Gänseblümchengeschichten
In meinem Leben haben Gänseblümchen immer wieder eine Rolle gespielt. Schon als kleines Mädchen habe ich immer gerne und viel gelesen. Ich konnte schon lesen, bevor ich zur Schule kam. Eine meiner Lieblingsgeschichten stand in einem wundervollen Märchenbuch, in dem keine Märchen im eigentlichen Sinne standen, sondern eher kleine Geschichten, in denen Dinge aus dem Alltag eine Rolle spielten. Leider wurde das Buch, wie alle unsere Kinderbücher, irgendwann weggegeben. Als ich erwachsen war habe ich oft versucht, das Buch irgendwo wiederzubekommen, aber es ist mir leider nie gelungen. Aber nun zu meiner Lieblingsgeschichte, die mich bis heute immer wieder begleitet hat:
Die Geschichte vom Gänseblümchen
An einem wunderschönen Tag im Mai trug der Wind den Samen eines Gänseblümchens überall hinaus in die Welt. Einen Samen brachte er auf eine prächtige grüne Wiese. Dort lag der Samen ganz allein ohne seine vielen anderen Samengeschwister. Er hatte Angst und schmiegte sich ganz eng an die Mutter Erde. Die nahm ihn bei sich auf, pflegte ihn liebevoll und brachte ihn zum Keimen und zum Wachsen. Das winzig kleine Pflänzchen reckte sich jeden Tag der lieben wärmenden Maisonne zu, kuschelte sich jeden Abend an seine Mutter Erde und wuchs langsam heran. Als die Grashalme den Fremdling bemerkten, fragten sie das Pflänzchen, was es denn für ein komischer Grashalm sei. Das Gänseblümchen antwortet: „Ich bin kein Grashalm, ich bin eine Gänseblume.“ Als die Grashalme fragten, warum es dann in ihrer Mitte sei, antwortete es: „Ich bin vom Wind hierher getragen worden.“ Das Gras beäugte die Neue misstrauisch, aber das Blümchen war ja noch ganz klein und brauchte nicht viel Platz. Als das Blümchen nun wuchs und gedieh, weil es sich immer tüchtig nach der Sonne ausstreckte, und immer größer wurde, wurden die Grashalme sehr böse. „Was ist das denn für ein häßliches Geschöpf? Was will das denn hier bei uns?“ fragten sie untereinander. Man muss nämlich wissen, dass die Grashalme auf einer sehr ordentlichen und gepflegten Wiese standen. Alle Grashalme hatten genau die gleiche Länge und achteten sehr darauf, dass ihr Kleid nicht verknittert oder schmutzig war. Sie standen immer schön auf ihren Plätzen, damit der Rasen auch schön gleichmäßig aussah. Deshalb waren die Grashalme sehr ungehalten über den Eindringling. So sagten sie zu dem Gänseblümchen: „Du passt nicht hierher. Deine Blätter sind breiter als wir schmalen Halme und schau wie unordentlich dein Kleid ist, nicht so glatt wie unseres. Scher dich fort!“ Das Gänseblümchen wurde traurig und antwortete:“Ich kann hier nicht weggehen. Ich muss dort bleiben, wo der Wind mich hingetragen hat. Bitte lasst mich bleiben.“ Das wollten die Grashalme auf gar keinen Fall. Das wäre ja noch schöner, ein solcher Schandfleck auf ihrer schönen Wiese. Sie hielten eine Beratung ab, was sie denn nun tun sollten und fanden schnell eine Lösung. Die Grashalme, die direkt um das noch so kleine Gänseblümchen standen, richteten sich zu ihrer vollen Größe auf und umschlossen das Blümchen ganz fest von allen Seiten. Nun konnte die arme Kleine sich nicht mehr der Sonne entgegen recken und sie bekam auch fast gar keine Luft mehr. Und sie bat in ihrer Not die Grashalme:“Bitte geht doch zur Seite. Ich bekomme keine Luft mehr und ich kann die liebe Sonne gar nicht mehr sehen.“ Aber das Gras lachte nur höhnisch und drängte sich noch näher an das Gänseblümchen heran. Das Blümchen war traurig, das Atmen fiel ihm schwer und die Sonne fehlte ihm so sehr. Da vermochte auch Mutter Erde das arme Ding nicht trösten und das Gänseblümchen begann bitterlich zu Weinen. Plötzlich drang durch die dichten Grashalme ein rot-schwarzes Lebewesen, wie das Gänseblümchen es noch nie gesehen hat. „Wer weint denn hier so bitterlich?“ fragte das komische Wesen. Das Gänseblümchen fragte „Wer bist du denn?“ und vergaß vor lauter Staunen fast das Weinen. „Ich bin ein Marienkäfer“ sagte ihr Besuch, „aber sag, warum hast du so großen Kummer, dass du Weinen musst?“ Da klagte das Gänseblümchen dem Marienkäfer sein Leid. Der Marienkäfer versuchte mit dem Gras zu reden und bat, es möge doch zurückweichen und dem Gänseblümchen Platz zum Atmen und Leben zu lassen, aber das Gras wollte keine Eindringlinge auf seiner Wiese. Da hatte der Marienkäfer eine Idee. Er sprach zu dem Gänseblümchen: „Ich kenne eine Wiese, auf der sind ganz viele Gänseblümchen. Ich werde dort hin fliegen und deine Geschwister fragen, ob sie einen Rat wissen.“ Und so flog er davon. Nach einer Weile kam er wieder zurück und berichtete dem Gänseblümchen, was er von den andern Gänseblümchen gehört hatte: „Deine Wurzel sind so tief in der Erde. Halte dich damit ganz fest, damit dich niemand ausreißen kann. Und deine Blätter leg nicht so schüchtern an, wie du es jetzt tust. Halte dich tief in der Erde fest und breite deine Blätter um dich aus. Und dann erklärst du dem Gras ‚Hier bleibe ich!’ Die Wurzeln in der Erde werden dich nähren und die Sonne wird dich wärmen“ Das Gänseblümchen ließ erst ganz schüchtern den Kopf hängen und sagte:“Das kann ich nicht!“ Aber der Marienkäfer redete ihm gut zu und so versuchte es sich so fest wie möglich zu halten und erst mal ganz vorsichtig seine Blätter auszubreiten. Das gelang nicht sofort. Die Grashalme wehrten sich und erhoben ein großes Geschrei. Aber der Marienkäfer sagte:“Komm, du schaffst das. Versuch es gleich noch mal.“ Und so versuchte das Gänseblümchen es noch mal. Es ging schon etwas besser als beim ersten Mal. Und als es denn noch einige Male geübt hatte, stand das kleine Gänseblümchen aufrecht, mit ausgebreiteten Blättern auf der Wiese und hielt sich tief in der Erde fest. Die Grashalme mussten ihm weichen und das Gänseblümchen sagte:“Hier bleibe ich!“ und vor lauter Stolz öffnete es sein Blütenköpfchen, dass es bisher immer hängen gelassen hatte. Plötzlich hörte es unbekannte Geräusche. Es kamen zweibeinige Wesen auf die Wiese gelaufen, die riefen:“Oh, seht mal hier wie schön, ein Gänseblümchen!“ Der Marienkäfer erklärte ihm:“Das sind Kinder und die haben dich gern.“ Da wurde das Gänseblümchen ganz rot vor Freude. Das Gänseblümchen blühte den ganzen langen Sommer und den ganzen Herbst und brachte immer neue Blüten hervor. Es bekam oft Besuch von Bienen und Käfern und hatte viele Freunde. Inzwischen lebten auf der Wiese auch schon viele Kinder von dem Gänseblümchen und es war nicht mehr alleine. Aber sein allerbester Freund war und blieb der Marienkäfer.
Und wenn ihr beim nächsten Spaziergang ein Gänseblümchen seht, schaut es euch mal ganz genau an. Ihr werdet sehen, wie es seine Blätter um sich ausgebreitet hat, und wenn ihr ganz gut hinhört, hört ihr vielleicht das eine oder andere sagen:“Hier bleibe ich!“ Einige Blümchen sind vielleicht gerade errötet, schaut genau hin, sie haben dann an den Spitzen ihrer weißen Blätter einen roten Rand.
Und noch eine andere Geschichte aus meinem Leben. Zum 16. Geburtstag habe ich von einem lieben Freund ein Gänseblümchen in einem Yoghurttopf geschenkt bekommen. Er erklärte mir sehr verlegen, er hätte mir gerne was „Richtiges“ geschenkt, aber er habe leider gerade kein Geld. Ich fand sein Geschenk aber genau richtig und es war das schönste Geschenk, das ich jemals in meinem Leben bekommen habe. Noch heute grabe ich manchmal ein Gänseblümchen aus, ganz tief mit Wurzel, pflanze es in meinen Blumenkasten und erfreue mich jeden Tag daran. Wenn der Winter nicht zu kalt ist, überlebt so ein Gänseblümchen selbst den.
Vielleicht hat so ein Gänseblümchen mich in die Unterblätterhaufenhöhle gebracht. Da mögen alle Gänseblümchen!
Liebe Grüße von Paula