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Autor Thema: Verkriechen oder sich dem Leben stellen?  (Gelesen 6397 mal)

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Anonym

  • Gast
Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« am: 18 April 2012, 14:12:51 »

Hallo,

„Sich verkriechen oder sich dem Leben stellen?“ Was für eine Frage, wird manch einer sagen. Sich dem Leben stellen ist doch unmöglich. Lieber ziehe ich mich in mein Schneckenhaus oder meine Höhle zu Hause zurück.

Leider bin ich ein Mensch, der an alles sehr vorsichtig rangeht und von der Angst gequält wird, bei jeder Sache, die neu ist, könnte sich etwas Schlimmes für mich verbergen. So kam es, dass ich bereits als Kind eher alleine war und mich an den Tätigkeiten meiner Altersgenossen kaum beteiligte. Durch meine ruhige und schüchterne Art, hatte ich nur vereinzelt Freunde. Im Nachhinein ist mir klar wieso. Wer spielt schon mit einem Kind, was nur dabei steht, nicht mit den anderen redet und desinteressiert wirkt. Aber desinteressiert war ich überhaupt nicht. Ich hätte gerne so frei und ungezwungen mit den anderen Kindern gespielt, mich nachmittags mit ihnen getroffen usw. Aber ich stand mir mit meiner Angst immer selbst im Weg.
Ich war kein schlechter Schüler, ich verstand alles ziemlich schnell und konnte auch meine Aufgaben selbständig lösen. Meine Noten waren aber immer nur mittelmäßig, da ich mich einfach nicht am Unterricht beteiligte. Nein, ich träumte nicht vor mich her. Ich war immer sehr konzentriert dabei, habe immer die Antwort im Kopf gehabt, mich aber nie gemeldet, da ich Angst hatte, sie könnte falsch sein. Somit hatte ich auch keine Bestätigung und wurde immer unsicherer.
Während die anderen in meinem Alter viele Sachen ausprobierten und langsam erwachsen wurde, saß ich nach der Schule meist zu Hause rum, wenn ich nicht beim Sport oder Musikunterricht war. Ja, es war meine Welt. Ich kannte es durch meine Eltern nicht anders. Auch sie kamen von der Arbeit heim und waren bis auf wenige Familienausflüge zu Hause. Außer der Familie hatten auch sie keine sozialen Kontakte oder Freunde. Ich kannte es nicht anders.
Dennoch war ich sehr introvertiert und oft traurig. Schlimmer wurde das ganze als ich in die 7. Klasse kam. Es waren trotz Gymnasium viele Sitzenbleiber dabei. Wir blieben bis zur 10. Klasse in dieser Kombination. Eigentlich ein Alter, in dem man viel Unsinn macht, neues ausprobiert und sich kennenlernt. Leider wurde ich in dieser Zeit das Opfer vieler Späße und habe mich so immer mehr zurückgezogen.
Ich erkannte nicht mal das Interesse einiger Mädchen an mir, sondern tat dies aufgrund meines mangelnden Selbstvertrauens als Verarsche ab. Gespräche Jahre später offenbarten mir, wie die Wahrheit. Hätte ich es damals erkannt, hätte ich mit 14 wahrscheinlich meine erste Freundin haben können. Nun gut, verpasste Chance.
Es war eine Horrorzeit für mich. Schule ging ich nur hin, weil ich musste. Meine Noten waren immer noch ok. Ich zählte dennoch immer die Stunden, wann ich endlich aus dieser Schule rauskonnte. Nachmittags und abends malte ich mir sogar oft aus, wie es wohl wäre, wenn ich tot wäre. Ich plante alles, sogar Briefe, die ich meinen Peinigern schreiben könnte, um ihnen die Schuld zu geben, damit sie ihr Leben lang leiden könnten. Der Unterricht an sich war nicht schlimm, obwohl mich meine Angst immer mehr vom aktiven Auftreten abhielt.

Ab der 11. Klasse, legte sich die ganze Mobbingsache langsam. Ich kam in eine sicher nette Klasse, aber aufgrund meiner Erfahrungen konnte ich mich nun für niemanden mehr öffnen und meine Einstellung blieb gleich. Immer ducken und nicht auffallen.
Leider nahm ich ab dem Zeitpunkt auch immer mehr zu, was Für mich inzwischen 25 Kg zum Abspecken bedeutet. Ja, das war bei uns zu Hause meist das Zentrale Ereignis des Tages. Abendessen. Am liebsten irgendwas Deftiges. Außer bei mir hat das irgendwie bei niemanden in meiner Familie Spuren hinterlassen. Aber es ärgert mich heute immer noch, dass das die einzige Befriedigung bei starkem Kummer zu sein scheint. Sport, ja regelmäßig. Aber was nützt es, wenn man sich danach zur Belohnung noch ein Eis gönnt? Die Lösung heißt Selbstdisziplin, ich weiß ;).

Bis hin zum Abitur und danach lief es so weiter. Allerdings kam ich nun langsam sogar mit meinen „mobbern“ klar, die mir nun sogar Respekt zusprachen, weil ich nie aus Coolheit das Rauchen angefangen habe oder ähnliches.

Wieso ich zum Opfer wurde? Ich habe niemanden einen Grund gegeben. Ich war immer freundlich, höflich. Nur meine sehr ruhige und unsichere Art lieferte eben eine perfekte Zielscheibe um sich selbst auszutesten. Die anderen wollten wissen, wie weit sie gehen konnten.

Sicher gibt’s Schüler, für die es viel schlimmer in der Schule ist. Aber mich hat diese zeit eben auch sehr geprägt und ich bin bis heute noch in vielen Sachen unsicher und wagen nur ungern neues. Und das obwohl ich schon öfters die Erfahrung gemacht habe, dass ich mehr kann, als ich denke und bei anderen auch sehr beliebt bin, wenn ich mich nur öffne.

Im Laufe der Jahre entwickelte ich zwar mehr Selbstbewusstsein, aber es ist manchmal auch phasenbedingt. Bei Erfolgen kann ich tagelang auf Wolke 7 schweben und mich so verhalten, dass ich selbst denke: Wow, endlich hast du mal den Absprung geschafft. Aber dann kommen eben auch wieder die Phasen, in denen mich alles andre einholt und ich schon überlege, ob ich zum Bäcker gehen soll und mir was Süßes hole oder es einfach lasse.
Und sowas nervt mich einfach. Ich möchte auch oft einfach meine Jacke nehmen können und raus laufen.

Ihr denkt, das ist für viele von euch normal? Mag sein, mein Umfeld weiß aber bis auf eine Person nichts von meinen Gedanken. Ich lebe in der „normalen“ Welt. Ich habe meine beruflichen und privaten Pflichten. Es fällt mir alles schwerer, als es für den Beobachter scheint. Und alles, was mich blockiert ist einfach meine Angst, ausgelacht zu werden oder irgendwas falsch zu machen. Fehler sind menschlich und niemand meiner Mitmenschen ist perfekt. Dennoch habe ich die Erwartung, ich müsste das sein, um mithalten zu können.

So sitze ich wieder viel alleine nach der Arbeit rum und warte, dass der Tag zu ende ist und ich ins Bett kann. Dabei würde ich so gerne mit Freunden was trinken gehen oder ins Kino oder sonst was machen.
Aber leider sind da auch nicht viele da. Und alles liegt nur an meiner ruhigen und zurückhaltenden Art. Bis ich bereit bin, mich neuen Leuten zu öffnen, haben sie schon aufgegeben sich um mich zu bemühen, da sie meine Schüchternheit mir Desinteresse verwechseln.
Und die paar Leute, die ich habe, haben eben auch nicht immer Zeit und so ist es ein Kreislauf. Man kommt nicht raus, um neue kennen zulernen.

Ich lese hier von einer Höhle unter Laubblättern oder so ähnlich.
Die Idee mag nicht schlecht sein, aber ich sag aus meiner eigenen Erfahrung, dass es nichts bringt, sich so zu verkriechen. Ein Zufluchtsort ist schön, aber wenn man sich von morgens bis abends nur darauf freut, verpasst man die Dinge, die das Leben liebenswert machen.

Wie oft bin ich darauf fixiert, schnell nach Hause zu kommen, dass ich es ausschlage, mit Kollegen nach der Arbeit was trinken zu gehen. Aber hey, ist es im Grunde nicht genau das, was ich wollte?

Und nein, ich werde mich nicht in Therapie begeben. Ich denke, es ist so, dass ich das allein schaffen kann, so wie es die letzten Jahre auch schon besser wurde.

Aber es ist noch ein langer Weg, bis ich endlich sagen kann: Ich bin im Hier und Jetzt angekommen. Hier bleib ich.
Ich strebe nämlich immer nach morgen oder sonst wann. Freue mich auf was, warte auf was. Aber genießen kann ich schon lange nicht mehr.

Vor kurzem habe ich einen sehr guten Freund verloren. Jemand, der mir sehr viel bedeutet hat und immer an meiner Seite stand. Der einzige, zu dem ich richtig offen sein konnte und alles vergessen konnte. Wir waren uns sehr ähnlich, beide leicht unzufrieden mit dem eigenen Leben und gedanklich nach was Besserem strebend.

Es ist an der Zeit, sich allem zu stellen, anstatt sich immer nur zu verkriechen!


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Anonym

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #1 am: 18 April 2012, 16:39:04 »

Hi Pudel,

wie schon gesagt, sehe ich das ähnlich wie du.
Und ich leide an keinen Depressionen, sofern können sie auch nicht ärztlich behandelt werden.

Es ist eine Art Selbsttherapie, die bisher ja auch schon einige Früchte zeigt. In allen Ehrfurcht gegenüber dem geschulten Personal, aber ich wüsste nicht, was sie mir aufzeigen sollten, was ich noch nicht selbst herausgefunden habe.

Aber danke für deinen Rat.
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Anonym

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #2 am: 18 April 2012, 20:43:03 »

Hallo Pudel,

Es geht hier nicht ums Vertrauen, sondern darum, dass es was ist, was man alleine schaffen kann.
Daher auch das Thema. Nicht verkriechen, sondern anpacken. Es bedarf dafür zum Glück nicht immer einen Therapeuten. Dennoch ist es nicht immer einfach, auch wenn du vielleicht nicht so stark erkrankt bist, dass du ohne Hilfe nicht rauskommst.

ich versteh dich zwar in gewisser Weise, dass du hier in jedem Tread schreibst: Bitte suche dir ärztliche Hilfe. Das Leben ist lebenswert. Auch für dich kommen bessere Zeiten.
Ich weiß zwar, dass es oft richtig ist, aber über diese Standartantworten, die nur bisschen umformuliert sind, muss ich schon schmunzeln. Nicht bös gemeint, wir verstehen uns.

Mein Thread war wohl mehr, um mir was von der Seele zu schreiben. Dennoch freue ich mich über jede Antwort, danke Pudel. Oder auch über Leute, die was ähnliches erlebt haben und wie sie mit sowas umgehen.
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Epines

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #3 am: 19 April 2012, 16:07:36 »

Hallo lieber Anonym

Dein Beitrag hat mich sehr traurig gestimmt, denn vieles was du schilderst kenne ich aus eigener Erfahrung.

Sich verkriechen ist die allereinfachste Problemlösung. Mit nichts mehr etwas zu tun haben wollen was uns schmerzen zufügen könnte, wie der Vogel Strauss, der seinen Kopf bei Konflikten und Problemen angeblich in den Sand steckt (Märchen).

Genau dies habe ich auch lange getan, mich so zugekifft, dass ich die Welt nur noch am Rande wahr nahm, ich war wie in Watte gepackt und alles prallte gefühllos an mir ab. Ich habe dies vermutlich  gebraucht um meiner Seele damals die nötige Ruhe zu geben, ähnlich einer Medikation.
Eines Tages jedoch wachte ich auf und mir wurde bewusst, dass dies kein Leben mehr ist, ich musste folglich etwas ändern, mich entscheiden, ob ich überhaupt leben will oder nicht.

Bei mir war es etwas anders als bei dir, ich wurde ausgegrenzt weil ich gute Noten hatte (außer in Mathe). Darauf waren die anderen neidisch und da ich nie jemanden mit nach Hause bringen durfte und meine Eltern mit Absicht kein Telefon hatten,  stand ich auch immer alleine da. In der Schule hielt ich mich oft mit Antworten zurück, um nicht als Streberin dazustehen (ist sogar auch heute noch oft so). Ich musste für meine Mutter perfekt sein, sonst wurde ich hart bestraft. Dieses Perfektionistische haftet bis heute an mir und belastet mich oft, aber ich lerne langsam mir Fehler zu gestatten.

Schlimm war es auch immer beim Sport, wenn eine Gruppe gebildet wurde wo jemand die Mitspieler wählen konnte, kam ich immer am Schluss dran, obwohl ich wesentlich besser als andere war, das hatte mich als Kind sehr oft verletzt.

Die Jungs in der Schule hatten sich um mich bemüht, aber wie du, hatte ich auch null Selbstvertrauen und fragte mich ständig was die wohl von mir wollen. Ich schlussfolgerte das es lediglich Sex war und so ließ ich mich auf keine Beziehung ein.

Meine Mutter nörgelte  ständig an meiner Figur und an meinem Aussehen und ich fühlte mich total hässlich und dick. Manchmal reduzierte sie meine Portion drastisch und ich ging oft hungrig vom Tisch...
Erst heute, wenn ich die Fotos sehe die andere noch von mir haben, stelle ich fest, dass ich alles andere als hässlich und dick war.

Du sagst, dass dein Umfeld nicht weiss wie es in deinem Innern aussieht.
So war es auch bei mir. Ich zog überall eine Show ab, machte immer einen auf lustig, aber wenn sich meine Wohnungstüre hinter mir schloss, fiel die Maske und die Wellen schlugen über mir zusammen. Keiner in meinem Umfeld hätte bei einem Freitod verstanden warum.

Ich hatte außer als Kind niemals eine Therapie, denn in meinem Täterkreis befanden sich Kinderpsychiater und auch Ärzte und als ich als junge Frau ab und zu den Frauenarzt aufsuchte, hat mich dieser ebenfalls bedrängt, so dass ich danach nie mehr einen aufsuchte, immerhin hatte ich es damals geschafft ihm einen Brief zu schreiben, darauf war ich wirklich stolz.

Heute habe ich in meinem Bekanntenkreis Ärzte zu denen ich Vertrauen habe und die mich kostenlos behandeln müssen :-D.

Was du sagst betreffend Schüchternheit und Desinteresse kann ich nur bestätigen. Man bekommt tatsächlich diesen Eindruck wenn jemand kaum etwas sagt, nie reflektiert. Man hat das Gefühl, dass der andere nicht an einem, oder überhaupt an Unterhaltungen interessiert ist. Mein bester Freund war auch so, als ich ihn kennenlernte antwortete er nur auf Fragen, von ihm kam nichts, es waren total einseitige Unterhaltungen, die dann schnell im Sand verliefen und es machten sich durch die Gesprächspausen ungute Gefühle in mir breit. In der Gruppe saß er einfach dabei und man fragte sich, warum er überhaupt mitgekommen war, da er sich doch offensichtlich langweilte. Aber als es mir einmal richtig mies ging, erkannte ich plötzlich sein wahres mitfühlendes Wesen und ich habe ihn dann auch gefragt warum er nie etwas sagt und ob ihn langweilt was ich zu sagen habe. Dem war nicht so, er war einfach wirklich nur sehr introvertiert. Wir haben neben realen Treffen zu Wanderungen, oder gelegentlichen Lesungen unserer Lieblingsautoren, jahrelang täglich unsere Gedanken und Gefühle via Mail geteilt und er wurde immer lockerer und heute ist er sogar richtig frech :-). Ein toller Mann! Zu Y. winke :-). Ebenfalls ohne jegliche Therapie, allerdings haben wir zusammen viele Psychobücher über menschliches Verhalten gewälzt und dadurch viel gelernt und uns weiter entwickelt.

Ich kann deshalb sehr gut nachfühlen wie sehr dich der Verlust eines so vertrauten Freundes schmerzen muss und ich wünsche dir wieder so jemanden zu finden, dem du dich genau so öffnen kannst.

Erfolge lassen uns wirklich auf Wolken schweben, dass ist es was unser Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen stärkt, dadurch werden wir bestätigt, erhalten die so dringend ersehnte Anerkennung,  aber diese stellen sich eben nicht ein durch nichts tun, sondern man muss daran arbeiten, was nicht immer einfach ist.

Das Problem liegt auch an den Firmen die heute keinerlei soziale Verantwortung mehr tragen wollen. Leute mit Leistungsschwächen werden gnadenlos ausgegliedert. In einigen Schweizer Städten  hat man deshalb begonnen in  Betrieben die der Stadt unterstellt sind, solchen Leuten einen Arbeitsplatz zu geben, man hat erkannt, dass sich damit  Sozialkosten reduzieren und die Menschen sich nicht mehr wertlos, oder als Almosenempfänger fühlen. Die Löhne unterscheiden sich in nichts von anderen Arbeitnehmern,  lediglich  das Pensum ist manchmal reduziert.

Was ich immer wieder feststelle ist, dass manche Leute sich grenzenlos bedauern, immer werden die Anderen für ihre Probleme verantwortlich gemacht, die böse Welt, der böse Chef, der böse Nachbar, die bösen Chatter, die bösen Ämter, der böse Partner,  die bösen Freunde die sich alle abwenden u.s.w. Wenn man so denkt, steckt man in der Opferrolle fest. Wer sich nicht fragt warum man ständig kritisiert wird und ob an der Kritik etwas Wahres ist, wird auch nie erkennen was er falsch macht und immer anderen die Schuld geben, dabei meinen es nicht alle Menschen nur böse, sondern kritisieren damit sich etwas ändert, kritisieren wohlwollend auch als Hilfe.

Im Verarbeitungsprozess alter Lasten ist das Erkennen, dass man Opfer war zwar wichtig, denn dadurch hört das Verleugnen und Verdrängen auf, man soll auch eine Zeit lang über das Verlorene jammern und trauern dürfen, aber noch wichtiger ist es weiter zu gehen und aus dieser Rolle wieder raus zu kommen. Wer darin stecken bleibt hat keinerlei Chance je ein erfülltes Leben zu haben, denn es werden sich immer Andere finden, denen man die Schuld für sein eigenes Verhalten und Leiden zuschieben kann.

Als erwachsene Person hat man sein Leben selbst in der Hand, die Frage ist nur wann ist man wirklich erwachsen? Der eine kann dies mit 18 sein die andere erst mit 35.

Sich auf die Hilfe anderer zu verlassen ändert leider nichts, im Gegenteil man bleibt stehen und entwickelt sich kaum, denn nur wirklicher Leidensdruck lässt uns schlussendlich handeln, so meine Erfahrungen. Ist dieser nicht gross genug, oder werden einem von Helfern alle Probleme beseitigt, sieht man keinen Handlungsbedarf, man wird immer träger, andere richten es ja und wenn diese nicht mehr wollen, drückt man auf die Tränendrüse und schon spuren sie wieder... Es gibt Menschen die erwarten  ständig Hilfe und wenn eine Quelle versiegt , suchen sie sich eine Neue. Dieses Suchen zeigt jedoch auch, dass sie noch Energiereserven haben, die sie auch anders nutzen könnten, nämlich sich auch einmal selbst zu helfen, selbst aktiv zu werden.

Man muss über seinen Schatten springen und trotzdem man nicht wirklich motiviert ist raus gehen, sich mit Leuten treffen, oder Leute einladen so wie ich es aus Zeitgründen tue. Die Eingeladenen müssen bei mir sogar noch fast jedes Mal selber kochen :-)

Durch deine Kollegen lernst du vielleicht neue Leute kennen, die du wirklich magst und die erkennen wie wertvoll du bist.
Du hast meiner Meinung nach, sehr genau erkannt wo das Problem steckt und darum denke ich auch, dass du dich laufend in eine Richtung entwickelst die "normal" ist. Das Erkennen kommt immer vor dem Umsetzen.

Zu Pudel; stimmt er schreibt oft das Selbe, was für jene die immer hier sind monoton und einstudiert wirkt, aber für neue Menschen die hier in der Not Zuflucht und Zuspruch suchen, sind seine Voten wichtig, oft ist er der Einzige der sich die Mühe nimmt jemandem zu antworten. Da sollten wir uns alle an der Nase fassen. Ich meine was  könnte er denn sonst Neues schreiben? Wie sollte seine Hilfe  aussehen?

Wenn mir hundert Leute ähnliche Fragen stellen, antworte ich auch immer das Gleiche, die Hundert wissen ja nichts voneinander, noch kann man sich andere Weisheiten aus den Fingern saugen.
Sein Tipp sich in einem Verein zu engagieren ist auf jeden Fall richtig, denn da kann man Leute treffen und wenn man den inneren Schweinehund jedes Mal überwindet und hingeht, kommt man aus der sozialen Isolation am Besten heraus.

**Es ist an der Zeit, sich allem zu stellen, anstatt sich immer nur zu verkriechen!**

Damit hast du zu 100% Recht, es geht nur so, man muss sich irgendwann entscheiden, ob man Leben oder Sterben will, sonst verbringt man seine Zeit mit dem Warten, dass sich irgendetwas verändert, aber das wird es ohne eigenes Zutun nicht, da kann man ewig warten und eines Tages am Ende des Lebens erkennt man, dass man nie gelebt, sondern seine Zeit einfach nur abgesessen hat...

Alles Liebe
Epines


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Fee

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #4 am: 20 April 2012, 09:40:36 »

Lieber Anonym,


ich möchte hier nicht das übliche "Allesaufdieelternschieben" von mir geben.Aber Selbstbewußtsein kann/muß man schon von kleinauf an lernen.

Mir wurde das leider als Kind verwehrt,sogar am Gegenteil,hat meine Mutter immer gründlich gearbeitet.Und ich habe ihr lange geglaubt wiiiiiiiiieeeeeee wertlos ich bin.

Später,vor allem im Beruf,hat sich das geändert.Ich habe mit viel Übung gelernt,daß nichts Schlimmes passiert,wenn man mal nicht perfekt ist.Im Gegenteil sogar,nämlich daß Perfektionismus oftmals sogar andere Menschen abschreckt.

So kam es,daß ich meinem Sohn,von Anfang an ermöglichte,später selbstbewußt durch`s Leben gehen zu können.Indem ich ihm so wenig wie möglich abnahm und ihm nur so viel wie nötig half.Vor allem wenn es darum ging,mit anderen Menschen zu kommunizieren.

Z.B. : "Mama,kannst Du die Frau,......,......,......, mal fragen ob .... ? "  "Ach mach`Du das mal lieber selber,das kannst Du doch schon ganz prima alleine."

Und heute ist er ein selbstbewußter,selbstständiger junger Mann,der sein Leben gut meistert.Es kam sogar schon vor,daß er für mich etwas bewerkstelligte,was ich mich nicht traute,oder als nicht für nötig befand.


Auch wenn Du es nicht als Kind lernen konntest,ist es nicht zu spät.Vllt. kannst Du ja mit kleinen Schritten beginnen.Gehst z.B. "einfach" nächstes Mal mal mit mit Deinen Kollegen.

Ich denke an dem Sprichwort : " Üben macht den Meister !",ist was wahres dran.

... und dafür wünsche ich Dir viel Mut und alles Gute !


L.G. Fee
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Anonym

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #5 am: 22 April 2012, 11:48:34 »

Hallo Epines, hallo Fee,

ich denke, es werden viele weichen in der Kindheit gelegt.
Ich kann mich im Grunde gar nicht beschweren. Mir hat zumindest materiell an nichts gefehlt. Natürlich blieben viele Wünsche unerfüllt, aber das ist auch ganz normal und im Nachhinein auch gar nicht schlimm.
Meine Eltern sind bis heute immer für mich da, das ist ebenfalls kein Problem.

Ich kann mich zwar nicht selbst daran erinnern, aber aus Erzählungen weiß ich, dass es bei mir als Kleinkind ein Erlebnis gab, nachdem ich viel zurückhaltender und ängstlicher wurde. Wahrscheinlich hat dem niemand viel Bedeutung beigemessen, weil mir zumindest körperlich nicht viel passiert ist. E mag lächerlich klingen und ich finde es auch seltsam, aber es war einfach, dass ich so 2 Jahre war, also noch winzig klein und es kam ein großer Hund an, der mich eben angesprungen hat. Wie gesagt, ich wurde nicht verletzt und der Hund kam wohl auch nur aus Spaß zu mir. Ab dem Zeitpunkt hätte sich einiges geändert.
Ich will es niemanden vorwerfen, andererseits frage ich mich, wieso meine Eltern damals nicht was unternommen haben. Wahrscheinlich haben sie sich auch nichts weiter gedacht und die ganzen Jahre einfach gedacht, sie haben halt ein sehr ängstliches Kind. Ob das eine wirklich der Auslöser war, finde ich schon komisch, aber egal, was es nun war, mache ich mir Gedanken, wie es wohl jetzt wäre, wenn ich als Kind wegen dieser Ängste usw. behandelt worden wäre. Vielleicht wäre einiges leichter gewesen, denn ich wusste selbst nie, wieso mir etwas Angst macht.
Ein ruhiger Mensch wäre ich wohl so oder so geblieben, aber da gibt es ja auch Unterschiede.

Ja, Fee, meine Eltern haben mir in dem Sinne viel abgenommen bzw. mich nicht soviel machen lassen. Aber auch da unterstell ich keine böse Absicht. Die einen Eltern gehen eben bewusst den Weg und schicken ihr Kind zum Brotkaufen los  und stehen im Hintergrund und die anderen machen es eben selber. Aber so wie du es siehst, möchte ich es auch schon lange mit meinen Kindern machen, wenn ich welche habe. So Kleinigkeiten stärken Selbstbewusstsein ungemein.

Bei mir wars früher halt so, dass ich nie groß Kontakt mit fremden Leuten hatte. Meine Eltern hatten kaum besuch, so dass man als Kind mal seine Grenzen und umgehensweisen mit unbekannteren Leuten testen kann.
Aufgrund der Tatsache, dass meine Schwester nicht mal ein Jahr jünger war als ich, haben wir eben auch viel zusammen gemacht. Gemeinsam schwimmen lernen, Radfahren lernen usw. War ja nicht schlecht, nur im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich nie jemanden hatte, der sich ausschließlich mal einen Nachmittag nur für mich Zeit nahm. Immer war man nur ein Kind von mehreren, so dass man die Stärken des einzelnen Kindes nicht fördern kann.

Aber auch das mag jetzt nach jammern klingen und das will ich nicht. Wie gesagt, ich hatte eine viel bessere Kindheit als viele andere hier.

Ich gehe auch ab und an mit meinen Freunden weg und ja auch mit Kollegen. Das Beispiel nannte ich mehr, weil mir auffiel, dass ich lieber weglaufe und mir was besseres wünsche als zu erkennen, dass ich es eigentlich habe.

Epines, du hast recht. Wer sich immer als Opfer sieht, bleibt eins. Ich habe eine zeit gebraucht, aber nun schaffe ich es, mit kritik umzugehen. Anfangs rege ich mich zwar drüber auf, aber dann denke ich drüber nach und nehme es auch an. Dabei gibt es allerdings nur ein Problem. Es gibt viele Menschen, die dies nicht können und immer austeilen. So geben sie eben Kritik an andere weiter, die nicht richtig ist und wenn man sich nun die Kritik zu Herzen nimmt, aber eben nicht richtig auslegt, glaubt man Sachen, die gar nicht stimmen. Andere schieben einen die Schuld zu und man erkennt seinen eigenen Teil der Schuld. Man entschuldigt sich und denkt: ok, nun bist du dran. Aber der andere erkennt seinen eigenen Teil nicht und glaubt, er sei vollkommen im Recht. Sowas ärgert mich dann auch maßlos, weil ich zwar meinen Teil der Schuld eingestehe, aber dann da stehe als wäre ich an allem Schuld. Man kann andere nicht ändern, aber ich frage mich eben, ob es immer klug ist, nach außen auch so ehrlich zu sein, und seine Fehler einzugestehen. Der andere glaubt dadurch ja total im Recht zu sein.
Ich bin im ganzen eher ein nachdenklicher, introvertierter Mensch. Es hat aber auch Vorteile, so sieht man mir z.B. nicht an, wenn ich nervös bin und ich schaffe es somit bei Vorträgen souverän und selbstbewusst aufzutreten, obwohl ich dabei innerlich zittere und mir wünsche, es wäre schon vorbei. Aber nach außen wirke ich nach vielen Aussagen eher ruhig und locker. Sowas muss man ja auch positiv sehen und eigentlich ausnutzen.


Zu Pudel, nein ich möchte ihn sicher nicht kritisieren und es ist toll, dass er hier die Plattform anbietet. Ich habe halt nur manchmal das Gefühl, er liest die Beiträge nicht richtig, sondern gibt die Antwort ab. Aber es kann auch sein, dass ich die Beiträge eben auch anders auffasse. Ich finde es toll, dass es sich die Mühe macht, zu antworten.


Viele Grüße
Gespeichert

Epines

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #6 am: 23 April 2012, 14:06:53 »

Hallo lieber Anonym

Du sagst: „ich denke, es werden viele weichen in der Kindheit gelegt."

Vermutlich die allermeisten, "Erziehung" prägt am stärksten.
Ich erschrecke auch heute noch immer wieder wie Eltern ihren Kindern Werte wie z.B. Rassismus vermitteln, ohne dabei zu bedenken, dass das Kind das Recht hat sich selbst eine Meinung zu bilden.
Ein anderes abschreckendes Beispiel hörte ich zufällig in der Straßenbahn. Eine Mutter mit zwei kleinen Kindern im Vorschulalter, saß vor mir. Die Straßenbahn konnte einen Moment nicht weiter fahren, weil gerade eine Demonstration für Menschenrechte die Schienen überquerte. Die Mutter hat sich darüber fürchterlich aufgeregt und sagte zu den Kleinen so laut , dass es alle anderen auch hören konnten: „Wenn ihr jemals so etwas macht, dann haue ich euch links und rechts eine runter, auch wenn ihr schon 20 Jahre alt seid." Die Kleinen guckten dem Zug der Demonstranten wortlos lange nach. Welcher Eindruck muss da einem Kind entstehen? Demonstrieren muss also etwas wahnsinnig schlimmes sein, wenn uns die Mutter sogar noch dafür schlägt, auch wenn wir schon gross sind...

Wir werden also durch das Weltbild der Eltern in ein enges Korsett gezwängt und es braucht lange bis man sich davon befreien kann, manche schaffen es nie und werden sogar über den Tod der Eltern hinaus weiterhin geknechtet.

Anerzogene Verhaltensmuster, die ja teilweise  Rituale waren, sind extrem schwer abzulegen. Zu erleben wie stark es wirklich ist, kann man mal die Gabel in die rechte und das Messer in die linke Hand nehmen und versuchen zu essen.

Du hast das Erlebnis mit dem Hund geschildert. Hast du denn heute Angst vor Hunden?

**Ich will es niemanden vorwerfen, andererseits frage ich mich, wieso meine Eltern damals nicht was unternommen haben. Wahrscheinlich haben sie sich auch nichts weiter gedacht und die ganzen Jahre einfach gedacht, sie haben halt ein sehr ängstliches Kind. Ob das eine wirklich der Auslöser war, finde ich schon komisch, aber egal, was es nun war, mache ich mir Gedanken, wie es wohl jetzt wäre, wenn ich als Kind wegen dieser Ängste usw. behandelt worden wäre. Vielleicht wäre einiges leichter gewesen, denn ich wusste selbst nie, wieso mir etwas Angst macht.**

Vielleicht haben deine Eltern diesem Ereignis wirklich zu wenig Beachtung geschenkt, manchmal passieren solche Dinge.
Hast du denn überhaupt mit deinen Eltern als Kind viel gesprochen? Also du sagtest, dass sie zu wenig Zeit für dich hatten. Mit mehreren  Kindern ist dies vermutlich wirklich nicht ganz einfach für eine Mutter, wenn ich nur schon an den Wäscheberg denke, der da täglich zu bewältigen ist und irgendwann will man auch als Eltern einfach seine Ruhe.

Wenn man als Kind allerdings nicht über die Monster unter dem Bett reden darf, oder sie nicht ernst genommen werden, steigert dies tatsächlich die Ängste, so war es bei mir auf jeden Fall, aber bei uns gab es sowieso viele Geheimnisse, die nie nach außen dringen durften. Meine Mutter war immer sehr bedacht darauf, dass alles was bei uns passiert, auch in unseren vier Wänden bleibt. Darum gab es auch erst ein Telefon, als wir alle ausgezogen waren.

Kinder brauchen Erklärungen, brauchen Zuwendung, brauchen offene Ohren, was sie aber keinesfalls brauchen sind Abwertungen und ständige Bagatellisierungen ihrer Sorgen, Nöte und Ängste, sondern man muss diese als Eltern ernst nehmen. Ganz schädlich ist auch Nicht-Beachtung (emotionale Vernachlässigung), oder nur Beachtung wenn die Leistungen nicht den Erwartungen entsprechen.

Hier ein wirklich interessanter Vortrag von Prof.Dr. Ariane Schorn, schon älter aber immer noch aktuell und sehr informativ, vielleicht hast du mal Zeit und Lust ihn anzusehen.

Kindeswohlgefährdung
http://www.youtube.com/watch?v=IUY7dzalCrg&feature=related

Was ich ganz toll finde ist, dass deine Eltern bis heute immer für dich da sind. Ich meine Fehler in der Erziehung macht jeder und nichts ist so sehr dem zeitgenössischen Geist unterworfen wie Erziehung.
Erst kürzlich las ich einen Bericht der besagte, dass ständiges Loben der Kinder genauso schädlich ist wie tadeln, wer hätte das gedacht?

**Wer sich immer als Opfer sieht, bleibt eins. Ich habe eine zeit gebraucht, aber nun schaffe ich es, mit kritik umzugehen. Anfangs rege ich mich zwar drüber auf, aber dann denke ich drüber nach und nehme es auch an. **

Genau so ging es mir auch immer, früher habe ich Kritik an mir und meinem Verhalten immer abgelehnt und als Mobbing und Abwertung angesehen und mein Verhalten bagatellisiert. Dann mit zunehmender Reife habe ich sie bedacht und erkannt, dass fast alle Kritikpunkte berechtigt sind. Weh getan hat es natürlich immer noch. Heute bespreche ich Kritik sofort und analysiere meine Fehler, stehe dazu und versuche es besser zu machen und ich gestatte dem Kritisierenden auch seine Wut über mich, denn wenn sie berechtigt ist, darf er sich auch darüber aufregen. Wer Anlass zu Kritik gibt, muss auch den Ärger derjenigen aushalten die den Schaden tragen müssen. Damit meine ich nun nicht jahrelanges Nachtragen.

Mir passieren manchmal auch viele Gedankenlosigkeiten die ich nur wahr nehme wenn man mich aufmerksam macht.
Z.B. vor ein paar Tagen hat mir jemand im Chat erzählt wie schlecht es dem Exfreund gesundheitlich geht und wie sehr sie deshalb mitleidet, es war offensichtlich, dass er diese Krankheit wohl nicht überlebt. Nebenbei habe ich in Youtube Musik von Andrea Bocelli gehört und den link eingefügt, wie wir es oft machen. Die Frau war dann entsetzt und sagte, man hätte genau diesen Song an der Beerdigung von jemandem gespielt. Ich war natürlich betroffen, aber ich hatte nicht das Gefühl etwas Unrechtes getan zu haben, ich hatte einfach nur einen Link der Musik geschickt die ich gerade hörte.
Ein paar Tage später sprach mich jemand darauf an und sagte, dass er es echt grausam gefunden hätte genau diesen song zu linken. Ich fragte dann welcher song es gewesen war und er sagte "time to say goodbye"...

Erst mit dieser Kritik überhaupt habe ich gemerkt was ich da wirklich angerichtet hatte. Der Text des songs war mir damals gar nicht aufgefallen, aber die Kritik war natürlich voll berechtigt, es war taktlos und dumm, aber ich habe dazu gelernt und ich werde mit der Person noch darüber reden.

**Es gibt viele Menschen, die dies nicht können und immer austeilen. So geben sie eben Kritik an andere weiter, die nicht richtig ist und wenn man sich nun die Kritik zu Herzen nimmt, aber eben nicht richtig auslegt, glaubt man Sachen, die gar nicht stimmen. Andere schieben einen die Schuld zu und man erkennt seinen eigenen Teil der Schuld. Man entschuldigt sich und denkt: ok, nun bist du dran. Aber der andere erkennt seinen eigenen Teil nicht und glaubt, er sei vollkommen im Recht. Sowas ärgert mich dann auch maßlos, weil ich zwar meinen Teil der Schuld eingestehe, aber dann da stehe als wäre ich an allem Schuld.**

An diesem Punkt merkt man, wie wichtig gute soziale Kontakte sind. Ich thematisiere es dann sofort mit anderen um erkennen zu können, wie sie es sehen und ob ich mit meiner Meinung alleine da stehe. Dieses Verhalten habe ich mir angewöhnt als ich erkannt habe, dass ich manchmal die Dinge nicht so sehen wie sie wirklich sind. Ich nenne es Wunschdenken, andere Wahrnehmensstörungen.  Wenn man so ist, es also erkannt hat, muss man möglichst schnell andere objektive Meinungen einholen, um zu erkennen, ob man falsch oder richtig liegt. Mit der Zeit erkennt man dadurch seine eigenen Unzulänglichkeiten wesentlich schneller und kann besser damit umgehen.

Beim nochmaligen durchlesen deines Votums und weiterem Nachdenkens darüber, merke ich, dass wenn ich mich früher  auf Diskussionen über mein Fehlverhalten eingelassen habe ebenfalls versuchte, beim Gegenüber ein Fehlverhalten in der kritisierten Angelegenheit, oder anderer  Sache ausfindig zu machen, die ich ihm dann vorwerfen konnte. Auf diese Weise wurde mein Fehlverhalten für mich irgendwie geringer, irgendwie besser auszuhalten.
In der Folge merkte ich dann, dass dies mein Gegenüber ziemlich sauer machte. Wenn man kritisiert wird, darf man keinesfalls im selben Gespräch Kritikpunkte am Gegenüber äußern die nichts mit der vorliegenden Sache zu tun haben, oder die als Folgen meines Fehlverhaltens entstanden sind. Diese sollte man dann falls nötig in einem anderen Gespräch, zu einem späteren Zeitpunkt klären. Die Folgen meines Fehlverhaltens können nämlich tatsächlich gravierende Ausmaße annehmen und Reaktionen anderer auslösen, die ohne mein Verhalten nicht entstanden wären, insofern trifft mich natürlich wirklich die Schuld auch an ihrem Handeln aufgrund meines Fehlers.

Deutschland und die Schweiz haben zusammen beschlossen eine neue Brücke über den Rhein zu bauen. Beide Seiten hatten ihre Pläne und man wollte sich in der Mitte treffen. Man begann mit dem Bau. Irgendwann stellte man vor Ort fest (man war beinahe fertig), dass es eine Höhendifferenz von fast 50 Zentimetern gab. Ist nun der Bauarbeiter auch schuld, der erst im letzten Moment gemerkt hat, dass die Berechnungen  nicht stimmen? Seine Aufgabe ist nur das bauen, nicht jedoch die Planung. Natürlich kann der Zuständige nun ausrasten und herumschreien welche Deppen dies nicht rechtzeitig gemerkt haben und ihnen die Schuld geben, Fakt bleibt jedoch, dass die Bauplänen mangelhaft waren und die Arbeiter sich einfach wie immer nur strikt danach gerichtet hatten, hüben wie drüben.

Wenn ich also kritisiert werde frage ich mich nicht sofort auch, was der andere ebenso falsch gemacht hat, sondern ich betrachte nur nüchtern mein eigenes Fehlverhalten,  nehme die Kritik -diskussionslos an und entschuldige mich gegebenenfalls dafür und rette was noch zu retten ist.

Mit dem Entschuldigen ist es allerdings auch manchmal so eine Sache. Wenn etwas ohne böse Absicht passiert, also einfach aus Gedankenlosigkeit und man sich nicht wirklich schuldig fühlt, soll man sich dann entschuldigen, obwohl man keinerlei Schuldgefühle hat? Ist eine Entschuldigung bei der man keinerlei Schuld fühlt nicht einfach bloß ein Lippenbekenntnis? Findet nach einer Entschuldigung auch wirklich ein Ent-Schulden statt?

Ich selbst finde ein erklärendes Gespräch wesentlich besser, wenn der andere dann nach seinem ihm zustehenden ärgern, immer wieder auf dem Fehler herum hackt obwohl man einsichtig war, hat dies meist ganz andere Gründe. Hat also meist mit ihm selbst zu tun.
Zweifellos gibt es auch den Typen Mensch der sich freut Fehler zu finden, sie sogar penibel sucht um zu kritisieren und andere dadurch  klein machen zu können, es gibt ihnen wohl ein Gefühl von berauschender Macht und Überlegenheit...

Menschen sind wirklich seltsame Wesen :-)

Alles Liebe dir
Epines







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Anonym

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #7 am: 26 April 2012, 13:58:58 »

Hallo Epines,

natürlich werden die Hauptweichen in der Kindheit gestellt. Später fällt es jedem schwer, sich von den gewohnten Bildern zu entfernen, mögen diese auch ein eher negatives Bild zurückgelassen haben. Aber der Mensch ist wohl ein Gewohnheitstier und so fällt es uns schwer, uns zu verändern. Es klappt meist nur, wenn man sich bewusst macht, was eigentlich „schlecht“ ist und man es ändern möchte. Aber selbst dann muss man hart kämpfen, um nicht in sein altes Bild zu verfallen, selbst wenn man genau weiß, wie viel einem dieses Verhalten geschadet hat.
Dein Beispiel in der Straßenbahn ist vielleicht auf den ersten Blick schockierend. Den Kindern wird unterbewusst vermittelt, dass Demonstrationen schlecht seien. Das stimmt. Sie sind sicher zu klein gewesen, um dies bewusst zu begreifen, aber wie du selbst sagtest, es wird ihnen unterbewusst klar, dass es etwas Schlimmes sein muss. Schließlich hatten sie mit der Situation nichts zu tun und bekamen dennoch Ärger von ihrer Mutter.
Und schon bin ich von Vorurteilen geprägt und habe ein Bild dieser Dame im Kopf. Wahrscheinlich hat sie keine hohe Bildung genossen und scheint auch sonst nicht sehr intelligent. Mag jetzt gemein klingen, aber ich denke, sie wird einfach nicht groß nachgedacht haben und ihr wird nicht bewusst sein, was sie da gesagt hat.
Viele Leute stöhnen, wenn ihre Weiterfahrt durch ein Hindernis gestört wird. Aber umso mehr ein Mensch nachdenkt, umso weniger würde er solche Sprüche loslassen. Die Durchschnittsmutter würde ihrem Kind sagen: Schau, die Leute demonstrieren gerade, daher kommen wir nicht weiter. Selbstverständlich würde hier bei dem einen oder anderen gewisser Ärger mitklingen, da man ja meist Termine hat.

Epines, wenn man klein ist, ist die Welt nun mal klein. Sie besteht aus dem engen Umfeld und was anderes lernt man nicht kennen. Man ist ja noch zu klein, um auf Entdeckung in die große Welt zu gehen. Alles, was man erlebt ist normal. Hellhörig wird man erst, wenn man Freunde hat, bei denen es anders ist. Aber viele Menschen haben ihre Freunde auch in denselben sozialen Schichten, so dass man zumindest als Kind, nicht unbedingt alles kennenlernt.

Ja, Ich habe immer noch Angst vor Hunden und auch vor anderen Tieren. Obwohl es schon besser geworden ist. Trotzdem meide ich Kontakte mit den Tieren und würde mir keins zulegen. Sobald ich jemanden mit Hunden besuche, ist es anfangs schwer, aber man gewöhnt sich dran und sobald man ein Tier bisschen kennt, ist es entspannter. Aber dennoch schränkt es mich ein. Als Jugendlicher wollte ich lieber keinen Zeitungsjob annehmen, obwohl es mir Spaß gemacht hätte, an der frischen Luft rumzulaufen und es gab ja auch ein Taschengeld dafür. Aber ich hätte eben auch auf viele Grundstücke mit freilaufenden Hunden gemusst.

Mir hat niemand verboten, über irgendwas zu reden. Zugegeben, bei uns war es daheim so, dass meine Eltern beide berufstätig waren und mein Vater sich mehr um uns gekümmert hat. Sprich, meine Mutter hatte auch Haushalt, wo jeder half, aber gespielt und Hausaufgaben gemacht, haben wir eher mit dem Vater. Was aber nicht unbedingt negativ war.

Dein Fall, den du im Chat erlebt hast, finde ich auch etwas sagen wir mal blöd gelaufen. Ich hätte mich in dem Moment auch gefragt, ob du da jemanden fertig machen wolltest. Schließlich ist das Lied als Trauer- und Abschiedslied bekannt. Wie du sagtest, war dir dies zwar in dem Moment nicht bewusst, aber meine Einstellung ist da so, dass ich es dir wohl dennoch zu Lasten gelegt hätte. Ich muss sagen, ich konzentriere mich auf ein Gespräch und kann es nicht ab, wenn der andere links und rechts irgendwas anderes macht. Kleinigkeiten gehen immer. Aber wenn sich jemand mit vielen anderen Sachen beschäftigt, zeigt das für mich Desinteresse und das finde ich sehr Unhöflich. Wenn es bei euch üblich ist, dass ihr euch Musik schickt, die ihr gerade hört, mags ok sein. Dennoch denke ich, wenn mir jemand Musik schickt, dass er mir damit etwas sagen will, ansonsten sehe ich es einfach als Spam und mich stört sowas. Kann aber auch sein, dass ihr eine Art Musikbörse habt und dann ists wieder was anderes.
Aber ich finds gut, dass du einsiehst, dass es die Person verletzt haben könnte.


Entschuldigen: Nun, wenn ich ein Glas ausversehen umstoße und der Saft auf den Teppich fließt, tut es mir leid. Dann sage ich das dem Gastgeber auch und entschuldige mich dafür. Natürlich bleibt es meine Schuld, auch wenn ich es nicht extra gemacht habe. Wer ist denn sonst dafür verantwortlich? Derjenige, der das Glas dahingestellt oder gefüllt hat? Nein, ich war in dem Moment so achtlos und bin dagegen gekommen. Hätte ich es mit Absicht gemacht, dann müsste ich mich nicht entschuldigen, denn das würde nur Heuchelei und Scheinheiligkeit wiederspiegeln. Aber Sachen, die einem eben nicht mit Absicht passieren, können einem Leid tun. Somit sehe ich es genau andersrum als du. Schlage ich das Glas bewusst vom Tisch, dann ist eine Entschuldigung unangebracht, weil ich es nicht ernst meine. Es geht nicht darum, sich nach außen von seiner Schuld zu befreien. Natürlich könnte man dies der wörtlichen Bedeutung des Wortes „Ent-Schuld-igung“ beimessen. Aber schauen wir mal auf die inhaltliche Bedeutung. Wer sich ernsthaft entschuldigt, drückt damit aus, dass einem etwas leid tut, man es also nicht wollte. Dies sagt man seinem Gegenüber mit diesem Wort.
Die Schuld bleibt, aber der andere kann sie einem verzeihen.
Wollte man sich von der Schuld lossagen, sagt man: ich habe da keine Schuld. Dies würde aber eher passen, wenn du mich gegen das Glas schubst und es dadurch auf den Boden fällt. Dann sage ich: ich habe keine Schuld, sondern Epines.

Zu beobachten ist das doch viel bei Kindern. Sagt dann einer: Vertragt euch und entschuldigt euch. Im Grunde zwingt man die Kinder dann dazu Frieden zu schließen, aber jeder sagt „Entschuldigung“, meint es aber auch nicht so, was man oft am jeweiligen Tonfall erkennt. So wäre es nur ein Lippenbekenntnis. Die Kids meinen es in dem moment eben nicht ernst, sondern sagen es, weil man sie dann in Ruhe lässt. Aber wirklich leid tut ihnen wohl nicht, was sie gemacht haben.

Viele Grüße
Anonym
Gespeichert

Noch anonym

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #8 am: 01 Mai 2012, 14:50:30 »

Hallo,
mit großem Interesse habe ich eure Nachrichten gelesen, weil ich mich teilweise in Ihnen wiedererkannt habe. Auch ich leide an Angst, auch wenn mir das vermutlich die wenigsten glauben würden. Ich wirke nach außen attraktiv, kompetent, selbstbewusst und sicher. Dass das krasse Gegenteil der Fall ist, ich mich oft unwohl in meiner Haut fühle, dumm, ungebildet und wahnsinnig ängstlich, ist auch bei mir sicherlich auf Erziehung zurückzuführen, aber auch auf die Konstellation in unserer Familie. Und auf fehlende Vorbilder, vor allem das Vatervorbild, das mit verwehrt geblieben ist, weil mein Vater den größten Teil meines Lebens krebskrank und vermutlich daraus resultierend lethargisch war. Obwohl er dem Tod immer wieder von der Schippe gesprungen ist, hatte ich nie das Gefühl, dass ihn dieses Erlebnis weiser gemacht hätte. Zwischen meinen Eltern liefs auch nicht sonderlich rosig. Von Scheidung war nur während meiner verspäteten Pubertät die Rede. Und da wurde ich immer wieder als Ursache dazwischen geschoben. Mein Vater würde sich nicht um meine Erziehung kümmern, er würde mir zu viel erlauben usw. Und mein Vater hat dann wiederum mit Passivität reagiert. Hat das alles mit sich machen lassen. Mich hat das sehr traurig gemacht. Ich sah mich verantwortlich nicht nur für mich selbst (übrigens etwas, das ich bis heute mit 29 Jahren nicht richtig übernehmen kann) sondern auch noch für die Ehe meiner Eltern. Aber ich fühlte mich sowieso schon einsam ohne Ende. Was sollte dann erst werden, wenn sich die beiden trennten? Meine Geschwister (8, 10, 12 Jahre älter) waren alle schon aus dem Haus. Die hatten sich alle schon abgenabelt. Und meine Mutter suchte zu mir immer ein sehr enges Verhältnis, das sich während meiner Pubertät zu einer Art Hass-Liebe entwickelt hat. In der Schule wurde ich gehänselt wegen meiner verspäteten Schambehaarung, wegen meiner hohen stimme.
Dass ich mal ein Opfer war, kann sich keiner meiner heutigen Freundeskreise vorstellen. Dass ich ein Nerd war, der zuhause sass und PC gezockt hat. Ich hab mich zurückgezogen. hab sovieles an meinem Leben vorbeiziehen lassen, was ich heute schmerzlich vermisse. Wenn andere von Rockkonzerten erzählen, von ihrer Lieblingsband, von was auch immer. All das habe ich nicht zugelassen. 
Wie auch immer, vor 2 Jahren ist meine Mutter gestorben. Selbst ihrem Krebs erlegen. Unser verhältnis hat sich in den letzten Jahren nicht unbedingt verbessert. ich hab sie verachtet für ihre sadistische Art. Für die Art und Weise, wie sie mit meinem Vater umgesprungen ist, und meinen Vater dafür, wie er mit sich umspringen hat lassen. Ich war immer extrem harmoniebedürftig. kann bis heute nicht verstehen, warum Leute bestimmte Dinge einander antun, ohne es wenigstens zu reflektieren und sich danach dafür zu entschuldigen. Das würde uns alle schon einen großen Schritt voran bringen. Und gleichzeitig plagen mich genau die Harmoniegedanken, weil sie mich hin und herreisen zwischen meinem Vater und meiner Mutter. Ich schwimme völlig unkontrolliert und orientierungslos zwischen diesen beiden Polen hin und her.
Ich bin voll mit Angst. Hab keine Orientierung. Beruflich will ich mir was neues suchen. Mit meiner Freundin ist es nun nach 2 Jahren Beziehung auch zuende. Ich fühle mich einsam, auch wenn ich vielleicht garnicht wirklich bin, denn ich habe Freunde, wahre Freunde. Aber ich trau mich nicht, sie immer wieder zu behelligen mit meinen Problemen. Weil sie sich doch denken müssen, ich solle doch mal aufhören mit der Jammerei.

Und das ist der Grund, wieso ich hier auch schreibe. Liebe Epines, ich finde, dass Du sehr hart schreibst. Dafür, dass Du selbst mit solchen Dingen konfrontiert warst, ziehst Du ganz schön hart mit Menschen ins Gericht, die ihr Leben nicht in die Hand nehmen. Dass man sein Leben in die Hand nehmen MUSS, kann auch nicht stimmen. Man muss garnichts. Genau diese Formulierungen verunsichern uns doch alle im Grunde genommen. Dieses Müssen. Dieser Zwang. man muss jetzt handeln. Man muss jetzt dieses oder jenes tun. Klar, es bringt tatsächlich nichts, sich zuhause zu verbarrikadieren. Aber nur weil für dich das eine die Lösung war, MUSS es für andere nicht die Lösung sein. Es KANN. Ich wäre etwas vorsichtiger mit Formulierungen. Gerade in einem solchen Forum.

Vielleicht bin ich auch gerade sehr dünnhäutig. Ich will gerade auslassen. meine Gedanken. und meine Tränen

Lieben Gruß
Gespeichert

Anonym

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #9 am: 02 Mai 2012, 13:34:55 »

Hallo Noch Anonym,

ein "Muss" ist vielleicht immer heftig ausgedrückt, aber ich frage mich momentan, ob es nicht manchmal das Beste ist. Viele fühlen sich dadurch unter Druck gesetzt, das mag sein. Geht mir genauso. Aber meist ist gerade dieser Druck erforderlich, um sich selbst in den Allerwertesten zu treten. Ein "kann" ist eher etwas, was einem die Möglichkeit offen lässt, und für Menschen, die auf einer gewissen Ebene sind, auch ausreichend ist. Für viele ist aber eher ein "ich darfs mir aussuchen und ich will nicht". Sprich, sie werden nichts ändern. Ist ja alles so gemütlich, wie es ist.
Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, jemand, der in einem Loch steckt, zu sagen: Du MUSST da jetzt raus. Aber meiner Meinung nach hilft es mehr, als: Du KANNST da raus. Okay, man kann das dann natürlich auch so verstehen: Ich traue dir zu, dass du aus dem Loch klettern kannst.
Ein „Muss“ betont natürlich immer die Dringlichkeit und unterstreicht oft, wie verzweifelt Helfende evtl. auch sind. Sie wissen nicht mehr, mit dem Menschen in dem Loch umzugehen und wollen ihm helfen. Sie sehen, wie schlecht es ihm da unten geht und versuchen diesen daraus zu ziehen, in dem sie ihm klarmachen wollen, dass es ihm nur besser geht, wenn er aus dem Loch rauskommt. Und somit schreit man ihm eben zu, dass er raus MUSS.

Wer jetzt in der Position ist, jemanden ein „Muss“ zuzurufen, weiß ich auch nicht. Sind es die Leute, die in der Situation selbst gesteckt haben? Die es erkannt haben und im Nachhinein sagen können: Wenn es dir besser gehen soll, musst du daraus!
Das scheint Ansichtssache zu sein.
Und aus Erfahrung weiß ich, dass viele Menschen mit anderen härter ins Gericht gehen, als sie es selbst ertragen würden. Epines kenne ich nicht, daher bilde ich mir hierzu auch keine Meinung.

Ich sehe es nur so, dass ein „Muss“ sicher Druck auf jemanden ausübt und man dann noch mehr Angst hat, zu versagen. Andererseits, wie macht man jemanden klar, dass er dringend was ändern muss, damit es ihm besser geht?

Ich habe auch oft keine Lust auf mein Training. Aber dann schaue ich mich an und merke mein Herz und sage mir: Du MUSST jetzt gehen. Oder wenn mir jemand anderer sagt: Du musst dahin, dann bin ich vielleicht verärgert, aber im Nachhinein geht’s mir viel besser und ich bin dankbar, dass ich mich oder wer anders treten würde. Denn sagt mir einer: Du kannst zu Sport gehen, dann denke ich mir: ich kanns auch lassen.

Man ist erst dann dankbar, wenn man die Erfolge spürt
Gespeichert

Epines

  • Gast
Re:Verkriechen oder sich dem Leben stellen?
« Antwort #10 am: 04 Mai 2012, 11:39:31 »

Hallo lieber Anonym und Mitlesende

**Man ist erst dann dankbar, wenn man die Erfolge spürt**, dem kann ich voll und ganz zustimmen! In einer Krise ist es sogar gänzlich unmöglich an den Erfolg zu glauben. Wenn man nämlich voll darin steckt, hat man kaum Kraft sich zu bewegen, weil alles grau in grau und düster ist und wenn es einem besser geht, sieht man keinen Handlungsbedarf mehr. Deshalb ändert sich meistens selten etwas und genau aus diesem Grund muss man leider handeln, wenn man kaum noch Energie hat. Kurzfristig sind deshalb Medikamente hilfreich, auch wenn man bedauerlicherweise deswegen zunimmt, aber sie helfen uns klarer zu denken und Entschlüsse zu fassen die  unser Leben verändern und somit wieder, oder überhaupt erst lebenswert machen.

@noch anonym
Liebe Epines, ich finde, dass Du sehr hart schreibst. Dafür, dass Du selbst mit solchen Dingen konfrontiert warst, ziehst Du ganz schön hart mit Menschen ins Gericht, die ihr Leben nicht in die Hand nehmen. Dass man sein Leben in die Hand nehmen MUSS, kann auch nicht stimmen. Man muss garnichts. Genau diese Formulierungen verunsichern uns doch alle im Grunde genommen. Dieses Müssen. Dieser Zwang. man muss jetzt handeln. Man muss jetzt dieses oder jenes tun. Klar, es bringt tatsächlich nichts, sich zuhause zu verbarrikadieren. Aber nur weil für dich das eine die Lösung war, MUSS es für andere nicht die Lösung sein. Es KANN. Ich wäre etwas vorsichtiger mit Formulierungen. Gerade in einem solchen Forum.

Dieses "Muss" stört aber scheinbar bei anderen die uns helfen "müssen", die uns finanzieren "müssen", die uns beistehen "müssen", die uns versorgen "müssen", die immer da sein "müssen", die immer tolerant und verständnisvoll sein "müssen", die immer geben und geben "müssen", überhaupt nicht...

Es gibt viele "Müssen" im Leben. Man muss z.B. arbeiten um etwas zu essen zu haben. In anderen Ländern, wo es keine stützenden Sozialleistungen gibt ist dies ein Muss. Wer sich da nicht bewegt hungert... Aber auch in Deutschland ernähren sich zunehmend  viele arbeitslose oder aus-gesteuerte Menschen vom Müll, nicht weil ihnen Spaß macht vor dem Mc Donalds die Mülleimer zu durchsuchen, sondern weil sie es müssen, um nicht zu hungern, weil sie z.B. Kinder haben und man nicht will, dass diese in der Schule durch die Armut der Eltern ausgegrenzt werden, also geht das ganze Geld an sie...

Aus dieser Trägheit auszubrechen, wenn man leben will ist demnach ein "Muss",  ein "kann" bewirkt doch nichts, außer der Erkenntnis das man die Wahl hat.
Natürlich muss man nicht wirklich, aber wer sich nicht mehr verändern kann, der lebt auch nicht wirklich, sondern dämmert, oder vegetiert vor sich hin und sitzt seine Zeit ab, so meine eigenen Erfahrungen.

Wo bleibt da die Lebensfreude? Fragt sich, ob das erreichen dieser Lebensfreude das ersehnte Ziel ist. Wer zufrieden ist mit seiner Lebenssituation muss tatsächlich nichts verändern, dies betrifft wirklich nur jene die ein anderes Leben wollen.

Ich denke, dass es gerade in einem solchen  Forum wichtig ist auch einmal zu dokumentieren, dass es möglich ist  aus der ganzen Misere heraus zu kommen und trotz der Altlast und der daraus resultierenden Krankheit das Beste daraus zu machen, denn wer niemals von Menschen erfährt die es tatsächlich geschafft haben eine befriedigende Lebensqualität zu erreichen, glaubt mit der Zeit nicht mehr daran das Erfolge überhaupt möglich sind.

LG
Epines

Gespeichert
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