Hallo sami,
herzlich willkommen im Forum! Ich finde es schön, dass Du Dich an uns wendest und um Rat fragst, denn das zeigt, dass Dir Dein Partner wirklich am Herzen liegt.
Die Situation, die Du schilderst, ist schwierig – und sowieso ist es nicht leicht, einen Depressiven in einer akuten Krise (so nenne ich es einfach mal) zu verstehen, wenn man selbst nicht betroffen ist und diese Zustände und die damit einhergehenden Gedanken und Gefühle nicht kennt. Vieles davon lässt sich nämlich nicht rational begründen.
Vielleicht ist Dein Freund jemand, der grundsätzlich viel oder zumindest regelmäßig Zeit für sich braucht, um sich zwischendurch innerlich "ordnen" zu können und zur Ruhe zu kommen. Daher könnte es sein, dass der dreiwöchige Urlaub einfach zu viel für ihn war und ihn überfordert hat, zumal es ja auch vorher schon Anzeichen einer depressiven Episode gegeben hat. Häufiger Streit und Stress mit dem Menschen, der einem nahesteht, tragen natürlich noch zusätzlich dazu bei, dass es einem nicht gut geht und das Ruhebedürfnis groß ist.
Sollte er sich übermäßig in die Arbeit stürzen und der berufliche Stress darauf beruhen, könnte es eine Art "Flucht" sein. Es trifft nicht auf jeden zu, aber ich habe schon sehr oft gehört oder miterlebt, dass es als Weg gesehen wird, den eigenen, quälenden Gedanken zu entkommen. Viel zu tun haben, permanente Ablenkung (muss natürlich nicht auf der Arbeit sein – sich möglichst viel mit irgendwelchen Dingen beschäftigen, kann man auch auf andere Weise), nur nicht "zu viel" denken und fühlen... So kenne ich es auch von mir selbst, wenn es mir besonders schlecht geht.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es Dich belastet und Dir Angst macht, dass Dein Freund sich zur Zeit so rar macht und stark zurückzieht. Deine Frage, ob er momentan eigentlich noch etwas Positives (zwischen Euch) sehen kann oder sich in erster Linie auf seine / Eure Probleme fixiert, ist absolut berechtigt. Denn leider ist es ein häufiges und typisches Symptom der Depression, dass der Betroffene in schweren Phasen kaum noch etwas Gutes erkennt und ihm alles dunkel, farblos und sinnlos erscheint. Als würde eine dicke, schwarze Wolke die Sicht verschleiern... Nicht leicht, als Außenstehender etwas daran zu ändern.
Es ist auf jeden Fall schon mal gut, dass Du ihm zu verstehen gibst, dass Du für ihn da bist und er sich jederzeit bei Dir melden kann, wenn er Dich braucht. Und es ist auch richtig, ihm dennoch seine Ruhe zu lassen, denn wenn es "zu viel des Guten" ist, fühlt er sich möglicherweise nur bedrängt, auch wenn das keinesfalls Deine Absicht ist. Natürlich kann ich Deinen Freund nicht einschätzen, ohne ihn zu kennen – jeder Mensch ist anders – aber mir würde es in einer solchen Situation gut tun, wenn mein Partner nicht nur sagt, dass er da ist, wenn ich ihn brauche, sondern mir auch ganz deutlich sein Interesse an meinem Gefühlszustand signalisiert. Damit meine ich, dass er auch mal konkret, aber ohne Druck nachfragt, wie ich mich fühle, was in mir vorgeht, was genau mich beschäftigt und belastet. Mir fällt es dann leichter, mich zu öffnen und zu reden. Und wenn ich dies tatsächlich schaffe, hilft es mir eher, wenn er einfach zuhört, sich anschließend Gedanken dazu macht und später nochmal darauf zurückkommt, als wenn er umgehend irgendwelche "Lösungen" und gut gemeinten Ratschläge hat (Damit möchte ich nicht sagen, dass DU das so handhabst – ich spreche gerade wirklich nur von mir!). Ehrliches Interesse, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, sich ernsthaft mit meinen Gedanken auseinanderzusetzen und mich zu verstehen – das brauche ich in solchen Phasen.
Vielleicht ist es bei ihm ähnlich und Du magst es mal auf diese Weise probieren?
Einen letzten Rat habe ich noch für Dich: Schreib ihm keine Nachrichten, sondern ruf ihn an! Auch wenn diese Form der Kommunikation offenbar nicht mehr zeitgemäß ist (es wird jedenfalls immer weniger...), macht es doch noch einen großen Unterschied, ob man ein paar nette Zeilen liest oder die vertraute Stimme der / des Liebsten hört! Letzteres würde mir persönlich sehr viel mehr bedeuten.
Alles Gute und viel Mut wünsche ich Dir! Ich hoffe, Ihr findet wieder einen Weg zueinander.
Ina