Erebor - der einsame Berg.
Irgendwie mittendrin, aber doch nicht dabei. Ob ein Drache in mir schläft - das weiß ich nicht.
Meiner Brieffreundin habe ich mich als "socially awkward" beschrieben. Das trifft es denk ich ganz gut. Ich habe Probleme, mit Menschen umzugehen. Auf sie zuzugehen, das richtige zu sagen. Oft sage ich etwas und mein Mann weißt mich darauf hin, was die gesellschaftlich korrekte Einleitung dazu gewesen wäre.
Diplomatie? Manchmal, wenn ich mich anstrenge.Es überfordert mich, Anfang Januar jedem ein schönes neues Jahr zu wünschen. Das tut man so, klar. Aber wann ist der Januar weit genug fortgeschritten, dass ich es nicht mehr tun muss?Ich ignoriere die Geburtstage aller, die mir nicht zu nahe stehen, weil ich mich in dieser Gratulationssituation so unwohl fühle. Auch mein eigener Geburtstag. Brr. All diese Floskeln, Frohe Weihnachten, Alles Gute, das fühlt sich so auswendig gelernt an, so mechanisch. Also tu ich mich schwer mit Menschen. Und Menschen sich mit mir. Ich war immer eine Außenseiterin. Unzählige Umzüge in meiner Kindheit und Jugend machten das nicht leichter. Ich kam nie irgendwo an. Spontan sein, das war meiner Mama immer wichtig. Spontan und flexibel. Und ich dachte, ja, das bin ich auch - wurde ja auch so von mir erwartet. Ich bin mit meinem neuen Führerschein in die Landeshauptstadt gefahren, ohne Plan, ich wusste nur, wo das passende Wegweiserschild zur richtigen Autobahn steht. Ich degeneriere. Sowas wäre heute völlig undenkbar für mich. Ich fahre kaum wo hin, ohne es mir vorher auf der Karte angesehen zu haben und zu wissen, ob und wo ich da parken kann. Ich bin angespannt bis ich parke. Ich frage mich, wie ich das früher konnte. Aber ich verrate nichts. Nach außen hin bemühe ich mich, einfach ein Mensch zu sein. Ich suche die Nähe von Menschen, den belanglosen Small Talk mit Leuten, die ich gar nicht mag, weil es mir hilft, mich in einen Kontext zu setzen und zu justieren. Im Herzen bin ich Misantroph.
Aber es belastet mich. Ich komme in eine Gruppe, zum Beispiel bei Fortbildungen. Es bilden sich schnell Subgruppen aus. Hier drei Menschen, dort vier Menschen, ... ich und meine Kaffeetasse. Ich bin einfach nicht da. Irgendwas scheine ich immer zu sagen, das mich ausgrenzt. Oder etwas das ich nicht sage? Ich habe mal eine Therapie gemacht, Verhaltenstherapie, damals wurde bei mir eine Angststörung diagnostiziert. Aber ich fühlte mich nicht verstanden. Erst langsam verstehe ich mich selbst und meine Trauer, meine Wut, meine Einsamkeit.
Und ich bleibe immer irgendwie einsam zurück, außerhalb meiner Komfortzone (Teile der Familie, meine beste Freundin). Mit dem Gefühl, nicht richtig zu sein. Aber ich sage es keinem. Ich habe in meiner Jugend gelernt, dass ich meine Probleme alleine lösen muss, dass alle großen Probleme mir alleine gehören und ich bin einfach nicht in der Lage, sie meiner Umwelt zu nennen, um Hilfe zu bitten oder auch nur zu erklären, wie die Welt auf mich wirkt. Obwohl es mich schon interessieren würde, ob andere sie so sehen wie ich? Und dann wäscht der Mann zuviel Wäsche auf einmal und ich stehe vor dem überfüllten Wäscheständer und finde keinen Platz für das letzte T-Shirt und ich bin so überfordert, dass ich mir einen stillen Ort suche, an dem ich weinen kann.
Ich verliere den Faden, falls ich einen hatte.
Was suche ich hier? Ich hoffe auf einen Ort, wo ich socially awkward sein kann, wo ich mich nicht verstellen muss, wo ich traurig sein kann und es mir keiner übel nimmt, wenn ich nicht zum Geburtstag gratuliere.
Jetzt sitze ich hier seit 10min und überlege, was ich in den Betreff schreiben könnte. So wie ich gefühlte Stunden für einfache E-Mails brauche. "Hallo X, ich bräuchte bitte Zugriffsrechte für diese und jene Anwendung." Kann man das so schreiben? Duzen X und ich uns überhaupt? Ist X überhaupt der richtige Ansprechpartner und wie blöd kommt das, wenn ich mich irre?
Jetzt habe ich oben was eingetippt und drücke ganz schnell auf "Schreiben", ehe ich es mir anders überlege und mir einfällt, was ich wo ungeschickt formuliert habe und mir noch den Duden hole, um das ein oder andere Wort nachzuschlagen.