Hy Sommerwind,
Ja, kannst mich so nennen und ja, ich bin noch in der Klinik.
Wie ich mich jetzt fühle? Hmm, wenn ich mich mit dem Zustand vor 8 Wochen vergleiche, ist da schon ein himmelweiter Unterschied. Also, ich renne jetzt nicht die ganze Zeit dümmlich grinsend herum, bin auch nicht euphorisch.
Der wesentliche Unterschied ist der, dass ich damals für mich keinen Ausweg und keine Zukunft mehr gesehen habe.
Ich war soweit, dass ich meinen Suizid schon ganz realistisch geplant habe und diesen auch als einzigen Ausweg aus der damaligen Situation gesehen habe.
Jetzt ist es so, dass ich für mich eine Zukunft sehe, dass ich mir durchaus realistisch eine Zukunft auch ohne meine zukünftige Ex-Frau gut vorstellen kann. Ich sehe also für mich mehrere Optionen, wie mein Leben weiterlaufen kann.
Ganz realistisch, ohne Euphorie, ziehe mittlerweile auch Vorteile aus der Tatsache, dass ich jetzt allein weiterleben muß.
Aber genau das ist das fiese an der Krankheit, sie schränkt Dein Denken massivst ein, sie verpasst Dir sozusagen Scheuklappen und suggeriert Dir, dass es sonst keinen Ausweg gibt.
Genau das ist es, was Depressionen so gefährlich macht, sie finden in deinem Gehirn statt und zwar genau in dem Teil, in dem Gefühle entstehen. Deshalb denkt man ja, man ist so, sie man ist. Aber das bist nicht Du, der dir diese Gedanken eintrichtert, das ist die Depression, der Feind in Deinem Kopf.
Puh schwer zu formulieren, aber ich hoffe, ich konnte das einigermassen rüberbringen.
Nun zu der Dauer meines Aufenthaltes, ich denke, ich werde noch ca 2 Wochen hierbleiben, plus ca. 4 Wochen Reha; der Antrag ist aber noch nicht entschieden.
Aber halt Dich nicht zu sehr an Zeitvorgaben fest, jeder braucht halt die Zeit, die er benötigt. Bei den einem dauerts länger, bei Anderen nicht. Und diese Zeit musst Du dir selber geben. Das ist es, was Pudel auch meinte, Du brauchst echt viel Geduld, vor allem mit dir selbst.
So, nun zum Krankenhausfeeling: Ich war die ersten 2 Tage auf einer geschlossenen Station, d.h. konnte und durfte die Station nicht verlassen, da ich zu dieser Zeit noch suizidal war. Störte mich aber nicht wirklich, war erstens saumüde (kein Wunder, nach 48 h ohne Schlaf) und ich war nicht allein. Hatte viele Mit gleichen Problemen um mich rum, haben uns quasi gegenseitig aufgebaut. Therapie hat zu dieser Zeit, mal abgesehen von den Medi`s, nicht gegeben.
Kam am 3. Tag auf eine offene Station mit 24 Betten. Die hat eher Hotelcharakter. Und hier finden erst die eigentlichen Therapien statt, von psychologischen Einzelgesprächen über Gruppentherapie, Sport-, Kunst-, Musik und noch andere Therapien. Auch hier ist man nicht allein, es sei denn, man will es. Hier gibt es auch Sozialarbeiter, die bei Bedarf auch weiterhelfen, z.B. bei Wohnungssuche oder Reha organisieren. Mittlerweile muß ich sagen, haben wir eine fast familiäre Situation hier. Bin der Meinung, dass ein Grossteil der Therapie auch über und mit den Mitpatienten läuft.
Allein dass wir alle mehr oder weniger die gleichen Probleme haben und auch offen darüber reden, ist sehr hilfreich.
Ich kann die Klinik verlassen, für Spaziergänge in die Stadt, habe mein Hobby von früher wieder aufgenommen (Pool-Billard), kann kommen und gehen, wie ich will, natürlich sollte der Therapieplan dabei eingehalten werden.
Sehr guten Kontakt zu der Pflege, viele gute Gespräche auch mit ihnen.
Jetzt noch ein kleiner Satz zu den Antidepressiva: Grober Fehler, wenn man gleich mit einer Hammerdosis anfängt, dann nämlich kommt es zu den von Dir geschilderten Symptomen. Antidepressiva schleicht man ein (soll heissen, man fängt mit niedriger Dosierung an und steigert sie langsam über Tage bis Wochen). Genauso schleicht man sie wieder aus, wenn sie denn abgesetzt werden sollen, auf keinen Fall einfach absetzten.
OK, aber in deinem Fall würde ich mir Scheuklappen aufsetzen, Verwandte und Freunde, die vielleicht gar keine sind, ausblenden und Dein Ding machen. Soll heissen, du MUSST in Behandlung. Je schneller, umso besser. Schieb das nicht auf die lange Bank. Und Deine Zukunft zerstörst Du dir meiner Meinung nach nur, wenn Du jetzt nichts machst, denn dann hast Du keine Zukunft mehr. Depressionen lassen sich gut behandeln, Voraussetzung dafür ist aber, dass man endlich mit der Therapie anfängt. Da gibts nichts mehr zu diskutieren und abzuwägen.
Mensch, jetzt hab ich schon wieder einen halben Roman hierhingetextet.
Tu endlich was und sch...(sorry) auf dein Umfeld, nur Du bist jetzt wichtig, und wer jetzt nicht zu Dir steht, der ist Deiner auch nicht wert!
Olav