Ein Denkanstoß als Nachtrag zu meinem Beitrag von heute Nachmittag:
Die Unwirklichkeitsgefühle sind manchmal sehr schlimm auszuhalten. Das ist wohl auch nur eine Schutzfunktion der Psyche? Dass man abgeschirmt wird. Können Neuroleptika oder AD helfen?
Wenn es doch eine Schutzfunktion der Psyche ist, ist es dann wirklich sinnvoll, es mit Medikamenten "wegzumachen"? Deine Psyche würde nicht so reagieren, wenn es nicht nötig wäre. Sie schützt Dich vor dem, was im Moment zu viel für Dich ist und Dich emotional überfordern würde; vor Gefühlen und evtl. auch vor Erinnerungen, die Du (noch) nicht ertragen kannst. Diese Benommenheit und "Unwirklichkeitsgefühle" können in der Tat sehr unangenehm sein, aber wie wäre es wohl, wenn Deine Psyche NICHT so reagieren und Dich schützen würde? Wahrscheinlich würde es sich noch viel schlimmer anfühlen.
Für Dich sind diese Zustände (ich weiß gar nicht, wie ich es sonst nennen sollte) ja noch recht neu. Vermutlich wäre es Dir am liebsten, so schnell wie möglich alles auf einmal loszuwerden. Das kann ich nur zu gut verstehen, leider ich doch selber schon sehr lange unter ähnlichen Symptomen und weiß daher, wie quälend und beängstigend sie sein können! Ich muss Dir leider dennoch sagen: Das wird nicht funktionieren. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, hat sich die Depression (wie bei den meisten anderen auch) langsam eingeschlichen, wurde im Laufe der Zeit stärker und es kamen weitere Symptome hinzu. Es war sozusagen eine Entwicklung. Genauso wird es auch seine Zeit brauchen, bis Du sie in den Griff bekommst. Diese Zeit musst Du Dir selbst geben – etwas anderes wird Dir ohnehin nicht übrig bleiben. Aber – und das ist das Entscheidende – Du kannst diese Zeit nutzen. Zum Beispiel für Therapie und Selbstreflexion, für Dinge, die Dir gut tun, für eventuell notwendige Veränderungen Deiner Lebensumstände und Deiner Situation. Diese Dinge sind es, die Dir realistische Hoffnung schenken werden, dass Du aus dem tiefen Tal der Depression herauskommen kannst!
Für utopisch halte ich hingegen die Hoffnung, ein Medikament zu finden, welches "alles wieder gut" macht. Ich sehe Psychopharmaka eher als Unterstützung (bestenfalls parallel zur therapeutischen Behandlung) oder auch als "Stabilisator", um die schwerwiegendsten Symptome abzuschwächen. Die Probleme, die für die Depression verantwortlich sind, können Medikamente aber nicht lösen. Es gibt zwar auch Formen der Depression, die rein körperliche Ursachen haben und allein mit Medikamenten, einer Umstellung der Ernährung usw. behandelt werden können, aber das ist bei Dir offenbar nicht der Fall. Du erwähntest ein Trauma aus der Kindheit, belastende Ereignisse, dass Du Dich oft überfordert und nicht genug auf Dich geachtet hast und noch einiges mehr. Dass sind die Punkte, die "bearbeitet" werden müssen, denke ich. Für den Anfang also z.B., dass Du besser auf Dich Acht gibst, indem Du in bestimmten Situationen anders als bisher reagierst und handelst – nämlich so, dass es Dich nicht zu sehr stresst und Du nicht im Nachhinein darunter leidest. Es gibt vielleicht einige Verhaltensmuster, mit denen Du Dir eher schadest, ohne dass Du es sofort merkst. Wenn Du sie erörtert hast und lernst, dass es auch anders geht (und wie), kann das sicher einiges bewirken und für eine Linderung Deiner Symptome sorgen.
Ich kenne Dich nicht persönlich, weiß nicht viel über Dich und kann es daher wahrscheinlich auch nicht wirklich gut beurteilen. Es ist nur meine Einschätzung, basierend auf Deinen bisherigen Schilderungen. Und ich glaube, dass das meiste, was ich gerade geschrieben habe, auf sehr viele Menschen mit Depressionen zutrifft.
Vielleicht musst Du aktuell erstmal lernen, die Depression "anzunehmen" und zu akzeptieren, dass Du sie nicht innerhalb weniger Tage und auch nicht durch die Einnahme von Antidepressiva und Neuroleptika komplett loswirst.
Hab Geduld mit Dir, liebe Christiane, auch wenn es schwerfällt. Das Wichtigste ist, dass Du dran bleibst, Hilfe annimmst und Dich dabei unterstützen lässt, so an Dir zu arbeiten, wie es für die Genesung erforderlich ist.
Alles Liebe
Ina