Hallo Leute,
diesen Schritt in einem Forum zu posten, wollte ich eigentlich vermeiden, da ich dachte, dass mein "logisches Denken" ausreicht, um damit umzugehen. Aber nun wünsche ich mir trotzdem einige Meinungen von außen, da ich das Gefühl habe, dass Unterhaltungen mit Familie und Freunden zu einseitig sind. Ich entschuldige mich vorab für die Länge, möchte jedoch die wichtigen Details fair wiedergeben.
Vor ca. einem dreiviertel Jahr habe ich einen jungen Mann kennengelernt. Der Abend war locker, unbefangen, entspannte Stimmung. Über eine Freundin hat er meine Handynummer kassiert, wir haben uns Wochen später wiedergesehen, danach auch immer mal wieder. Nach einer Weile hatten wir "locker etwas miteinander", die Zuneigung wurde schließlich immer größer und wir wollten es mal "offiziell versuchen". Von Anfang an hatte ich jedoch das Gefühl, dass irgendwas mit ihm "nicht stimmt".
In kleinen Brocken hat er Geschichten aus seinem ziemlich turlubenten Leben erzählt, gepaart mit der Aussage, dass die Bekanntschaft mit mir nach Jahren endlich mal wieder "anders und gehaltvoller" sei; Hinweis hier: er hatte unverbindliche Affären zu Hauf in seiner verkorksten Jugend überall auf der Welt. Schließlich lag er sogar weinend in meinem Bett, da er den gefühlvollen Zustand von "Haut an Haut" schon lange nicht mehr gespürt habe.
Wie auch immer... nach einigen Wochen des "offiziellen Versuchens" hat er mich wieder abgeschossen mit der Begründung, dass er "einfach nicht könne", obwohl er es sich ja "so sehr gewünscht" habe; die Verbindung sei nicht stark genug und weiteres Versuchen würde uns beide emotional "abf*cken" im Moment. Im gleichen Atemzug spuckte er aus, dass es vielleicht "später nochmal" etwas werden könne, wenn alles besser sei. Ob wir nun Freunde sein könnten, lautete seine Frage. Ich wollte mich bemühen, war meine Antwort.
Ich kürze hier nun etwas ab: inzwischen weiß ich, dass er in dieser Kennenlernphase am Rande einer ernsten Depression stand. Mittlerweile ist er mitten drin und möchte sich einige Wochen/Monate in eine Klinik einweisen lassen, um einen klaren Kopf zu bekommen.
An dieser Stelle wären noch folgende Infos relevant: er lebt seit ca. drei Jahren hier in Deutschland, findet jedoch keinen Job, keinen Studienplatz und keine ordentliche Wohnung. Er lebt in einer ziemlich verranzten WG, was ihn zusätzlich runterzieht. Inzwischen spielt er mit dem Gedanken Deutschland wieder zu verlassen, um woanders eine Perspektive zu finden. Wenn er jedoch mit seiner aktuellen "Strategie" im Ausland genauso verfährt, wird auch DAS schwierig, denn sein Wille die lokale Sprache zu lernen, hält sich sehr in Grenzen, um es mal nobel zu formulieren. Also hat er sich die letzten Jahre hier so einigermaßen "durchgewurschtelt".
Inzwischen kämpft er hart mit diesem Zustand, da er auch schon Anfang 30 ist und nicht mehr jünger wird. Er leidet zusätzlich unter den Spätfolgen seines jungen Lebensstils, kämpft mit chronischen Erkrankungen und vor allem eben mit seiner Depression und der aktuellen Perspektivlosigkeit. Er will Deutschland im Grunde nur ungern verlassen, da er hier (nach eigener Aussage) seine besten Freunde habe und ihm die "logische Denke" der Leute gefällt.
Die Situation zwischen uns ist nun folgende: zuletzt haben wir uns vor ca. 2 Monaten gesehen. Wir verbrachten den Abend zu fünft insgesamt, haben allerdings auch nur zu zweit recht viel gesprochen. Er meinte, er habe nun realisiert, dass sein Zustand mich sehr kümmert und ich kein Interesse daran habe, dass er Deutschland verlässt. Nachdem ich weg war, hat er sich wohl auch mit meiner Freundin unterhalten und gecheckt, dass da meinerseits wohl doch ernsthafte Gefühle im Spiel sind, was er vorher wohl nicht ganz auf dem Radar hatte oder nicht glauben konnte/wollte. Ich bin in der Tat verliebt, möchte ihn aber nicht damit "zumüllen", oder ihn in irgendeine Drucksituation versetzen. Alles was ich ihm zuletzt sagte war, dass ich ihn mehr mag als mir lieb ist. Ihm gehe es genauso, antwortete er, allerdings vor dem Hintergrund, dass er im Moment einfach zu verwirrt sei und das alles Zeit brauche. Er sei sich darüber hinaus nicht einmal sicher, ob er ÜBERHAUPT nochmal mit Jemandem zusammen sein könne.
Diese ganze Situation belastet inzwischen nun auch mich, und zwar nicht zu wenig. Was mir zu schaffen macht, ist zum einen natürlich das Risiko, dass er in einigen Monaten schlicht und ergreifend verschwinden könnte, um woanders sein Glück zu finden - was ich jedoch verstehen würde.
Was mir jedoch noch mehr zu schaffen macht, ist dieser extreme Kontrast: sobald ich ihn eine Weile für mich habe, redet er und kann Emotionen zeigen, ist zutraulicher, ehrlich und sehr reflektiert.
Sobald wir uns jedoch eine Weile nicht sehen, kommt immer weniger von ihm. Das einzige Kontaktmedium ist dann oft nur noch facebook, wobei ich nichts erfahre, wenn ich nicht explizit frage, oft mehrfach. Manche "Konversationen" verkümmern zu einem regelrechten Monolog und ich weiß oft nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich will nicht, dass er das Gefühl hat, es würde mich plötzlich NICHT mehr kümmern. Allerdings habe ich auch keine Ahnung, ab wann es ihn nervt. Hier und da erfahre ich, dass er nach mir fragt, aber ohne zu wissen, ob es wirkliches Interesse oder nur kurzfristige Höflichkeit ist. Inzwischen melde ich mich nur noch alle paar Wochen, einfach um zu sehen, dass er noch lebt. Er schläft aktuell sehr viel und wenn er vor die Haustür geht, betrinkt er sich oft. Ein weiterer Grund, unbedingt in die Klinik zu wollen. Seine Probleme kennt er ja. Kürzlich hatte er einen Vorgesprächstermin in der Klinik. Ich wollte mich erkundigen wie der Termin verlaufen ist, was er begrüßte, allerdings kam auf diese Frage keine Antwort. Mittlerweile weiß ich kaum noch weiter.
Ich sitze zwischen zwei innerlichen Stühlen.
Einerseits habe ich die rationale Sicht, dass meine Bemühungen keinen Zweck haben werden - ganz im Gegenteil - und die Befürchtung, dass ich bei seinen Überlegungen bezüglich seiner Zukunft sowieso keinerlei Variable bin.
Andererseits spüre ich die Zuneigung und den Wunsch ihm zu "beweisen", dass ich eben doch für ihn da bin und dass nicht alle Bekanntschaften nur auf Aufnutzerei und Oberflächlichkeit beruhen - eine negative Weltsicht, die er gerne mal teilt.
Was also soll ich tun? :(