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Autor Thema: Dialekt & Linguistik  (Gelesen 20202 mal)

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Sintram

  • Gast
Dialekt & Linguistik
« am: 07 November 2010, 12:29:03 »

In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass sprachlich regionale Unterschiede bisweilen zu erheblichen Missverständnissen geführt haben.

Jeder Dialekt hat spezielle Redewendungen und Begriffe, die mit vollkommener Selbstverständlichkeit benutzt werden und dennoch völlig falsch verstanden werden können, weil sie in anderen Regionen entweder eine manchmal sogar entgegengesetzte Bedeutung haben oder weniger schwerwiegend und negativ behaftet sind.

Auch ich habe unlängst ein solches "Idiom" benutzt, das völlig falsch aufgefasst wurde ja werden musste, und zwar das bayerische (bairische) "nichts taugen".

Ein Mensch, der "nichts taugt"...

ist keinesfalls wertlos oder minderwertig, verachtenswürdig oder unbedingt zu meiden

sondern

Jemand, der nicht weiß was er/sie will
dem man nicht alles glauben muss was er so von sich gibt
ein unzuverlässiger Charakter, auf den man sich nicht verlassen kann und wenn ist man verlassen
mit dem man, wenn man sich auf ihn einlässt, gehörig auf die Nase fallen kann ja mit größter Sicherheit wird
insbesondere und vor allem in zwischengeschlechtlichen Angelegenheiten
also ein partnerschaftsunfähiger bzw. -untauglicher Mensch egal welchen Geschlechts.

Wenn man diese Verhaltensregeln beachtet, kann man sehr wohl und sogar gut mit ihm aus- sprich klarkommen und sogar befreundet sein mit ihm.
Aber man sollte es sich sehr gut überlegen, ob man der- oder diejenige sein will, die die Welt vom Gegenteil überzeugen kann und ihn zu einem soliden Menschen "bekehren" bzw umformen.

Ein Hallodri eben, ein unsteter Charakter, ein kleiner Gauner, eine schillernde Figur, ein "Taugenichts", nicht unbedingt böse, bis zu einem gewissen Grad sogar liebenswert, aber eben auch nicht ganz ungefährlich, so manfrau ihm denn zu nahe kommt oder verbindlich mit ihm zu tun haben muss.

Davon abgesehen hat die Redewendung "nichts taugen" noch viele andere Bedeutungen in anderem Zusammenhang, aber das würde jetzt echt zu weit führen.

Vielleicht fällt ja sonst noch Jemandem etwas vergleichbar Missverständliches aus seinem Dialekt ein, mich fasziniert und amüsiert so was immer.

LG
Sintram
« Letzte Änderung: 07 November 2010, 13:06:52 von Sintram »
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Thaddaeus

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #1 am: 07 November 2010, 13:35:17 »

"Pfannkuchen" in Berlin sind bei uns "Krapfen"
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Sintram

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #2 am: 08 November 2010, 08:55:21 »

Und wenn Du in Franken eine Bratensülze bestellst, bringen sie dir einen seltsamen Presssack.
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Fee

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #3 am: 08 November 2010, 10:16:28 »


Und in Seppelland,sagt man zu runter = oabi

Allso jemand,der runter fällt,fällt nach oben ... äh ?

... er ist oabi gfoalln  :D
« Letzte Änderung: 08 November 2010, 10:17:45 von Fee »
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Sintram

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #4 am: 08 November 2010, 10:23:02 »

Ja, so ist es.
Obi oder auch owe kommt von abwärts.

Ein befreundeter Kölner hat mir da mal eine lustige Geschichte erzählt, als er mit einem Bayern einen schweren Schrank geschleppt hat und der an einem Ende verzweifelt gerufen hat: "Obi! Obi! Obi!" - und er das schwere Trumm am andern keuchend und prustend mehr und mehr nach oben gestemmt.  ;D


(Der Wortklang liegt irgendwo zwische oa und o, ist schriftlich nicht auszudrücken)

« Letzte Änderung: 08 November 2010, 10:33:35 von Sintram »
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Fee

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #5 am: 08 November 2010, 10:38:02 »


:D :D :D  ... hätten auch Thaddäus und ich sein können.


... von denen zwar jeder nach der Schrankschlepperei einen Pfannkuchen verdrückt,aber i.wie dann trotzdem beide nicht das Gleiche essen.
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Sintram

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #6 am: 08 November 2010, 11:16:01 »

Als der Kölner in unsere Stadt kam, saßen wir in geselliger Runde zusammen und unterhielten uns, wie uns eben der Schnabel gewachsen war.
Er lauschte nur sichtlich überfordert und sagte so gut wie gar nichts.

Beim anschließenden Spaziergang kamen wir hinunter an den Inn, wo sich wie jeden Winter die hungrigen Schwäne in rauen Massen versammelt hatten.

Ruft der Kölsch Jung erstaunt: "Ey gugg mal, die Schweine aufm Nil!"

Exemplarische Sprachverwirrung sozusagen.
Oder geographische Desorientierung- im bairischen Kongo?

Ist ja auch schon unendlich lange her, und mir erging´s in Gölln kein bisschen anders.

Mit dem Berlinerischen habe ich erstaunlicherweise weitaus weniger Verständigungsprobleme.
Überhaupt- wenn ich mir München und Berlin so vergegenwärtige, da gibt es sehr viele Übereinstimmungen, was das im einzelnen genau ist, könnt ich jetzt gar nicht sagen.
Das Flair vielleicht, keine Ahnung.

Wohingegen wenn ich nach Südtirol komme, dessen Dialekt ja mit dem Bairischen sehr eng verwandt ist, verstehe ich eine Zeit lang nur Bahnhof.
Mit dem Wienerischen indes hab ich so gut wie keine Probleme. Was explizit wienerisch ist, kann leicht sinngemäß erkannt werden.

Auch das Sächsische ist nach einer Weile gut zu verstehen. Also ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht, irgendwann mal wie "der Ochs vor dem Berg" gestanden zu haben.

Einen ausgesprochen -nun- gewöhnungsbedürftigen Dialekt sprechen die Leute im fränkisch-schwäbischen Grenzraum.
Einem Bajuwaren erscheint ja das Fränkische schon etwas schnarrend und derb, er selbst hat mehr Singsang im Slang, aber wenn dann auch noch die ganzen "-ele" Endungen dazukommen, die als Verniedlichung empfunden werden,
also Maddelle statt Madle (für Mädchen, junge Frau), das geht dann schon Richtung Körperverletzung.  :D

Das seltsame an den Bayern ist ja das, dass sie eigentlich recht schnell verstehen, egal wo sie hinkommen.
Nur verstanden werden sie nach Jahren noch nicht.

Jamei a so is hoid
« Letzte Änderung: 08 November 2010, 12:16:25 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #7 am: 08 November 2010, 13:56:37 »

Vielleicht liegt es daran, dass bairische Kinder früher -bevor hirnamputierte Eltern dazu übergingen, sie auf hochdeutsch zu "erziehen"- mehrsprachlich aufwuchsen.
Nicht allein das Hochdeutsche als erste Fremdsprache war ihnen abverlangt, sondern eine große Vielfalt regionaler Unterschiede im eigenen Dialekt.

In der Oberpfalz, also rundum Regensburg, leben zum Beispiel die Woudous.
Das ist ein ganz eigener Volksstamm, bei dem etwa "da muss er durch" zu dem Kürzel "doumouadou" zusammengefasst wird und die sich mit einem "Sengmasi" verabschieden, was übersetzt heißt "Sehen man sich".
Auch sonst ist der Oberpfälzer ein wenig "saim" sprich eigen.

Dann gibt es da noch die "Waidla", also die Ureinwohner des Bayerischen Waldes, deren Dialekt stark vom angrenzenden Böhmischen beeinflusst ist, ebenso wie aus dem österreichischen Waldviertel, und der ohne Wertung als "Hinterbayern" bezeichnet werden könnte.
Kommt etwa ein Oberbayer in den hinteren Bayerwald, versteht er schlicht chinesisch- von der atemberaubenden Schönheit der Landschaft einmal abgesehen.
Man kann, wenn man eine Zeit lang dort lebt, bereits zwischen zwei Dörfern Abweichungen im Dialekt konstatieren.

Ganz anders wiederum sprechen die Inn-Anrainer, Isartalbewohner und sonstigen Urstämme der zahlreichen Flusstäler und Ebenen.
Ich selbst zum Beispiel wuchs an einer Sprachgrenze zwischen einem Talvolk und dem archaischen "Holzland" darüber auf und hatte Verwandtschaft aus beiden Teilen, was mein Sprachgefühl von klein auf forderte und förderte.

Bairisch als Ganzes existiert nicht, die bayerische Sprache ist vielmehr ein Sammelsurium aus den Dialekten verschiedener Volksstämme mit zwar ähnlicher aber durchaus vielfältig voneinander abweichender Kultur und manigfaltigem Brauchtum.
Für einen "Auswärtigen" oder "Zugereisten" sprich "Zuagroastn" mag das nur sehr schwer oder vielmehr garnicht auszumachen sein, aber die regionalen sprachlichen Unterschiede sind erheblich und hochinteressant.

Und die bisher zusammengestellten Bayerischen Sprachlexika haben folglich biblisches Format.
Ein Gymnasiast in Bayern lernt vor dem großen Latinum erst einmal das große Baiuvaricum.

Ich könnte noch ein ganzes Weilchen herumfabulieren, aber genug damit.
Wie sieht das denn bei Euch aus?

LG
Sintram

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nubis

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Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #8 am: 08 November 2010, 14:55:28 »


Hi @Sintram :-)

Finde das grade nett hier :-D


Ich bin als halb-deutsche zunächst auch mehrsprachig aufgewachsen, lebe aber seit meinem 6ten Lebensjahr in Deutschland und spreche auch nur noch deutsch - was aber auch daran liegt, dass ich auf Grund einer durch Unfall erworbenen Schwerhörigkeit Prioritäten setzen musste.

Bislang war ich auch immer davon ausgegangen, dass ich Hochdeutsch in reinster Form spreche, weil meine Eltern besonderen Wert darauf gelegt haben.


Jetzt würde ich nicht sagen, dass ich echt 'Dialekt' spreche - aber es gibt halt schon Worte, die in anderen Regionen nicht verwendet werden.
Fällt alleine schon im Chat auf, wenn jemand nachfragt, was damit gemeint ist^^

Mein Freund spricht zum Glück auch sehr gut Deutsch ...und das, wo er ein Bayer ist ;-D  - aber seitdem ist es mir halt doch das eine oder andere Mal bewusst geworden, dass ich eben auch schon lange kein 'Hochdeutsch' mehr rede, sondern 'rheinisch eingefärbt' ^^ - wobei ich wie gesagt nicht von echter 'Mundart' rede :-)

Aber bei eurem Bayrisch muss ich halt doch grade grinsen :-)
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(Pythagoras)

Sintram

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #9 am: 08 November 2010, 16:00:06 »

Hallo @Jette,

Das mag wohl sein, dass mir das in der Rückschau verschwommen ist, ich kann mich nur noch genau an die "Nilschweine" erinnern.
Er war so erschöpft vom Zuhören, dass ihm das eigene Sprachgefühl vorübergehend abhanden kam, und er selbst lachte wohl am meisten drüber.
Wie muss es denn -von diesen mal abgesehen- richtig heißen?

Hallo @nubis,

das freut mich, wenn es Dir Spass macht.
Den Rhein aufwärts bin ich schon mit dem Rad gefahren- Unvergesslich, allein die Dome, Weinberge ach alles eben. Konnte mich gut verständigen.

Mal ein kleines Beispiel für die sprachliche Vielfalt Bayerns.
Sowohl in Niederbayern als auch in der Oberpfalz gibt es ein Flüsschen mit dem Namen Vils.
Wenn ich nun in Niederbayern meine "Füße in die Vils" tauche, stehe ich mit "de Fiass in da Vais."
Und in der Oberpfalz mit "dö Faiss in da Vüls".

Und so ähnlich ist das mit allem. Aber Du bist ja ohnehin halb bajuwarisiert.  ;D

Pfiat Eich
Sintram

« Letzte Änderung: 08 November 2010, 16:40:36 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #10 am: 08 November 2010, 16:49:34 »

Klingt gut. Klang wohl auch so.

Ist das bei Euch auch so?
Für die Einen gibt es nur die Donau (Doana), für die Andern nur den Inn, und für die "Altbayern" nur die Isar.
Alles andere sind sowieso nur größere Bäche.  :)
« Letzte Änderung: 08 November 2010, 16:50:10 von Sintram »
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persephone

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #11 am: 08 November 2010, 17:20:54 »

Als gebürtige Inntalerin aus dem tiefsten Oberbayern hat es mich mal in den hintersten bayrischen Wald verschlagen: Wir brachten einen verletzten Falken zu einem Falkner. Der gute Mann war begeistert und redete wie ein Buch - und ich hab kein einziges Wort verstanden! Auf dem Heimweg mußte mir mein niederbayernstämmiger Schatz die komptlette Unterhaltung übersetzen... ;D
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persephone

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #12 am: 08 November 2010, 17:38:29 »


Die Franken haben ihre Pegnitz, die Schwaben ihren Lech.
Der Rhein ist schon ganz etwas besonderes.  :) 
« Letzte Änderung: 09 November 2010, 07:02:31 von persephone »
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Sintram

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #13 am: 10 November 2010, 14:57:39 »

Do wennsd ma ned gangst mei Liaba. A so zgriang zweng a so am Krampf.

Kannt ma doch a song wia da Jimi Hendrix: I woaß ned, du woaßdas ned, mia wissmas ned, koana woaß.
Oba na: Dea hod gsogt, de hod gsogt, iatz kimmst du a nu dehea, hea ma doch mid dem oidn kas auf, iatz hea ma doch amoi gscheid zua, glaubsdas, do sand o de Ollagscheidan wieda amoi oisant beinand, des is o ned zum oishoidn do herin..
Hinum und herum, drunta und drüba, und am Schluss woaß koana mea so recht warum iatz eigntlich grauft wiad.

Bis dass dann auf amoi de oana song, wissts wos es kennts me olle amoi -und obhaun.
Und des wars des Ganze iatz weat.

Wann i iatz ned wisst dass des üwaroind a so is und üwaroi des Gleiche, kannta mi glatt aufreng desweng.
Owa a so sog i hoid bloß: Mei des is hoid amoi a so. Wos mechst mocha?

Warum das des iatzad a so is, do bi i bis heid nu ned recht drauf kemma.
Owa ois muaß i a ned wissn und vasteh scho glei go ned.

Do kast nix mocha, so schaut des aus. Des wead scho wieda wean.

Da Sindramm

Sendung mit der Maus:
Das war niederbairisch.
« Letzte Änderung: 10 November 2010, 18:50:28 von Sintram »
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Thaddaeus

  • Gast
Re: Dialekt & Linguistik
« Antwort #14 am: 10 November 2010, 15:55:40 »

*Das war niederbairisch*

oba no ned ausm woid
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