Hallo lieber Anonym
Dein Beitrag hat mich sehr traurig gestimmt, denn vieles was du schilderst kenne ich aus eigener Erfahrung.
Sich verkriechen ist die allereinfachste Problemlösung. Mit nichts mehr etwas zu tun haben wollen was uns schmerzen zufügen könnte, wie der Vogel Strauss, der seinen Kopf bei Konflikten und Problemen angeblich in den Sand steckt (Märchen).
Genau dies habe ich auch lange getan, mich so zugekifft, dass ich die Welt nur noch am Rande wahr nahm, ich war wie in Watte gepackt und alles prallte gefühllos an mir ab. Ich habe dies vermutlich gebraucht um meiner Seele damals die nötige Ruhe zu geben, ähnlich einer Medikation.
Eines Tages jedoch wachte ich auf und mir wurde bewusst, dass dies kein Leben mehr ist, ich musste folglich etwas ändern, mich entscheiden, ob ich überhaupt leben will oder nicht.
Bei mir war es etwas anders als bei dir, ich wurde ausgegrenzt weil ich gute Noten hatte (außer in Mathe). Darauf waren die anderen neidisch und da ich nie jemanden mit nach Hause bringen durfte und meine Eltern mit Absicht kein Telefon hatten, stand ich auch immer alleine da. In der Schule hielt ich mich oft mit Antworten zurück, um nicht als Streberin dazustehen (ist sogar auch heute noch oft so). Ich musste für meine Mutter perfekt sein, sonst wurde ich hart bestraft. Dieses Perfektionistische haftet bis heute an mir und belastet mich oft, aber ich lerne langsam mir Fehler zu gestatten.
Schlimm war es auch immer beim Sport, wenn eine Gruppe gebildet wurde wo jemand die Mitspieler wählen konnte, kam ich immer am Schluss dran, obwohl ich wesentlich besser als andere war, das hatte mich als Kind sehr oft verletzt.
Die Jungs in der Schule hatten sich um mich bemüht, aber wie du, hatte ich auch null Selbstvertrauen und fragte mich ständig was die wohl von mir wollen. Ich schlussfolgerte das es lediglich Sex war und so ließ ich mich auf keine Beziehung ein.
Meine Mutter nörgelte ständig an meiner Figur und an meinem Aussehen und ich fühlte mich total hässlich und dick. Manchmal reduzierte sie meine Portion drastisch und ich ging oft hungrig vom Tisch...
Erst heute, wenn ich die Fotos sehe die andere noch von mir haben, stelle ich fest, dass ich alles andere als hässlich und dick war.
Du sagst, dass dein Umfeld nicht weiss wie es in deinem Innern aussieht.
So war es auch bei mir. Ich zog überall eine Show ab, machte immer einen auf lustig, aber wenn sich meine Wohnungstüre hinter mir schloss, fiel die Maske und die Wellen schlugen über mir zusammen. Keiner in meinem Umfeld hätte bei einem Freitod verstanden warum.
Ich hatte außer als Kind niemals eine Therapie, denn in meinem Täterkreis befanden sich Kinderpsychiater und auch Ärzte und als ich als junge Frau ab und zu den Frauenarzt aufsuchte, hat mich dieser ebenfalls bedrängt, so dass ich danach nie mehr einen aufsuchte, immerhin hatte ich es damals geschafft ihm einen Brief zu schreiben, darauf war ich wirklich stolz.
Heute habe ich in meinem Bekanntenkreis Ärzte zu denen ich Vertrauen habe und die mich kostenlos behandeln müssen :-D.
Was du sagst betreffend Schüchternheit und Desinteresse kann ich nur bestätigen. Man bekommt tatsächlich diesen Eindruck wenn jemand kaum etwas sagt, nie reflektiert. Man hat das Gefühl, dass der andere nicht an einem, oder überhaupt an Unterhaltungen interessiert ist. Mein bester Freund war auch so, als ich ihn kennenlernte antwortete er nur auf Fragen, von ihm kam nichts, es waren total einseitige Unterhaltungen, die dann schnell im Sand verliefen und es machten sich durch die Gesprächspausen ungute Gefühle in mir breit. In der Gruppe saß er einfach dabei und man fragte sich, warum er überhaupt mitgekommen war, da er sich doch offensichtlich langweilte. Aber als es mir einmal richtig mies ging, erkannte ich plötzlich sein wahres mitfühlendes Wesen und ich habe ihn dann auch gefragt warum er nie etwas sagt und ob ihn langweilt was ich zu sagen habe. Dem war nicht so, er war einfach wirklich nur sehr introvertiert. Wir haben neben realen Treffen zu Wanderungen, oder gelegentlichen Lesungen unserer Lieblingsautoren, jahrelang täglich unsere Gedanken und Gefühle via Mail geteilt und er wurde immer lockerer und heute ist er sogar richtig frech :-). Ein toller Mann! Zu Y. winke :-). Ebenfalls ohne jegliche Therapie, allerdings haben wir zusammen viele Psychobücher über menschliches Verhalten gewälzt und dadurch viel gelernt und uns weiter entwickelt.
Ich kann deshalb sehr gut nachfühlen wie sehr dich der Verlust eines so vertrauten Freundes schmerzen muss und ich wünsche dir wieder so jemanden zu finden, dem du dich genau so öffnen kannst.
Erfolge lassen uns wirklich auf Wolken schweben, dass ist es was unser Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen stärkt, dadurch werden wir bestätigt, erhalten die so dringend ersehnte Anerkennung, aber diese stellen sich eben nicht ein durch nichts tun, sondern man muss daran arbeiten, was nicht immer einfach ist.
Das Problem liegt auch an den Firmen die heute keinerlei soziale Verantwortung mehr tragen wollen. Leute mit Leistungsschwächen werden gnadenlos ausgegliedert. In einigen Schweizer Städten hat man deshalb begonnen in Betrieben die der Stadt unterstellt sind, solchen Leuten einen Arbeitsplatz zu geben, man hat erkannt, dass sich damit Sozialkosten reduzieren und die Menschen sich nicht mehr wertlos, oder als Almosenempfänger fühlen. Die Löhne unterscheiden sich in nichts von anderen Arbeitnehmern, lediglich das Pensum ist manchmal reduziert.
Was ich immer wieder feststelle ist, dass manche Leute sich grenzenlos bedauern, immer werden die Anderen für ihre Probleme verantwortlich gemacht, die böse Welt, der böse Chef, der böse Nachbar, die bösen Chatter, die bösen Ämter, der böse Partner, die bösen Freunde die sich alle abwenden u.s.w. Wenn man so denkt, steckt man in der Opferrolle fest. Wer sich nicht fragt warum man ständig kritisiert wird und ob an der Kritik etwas Wahres ist, wird auch nie erkennen was er falsch macht und immer anderen die Schuld geben, dabei meinen es nicht alle Menschen nur böse, sondern kritisieren damit sich etwas ändert, kritisieren wohlwollend auch als Hilfe.
Im Verarbeitungsprozess alter Lasten ist das Erkennen, dass man Opfer war zwar wichtig, denn dadurch hört das Verleugnen und Verdrängen auf, man soll auch eine Zeit lang über das Verlorene jammern und trauern dürfen, aber noch wichtiger ist es weiter zu gehen und aus dieser Rolle wieder raus zu kommen. Wer darin stecken bleibt hat keinerlei Chance je ein erfülltes Leben zu haben, denn es werden sich immer Andere finden, denen man die Schuld für sein eigenes Verhalten und Leiden zuschieben kann.
Als erwachsene Person hat man sein Leben selbst in der Hand, die Frage ist nur wann ist man wirklich erwachsen? Der eine kann dies mit 18 sein die andere erst mit 35.
Sich auf die Hilfe anderer zu verlassen ändert leider nichts, im Gegenteil man bleibt stehen und entwickelt sich kaum, denn nur wirklicher Leidensdruck lässt uns schlussendlich handeln, so meine Erfahrungen. Ist dieser nicht gross genug, oder werden einem von Helfern alle Probleme beseitigt, sieht man keinen Handlungsbedarf, man wird immer träger, andere richten es ja und wenn diese nicht mehr wollen, drückt man auf die Tränendrüse und schon spuren sie wieder... Es gibt Menschen die erwarten ständig Hilfe und wenn eine Quelle versiegt , suchen sie sich eine Neue. Dieses Suchen zeigt jedoch auch, dass sie noch Energiereserven haben, die sie auch anders nutzen könnten, nämlich sich auch einmal selbst zu helfen, selbst aktiv zu werden.
Man muss über seinen Schatten springen und trotzdem man nicht wirklich motiviert ist raus gehen, sich mit Leuten treffen, oder Leute einladen so wie ich es aus Zeitgründen tue. Die Eingeladenen müssen bei mir sogar noch fast jedes Mal selber kochen :-)
Durch deine Kollegen lernst du vielleicht neue Leute kennen, die du wirklich magst und die erkennen wie wertvoll du bist.
Du hast meiner Meinung nach, sehr genau erkannt wo das Problem steckt und darum denke ich auch, dass du dich laufend in eine Richtung entwickelst die "normal" ist. Das Erkennen kommt immer vor dem Umsetzen.
Zu Pudel; stimmt er schreibt oft das Selbe, was für jene die immer hier sind monoton und einstudiert wirkt, aber für neue Menschen die hier in der Not Zuflucht und Zuspruch suchen, sind seine Voten wichtig, oft ist er der Einzige der sich die Mühe nimmt jemandem zu antworten. Da sollten wir uns alle an der Nase fassen. Ich meine was könnte er denn sonst Neues schreiben? Wie sollte seine Hilfe aussehen?
Wenn mir hundert Leute ähnliche Fragen stellen, antworte ich auch immer das Gleiche, die Hundert wissen ja nichts voneinander, noch kann man sich andere Weisheiten aus den Fingern saugen.
Sein Tipp sich in einem Verein zu engagieren ist auf jeden Fall richtig, denn da kann man Leute treffen und wenn man den inneren Schweinehund jedes Mal überwindet und hingeht, kommt man aus der sozialen Isolation am Besten heraus.
**Es ist an der Zeit, sich allem zu stellen, anstatt sich immer nur zu verkriechen!**
Damit hast du zu 100% Recht, es geht nur so, man muss sich irgendwann entscheiden, ob man Leben oder Sterben will, sonst verbringt man seine Zeit mit dem Warten, dass sich irgendetwas verändert, aber das wird es ohne eigenes Zutun nicht, da kann man ewig warten und eines Tages am Ende des Lebens erkennt man, dass man nie gelebt, sondern seine Zeit einfach nur abgesessen hat...
Alles Liebe
Epines