Hallo!
Ich habe heute einen weiteren Teil meiner Gedanken auf Papier gebracht.
Ich möchte sie wieder mit euch teilen. Die vorherigen habe ich geschafft meiner Ärztin zu geben, aber jetzt habe ich noch eine geschrieben und will ihr
nicht unnötig Arbeit machen und ihr die noch zusätzlich geben. Mein nächster Termin dauert noch einige Tage, ich würde ihr die Geschichte dann vorbeibringen, aber mein Kopf sagt nein, das will sowieso niemand wissen, dräng dich niemandem auf, nerve keinen mit deinen Problemen.
Ich weiß nicht was ich tun soll.
Geschichte 4
Marie hat in den vorherigen drei Geschichten nur von einer Klassenfahrt erzählt. Die in der 8. Klasse, bei der sie Tiziana kennenlernte. Bevor sie sich noch tagelang ärgert, dass sie vergessen hat, diese anderen Fahrten zu erwähnen, obwohl sie stets präsent in ihrem Kopf sind, schreibt Marie sie nun auf, sonst wird sich der Ärger mit großer Wahrscheinlichkeit in Wut, gegen sie selbst, verwandeln.
Den Fehler hat sie bereits einmal begangen und will ihn nicht noch einmal begehen. Es gab in der 6. Klasse eine Klassenfahrt , in der 10. Klasse und in der 12. Klasse . Alle Klassenfahrten mit der in der 8. Klasse nach dazugezählt, waren für Marie Erfahrungen, die sie am liebsten vergessen würde, die sich aber in ihr Gedächtnis eingebrannt haben und dort auch weiterhin sind. Wahrscheinlich immer bleiben.
Weiter gab es auch für ein Jahr den Konfirmationsunterricht und die damit zusammenhängende Konfifreizeit, die sich über 4 Tage erstreckte.
Marie wird in der 6. Klasse beginnen. Das 6er Zimmer war besetzt mit vier Mädchen, die Marie nicht leiden konnten, eine mit der sich Marie ganz gut verstand und Elisa. Marie, verfangen in der Illusion, dass sich die Freundschaft zwischen E. und Marie wieder regenerieren könnte. Sie hatte Unrecht. Elisa ließ sie es spüren, dass sie viele andere Freundinnen hat und sie nicht braucht. Durch ein Ereignis, das sich am Abend ereignet hatte, sprach Marie mit einer Lehrerin und den Mädchen aus dem anderen 6er Zimmer, ob sie nicht das Zimmer tauschen könnte. Es stellte sich als kein Problem heraus und Marie wechselte zu den anderen Mädchen. Mädchen mit denen sie noch nie wirklich etwas zu tun hatte, aber Mädchen, die bis jetzt noch nichts gegen Marie geäußert hatten. Somit waren die verbleibenden Tage, wenn keine Ausflüge anstanden, neutral. Aber sie merkte auch hier immer wieder deutlich, dass sie die perfekte Besetzung für die Außenseiterrolle ist, und heute mit großer Wahrscheinlichkeit immer noch. Im Prinzip war Marie alleine, beneidete die anderen, dass sie Freunde hatten, mit denen sie Spaß haben aber auch reden konnten. Marie fühlte sich innerlich zum Heulen, was ist an ihr falsch, dass sie immer die gleiche Rolle besetzt und wenn sie glaubte, Freunde gefunden und die Rolle verlassen zu haben, alles aus dem Gleichgewicht geriet und es so war, wie Marie es leider gewohnt war.
In der 10. Klasse fand für eine Woche die Skifreizeit statt. Dieses Mal gab es ein 10er Zimmer. J. und I., mit denen sich Marie in dieser Zeit gut verstand, befanden sich auch in dem Zimmer. Bei dieser Freizeit waren alle 4 Klassen zusammen und auch in den Parallelklassen, war Marie schon die Außenseiterin, obwohl diese Menschen sie doch gar nicht kannten, nur von dem Gerede der anderen. Das reichte aber anscheinend schon aus, Marie mit abwertenden und angeekelten Blicken zu bestrafen und in ihrer Anwesenheit offensichtlich über sie zu lästern. Die Freizeit wäre gar nicht mal so schlecht geworden, wären die Klassen nicht durchmischt und in verschiedene Skigruppen eingeteilt worden und wären die anderen einfach nicht dagewesen. Marie wurde natürlich in eine Gruppe eingeteilt, in der nur Personen aus der Parallelklasse dabei waren. Während dem ersten Skifahren merkte sie auch hier, dass keinerlei Chance bestand, aufgenommen oder akzeptiert zu werden. All ihre Versuche scheiterten. Die anderen waren immer auf sicherer Distanz, den Skilift musste Marie immer alleine benutzen, weil sich niemand neben sie setzen wollte und was Marie auch traf, dass die für die Gruppe verantwortliche Lehrerin auch alleine gefahren ist, anstatt sich neben Marie zu setzen. Marie war auch in diesen Situationen eine Woche alleine, hatte keinerlei Unterstützung, niemand wartete auf sie oder ging mit ihr den Weg zurück zu der Jugendherberge. Alle anderen immer im sicheren Abstand entweder vor oder hinter Marie. An einem Abend fand ein Spieleabend statt, an dem alle teilnehmen mussten, die Lehrer auch anwesend waren und verschiedene Schülergruppen sich Spiele ausdenken durften. Marie hoffte innerlich nur, dass sie nicht nach vorne musste. Es hieß auch, dass nur die, die wollen, vorkommen. Aber bei Pantomime meldete sich kein Freiwilliger.
Paul, der sie in der 8.Klasse gewürgt hatte, rief in den Raum hinein „Die (Nachname) will!“ Marie wollte aber nicht. Sie schüttelte den Kopf, weigerte sich, irgendwann ließen sie Marie auch in Ruhe und die Lehrer bestimmten einen anderen Schüler. Marie wäre am liebsten im Erdboden versunken, heulend rausgerannt und nicht mehr in diese Gruppe zurückgekehrt. Den restlichen Abend saß sie gedankenverloren und wie gelähmt auf ihrem Platz und war zu nichts mehr in der Lage. Sie war froh, als der Abend vorbei war.
Warum haben es alle auf sie abgesehen??? Was ist falsch an ihr??? Darüber zerbricht sie sich noch heute den Kopf.
In der 12.Klasse fand dieses Spiel wieder von vorne statt. Es konnte zwischen 2 Kursfahrten gewählt werden. Marie entschied sich für Polen. I. und J. auch, mit denen sie keinen großen Kontakt mehr hatte, die aber für Marie eine Art Rettungsanker waren, an die sie sich ein wenig halten konnte, dass sie nicht wieder überall alleine rumstand, was sie wahrscheinlich auch gewesen wäre, wenn sie nicht aktiv dafür gesorgt hätte nicht alleine zu sein.
Auf dieser Kursfahrt waren der größte Teil Mitschüler, die Marie auf dem Kicker hatten. Über Dritte musste Marie erfahren, was andere über sie gesagt hatten, ob sie sich nicht für sich schämen würde, sie nie den Mund aufbekommt, sie eine Streberin ist. Während Stadtführungen und Ausflügen, haben einige Jungen sie nicht bedrängt, aber Angst gemacht, sie in Situationen gebracht, über die sie sich lustig machen konnten und die anderen Mädchen natürlich mit lachten. Marie gewöhnte sich in diesen Tagen an, immer auf sicherer Distanz zu bleiben, die Angst saß ihr immer im Nacken, was als nächstes kommen würde, was sie sagen würden. Die angeekelten Blicke und das Lästern blieben für Marie offensichtlich, die konnte sie nicht ausblenden. Denen war sie immer ausgesetzt, außer abends und nachts, wenn sie auf ihrem Zimmer war. Da hatte sie ihre Ruhe. Marie hatte Panik, die sie lediglich innen verspürte, nach außen sich nicht anmerken ließ. Sie wäre am liebsten nach Hause gefahren oder weit weg. Die Fahrt abgebrochen, einem Lehrer mitgeteilt, Koffer gepackt und in den Zug gesetzt.
Marie fehlte natürlich der Mut und hatte Angst, Schwäche zu zeigen. In Maries Kopf spielten sich alle möglichen Szenarien ab, was dann in der Schule auf sie zukommen würde. Die hässliche Streberin Marie, die freiwillig nach Hause gefahren ist. Sie hielt die letzten Tage durch, dann war die Heimreise und sie war unendlich froh, als sie den Bus verlassen konnte. Anmerken ließ sie es sich nicht. Ihren Mitschülern und auch nicht ihren Eltern gegenüber. Die Kursfahrt war nach außen wunderbar verlaufen, doch innerlich hat es Marie erneut verletzt.
Als Marie 14 Jahre alt war, stand die Konfirmationszeit bevor. Dort würde sie auf die Mitschüler aus der Grundschule treffen, und auch anderen. Den größten Teil kannte Marie aus der Schule. Es waren aber auch welche dabei, die sie nicht kannte, die auch das komplette Gegenteil von Marie darstellten, schön, selbstbewusst, offen, von sich selbst überzeugt.
Marie wollte sich aber eine Chance geben, sich nicht selbst zurückziehen und eine Kontaktaufnahme von vorne herein verweigern. Sie versuchte sich zu integrieren, sich an den Gesprächen zu beteiligen, in Gruppenarbeiten sich aktiv zu beteiligen. Doch es half alles nichts. Bereits in der zweiten Konfirmationsstunde war sie aussortiert worden, ein „Hallo“ wurde nicht erwidert, bei Gruppenarbeiten musste sie vom Pfarrer einer Gruppe zugeteilt werden, weil sie niemand haben wollte. Sie war wieder in ihrer Rolle. Einige Samstage war die ganze Gruppe für 8 Stunden zusammen. Marie war alleine. Alle Integrationsversuche von ihrer Seite schlugen fehl. In den Pausen war sie alleine, beim Mittagessen, bekam sie kaum einen Bissen herunter, weil sie die argwöhnischen Blicke, die bereits „lästernden“ Augenpaare bemerkte. Und wenn die Augen mal nicht auf Marie gerichtet waren, dann wurde getuschelt und gelacht. Marie wusste, dass über sie geredet und sie ausgelacht wurde, denn wenn sie aufblickte wurde jeder Augenkontakt zu ihr vermieden.
Diese Samstage waren schlimm für Marie. An einem Samstag ist sie erst gar nicht hingegangen. Ihre Eltern wussten davon nichts, sie lasen es auf meinem Plan, dass heute Konfitag war, Marie tat so, als ob sie es vergessen hätte und es ihr nicht gut geht, Kopfschmerzen hat. Die anderen Samstage achteten ihre Eltern darauf, dass sie immer hinging.
Marie wollte ihren Eltern einfach nur sagen: „Ich will abbrechen. Ich lasse mich nächstes Jahr konfirmieren, Ich komme mit den anderen nicht klar.“ Die Worte lagen ihr immer auf der Zunge, aber sie konnte es ihren Eltern nicht anvertrauen. Stattdessen litt sie weiter. Die Konfifreizeit war für Marie die reinste Höllenfahrt. Sie wurde nonstop beleidigt, auch wenn sie sich auf ihr Zimmer zurückzog. Sie wurde dann durch die Tür hindurch, oder die Tür wurde aufgerissen, von Sascha, Chantal oder Vanessa, die drei waren die schlimmsten, beschimpft: „(Nachname), du hässliche Schl…“ und weitere Beleidigungen fielen ebenfalls. Sie durchlitt die Tage, der Pfarrer und die freiwilligen Helfer, die mitgefahren sind, hatten doch etwas merken müssen, haben es bestimmt auch bemerkt, haben aber rein gar nichts dagegen unternommen, ließen Marie eigentlich auch links liegen. Vielleicht war sie wirklich so hässlich. Vertrauen konnte sie hier niemandem. Etwas anvertrauen erst recht nicht. Sie litt still weiter, die Rückfahrt stand an und gegenüber ihren Eltern, hielt sie sich kurz, dass die Freizeit anstrengend, aber gut war und sie nicht mehr darüber erzählen möchte. Ihre Eltern hakten nicht weiter nach, Marie machte die Erlebnisse erneut mit sich selbst aus.
Während der Konfizeit, war es in der Schule ebenfalls für Marie die reinste Zumutung und zu Hause den Demütigungen ihres Bruders ausgesetzt. Ihr Zimmer war der einzige sichere Ort, aber auch das nicht. Sie konnte nie richtig zur Ruhe kommen. Marie hat in den vorhergehenden Geschichten bereits gesagt, dass sie nach außen keinerlei emotionale Regungen mehr zeigte. Dieser Zustand verfestigte sich in diesen Jahren besonders. Sie machte alles alleine mit sich aus, staute alles in ihrem Inneren auf, ließ niemanden in sie hineinblicken, war alleine, verzweifelt, fragte sich oft nach dem Sinn ihres Lebens, da sie niemand brauchte.
Marie hat sich in diesen Schilderungen kurz gehalten, weil sie einerseits nicht mehr preisgeben kann und andererseits sie es niemandem zumuten will, seine Zeit mit so etwas zu vergeuden. Ihre utopische Illusion ist es ihr Gedächtnis löschen oder ihr Gehirn austauschen zu können oder, dass ihr Gehirn in einen anderen Körper transplantiert wird. Alles unmöglich. Marie weiß das. Aber manchmal hilft es an diese nicht umsetzbaren Optionen zu denken.