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Autor Thema: Gedichte aus der Seelennacht  (Gelesen 19634 mal)

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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #60 am: 14 November 2010, 06:31:36 »

Doigenes - Teil II

Das ist es was ich hinter mich gebracht
im absoluten Grauen meiner Seelennacht
hab Frieden ich mit mir und meinem Los gemacht
und bin als Lebender vom ewgen Tod erwacht
denn hab ich’s auch zu allermeist vermieden
mich oftens für den leichten Weg entschieden
um in der breiten Straße Staub zu Tode zu ermüden
so fand in meiner Seele Sterben ich den Frieden

Bereits in Todesbinden eingemullt
stand plötzlich ich in Gottes Huld
so dass ich keinem gab da mehr die Schuld
für meiner eignen Taten Ungeduld
wer also sagt dass er da muss
der redet schlichtweg blanken Stuss
gießt Gift in seines Lebens Fluss
und wird sich selber zum Verdruss

Es gibt ein Ja und gibt ein Nein
das ist so und das soll so sein
es gilt für Groß gleichwie für Klein
denn unser Tun bestimmt das Sein
hab ich auf andre auch gezählt
sie selbst zu Freunden mir erwählt
mich mit der falschen Frau vermählt
den Pfad ins Unglück selbst gepfählt

Und hab ich keinen Mord verbrochen
bin doch zu Kreuze ich gekrochen
als ich des Wohlstands Lust gerochen
der Armut habe Hohn gesprochen
war auch mein Handeln nicht verrucht
so hab ich dennoch Streit gesucht
hab statt zu segnen arg geflucht
die Fahrt zur Hölle selbst gebucht

Es gäb noch vieles zu vermerken
um meiner Einsicht Licht zu stärken
doch lieber will im Heut ich werken
und meine Fehler jetzt bemerken
so sitz ich hier von Nacht umhüllt
mein Zimmer ist mit Licht gefüllt
und hätt den Freibrief ich zerknüllt
so bliebe ich in Nacht gehüllt

Und hätt das Leben nie gefühlt
wär von Gezeiten weggespült
und tief in Dunkel eingewühlt
im Herzen leer und abgekühlt
ich hab mein stilles Ja gesagt
von Irrlichtern und Angst geplagt
hab ich den Schritt hinaus gewagt
und nicht nach meinem Wunsch gefragt

Der Mensch hat seinen freien Willen
er ist durch nichts zum Zwang zu drillen
und die Entscheidung fällt im Stillen
sonst wären nichts wir als Bazillen
wer sagt er ist da ferngesteuert
und seine Unschuld stur beteuert
auf schlechtem Schiff hat angeheuert
das Herzen statt der Kohle feuert

Nichts ist mir fremd was Menschen treiben
ich könnte manches niederschreiben
sich fette Scheiben abzuschneiden
doch soll es im Verborgnen bleiben
nichts was ich nicht verstehen kann
es zu erklären irgendwann
zu brechen jeden Schweigens Bann
mich eines Bessern ich besann

Doch eines will ich nicht verbergen
wir sind die Opfer und die Schergen
sind Riesen gleich und auch den Zwergen
und schlafen doch in schwarzen Särgen
da Unbewusstes uns umnachtet
das nicht auf gut und böse achtet
und emsig nach Erfüllung trachtet
bis ins Bewusste es verfrachtet

Wer diesen Abgrund hat geschaut
sich nur nach langer Prüfung traut
und keine Märchenschlösser baut
ist sein Verlangen auch gestaut
er weiß was alles in ihm lauert
im Moloch seines Herzens trauert
verbirgt es sicher eingemauert
weil süßer Wein im Nu versauert

Wenn alles ist ans Licht gezerrt
wird manches wieder eingesperrt
was wuchernd sonst sich rasch vermehrt
und zarte Pflänzchen roh versehrt
wer seines Wesens Hölle kennt
sich gern von manchem Laster trennt
bevor sein Leben es verbrennt
und er in sein Verderben rennt

Denn ist er erst hinabgesunken
ins Unbewusste und ertrunken
zu Charons Seelenkahn gewunken
der will in seinen Styx in tunken
so ist er mit der Nacht getauft
auch wenn er sich die Haare rauft
mit Finsternis ist überhauft
wird nur durch Opfertod erkauft

Drum glaubt den Seelenklempnern nicht
im Hades existiert kein Licht
die Seele an sich selbst zerbricht
kennt kein Erbarmen im Gericht
so lasst das Unbewusste ruhn
bedenkt gelassen euer Tun
und seid zufrieden mit dem Nun
genießt die Sonne und den Moon

Erfreut euch an den kleinen Dingen
lauscht andächtig der Vögel Singen
lasst Melodien in euch klingen
und schärft des Geistes stumpfe Klingen
denn ist die Hölle erst erwacht
umhüllt euch schwarze Seelennacht
der böse Teufel der da lacht
hat eure Unschuld umgebracht

Ach möchte Gott euch wohl behüten
beschützen vor des Trübsinns Blüten
und wie im Märchen wie in Mythen
euch bergen in des Friedens Hütten
flieht vor der Nacht wenn ihr noch könnt
weil schneller als der Wind sie rennt
mit Haut und Haar verschlingt was da noch pennt
euch nimmermehr Erwachen gönnt

Lasst gut verriegelt diese Pforte
umkreist in großem Bogen jenen Orte
gar mancher ist von übler Sorte
er reicht euch Gift in Sahnetorte
die Monster die in euren Höhlen schlafen
mag Gott am jüngsten Tage strafen
im Sarg lasst ruhn den blutberauschten Grafen
das todgeweihte Geisterschiff versenkt im Hafen

Denn sind die Geister erst geweckt
mit Grauen bleibt der Sinn befleckt
und alles Reine ist verdreckt
drum lasst die Schrecken zugedeckt
denn seid ihr erst zum Kampf gezwungen
mit Mördern die vom Tod gedungen
und habt zuletzt den Sieg errungen
ist nur das nackte Überleben euch gelungen

Es kann dem Menschen schlichtweg nicht gelingen
heil in das Unbewusste vorzudringen
mag er das Dunkel auch mit Licht bezwingen
sein Antlitz bleibt vernarbt sein Leben lang von glutgestählten Klingen
die in die tiefsten Tiefen seiner aufgerissnen Seele dringen
Abscheulichkeit gewahrt sein nacktes Auge hinter allen Dingen
so ruft die Geister nicht wie euch die Dichter singen
sie loszuwerden wird euch nimmermehr gelingen

Denn sind die bösen Geister erst erwacht
sie hüllen euch in Seelenmitternacht
und Luzifer in euren wirren Träumen lacht
den klaren Sinn hat hinter eurem Rücken umgebracht
dem Menschen kann es niemals fruchten
den Grabstein seines Unbewussten wegzuwuchten
denn statt der Katakomben klaffen tiefe Schluchten
in denen Ungeheuer ihre Zuflucht suchten

Sie schliefen tief im Mantel des Vergessens
sie geifern in Erwartung großen Fressens
und alle Fähigkeiten menschlichen Ermessens
sind nichts vor ihren Künsten des Erpressens
da sie die Würde und den Mut aus euren Sinnen streichen
zum Leben wecken eurer Schuldner Leichen
bis diese Feindsgestalt und Macht erreichen
und euch zerhacken mit erneuten Streichen

Da ihr zum zweiten Mal bezwungen
und wieder ist der Sieg euch nicht gelungen
weil abermals vergeblich ihr gerungen
des Gestern tiefe Schatten hämisch in euch eingedrungen
seid völlig ihr verzweifelt und zerschmettert
hasst euer Selbst das gegen euch nun wettert
weil seine Peiniger durchs Fenster sind geklettert
da schutzlos nackt ihr selber wart entblättert

Es gibt nur eine Losung welche rettet hier
ruft sie hinein in jene dunkle Kammertür
sagt euch mit Tränen ich vergebe mir
bekennt die Niederlage ihr könnt nichts dafür
der Schmerz ist schrecklicher als jeder Zorn
denn Opfer sein ist wie ein krummgespitzter Dorn
blickt nicht in euer Gestern schaut nach vorn
denn ist die Frucht geboren stirbt das zarte Korn



...
« Letzte Änderung: 14 November 2010, 06:41:23 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #61 am: 30 November 2010, 16:35:32 »

Weihnachten 2006

Alle Jahre wieder
träumt die Christenheit den kollektiven Traum
von einer bessern Welt
des Friedens und der Liebe
singt ihre Krippenlieder
schmückt andächtig den Weihnachtsbaum
hofft inständig das Segen niederfällt
und dass er haften bliebe

Sie weiß genau in dieser Welt
ist nichts im rechten Lot
Gewalt und Hass wohin man schaut
Gerechtigkeit ist blanke Illusion
allüberall regiert das Geld
herrscht Hunger Krieg und Tod
tobt Krankheit die den Weg verbaut
erschlafft die Lebenskraft in schwerer Arbeit Fron

Im Kreise der Familien
nagt Zwietracht Neid und Lüge
drückt Sorge schwer und Schuldenlast
die Zukunft schreckt mit ungewissen Wegen
verwelkt die Reinheit keuscher Lilien
und jeder ist bemüht dass er sich selbst betrüge
die Sterblichkeit verdrängt in ruheloser Hast
sich orientiert an allem was ihm kommt gelegen

Und allzu oft sind die Geschenke
nur täuschend Blendwerk für Versäumtes
das gute Wort das ungesprochen starb
die Liebe die verraten auf der Strecke blieb
wenn da geschmiedet wurden finstre Ränke
im Dunkel wuchert ängstlich Weggeräumtes
und was da heimlich um Erfüllung warb
als es verlangend uns zum Bösen trieb
mit Glitzergold betüncht sind schwarze Seelenschränke

Die Sehnsucht aber bleibt bestehen
nach Wahrheit Klarheit Harmonie
Geborgenheit und Wärme
und Licht in unsrer Sinne Dunkelheit
wenn wir im Kerzenschein das Gute sehen
das unserm Denken Wahrheit einst verlieh
die Weihnachtsgans fett im Gedärme
den Kopf von Glühweinnebel mühsam nur befreit

Wir sind so bettelarm im Innern
wie selten noch ein Volk zuvor
Erfolg heißt unser goldnes Kalb
das wir umtanzen Tag und Nacht
will uns dies neugeborne Kind erinnern
an größre Scheunen die sich baut der alte Tor
an den der teilt den warmen Mantel halb und halb
dies Kind das Blinde sehend hat gemacht
Verlierer kürte zu Gewinnern


...
« Letzte Änderung: 30 November 2010, 18:09:58 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #62 am: 03 Dezember 2010, 12:20:50 »

Alle Jahre wieder

Weihnacht naht
ich muss in Nacht versinken
so wie jedes Jahr
es bleibt mir nicht erspart
in Schwermut zu ertrinken
wie es von Anfang war

Dort wo ich geboren
damit das Licht mich blende
mitten aus der Finsternis
zum Leiden auserkoren
zu Qualen ohne Ende
gepeinigt von der Schlange Biss

Von Dunkelheit umfangen
wo andren Engel singen
eine frohe Botschaft künden
wie die Alten sangen
mir will das Lied nicht klingen
im Schatten meiner Sünden

Finde keinen Frieden
im Abgrund meiner Seele
kann das Kind nicht schauen
es ist mir nicht beschieden
selbst wenn ich seinen Abglanz stehle
ich mag dem falschen Licht nicht trauen

Ward mir zu oft zerbrochen
jene stille heilge Nacht
und von Schmerz zerfressen
hab den Meuchelmord gerochen
an Kindern die da umgebracht
und das Wiegenlied vergessen

Weihnacht süße Weihnacht
du bist mir so fern
so unendlich fremd
wie quält mich deine helle Pracht
auf meinem kalten Stern
ach ich fühlte dich so gern
unter meinem Büßerhemd


Advent 05
...
« Letzte Änderung: 03 Dezember 2010, 12:57:00 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #63 am: 07 Dezember 2010, 15:55:47 »

Sag wann

Der Retter wird geboren
doch wer will uns retten
aus unsrer Ängste Spinnennetzen
die wir aus freiem Willen über unsre Leben spannen
da wir die Heimat längst verloren
die Wärme unsrer Kinderbetten
getrieben durch das bittre Dasein hetzen
und unsre Kinderträume schon vor langer Zeit verrannen

Wir wünschen jedem Wickelkind von Herzen
dass es vom Leben nicht gebeutelt wird wie unsereins
und wissen doch es bleibt ihm nicht erspart
drum füllt mit Wehmut uns das helle Kinderlachen
da unsres trocken klingt und rau ob mancher Seelenschmerzen
und Tränenfluten wir ersäuft im falschen Trost des Weins
das Mienenspiel der Wangen ist im Frust erstarrt
als trügerischer Hoffnung Schwindel Hohn uns sprachen

Sag bringt der weite Weg uns einst zurück
gebrochen und vernarbt im Wesenskern
sag finden wir uns wieder in des Stalles Dampf
ein breites Lächeln auf gegerbten Lippen
wann wird unendlich kostbar uns das kleinste Glück
wann leuchtet strahlend in den müden Augen jener Stern
wenn wir erschöpft vom gnadenlosen Überlebenskampf
den Säugling sehn an seiner Mutterquelle nippen

Sag wann verstehn wir das Geheimnis
der Heiligkeit des Lebens um uns her
die Botschaft jedes neugebornen Kindes
das da den Erdenrund betritt
sag wann wird alles Leben uns zum Gleichnis
das zu begreifen ist fürwahr nicht schwer
kommt es auch unerwartet wie der Hauch des Windes
so bringt es doch das Licht der Hoffnung mit

Der stets die Wahrheit sprach
und Gutes nur den Menschen tat
sag wer hat solches noch vollbracht
von all den Großen und den Weisen
wie lang schon liegen unsrer guten Taten Felder brach
wie lang schon lehren wir mit schlechtem Rat
wie lang schon wandern wir durch Nacht
wie lang schon fahren wir in falschen Gleisen

Ist er zuletzt umsonst zu uns gekommen
war uns sein Beispiel denn der Nachahmung nicht wert
die wir es selber immer besser wissen wollen
so blind so taub so orientierungslos
so arg und schlimm und durch und durch verkommen
und hörig einem Jeden der uns Ruhm und Reichtum lehrt
die wir in Demut und in Liebe dienen sollen
warum nur glauben wir der Lüge bloß

06

« Letzte Änderung: 07 Dezember 2010, 15:58:35 von Sintram »
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Adrenalinpur

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #64 am: 07 Dezember 2010, 21:51:33 »

wenn ich darf werde ich in 2 wochen etwas dazu schreiben
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #65 am: 08 Dezember 2010, 06:33:48 »

Du willst mir was unter den Christbaum legen?
Jederzeit gerne, egal was es ist.   :-)
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #66 am: 09 Dezember 2010, 07:52:30 »

Hirtentraum

Geburt ist Unschuld und so soll es weiter bleiben
was immer auch die Könige der Welt da draußen treiben
wie finster ihre bösen Pläne mögen uns bedrohen
wie sehr die Kinder heutzutage auch verrohen
wie grimmig Feinde auch einander fluchen
im Stall von Bethlehem hat dieses nichts zu suchen

Die Welt mag ins Verderben rennen ohne Halt
regieren mag die Völker Unrecht und Gewalt
und was der Engel da in Euphorie verkündet
mit Frieden und so weiter scheint mir unbegründet
schau ich zurück auf´s Zwanzigste Jahrhundert
so reib ich mir die müden Augen recht verwundert

Was kümmert mich der Mächtigen Getöse
der Mensch ist schlecht und sein Verlangen böse
er mag getrost den ganzen Erdenball verbrennen
ein neues Leben soll mein müdes Suchen kennen
wo jedes Weh im reinen Licht erlischt
und jede Träne aus dem Auge wird gewischt

Denn einst wenn Wolf und Lamm in Frieden schlafen
will ich mein Lager richten mir behaglich zwischen Schafen
und mag es auch gehörig stinken
hier bei dem zarten Säugling will ich niedersinken
mein müdes Haupt auf weiche Felle betten
und meine süßen Träume in den Morgen retten

07
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #67 am: 14 Dezember 2010, 14:56:46 »

Der Liebe Fesseln

Die frohe Botschaft einer klaren Nacht
schien fern mir und im Lebenskampf verhallt
grad so als wäre Bethlehem auf Golgatha
als wär das Kreuz aus Krippenholz gezimmert
die Engel die da gute Kunde einst gebracht
als Unglücksboten mir erschienen bald
da schon im frühen Lebensjahr
mein Urvertrauen sterbend und erschlagen hat gewimmert

Wer in die Hölle ist geboren
so wies bei mir der Fall gewesen
der ahnt das Grauen schon des blutgen Kindermords
wenn seiner Unschuld Schäfchen sind vom Wolf zerrissen
hat das Vertrauen schon im Morgenrot verloren
ein Abgrund tut sich auf in seinem Wesen
er glaubt nicht an das Märchen eines guten Lords
die Schlange ist in seiner zarten Ferse festgebissen

Der Geist der zukünftigen Weihnacht schreckt ihn nicht
da die vergangne nichts als Schrecken übrig lässt
und die der Gegenwart hat nichts als Leere ihm zu schenken
weil all den mühsam aufgesetzten Frieden er für Lüge hält
er schaut die Finsternis verborgen hinter hellem Licht
nachts wenn der Angstschweiß seine Kissen nässt
und wirre Träume rauben ihm das gute Denken
weil er sich zu den Ungeliebten zählt

Nichts war mir heilig mehr was andren Hoffnung gibt
da jedes guten Willens Keim Berechnung war gewichen
ich mit Verachtung strafte alles Leben um mich her
Zerstörungswille war mir letzte Lust geworden
da längst in mir gestorben alles was da liebt
und jeder Seelenkammer Tür war schwarz gestrichen
weil hinter ihr der Raum war kalt und leer
wer mochte einen Leichnam denn ermorden

Tief sinkt der Mensch wenn er gesunken
hinab bis auf den Meeresgrund
denn ohne Liebe hat er nichts
was über Wasser ihn erhält
da hat das Leben mir von fern gewunken
als ich gekommen auf den Hund
des Todes angesichts
verbittert, böse und vergällt

Im tiefsten Grunde ihres Herzens
die zu mir kam in tiefster Nacht
um wahre Liebe mich zu lehren
die in mir ward geboren
mit lautem Wehenschrei
im Sonnenlicht des Lachens und des Scherzens
das mich bezwang mit unerbittlich sanfter Macht
das kalte Herz im Leib mir umzukehren
bis ich mich fand verloren
und in der Liebe Fesseln wurde froh und frei

fand ich den Zauber stiller Nacht
verborgen und behütet wie ein Schatz
schien auf mir da der Frieden der mit uns gemacht
den sie bewahrt von Kindesbeinen an
wie einer Kerze zartes Licht
das jedes Jahr zu hellem Glanz erwacht
wenn aller Kummer macht der Freude Platz
die jenes Kind in unser Dunkel hat gebracht
und die ich mit ihr teilen will fortan


08
« Letzte Änderung: 14 Dezember 2010, 15:00:05 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #68 am: 19 Dezember 2010, 08:08:11 »

Weihnachtslicht

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn trüber Nebel aus den Tälern steigt
der kalte Ostwind jammernd in den kahlen Ästen geigt
wenn manche ruhelose Seele über Heckenzäune hechtet
die Drud den angstdurchschweißten Pferden Zöpfe flechtet
die losen Nächte Weg und Hof mit Grauen tränken
und aller Übel ungesühnte Schrecken sich in unsre Herzen senken

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn um die hellerstrahlten Kirchen Schatten huschen
unheimlich und bedrohlich rascheln in den Dornenbuschen
die Kerzen auf den Gräbern geisterhaft und heftig flackern
als würde einer ihren Grund mit heißgeglühtem Pflug durchackern
die wilde Jagd fegt krachend über tiefgebeugte Waldeswipfel
und Blitz und Donner hüllen ein mit Zorneswut der Berge Gipfel

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn die vier letzten Reiter Völker überrennen
und überall auf Erden lodernd Kriege brennen
der feige Mord schont keine noch so kleinen Kinder
ein Klageruf schallt schaurig aus der Brust gequälter Schinder
die Flüsse schwarz wie Tinte keine Sterne wiederspiegeln
die Geizigen die goldnen Tore des Palasts verriegeln

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn uns der Tod das Leben aus den Händen reißt
und irgendwo ein vollbesetzter Zug entgleist
zerfetzt ein Autowrack verkohlt im Straßengraben
wenn auf dem Galgenbaum versammeln sich die Raben
die Hoffnung wie ein Feind die armen Hütten meidet
die Hoffart sich in purpurne Gewänder kleidet

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn unsre bangen Seelen sind in Finsternis getaucht
der Totenvogel aus dem schwarzen Schlund der Hölle raucht
der Lebensmut uns schwindet mit dem letzten Abendrot
an unsre Türen pocht mit aller Macht Gevatter Tod
wenn wir in tiefer Neumondnacht im Nichts versinken
und rettungslos im Strudel unsrer nackten Angst ertrinken

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn wir zu Tod gehetzt in unsre Kerker springen
in kalter nackter Not uns an den Wahn verdingen
uns selbst zum Feind geworden tiefe Wunden schlagen
zum Geifern und zum Schäumen wird das schrille Klagen
wenn unsre ewge Nacht uns selbst verschlingt
das goldne Glöckchen wie die Totenglocke klingt

Weihnachtslicht
oh stilles feines Weihnachtslicht
verlass uns nicht
verlass uns nicht
verlass uns nicht



Weihnachten 2006
Wünsche allen ein friedliches Weihnachten!
« Letzte Änderung: 19 Dezember 2010, 08:12:09 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re: Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #69 am: 24 Dezember 2010, 13:20:29 »

Heilige Nacht

Dass wir gehangen an der Nabelschnur
so wie bestimmt es uns von der Natur
dass wir mit Wonne und mit großer Lust
genuckelt an der vollen Mutterbrust
ist ins Vergessen abgetaucht
als beides wir nicht mehr gebraucht

Was soll´s das Kind liegt lächelnd in der Futterkrippe
es schert sich nicht um Herkunft noch um Sippe
weil Ochs und Esel angetan
von diesem Winzling ohne Zahn
ihr heißer Odem tut ihm gut
und hält ihn warm wie Feuersglut

Und auch des Hirtenvolks illustre Schar
ruft mit Vergnügen aus ein volles Gnadenjahr
die Schäferhunde sind nicht zu verdrießen
und lecken zärtlich an den kleinen Füßen
während die Schafe sich zu diesen legen
und eifrig ihres Schlafes Ruhe pflegen

Sind da nun Engelscharen oder nicht
die dunkle Grotte ist erfüllt mit hellem Licht
man sieht die Mäuse huschen durch das Stroh
und ihre Äuglein brennen lichterloh
die Katze hat das Jagen aufgegeben
um sich behaglich in das weiche Heu zu legen

Die Hebamme ist rundherum zufrieden
ein schönes Kind ward ihr als Lohn beschieden
das unter Umstands Widrigkeit
gesund und kräftig kam zur rechten Zeit
und auch die Mutter ist wohlauf
da gönnt sie sich ein Schnäpschen drauf

Die Mutter ist in tiefen Schlaf gesunken
nachdem in puren Glückes Wogen sie ertrunken
der ungeheure grelle Schmerz war wie verflogen
als da das Söhnlein war auf ihre nasse Brust gehoben
und sie mit zärtlich zugespitzten Lippen
geheimnisvolle Koseworte sprach aus ihres Herzens Mitten

Der Vater in die Hocke ist erschöpft gesunken
für ein paar Stunden war die Welt um ihn versunken
doch weil sich sonst kein Helfer fand
ging er der Hebamme zur Hand
und konnte so ein atemloser Zeuge sein
als durch die Pforte kroch das Baby winzigklein

Er wird fortan die Welt mit andern Augen sehen
das Kommen Werden Wachsen und Vergehen
ob auch die Ohnmacht ihm noch immer die Leviten liest
so weiß er doch dass die Geburt ein großes Wunder ist
trotz Blut und Schweiß und Wehgeschrei
er weiß es und er bleibt dabei

Nun denn wir wollen diesen Ort nicht mit dem fernen Kreuz belasten
das Essen hat genauso seine festen Zeiten wie das Fasten
die Freude ebenso wie auch die Trauer
Geburt wie Tod und Sonnenschein wie Regenschauer
und bin auch abgeklärt ich manchmal fürchterlich
wenn ich ein Neugebornes sehe strahle ich

Frohes Fest!

« Letzte Änderung: 24 Dezember 2010, 13:55:38 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte
« Antwort #70 am: 02 Januar 2011, 16:05:39 »

Eiszeitausstellung

Das Mammut stößt in die Posaune
der Höhlenbär uns brüllend grüßt
der Säbelzahn pflegt seine Laune
indem ein Kälbchen er genießt

Ein weißer Wolf heult an den Mond
der als derselbe wie vor Zeiten
über höchsten Gipfeln thront
um Nachts auf Fährte ihn zu leiten

Das Wollnashorn beschützt sein Küken
stampft zornig auf und senkt sein Horn
vor der Hyänen feigen Tücken
sie scheuen diesen spitzen Dorn

Gelassen fürchtet keine Pirsch
am Haupt die mächtge Schaufelkrone
mit stolzem Blick der Riesenhirsch
dient Höhlenmalern als Ikone

Das Wildpferd jagt über die Steppen
mit straffer Mähne schnell und frei
es fürchtet keiner Felsen Treppen
von weitem hört man seinen Schrei

Die Bisonherde galoppiert
wenn Brunft der Bullen Ruhe raubt
im tiefsten Winter niemals friert
wer dicht vermummt von Zeh bis Haupt

Wie eine Wand das Moschustier
das Kalb geschützt in festem Ring
ist dieser Ochse doch ein Stier
und seine Angst nur sehr gering

Schneeleopard und Eisfuchs schleichen
um den verspielten Wurf zu nähren
die weißen Gletscher niemals weichen
die unsern Breitengrad beehren

Das Schneehuhn flattert vor dem Wiesel
es vom Gelege wegzulocken
Schneewehen wandern im Geriesel
Eisriesen auf den Bäumen hocken

Und grauen Rauches dünne Fahne
ein Zelt geformt aus Walfischknochen
bedeckt mit dicker Häute Plane
verrät die Menschen die da kochen

Auf einer Stange ragen Hörner
aus einem Schädel wuchtig breit
des schwarzen Auerochs´ der ferner
war Geisterbote seiner Zeit

Und nackt und bloß gehüllt in Felle
den Säugling an den Leib gebunden
des Feuers Herrin schwingt die Kelle
die Jäger bleiben aus seit Stunden

Die stützen sich auf ihre Speere
und müssen sich durch Tiefschnee plagen
mit Fleisch gefüllt der Mägen Leere
die Beute sie auf Schultern tragen

Wir stehen staunend vor den Ahnen
sie haben viel mit uns gemein
auch wir müssen den Weg uns bahnen
durch dieses harte Erdensein

05
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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #71 am: 10 Januar 2011, 17:04:19 »

Kinderstube

Wir sind ein kleines Tierasyl
wo Waisenkinder Bett und Nahrung finden
die hüpfen, krabbeln und sich winden
voll Übermut in ausgelassnem Spiel
ihr kleines Herzlein an das unsre binden
Verletzlichkeit und zartes Wesen künden
denn eine Handvoll Leben ist nicht viel

Die Schwalbe ruft mit feinem Ton
Nachzügler grob im Nest zurückgelassen
wie soll der Mensch das harte Dasein fassen
wenn überall das Sterben spricht dem Leben Hohn
zermalmte Igelleiber pflastern graue Straßen
wie soll er´s lieben und nicht hassen

Die Welt versinkt in grellem Wahn
Gewalt und Mord und Totschlag überall
mit Blut getränkt ein jeder Rauch und Schall
zum Rand gefüllt der Toten Kahn
mit Seelensternen dicht besetzt das All
im Anfang und am Ende sei der Knall

Der Lauf der Welten ist nicht aufzuhalten
doch lern ich manches von den kleinen Tieren
die flattern oder wälzen sich auf allen Vieren
ein ungezähltes Volk in vielerlei Gestalten
ob ihre Äuglein flattern oder stieren
ihr stummes Leiden geht mir an die Nieren
ich will fortan am Leben sie erhalten

06
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Fee

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #72 am: 13 Januar 2011, 22:43:35 »

... hab`s gerade erst gelesen und find ich sehr schön !


L.G. Fee
Gespeichert

Sintram

  • Gast
Re:Gedichte
« Antwort #73 am: 14 Januar 2011, 20:30:28 »

Danke Fee, das freut mich!


Verwildert

Mir ist als wäre ich ein Teil von ihnen
als lebt ein kleiner Funke ihrer Seelen
fortan in meiner Brust
als hätten sie von jenem Winkel den sie in mir füllen
ein Teilchen mit sich fortgenommen
hinaus in ihre wilde Welt
dies Wunder konnt ich nicht verdienen
noch war ich fähig es zu stehlen
von ihres Lebens Lust
die sie sich frech in meine Haare wie in Nester wühlen
als Pflegevater adoptiert und angenommen
zu Ihresgleichen haben mich erwählt

Dass ich die Welt fortan mit ihren Augen sehe
und fühle und erspüre was mir da verborgen
bisher in meines Menschseins Unnatur
weil blind und taub ich durch das Dasein irrte
ein Fremder ausgestoßen und verbannt
die sie mit Schrecken vor mir flohen
doch wenn ich heute durch die Wälder gehe
dann bin ich Bruder ihrer Freuden und auch Sorgen
als wandelte mein Geist befreit in ihrer Spur
als flög ich selbst im Vöglein das da grade schwirrte
als hätt es mich beim Namen glatt genannt
anstatt mir wie bisher zu drohen

Erstaunt blickt nun das Eichhorn aus den Zweigen
herab auf diesen gar nicht artgetreuen Affen
der da zu ihm in seiner eignen Sprache spricht
grad so als könne springen er von Baum zu Baum
der er doch träge auf dem feuchten Boden klebt
woher so fragt es weißt du um mein Spüren
wie kommt es dass du aufgenommen in des Lebens Reigen
du Freund der lärmend Monster und der Waffen
sag an wie kann ich finden mich in deinem Angesicht
erscheinst mir wie ein Wesen du aus einem Traum
nun sag ich weil dein kleines Volk bei mir gelebt
um mich geschwind in eure Wildnis zu entführen

Januar 2011
Gespeichert

Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #74 am: 20 Januar 2011, 09:36:18 »

Den Gesunden

Fallt auf die Knie all ihr Gesunden
bejubelt eures Leibes Wunden
pilgert nach Mekka nach Tibet nach Rom
in die Mosche Synagoge den Dom
opfert im Tempel am heiligen Baum
kniet nieder und küsst der Erleuchteten Saum
huldigt dem Leben dem Menschensohn
werft euch nieder vor Gottes Thron

Glaubt an Marx an Lenin an Mao
ehrt Zarathustra pflegt das Tao
vertraut der Materie folgt ihrem Ruf
übt schwarze Messen küsst den Huf
schlachtet Hühner im Voodoo Rausch
feiert Seancen tobt euch nur aus
dient den Ahnen den Felsen dem Strom
badet im Ganges im Nil im Don

Tanzt um der Urmutter feistes Idol
trällert auf Pfeifen und Knochen hohl
schlagt die Trommeln springt um das Feuer
glaubt an Hexen und Ungeheuer
wandert im Reigen der Wiedergeburt
pflügt mit Mose des Meeres Furt
betet und leiert den Rosenkranz
bezeugt eure Demut im heiligen Tanz

Glaubt an Alles glaubt an Nichts
an den Zufall den Tag des Gerichts
das Karma das Schicksal die Fügung das Los
die Gestirne die Urahnen groß
folgt den Zahlen den Ziffern den Zeichen
von Orakeln lasst stellen die Weichen
findet den Sinn im Zeugen von Kindern
im Lehren Erziehen und Leiden mindern

Woran ihr auch glaubt und was immer ihr macht
es beschütze Euch vor der Seelennacht



Klinik 05
« Letzte Änderung: 20 Januar 2011, 09:52:37 von Sintram »
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