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Autor Thema: Helfersyndrom ..und wenn es weit darüber hinaus geht...  (Gelesen 6189 mal)

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parapieps

  • Gast
Re:Helfersyndrom ..und wenn es weit darüber hinaus geht...
« Antwort #15 am: 17 November 2011, 18:02:32 »

liebe leser,
es ist schön so viele rückmeldungen zu bekommen.
@nubis
ich bin ein mensch der gern jemandem hilft, selbst aber keine erwartungshaltung hat bzw. keine gegenleistung dafür im kopf vormerkt. ich mag einfach die offene dankbarkeit nicht. warum kann ich nicht einmal sagen.
ich helfe einfach weil es sich für mich dann besser anfühlt und wenn mir menschen symphatisch sind.
da komme ich auch gleich zu
@sintram
*Wirst du noch jemandem helfen können/wollen, wenn du dann, wenn du wirklich dringend Hilfe brauchst, von allen im Stich gelassen bist, die sich da Freunde nennen- und zwar mal um mal um mal?*
du wirst lachen.... JA. beispiel: ein ehemaliger freund (ich hasse das wort EX) wusste, dass ich mich um freunde sorge, wenn ich lange zeit nichts von ihnen höre und weiß, dass es ihnen nicht gut geht. dieser mensch hat in seinem twitter öffentlich geschrieben dass er sich wünschte, ich wäre tot. aus dem grund, dass er einfach nur sauer war, dass die beziehung damals in die brüche ging und ich eine neue beziehung begonnen hatte. das tat weh und es tut auch heute noch weh, wenn ich daran denke. und trotzdem versuche ich ihn aufzumuntern, weil ich weiß, dass er momentan in einer tiefen krise steckt und ihn probleme stark belasten. er nimmt es an, ist aber sehr kalt und abweisend und zieht es öffentlich ins lächerlich. in dem maße, dass es mir auch wiederum nicht gut tut. ich erwarte nichts, nur ehrlichkeit.
meine frage ging in die richtung, wie man es schafft, seinem inneren drang zu widerstehen und ohne schlechtes gewissen, kein interesse oder behilflichkeit mehr anzubieten.
lg vom pieps
« Letzte Änderung: 17 November 2011, 18:03:25 von parapieps »
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ratibor

  • Gast
Re:Helfersyndrom ..und wenn es weit darüber hinaus geht...
« Antwort #16 am: 28 November 2011, 22:37:44 »

Hallo,

ich habe die bisherige Diskussion zu diesem Thema mit Interesse verfolgt, weil es mich zum Teil auch betrifft und weil ich zur Zeit eine ganz neue Dimension kennen lerne:
ich bin sozusagen professioneller Helfer: ich arbeite als Sozialarbeiter in den ambulanten Hilfen zur Erziehung und bin einer von denen, die vom Jugendamt beauftragt in Familien gehen und dort helfen.

Den Sozialarbeitern sagt man ja oft nach, dass sie ein Helfersyndrom haben und ich weiß aus meinem Bekanntenkreis und aus eigener Erfahrung, dass das durchaus stimmen kann. Doch jetzt in den Erziehungshilfen lerne ich einen ganz neuen Aspekt von helfen kennen: Hier geht es nämlich gar nicht darum etwas für die Leute zu tun, sondern eher darum sie in die Lage zu versetzen, das was sie bisher nicht geschafft haben selber zu leisten - ausgenommen sind da echte Notfälle, wo die Hütte brennt.
Voraussetzung für diese Art Hilfe ist, dass ich erst einmal heraus bekomme, was dieser Mensch wirklich braucht. Ich muss zuhören, muss hören, was er zwischen den Zeilen sagt, muss die richtigen Fragen stellen.
Zweite Voraussetzung: ich muss davon ausgehen können, dass sich mein gegenüber prinzipiell selber helfen kann. Ich muss ihn letztlich für mündig erklären. Etwas was viele dieser Helfer bei dem "hilflosen Geholfenen" unterdrücken.

Unter diesen Voraussetzungen kann ich dann relativ leicht bei kleineren Sachen "nein" sagen, unter dem Aspekt, dass es der andere auch genau so gut selber kann.
Das ist der professionelle Aspekt, privat sieht es bei mir leider auch ganz anders aus:

Privat kann ich ironischer weise selber nur schlecht nein sagen. Allerdings habe ich mir aus erlebten Enttäuschungen eine neue Taktik angewöhnt. Jeden, der mich um Hilfe bittet, werde ich relativ Zeitnah auch um einen kleinen Gefallen bitten. Erstens kann ich auf diese Weise schnell testen, ob das jemand ist, der mich nur ausnutzen will. Zweitens klärt sich über dieses "quit pro quo" auch die manchmal etwas unangenehme Frage des Dankbarkeit Zeigens.

In einigen Fällen hat das so ganz gut funktioniert, in anderen wiederum noch nicht so gut.
Gespeichert

stumm

  • Gast
Re:Helfersyndrom ..und wenn es weit darüber hinaus geht...
« Antwort #17 am: 29 November 2011, 07:19:52 »


helfersyndrom hat für mich etwas mit existenzberechtigung, kontrolle, selbstbewusstsein, abhängigkeit und grenzen zu tun

ich habe das recht auf dieser welt zu sein auch wenn ich nicht permanent versuche diese zu retten und besser zu machen
einfach weil ich ich bin
ich habe das recht mich deine freundin oder dein freund zu nennen auch wenn ich nicht  ständig und jederzeit für deine bedürfnisse verfügbar bin
einfach weil ich ich bin
und auch du hast das recht dich meine freundin oder mein freund nennen obwohl du nicht ständig und jederzeit für meine bedürfnisse da bist
 

ich muss nicht jederzeit in alles involviert sein, immerzu bereit bei allem dabei zu sein um zu helfen
ich muss nicht jede situation unter kontrolle haben unter dem aspekt helfen zu wollen
und auch du hast das recht auf eigenständige wünsche, gedanken und selbststäniges handeln
ich traue dir durchaus zu situationen eigenstänig zu meistern und aus ereignissen zu lernen

ich habe genug selbstbewusstsein nein zu sagen ohne das ich mich als person abgewertet fühle
ich gestehe dir das recht zu nein zu sagen ohne dich als person abzuwerten
 
ich muss niemanden in abhängigkeit zu mir bringen indem ich ihm bei allem und jedem unterstütze und ihn somit völlig handlungsunfähig mache
ich muss mich bei niemanden in abhängigkeit begeben weil ich das gefühl brauche gebraucht zu werden
und auch du musst mich nicht abhängig machen indem du mir alles abnimmst und ich zu nichts mehr selbstständig fähig bin
und auch du musst dich nicht in abhängigkeit begeben um das gefühl zu haben von mir gebraucht zu werden

ich kann gut meine eigenen grenzen erkennen und hilfe ablehnen weil ich mich hoffnungslos überfordert fühle
und auch du hast das recht mir deine grenzen aufzuzeigen und dich selbst zu schützen

und nicht zuletzt die fähigkeit zu unterscheiden
erleidet der andere durch meine nichthilfe ernsthaften schaden für leib und seele
ist der andere wirklich nicht in der lage die situation allein zu meistern
muss ich die komplette situation allein meistern oder brauch der andere nur einen rat, einen anstoß
es gibt viele nuancen im leben und im helfen
ab und an muss man helfen um leben zu retten oder zu erhalten
ab und an ist hilfe zur selbsthilfe angebracht
ab und an ist auch nicht helfen hilfe
Gespeichert

Adrenalinpur

  • Gast
Re:Helfersyndrom ..und wenn es weit darüber hinaus geht...
« Antwort #18 am: 29 November 2011, 23:00:09 »

@Stumm du hast Recht

wenn helfen soweit geht dass der Helfer sich selbst kaputt macht ist niemandem mehr geholfen

Es gab mal bei mir so eine Zeit wo ich wegen den Eltern permanent fertig war und schlechtes Gewissen hatte wenn ich nicht verfügbar war. Mein Handy hing nachts am Bett und statt zu schlafen hatte ich Herzrasen. Irgendwann sagte ich mir, das geht so nicht mehr. Es klappte dann wieder, aber es ist ein schwerer Prozess sich zu distanzieren.

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