Es ist schon krude: Wir haben alle dort zusammen gearbeitet, zusammen am Tresen gesessen und wir haben alle getrunken. Und alle, die nicht aufgehört haben zu trinken, sind jetzt entweder schon tot oder schwer krank.
Kiste, Achims Bruder, du warst Ende der 90er der Erste: ins Zuckerkoma gefallen in einem Bett voller Flachmänner. Dann kamst du, Tequila: Zuckerkoma, weil du zu betrunken warst, noch Insulin zu spritzen. Als nächstes warst du dran, Ulli, aufgefunden im Keller unter der Kneipe, wo du schon monatelang wohntest, weil du längst deine Wohnung verloren hattest - und keiner hat es gemerkt. Frank, dein Herz blieb stehen, mit nicht einmal 40. Schlitzer-Micha, dein Putzfräsenverleih musste ohne dich auskommen, nachdem du an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben warst. Und du Fred, dein Kehlkopf war es, der den Rauch und den Schnaps übelgenommen hat und anfing zu wuchern, bis du tot warst. Und du Harry hast es selber in die Hand genommen, als du alles verloren hattest. Maler-Micha, woran du gestorben bist mit 41 - keine Ahnung, aber ich würde mich wundern, wenn es Altersschwäche war. Und im letzten August nun du, Achim.
Und auf der Beerdigung habe ich einige gesehen, die noch immer auf dem Weg sind. Barri-U., aufgedunsen und betrunken. Die ganze Taxifahrerriege, mit zitternden Händen und grauer Haut. W., der sich anlässlich deines Todes so die Kante gegeben hat, dass er jetzt wieder in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie sitzt. P.F., der 30 Jahre älter aussieht. Deine Exfrau, die sich kaum auf den Beinen halten kann, mit geschwollenen Beinen und kaputten Gelenken, auseinandergegangen durch Medikamente, die sie mit Bier herunterspült...und ich habe die nicht gesehen, die gar nicht mehr kommen konnten: Der Spüler H. und seine Freundin U., alle beide Betreuungsfälle, Kühl-A., der das Haus nicht mehr verlässt und all die Leute, die wir nicht mehr erreichen konnten (so wie R. und E., die sich mit ihren Gamma-GT-Werten über 600 immer gegenseitig ausstechen wollten) - womöglich sind da noch einige dabei, die gar nicht mehr leben.
Wahrscheinlich war ich damals diejenige mit der schlechtesten Prognose. Warum bin ich jetzt die, die vom Weg abgebogen ist und auf die damals so coolen und überlegenen Kerle schaut und sich fragt, wie das geschehen konnte?
Natürlich wusste ich, dass der Alkohol eine Gesundheitgefährdung darstellt. Aber ich hatte kein Bild. Und jetzt, wo ich so viele Bilder habe, bin ich verwundert, wie viele von uns trotzdem einfach weitergemacht haben als wäre es nicht wahr. Dass die Leute wirklich daran sterben.