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Autor Thema: Kinderlachen  (Gelesen 502 mal)

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AHunter

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Kinderlachen
« am: 14 Juli 2016, 22:32:20 »

Kinderlachen


Ich friere, einsam zusammengekauert unter den dicken Bettlaken.
Kleines Wesen, älteres Wesen, kindliches Wesen.
Die Nacht ziert die Wände. Einzig der bedeutungslose Mond blickt
rein. Sein Schein erleuchtet fast garnichts, ausser den Konturen von
Fenster und Fensterrahmen.
"Was verdammt nochmal machst du nur wieder, du verkommenes
Stück Dreck?!" schallt es aus dem Flur, an dessen Ende ein noch
kleineres, noch jüngeres, noch kindlicheres Wesen liegt.
Und Er dazwischen, zwischen ihm und mir.
Rühre mich nicht, nicht mehr, weil ich nicht kann, weil ich einfach
nicht den Mut aufbringe, ihn in dieser Finsternis einfach nicht finde.
Nichtmal für mein kleines Herz, obwohl ich mir die Zähne zusammen-
beiße vor reinstem Hass, vor schmerzvollster Wut, und ich weiss nicht
einmal auf wen... nicht, dass ich Ihm der zwischen uns besteht und
das schwächste Wesen auf dem Gewissen hat, nicht nur in dieser
Nacht, je verzeihen wollte und könnte... doch wie könnte ich mir
verzeihen, der einfach nur so feige hier da lag, der sich fast vor Angst
einnässt, doch sich nichteinmal das traut, und der darüber sinnt, schreien
zu wollen, seine Zähne sogar gegen allen Widerstand auseinander
bekommt, nur um in seinen Tränen, seinem stummen Flehen, weder
Wort, noch Klage, noch Rettung rausbringt.
"Ich werde dir gleich zeigen, was es bedeutet, mich anzulügen!!"
schallt es wieder. Doch höre nichts von ihm. Ist er denn so viel stärker,
so viel mutiger, ist er denn noch? Ich habe so schrecklich viel Angst,
dass ich mich in dieser dunkelsten Nacht noch weiter in mich zurück-
ziehe, doch lässt sie das nicht einfach enden. Nur die Frage aufkeimend,
warum Er es nicht bei mir wagt, warum Er nicht herfindet, warum Er
immer nur am anderen Flurende hält.
Fast jede Nacht, eine neue Mutprobe und jede Nacht, mein Versagen.
Tagsüber scheint es vergessen, tagsüber soll es vergessen sein. Doch
sobald dieses widerwärtig Dunkle angekrochen kommt, endet auch
wieder die Verdrängung, das Leben und es kehrt die Feindseligkeit
in unser Heim zurück.
Schritte so plötzlich, Schritte sodann. Weg oder her? Weichen wieder,
weichen immer nach dem Krawall, weichen von mir. Die Tür schlägt
gebürtig hinter ihm zu. Ein Glück, ein Glück, dass Er nicht herfand.
Hatte Er Glück? Hatte ich Glück? Hätte ich mich gewehrt, für ihn, für
uns?
Schlage die Matratze, im Stillen, mehrfach, vielfach, scheinbar nicht
endend, und doch breche ich wieder in meiner Verzweiflung ein und
ab, denn ich höre ihn. Ein Schluchzen wohl, doch kann nicht zu ihm,
um dem kleinsten, jüngsten, kindlichsten Wesen Trost zukommen
zu lassen, kann einfach nicht.
Vergrabe mich erneut feige in meinem Bettzeug, weine voll Scham
und Furcht, bis ich vor Erschöpfung einknicke und der Schlaf mich
wieder wie fast jede Nacht heimsucht.
Kinderlachen, das hört man nicht.  Nichteinmal ein heimliches
Kichern, sondern nur das stumme Schluchzen unter den dicken
Decken, die nichts verraten oder zu Tage bringen, wie auch das
kalte, schale Mondlicht nun nur mehr von Wolkenbanden begraben
liegt.
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