ich bin gewiss nicht nachtragend, aber dadurch wurde die Kommunikation zwischen uns so gestört, dass kaum mehr Gespräche möglich sind. Meine Frage nach dem warum nicht, hatte er damals einfach ignoriert.
Vielleicht versuchst du heraus zu finden, ob du in der Kommunikation auch einige grobe Fehler machst, die du nicht unbedingt bemerkst.
Manche Fragen kommen im Chat auch so an, als würde man ausgefragt, um die Neugier des Gegenübers zu befriedigen, als würde man vor Gericht stehen. Ich kenne auch jemandem bei dem ich damit grosse Mühe habe. Betreffende Person fragt aus heiterem Himmel etwas und bekundet Interesse und ich beantworte die Frage und als Reflexion sagt sie "ok". Dann fragt sie erneut etwas und auch da wieder nur "ok" als Antwort. Dann fühle ich mich ausgefragt und sofort macht sich ein schlechtes Gefühl breit. Ich habe keine Lust nur aus Anstand etwas gefragt zu werden, weil die Person denkt, ich bräuchte eine Unterhaltung, oder sich selber unterhalten möchte. Spätestens nach dem zweiten ok, habe ich keine Lust mehr weitere Fragen zu beantworten. Die Kommunikation ist durch mangelnde Reflexion gestört. Ich möchte dem Frager keine Bösartigkeit unterstellen, aber er sollte seine Form der Kommunikation überdenken, oder er wird immer schroff abgefertigt werden und ist danach verletzt.
Hilfreich Kommunikationsfehler aufzudecken sind Transaktionsanalysen, oder gewaltfreie Kommunikationsübungen. Hier einige Anregungen : http://www.nur-ruhe.de/smf/index.php?topic=5352.msg213801#msg213801
**Wehe man fällt jemandem nicht um den Hals, wenn er in den Raum kommt, aber wieso darf dieselbe Person einen beleidigen und blöd anmachen?**
Als Tipp; frag mal diese Person selber warum sie dich blöd anmacht und beleidigt, dann erhältst du vielleicht eine Antwort und ein gutes Gespräch könnte entstehen.
Alles Liebe Dir
Epines