Die geheime Macht der Begrifflichkeit wird gerne unterschätzt, der Begriff "Depression" hat mittlerweile eine starke klinische Subversion an sich, er ist schon längst Bestandteil des Vokabulars jener Seelenspezialisten, die die Psychologie selbstredend für eine Naturwissenschaft halten. Meine Aufmerksamkeit allerdings haben schon seit jeher die Selbstmordkandidaten auf sich gezogen, die nicht an einer eventuell sogar medikamentös behandelbaren "Depression" leiden, sondern aus einer sehr intensiv gefühlten Einsicht in die Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins in einen extremen Geisteszustand geraten sind, für den vielleicht die Begrifflichkeit einer "permanenten Deprimiertheit" eher angebracht wäre, die kein Arzt der Welt "heilen" kann. Es kann durchaus geschehen, dass sich jemand das Leben nimmt, ohne "depressiv" zu sein. Aber lassen wir die etymologischen Spielereien, bleiben wir bei dem etablierten Begriff "Depression", allerdings in dem Sinne der hier angedeuteten "permanenten Deprimiertheit". Hätten Depressionen physische Ursachen, müssten diese im Prinzip auch bei den hoch entwickelten Säugetieren nachweisbar sein. Vielleicht irre ich mich, aber ich habe noch nie davon gehört, dass Tiere aus freien Stücken Selbstmord begehen, also liegt der Verdacht nahe, dass die suizidale Depression ein zutiefst menschliches Phänomen ist, was natürlich auch den Philosophen aller Zeiten aufgefallen ist. Möglicherweise ist es gar nicht so abwegig, die religiösen Glaubensgemeinschaften als "Depressionsvorbeugungsvereine" zu sehen, ich bin jedenfalls ziemlich sicher, dass ein religiös gefestigter Mensch deutlich weniger anfällig ist für Depressionen jeglicher Art. Allerdings haben die diversen Glaubensgemeinschaften aus den hinlänglich bekannten Gründen diesen psychosozialen Mehrwert weitestgehend eingebüßt, auch die familiären Strukturen haben sich während des letzten Jahrhunderts natürlich stark verändert, auch der Mensch kann sich eben nicht dem gnadenlosen Diktat der Evolution entziehen. Dies wiederum bedeutet, dass der, der aufgrund einer extremen Persönlichkeitsentwicklung der sensiblen Gattung der "Wahrheitssucher" angehört, sich in einer äußerst mißlichen Lage befindet, sobald er weder in einer religiösen Gemeinschaft seine "geistige Heimat" sehen kann, noch bereit ist, den neosophistischen Welterklärungen all der modernen und unsäglich aufgeklärten wissenschaftlichen Köpfe bedenkenlos zu folgen. Wenn darüber hinaus auch noch die Einsicht kollaboriert, dass das in den Wohlstandsgesellschaften grassierende, konsum-und lustobsessive, immer geschichtsloser werdende "Gegenwartsleben" letztlich nur zu einer menschlichen Verödung führen kann, dann kann der Gedanke an Selbstmord zu einer ernsthaften Alternative werden, und zwar jenseits jeglicher neuraler Disponiertheiten. Auch ein "privates Glück" kann hier nicht wirklich weiterhelfen, man wird das Gefühl nicht los, in einem "falschen Bewusstsein" zu leben, aus dem man sich aus eigener Kraft nicht befreien kann. Nun frage ich mich, ob gegen eine so gelagerte "Depression" überhaupt etwas zu machen ist, oder ob es sich lediglich um einen "persönlichen Super-GAU" handelt.