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Allgemeines Nur-Ruhe Forum => Gedichte => Thema gestartet von: Sintram am 05 Juni 2010, 08:06:54

Titel: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 05 Juni 2010, 08:06:54



Des Leidens schwarze Krone

´s gibt eine Nacht
die dunkler ist als jede Finsternis
die je dem Menschen dargebracht
die jedes noch so helle Licht verlacht

Da ist kein Hoffen auf ein zartes Morgenrot
wo jedes Lebenslicht erlischt
vor Augen nur der sichre Tod
in trüber Höllenwasser Gischt
kein Menschenwissen diese Qual ermisst

Und Angst
noch größer als das Firmament
der Hoffnung letzter Keim ist umgebracht
gebenedeit wer sie nicht kennt
des Leidens schwarze Krone
das fremde öde Land in dem ich wohne
die dunkle ewge namenlose Pein
der Seelennacht
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 06 Juni 2010, 17:56:26
Der Schub

Lautlos gellender Schrei
schmerzgekrümmt
Tränenstrom
Speichelfluss
entgleiste Züge
Hände in die Decke gekrallt
Verkrampfung
tobende Pein
unsägliche Qual
endloser Schmerz
nackte kalte Verzweiflung
Todessehnsucht
Erlöschen
Erlösung
Ruhe

Ein letztes Aufbäumen
Gedankenwirrwarr
qualvolle Ausweglosigkeit
bleierner Druck auf der Brust
steinerner Kloß im Hals
schwerer Atem
Röcheln
Japsen
Stöhnen
Sterben
Zerbersten


Bezirksklinikum 05
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Ina am 06 Juni 2010, 19:39:12
http://www.jana2002.com/Meine_Kunst_leben/Karikaturen/licht_im_wald.jpg

Licht - das wünsch ich Dir in Deinen dunklen Seelennächten
Kein böses Wesen und kein Feind, der Dich will ächten

Viel Kraft und Mut, der Dich soll leiten
Um Lieb' und Freud' in Dir zu verbreiten

Ein Hauch von heit'rer Frühlingsfrische
Und Glück auf Deinem Lebenstische
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 07 Juni 2010, 08:32:02
Danke Ina für Deine Gedicht.
Es hat etwas Tröstendes und Beruhigendes, tut gut zu lesen.
Meine sind auch nicht alle schrecklich.

Am Ziel

Gewissheit kommt über mich
mit ruhiger Kraft
ich weiß nun ganz sicherlich
ich hab es geschafft

Ich habe gewonnen
und nichts ist verloren
kein Farbton zerronnen
kein Pflänzchen erfroren

Ich habe gefunden
was stets ich gesucht
mein Herz ist zerschunden
bin doch nicht verflucht

Die Zeit sie mag schwinden
das Ziel ist erreicht
der Weg wird sich finden
ob schwer oder leicht

Die Qual ist verklungen
mein Lauf ist vollendet
der Kranz ist errungen
mein Schicksal sich wendet

Fern aller Sorgen
jenseits der Schmerzen
bin ich geborgen
in meinem Herzen

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Strider am 07 Juni 2010, 11:58:14
Kräftige Bilder!

Danke
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 07 Juni 2010, 13:14:48
Hallo Streicher

ich bedank mich. Für´s Lesen. Und freu mich, wenn sie Dir gefallen.


Heimkehr

Wieder bei mir angekommen
nach langem Irren durch das Nichts
hätt´ fast das Leben mir genommen
erkenn´s in Spuren des Gesichts

Mein irrer Blick ist wieder klar
der Falten sind es mehr geworden
erstarkt und wuchernd quillt mein Haar
um das ich fast mich wollt ermorden

Bin fünf Wochen alt nicht älter
neugeboren aus der Hölle
etwas wärmer und nicht kälter
ausgespieen wie Gewölle

Hab den Sensemann gesehen
war ihm nah wie nie zuvor
wollte aus dem Leben gehen
pochte an des Himmels Tor

Nun bin ich zurückgekehrt
und gelassen wie ein Baum
in der Seele unversehrt
lebe wie in einem Traum
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 08 Juni 2010, 09:28:21
Folterhaus

Ein Albtraum ist mein Leben nun
am Besten ist es noch im Ruhn
im Todesschlaf der tiefen Nacht
ein Grauen wenn ich aufgewacht

Der Tag beginnt mit großer Qual
ich muss ihn leben ohne Wahl
gibt kein Entkommen kein Zurück
ich sterbe peinvoll Stück für Stück

Dann der Gedanke zu beschließen
was Leid und unablässig´s Büßen
bedrängt mich vor dem Morgen schon
die Hoffnung scheint mir blanker Hohn

Jedoch ich will mein Haupt erheben
und unverdrossen weiterleben
mag auch die Schwermut mich erdrücken
es muss ein bessres Morgen glücken

Im Heute kann ich nicht bestehn
ich harre aus und lass vergehn
ist auch mein Leiden noch so groß
und liegt die Seele blank und bloß

Ich muss es schaffen hier zu bleiben
mag mich die Hölle auch zerreiben
mag mich die Last auch niederdrücken
es muss ein bessres Morgen glücken

Ich bin verzweifelt in der Seele
ja jeder Tag den ich so stehle
erscheint mir wie mein Leichenschmaus
ich halt es einfach nicht mehr aus
das ganze Leben ist ein Graus
in Folterknechtens Folterhaus

(Psychiatrie)
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 09 Juni 2010, 12:02:05
Der bleiche Mond

Und als die Lichter um die Ecke schwanden
schwand alles Licht in mir
da scharfe Dornen um mein Herz sich wanden
und meine Seele gellend schrie nach Dir

Ich wankte suchte taumelnd Halt
doch keine Mauer mochte meinen Schmerz ertragen
bleich stand der Mond verstummt und kalt
der Sternenhimmel fasste nicht mein Klagen

Dein Name bebte auf den Lippen
den sie so zärtlich noch geformt vor Stunden
die Seele keucht im Würgegriff der Rippen
wo Liebe strömte schoss nun schwarzes Blut aus tiefen Wunden

So starb ich hin in namenloser Todespein
und alle Hoffnung sank mit mir hinab
da war kein Leben ohne Dich kein Sein
und alle Sehnsucht streckte sich ins feuchte Grab
 
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 10 Juni 2010, 07:53:40
Der geschlossene Kreis

Genau dort
wo der Kreis begonnen hat
schließt er sich
und nirgendwo sonst

Sein Ende
ist seine Vollendung
jetzt erst
ist und bleibt er

Mein Kreis
ist geschlossen
ich fließe ruhig
und für immer
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 11 Juni 2010, 19:36:11
Tränensack

Mein Tränensack ist leer
ich hab mich ausgeweint
das kümmert mich nicht sehr
bei allem wie es scheint

würd ich den Kummer trinken
der mir den Sinn erdrückt
ich müsste drin ertrinken
so ist es mir geglückt

dass ich grad schwimmen kann
so wie im Toten Meer
im Nirgendwo und nirgendwann
mein Tränensack ist leer

Das Herz ist mir zerrissen
weit klafft ein tiefer Spalt
und geht’s mir auch beschissen
ich habe noch Gestalt

Mag auch das Salz geronnen
in meinen Augen sein
das Glück es ist gewonnen
des Lichtes heller Schein

Mag auch der Schmerz mich nimmer
zu Tränenströmen rühren
so wird der Freude Schimmer
zu solchen mich nun führen

Mein Tränensack ist leer
ich hab ihn ausgegossen
an Deiner Schulter schwer
das Herz ist mir zerflossen
 

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 11 Juni 2010, 19:45:41
Lazarus

Schritt erneut durch Tiefen
tiefer als das Meer
alte Geister riefen
ein schwarzes Totenheer

Sah Gevatter Tod
auf seiner fahlen Mähr
wand mich voller Not
im Innern gähnend leer
Schatten um mich her
die Sonne kalt und rot

In der Hölle Mitten
fern von jedem Licht
ließ sich Satan bitten
ich kenne sein Gesicht

Alle Hoffnung starb
all mein Mut sank hin
die Zuversicht verdarb
verdüstert war mein Sinn
glitt hinab ins Grab
wo ich gestorben bin

Lazarus im Linnen
lag ich kalt und leer
reglos war mein Sinnen
die Gruft sie drückte schwer

Hört´ ein fernes Rufen
klang ein rollend Donnern
taumelte zu Stufen
erdrückt von Achtzigtonnern
verschwunden ihr Gewicht
blinzle ich ins Licht
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 11 Juni 2010, 19:48:43
Der Tunnel

Tief war das letzte Tal
eng wie ein Tor
doch tiefer noch die Täler die zuvor
und größer noch die kalte Schattenqual

Nun steig ich an
der Boden weich von grünem Gras
wo blanker Fels die Hoffnung fraß
und komm mit müdem Schritt voran

Schau nicht zurück
wo Finsternis und Dunkel klafft
der bleiche Tod aus jeder Ecke gafft
ich streck mich aus nach meinem Glück

Ein Tunnel war ´s
ein schwarzer düstrer Schlund
er schluckte mich mit gierig heißem Mund
im Morgengrauen dieses langen Jahrs

Ich ging durch Nacht
konnt´ keine Hand vor Augen sehn
ich musste tastend weitergehn
ein kurz Verweilen hätt´ mich umgebracht

Ein fernes Licht
ich suchte fiebernd seinen Schein
der Mut war schwach die Hoffnung klein
erstarrt vor Kälte war mein müdes Angesicht

Bis ganz zuletzt
ich völlig mich hab aufgegeben
und abgeschlossen mit dem hehren Leben
zerschunden zitternd weinend und zerfetzt

Da brach der Tag
durch einen nadelfeinen Riss
ein goldner Strahl von Licht fiel in die Finsternis
da fasst ich den Entschluss dass ich’s noch einmal wag
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 13 Juni 2010, 15:36:25
Der Psalm des Hades

Ich sinke hinunter zu den Grabhöhlen der Ahnen
tief hinab in vertraute Gewölbe und Kammern
die Schluchten schließen sich über mir wie ein Zelt
verbergen die leuchtenden Himmel

Finsternis umhüllt mich wie eine wollene Decke
wohlbekannt ist mir das Wispern und Raunen rundum
in der Dunkelheit zu wandeln
bin ich gewohnt von Kindesbeinen an

Sage mir Angst ich sage dir Gleichmut
denn wo Alles und Jedes verloren ist
wartet kein Siegeskranz auf niemanden mehr
des Menschen Streben und Sehnen und Trachten
verhallt in den Schlünden unsichtbarer Wände

Nennt es Abyss nennt es Hades
Totenreich Unterwelt Hölle nennt es wie ihr wollt
auf dem Styx zu gleiten kümmert mich nicht
Charons Nachen durchpflügt die schwarzen Fluten
in meiner Seele aber ruht
Persephones goldenes Tränenhaar

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 13 Juni 2010, 15:38:17
Satans Ode

War der Schönste doch von Allen
trug den hellen Schein des Lichts
musste weichen musste fallen
ward zum Kläger des Gerichts

Zu betören und verstören
zu verführen und verblenden
alle die zu mir gehören
und zur Finsternis sich wenden

So die Stolzen und die Schönen
selbst die kleinste Kinderseele
zwinge ich dem Selbst zu frönen
schling mit nimmersatter Kehle

Nie zum Frieden mich zu kehren
um im Blut des Kriegs zu waten
falsche Weisheiten zu lehren
und mit schlechtem Rat zu raten

treibt es immerfort mich um
ruhelos bleibt mein Bestreben
bin der Liebe Feind rundum
hasse grimmiglich das Leben

Große nehme ich wie Kleine
wer da fällt der ist gewonnen
Schmutzige so gut wie Reine
deren Zuversicht zerronnen

War der Schönste doch vor Zeiten
strahlend wie der Sonne Glanz
sie zum Bösen anzuleiten
raub ich jeder Seele Glanz


Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 13 Juni 2010, 15:42:19
Ode an die Seelennacht

Die Pein die bleiern sich in meinem Innern windet
an jedem Morgen treu ihr müdes Opfer findet
im weißen Licht früh beim Erwachen
zerrt sie mich roh in Charons Nachen
sie kehrt zurück mit unerbittlicher Begier
verbeißt sich in die Seele wie ein geifernd wildes Tier
sie ist nicht abzustreifen ist nicht abzuschütteln
sie will mich plagen schütteln rütteln
ob ich nun schweige oder schreie
sie überzieht mich mit Gespeie
hat meine Seele fest im Griff
verschlingt mich wie ein tückisch´Riff
die Qual die glühend sich in meinem Herzen weitet
mir wie ein böser Dämon stets im Nacken reitet

Wem soll ich dieses Leiden in die Ohren flüstern
das mich umwölkt aus fahlen Totengaules Nüstern
das mich zermalmt mit Leviatans Zähnen
bis ich Gewöll und Staub aus dürren Spänen
ich bin so müde wie die alte Welt
ein schwarzes Küken das sich aus der Schale pellt
im tiefen Dunkel einer Legebatterie
der Sonne lichten Strahl ich spür ihn nie
es gibt kein Leben hier für mich in diesem Totenhaus
kein weiter Raum kein Himmel kein Hinaus
ich gehe langsam vor die Höllenhunde
und sinke wie ein toter kalter Stein zu Grunde
ins tiefste Meer das je die Erde hat bedeckt
ins tiefste Schwarz das je die Welt befleckt

Ja selbst der Liebe holdes Locken mir den Atem nimmt
weil ´s mich aus süßem Todesschlaf ins nackte Leben zwingt
und alles wache Sein ist nichts als ungeheure Qual
nicht zu ertragen doch ich habe keine Wahl
mein Herz es pocht und pulst mir ohne Gnade
selbst wenn im Lavastrom der irren Pein ich bade
mein Odem geht und will mich nicht verlassen
ich fange an des Blutes roten Strom zu hassen
da keiner goldnen Küste Strand von Hoffnung spricht
keiner Erlösung Ahnung tränkt mein Augenlicht
nur weites ewges Meer der Leiden ringsumher
und schwarzer Wirbelstürme düstres Heer
ach könnt ich doch ertrinken
im leeren Nichts versinken
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 14 Juni 2010, 21:20:45
Rätselhaft

Ihr glaubt es sei von Wichtigkeit
ob eure Pläne recht gelingen
und eure Wünsche in Erfüllung gehen
ob eure Kinder werden wie ihr hofft
und eure Schuldenberge abgetragen werden
Erkennt ihr nicht die Nichtigkeit
der Illusion in allen Dingen
könnt ihr die Flüchtigkeit nicht sehen
die Macht des Schicksals unerhofft
in diesem Jammertal auf Erden

Ihr sammelt Schätze wo sie Motten fressen
und macht euch Sorgen um das Morgen
ihr plant und grübelt um die Speise
die Kleider und den Platz zum Schlafen
setzt alle eure Kraft darein
Habt ihr die Sterblichkeit vergessen
sagt wo ist euer Herz geborgen
seht doch das Hörnchen und die Meise
die alles Raffen Lügen strafen
so federleicht und frei im Sein

Ihr seid mir fremd und rätselhaft
der Tod erscheint euch wie ein Feind
dem zu entrinnen euer Trachten gilt
verbraucht die Lebenskraft auf eurer Flucht
und gebt den Dingen Macht
Schon bald seid ihr hinweggerafft
wenn euer Abgang wird betrauert und beweint
nichts bleibt von euch als nur ein kleines Sterbebild
doch Frieden findet nur wer ihn da sucht
am hellen Tag und in der finstren Nacht

Ihr klammert euch ans Leben
verdrängt und leugnet seine Endlichkeit
mit regem Tun wollt ihr dem Ende Fristen setzen
mit Plag und Mühe eure Erdenzeit verlängern
so sagt mir doch seid wirklich ihr so blind
Ist euch das Sehen nicht gegeben
seid ihr Gefangne eurer kurzen Zeit
die ohne Halt durch Raum und Leben hetzen
ein Heer von Sklaven und Verdrängern
wann habt getötet ihr in euch das Kind

Sei wie es sei ihr könnt mich nicht begreifen
ihr seid verhaftet in Begrifflichkeiten
ein Fremder bin ich euch aus einer andern Welt
und wie es scheint ich bin es in der Tat
seit eure Lebensweise ich verlassen
kann ich des Daseins Unbill von mir streifen
mich häuten und verpuppen zu gegebnen Zeiten
und achte nur auf das was wirklich zählt
verachtet ruhig meinen leisen Rat
denn was ich weiß könnt ihr nicht fassen

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 15 Juni 2010, 17:38:16
Fremder auf Erden

Wo anderen das Leben winkt
weist´s mir den Tod nur und Verderben
was anderen wie Hoffnung klingt
tönt mir wie Untergang und Sterben
was jenen Sicherheit und Halt
drückt nieder mich mit Urgewalt
was diesen scheint gerecht und gut
entreißt mir allen Lebensmut

Wo andere Erfüllung finden
und ihres Daseins festen Grund
will´s grausam mich zu Tode schinden
und peinigen zur letzten Stund
sie jagen und sie plagen mich
bedrängen mich gar fürchterlich
sie rauben stets die Ruhe mir
geächtet wie ein wildes Tier
bleib ich ein Fremder hier auf Erden

Und find ich Zuflucht irgendwo
so lauern sie an meiner Tür
sie wissen nicht warum wieso
sie fragen nicht einmal wofür
es reicht dass ich ein andrer bin
mich widersetze ihrem Sinn
und ihre Ordnung nicht begreife
wenn ich durch weite Wälder streife
die frei in meinem Geist erblühn

Sie werden niemals mich begreifen
und meine Absicht nie verstehn
wenn flüchtig sie mein Dasein streifen
und wieder ihrer Wege gehn
mein Auge fasst das Firmament
den Schlund der schwarzen Löcher kennt
es ruht sich aus auf Blumenwiesen
und wäscht sich rein wenn Tränen fließen
es will in Liebesflammen glühn

Sag kennst du mich
mit welchem Namen nennst du mich
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 16 Juni 2010, 09:18:58
Regentag

Der Tag beginnt
es rauscht der Regen
das Wasser rinnt
der Felder Segen

Der Himmel grau
die Wolken dicht
wohin ich schau
kein Sonnenlicht

Muss mit dem Regenschirm mich quälen
durch Pfützen und durch Schauer schälen
die Düsternis drückt mein Gemüt
den Kopf gesenkt was da noch blüht

Die Straße nass
die Erde feucht
verschwunden rasch
was kreucht und fleucht

Die Vögel stumm
die Biene fern
die Katze krumm
sie schlummert gern

Des Wetters Unbill ist mir widrig
der Trübsinn groß das Wohlsein niedrig
ach mag die Sonne mich doch wecken
mit Strahlen meine Nase necken
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 17 Juni 2010, 10:02:11
Vergeblichkeit

Ich will in den tiefsten Abgrund gleiten
wo die Geister der Toten vorüberreiten
auf Gäulen mit blähenden Nüstern
und dunkle Geheimnisse flüstern
von wiederkehrenden Sünden
die niemand kann überwinden
der Lebenden ewiges Irren
die Toten kann nicht mehr verwirren
sie sind wie Meinesgleichen
und wollen nichts mehr erreichen
weil außerhalb Raum und Zeit
sie sehn die Vergeblichkeit

In Nichts sie all Jenen gleichen
die lauernd mein Lager umschleichen
um mich aus der Ruhe zu reißen
mit ihrem Kot zu beschmeißen
ganz einfach weil ich es wage
und ihnen die Wahrheit sage
die Dinge beim Namen nenne
die ich aus der Unterwelt kenne
weil ich ihren Hochmut verlache
mir nichts aus den Göttern mache
die eitel sie selbst sich erschaffen
und speie auf ihre Waffen

Die Schatten fürchten mich nicht
sie lächeln mir ins Gesicht
sie wissen um mein Verstehen
vom steten Vorübergehen
sie wissen der Lebenshauch
ist flüchtiger noch als Rauch
das menschliche Dasein ist Flucht
ein Torkeln in Lebenssucht
ein Taumeln Schwanken und Fallen
und alle Rede bleibt Lallen
denn alles Begreifen ist nichts
im Feuer des jüngsten Gerichts
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 19 Juni 2010, 19:15:10
Nathan der Weise

Lass den Tag beginnen
zu Ende geht er ganz von selbst
lass die Zeit verrinnen
nicht du den Bogen wölbst

Nicht du lenkst die Gestirne
die Läufe ihrer Bahn
nicht du kennst die Gehirne
und ihren stillen Wahn

Es gibt gar tausend Fragen
du kennst die Antwort nicht
die Nacht ist voller Klagen
drum strecke dich zum Licht

Lass ruhen was vergangen
du änderst es nicht mehr
nimm deine Angst dein Bangen
versenke sie im Meer

Die Ruhe wohnt im Schweigen
und in der Stille Kraft
des Lebens bunten Reigen
hast du bis hier geschafft

So lass den Tag verrinnen
die Zeit sie ist bestimmt
´s liegt nicht in deiner Hand
wann sie den Odem nimmt
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 19 Juni 2010, 22:31:26
Freitod

Obgleich es ausgeträumt
bin dennoch ich ertrunken
hab kurz mich aufgebäumt
und bin dann still versunken

Nun wandre ich im Totenreich
und seh vor mir mein Leben
das niemals wieder ich erreich
und das mir wär gegeben

Ich seh was ich verschuldet
an meiner Liebe Herz
ich spür was sie erduldet
und leide ihren Schmerz

Ich sehe meine Chancen
und kann sie nicht ergreifen
in allen Farbnuancen
ich seh davon sie schweifen

Drum allen die dies lesen
und die den Freitod wählen
das ist es nicht gewesen
ihr müsst euch weiterquälen
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 20 Juni 2010, 08:38:05
Fürbitte

Die alle Hoffnung verloren haben
denen dieses Wort verhasst ist
das sie unablässig quält
die sich am letzten Ausweg laben
weil Verzweiflung ihre Seele frisst
sich Tag für Tag aus den Gedanken schält

Die das Erdensein nicht mehr tragen
weil es wahrlich unerträglich ist
und das Joch des Lebens von sich streifen
die den Schritt ins Ungewisse wagen
deren Qualen kein Begreifen misst
die in ihrer Seelenpein den Tod ergreifen

Denen sie mit Höllenstrafe drohen
die Seelenklempner und die Schriftgelehrten
um ihnen diese Lösung zu verstellen
bis zum Weiterleben sie verrohen
die zum Daseinskampf Bekehrten
möchte Gott doch ihren Schmerz erhellen

Dass sie sehen dass ihr feines Fühlen
ihre Wunde und Verletzlichkeit
ihr Zerbrechen an der Grausamkeit der Welt
nicht entzündet ist um abzukühlen
eine helle Flamme ist ihr schweres Leid
die dem Egomanen seine Selbstgerechtigkeit vergällt

Dass ihr Untergang ein Menetekel sei
für die Sieger denen sie Verlierer sind
und ihr Scheitern ein Triumph
dass der selbstgewählte Tod sie setze frei
niemals werde stumm ihr Lied im Wind
niemals ihre scharfe Klinge stumpf

Was den Überlebenden Vernichtung
ihnen Pforte in die Ewigkeit
wenn Erbarmen endlich finden
aus der Dunkelheit Verdichtung
dem Entsetzen dieser Zeit
sich in die Erlösung winden

Mögen sie als Helden auferstehen
die als Feiglinge verdammt
wie Verbrecher sind geächtet
mögen tränenvoll sie in die Freude gehen
ihre Richter aber in die Flammen allesamt
denn verworfen sei wer rechtet

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 20 Juni 2010, 13:56:47
Der reiche Prasser

Vom Flammenschwert werd ich verzehrt
was machte ich denn nur verkehrt
ich tat doch gut war auf der Hut
und leide nun in Feuersglut
werd eines Besseren belehrt

Mein Kleid wird mir zum Leichentuch
da ist kein Segen da ist Fluch
weiß nicht wofür hinter der Tür
ich weine und es grauset mir
vor Schwefelduft und Grabgeruch

Ach Engel komme doch herab
steig nieder in der Gruften Grab
und weck mich auf heb mich hinauf
schwer ist mein Herz gelähmt mein Lauf
der dunkle Pfad führt mich hinab

Wo ist der Fehl wo ist die Schuld
wo ist die Gnade wo die Huld
es reut mich was nur reuen kann
was hab verbrochen ich und wann
ein Blinder der nicht sehen kann
ja selbst das Gute wird zum Wahn
und Langmut folgt der Ungeduld

Was ist der Grund für diese Pein
ein dunkler Schlund ein finstres Sein
jedoch ich habe keine Wahl
ich harre hier am Ort der Qual
und trage gar des Kaines Mal
ich geb es zu wenn’s denn beliebt
ich hab zuwenig wohl geliebt
doch war ich wirklich so gemein
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: persephone am 21 Juni 2010, 18:02:18
Schöne Gedichte.
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 21 Juni 2010, 18:06:40
Sonnenuntergang

Das Tageslicht schwindet unbemerkt
stiehlt heimlich still und leise sich davon
die Dämmerung folgt ihm auf dem Fuß
schleicht raschelnd durchs Gebüsch
hüllt den Himmel in wachsende Dunkelheit
die Amsel hat genug gestochert und gewerkt
der fahle Mond besteigt seinen silbernen Thron
ein letztes müdes Lied zum Abendgruß
im Handumdrehen wird es frisch
im nahen Wald das Käuzchen schreit

Ich warte auf die Nacht
die mich verbirgt vor fremden Blicken
mich stumm in ihren Mantel hüllt
von niemandem will ich gesehen sein
verschmelzen mit dem Erdenschatten
da Finsternis bricht an mit Macht
den Todesengel auszuschicken
die kalte Hand die man am Herzen fühlt
die uns erschaudern lässt bis ins Gebein
dass jede Hoffnung will ermatten

Geborgenheit kennt nur der Lebensmüde
wenn schwere Schwingen auf ihn niedersinken
denn Angst bereitet ihm allein das Leben
das fordernd und erpressend seine Ruhe raubt
nur um erneut ihn mit dem Schein zu trügen
der Liebe Keuschheit ist mitnichten prüde
ihr trautes Werben will hinüberwinken
statt Überdruss Glückseligkeit ihm geben
im letzten Ringen schwankend er geglaubt
der Todesengel aber will ihn nicht belügen

Von Schwerkraft an die Erde angekettet
erdrückt von Sorge Pein und Last
genug gelebt gekämpft gelitten
so sehnt der Mensch zuletzt sich nur nach Frieden
Erlösung ist sein einziges Verlangen
sieht er den Engel weiß er sich gerettet
er atmet auf nun ist vorbei die Hast
im Todeskampf hat er genug gestritten
kein Grund mehr hält ihn noch hienieden
und aufgelöst sind Schmerz und Bangen

Wir alle werden diese Schwelle sehen
ob mitten wir im Leben oder hochbetagt
ob in der Jugend Blüte oder in der Kindheit Segen
denn niemand kennt die Stunde die ihm schlägt
sie kommt wie Wehen über Nacht
sind wir bereit ins helle Licht zu gehen
haben um Gnade und Vergebung wir gefragt
ist fortgespült die Schuld im Tränenregen
wenn unser stolzer Stamm wird abgesägt
und können sagen wir es ist vollbracht
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 22 Juni 2010, 18:35:06
Träume

Wo sind meine Träume geblieben
wann hab ich sie abgeschrieben
was hat meinen Urwald entlaubt
wer hat meine Welten geraubt

Ich kann sie immer noch fühlen
muss tief im Vergangenen wühlen
bis in meinem Geist sie sind da
unverstellt deutlich und klar

Sie leuchten in meinen Gedanken
hinter düsteren Schranken
ich habe nicht einen verloren
hab ewige Treue geschworen

Sie wollen verwirklicht nicht sein
sind zu groß das Leben zu klein
und doch will ich sie behalten
weil sie mein Sein gestalten

Die große Lüge dieser Zeit
bezeichnet sich als Wirklichkeit
ich kehre in Träume zurück
nur dort finde ich das Glück

Ja besser ist es zu sterben
als mit dieser Welt verderben
ich habe sie ändern wollen
doch hat es sein nicht sollen

Die Stolzen werden nicht bestehen
die Reichen werden leer ausgehen
die Mächtigen gestürzt vom Thron
die Niedrigen erhöht zum Lohn

und Zerberus der Höllenhund
erwartet die am Höllenschlund
die einen Mühlstein am Halse tragen
gerichtet von der Kleinen Klagen

Ist dieses nun kein böser Traum
so kümmert ´s doch die Meisten kaum
sie glauben nur den Augen
die nicht zum Schauen taugen

Den Traum von einer bessern Welt
in der nicht Geld noch Reichtum zählt
wo Frieden und Gerechtigkeit
bezwingen Krankheit Tod und Leid

in der das Wort noch etwas gilt
und Liebe nicht nach Herrschaft schielt
Natur und Tierwelt ist geheiligt
der Mensch an ihrem Wohl beteiligt

bewahre ich in meinem Herzen
beschütze ihn vor Nacht und Schmerzen
und irgendwann das ist mir klar
da werden meine Träume wahr

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 23 Juni 2010, 16:09:32
Dichters Lied

Der Mensch will Geld in dieser Welt
zu kaufen alles was gefällt
weil er nicht weiß was wirklich zählt
und hat er’s dann so will er mehr
um voll zu stopfen was da leer
macht selber sich das Leben schwer

Nun Meinesgleichen schert es nicht
verträumt den Tag schreibt ein Gedicht
genießt die Sonne im Gesicht
schlägt manchmal ein paar Fliegen tot
verdient sich nicht sein hartes Brot
ist eng vertraut mit Angst und Not

Denn alles was der Mensch erfindet
ihn fester an das Elend bindet
in dem er Tag und Nacht sich windet
die Amsel singt die Natter ringelt
frühmorgens wenn sein Wecker klingelt
ist er von Lebenskampf umzingelt

Das stolze Schiff mag untergehen
Taubstumme sprechen Blinde sehen
die Erde wird sich weiterdrehen
das Sterben ist der Dinge Wesen
der Wind wird meine Fährte lesen
als wär´ ich niemals da gewesen

Das Nichts will ich euch hinterlassen
ihr seht mich nicht könnt mich nicht fassen
im Schatten eurer blinden Gassen
ich hab euch wahrlich nichts zu sagen
es geht mir gut ich kann nicht klagen
was stemme ich könnt ihr nicht tragen

Was sehe ich könnt ihr nicht schauen
ihr mögt den eignen Augen trauen
und eure Märchenschlösser bauen
was höre ich bleibt für euch stumm
was mir gerade scheint euch krumm
und was mir weise dünkt euch dumm

Ich hab die Sonne ausgetrunken
und bin im tiefsten Meer versunken
wo Pech und Schwefelhauch gestunken
hab vom verbotnen Baum gekostet
bin wie ein alter Kahn verrostet
hab´ s bis zur Neige ausgekostet

Mein Lächeln ist von Schmerz durchdrungen
die letzten Lieder sind gesungen
die feigen Mörder schon gedungen
nun da zuletzt ich heimgekommen
mein Lieb mir hab zur Frau genommen
wird´ s mir verübelt von den Frommen

Mein Glück zu halten jede Stunde
mit ihr zu dreh´ n noch manche Runde
ist alles was ich heut bekunde
der Rest ist Staub und graue Asche
die froh ich aus dem Sinn mir wasche
wenn ich von ihrem Honig nasche

Denn alles was zuvor ich hatte
ist Abfall nur und Fraß der Ratte
und flohverseuchte feuchte Matte
erst jetzt ruht Licht auf meinem Kissen
will ihren Atem nimmer missen
liebkosen sie mit tausend Küssen
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 25 Juni 2010, 13:22:01
Mein dunkles Kind

Bedenke dies und wisse wohl
dass wir alleine sind
auf dieser Welt mit Werten hohl
und flüchtig wie der Wind
wir werden mit ihr untergehen
doch niemand kann die Lust verstehen
die wir dabei empfinden
wenn wir Befreiung finden
aus dieser Lebensqual
durch fremde oder eigne Wahl

Drum denk daran und merk es dir
du Kind der Seelennacht
wir beide sind wie Fremde hier
seit wir hierher gebracht
Die da im Diesseits hängen
die Todesangst verdrängen
sie werden niemals uns begreifen
und unsre Welt nur flüchtig streifen
in ihren schwarzen Stunden
wenn brav sie lecken ihre Wunden

Denn hier wo wir zu Hause sind
ergreift sie Grauen nur
darum gib acht mein dunkles Kind
ihr Überlebensdrang ist stur
sie wollen uns zum Leben zwingen
an ihren Daseinskampf verdingen
den längst wir aufgegeben
sowie das stete Weiterstreben
sie sind im Herzen blind
wir aber können sehn mein Kind

Die da vor uns gegangen
erfüllen uns mit Trauer
wir werden einst erlangen
der Seele stillen Schauer
wenn sie vom Leib gelöst
in dem sie allseits nur gedöst
um endlich zu erwachen
mit Jauchzen und mit Lachen
ihr wahres Wesen zu erkennen
mit neuem Namen zu benennen

Wir sind von einem andern Stern
im Denken und im Fühlen
wir kennen unsrer Seele Kern
nach dem sie grimmig wühlen
sie wollen ihn entfernen
sie wollen uns entkernen
damit wir ihresgleichen werden
die wandern da in großen Herden
sie können ihn nicht finden
uns niemals an sich binden

Wir sind erlöst von diesem Sein
in fernen weiten Galaxien
ist unser Mut auch noch so klein
nichts kann uns in Materie ziehen
die Gabe der Vernunft
ist unbekannt in unsrer Zunft
die sogenannte Wirklichkeit
bereitet uns nur Not und Leid
allein im Augenblick
wächst fröhlich unser kleines Glück
sie können ihn nicht fassen
und müssen uns verweilen lassen

Sie mögen weiterirren
den Stillstand von sich weisen
ihr Treiben soll uns nicht verwirren
ihr Zug in festgefügten Gleisen
sie drehen eisern ihre Runden
und zählen zitternd ihre Stunden
für sie sind wir verrückt
denn das was uns verzückt
jagt ihnen Schrecken ein
sie sind im Tun und wir im Sein
sind hastig eifrig abgelenkt
von dem was uns den Frieden schenkt

Wir lernen von den Tieren
die um kein Morgen wissen
in keine Zukunft stieren
und die Sekunden küssen
sich aneinander schmiegen
in ihren Nestern liegen
entrückt von Raum und Zeit
mit Träumen groß und weit
die still und heimlich sterben
und keinen Halm vererben
in ihrem Selbst verweilen
bis ihre Wunden heilen
in ihrer Mitte ruhn
was ihnen gleich wir tun
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 26 Juni 2010, 15:44:07
Der Selbstkrieg

Der neue Morgen graut
mit Grauen bricht das Sonnenlicht im Pulverdampf
der immer noch in geisterhaften Schwaden
wie Nebel über dem Schlachtfeld steht
lang war die Nacht und qualvoll war das Sterben
mein müdes Auge schaut
im Geiste noch den fürchterlichen Kampf
mit Blut getränkt die tauben Waden
die letzten Schreie hat der Wind verweht
und all mein guter Glaube liegt in Scherben

Die Unschuld fiel zuerst
starb jämmerlich in meinen kampferprobten Armen
bevor die Sanftmut niedersank
zerfetzt die Brust die Hand geballt zur Faust
und hilflos kochte in mir blanke Wut
wenn du von Rache hörst
halt ein und denk an gütiges Erbarmen
denn blinder Hass macht deine Seele krank
ein Dämon der in deinem Innern haust
und dich verzehrt mit höllenheißer Glut

Doch als der gute Glaube niedersank
zersiebt zerrissen in den Dreck getreten
da kochte in mir bitterlicher Zorn
den Hochmut streckte nieder ich mit einem Streich
und spaltete sein Haupt bis auf das Bein der Brust
als da die reine Demut lag der Seele blank
die Lästerung verhöhnte stilles Beten
da stach ich ihr ins Herz direkt von vorn
und wurde den gefällten Feinden gleich
mein Schwert erglühte in des wilden Tötens Lust

Der Hoffnung waren beide Beine abgerissen
der Boden trank ihr dickes Blut
als der Verzweiflung schlug das Haupt vom Rumpf
ich mit erloschnem Licht
und warf dem Spott es vor die Füße
die Wahrheit wollte ihre Fahne hissen
doch als sie barst sank ihr der Mut
sie starb auf Knien hielt noch die Stange stumpf
mit heißen Tränen im Gesicht
als ich der Lüge schickte meine letzten Grüße

Ich riss das Herz ihr aus dem Leib
es pochte noch in meinen blutgetränkten Fingern
als neben mir die Reinheit gellt´ im Todesschrei
besudelt und geschändet auf den Boden schlug
riss ich der Hinterlist das Auge aus der Höhle
die Feigheit wie ein böses Weib
sprang in die Beine mir und brachte mich ins Schlingern
schlug mitten durch den Nabel sie entzwei
fuhr jäh herum und schnitt dem Trug
mit scharfer Klinge durch die Kehle

Von hinten stieß mir in den Rücken der Verrat
als ich der Treue die gebrochnen Augen schloss
ich würgte rasend ihn mit bloßen Händen
bis Blut er röchelnd spie die Lunge barst
und die Vergebung auf mich fiel in wilder Agonie
ich hielt sie bebend in den Armen grad
als mir ein blinder Pfeil in meine Hüfte schoss
wie Tobsucht wallt´ der Schmerz in meinen Lenden
Spott- schrie ich- der du stets ein Schleicher warst
und hieb den Unterschenkel ihm vom Knie

Die Langmut schied mit der Barmherzigkeit
umschlungen bis zuletzt im Todeskampf
als ich die Ungeduld zum Teufel schickte
der Mitleidslosigkeit das Schwert auf ihre Schulter senkte
und ihr das rechte Herz vom linken trennte
die Güte schwand den Blick getrübt von namenlosem Leid
die Hände in die Brust gekrallt im letzten Krampf
als ich dem Hass in die verzerrten Züge blickte
und meines Schwertes Schneide in sein Antlitz lenkte
ihm nicht einmal ein letztes böses Flackern gönnte

Dann fiel die Liebe tief ins Herz getroffen
den stummen Schrei riss ihr der Tod von ihren fahlen Lippen
dumpf schlug sie auf und hauchte ihre Seele aus
als der Berechnung schnitt mein Schwert von Ohr zu Ohr
das dunkle Hirn an seiner Spitze stakte
ich taumelte und wankte wie besoffen
und fühlte jäh den Pfeil in meinem Muskel wippen
mit Zähnen knirschend riss ich ihn heraus
vor Schmerz ich die Besinnung fast verlor
als ich der Bosheit seine Spitze in den Magen hakte

Der Frieden ging mit flehender Gebärde
in aufgerissnen Augen noch die letzten Schrecken
als ich dem Krieg mit meines Schwertes Griff hart in den Rücken schlug
und hörte krachend seine Wirbel brechen
er knickte um wie ein gefällter Baum
mit Blut gesättigt war die Erde
rundum ein Jammern Klagen und Verrecken
mein letzter Gegner war der Selbstbetrug
todmüde konnt´ ich ihm in den Rachen stechen
vom Blut der Selbsterkenntnis war getränkt sein Saum

Dann stand ich still mit schwerem Atem
gefällt der Feinde finstre Schar
doch auch die lichten Freunde in den Staub gesunken
verloren alle hatt´ die Schlacht ich auch gewonnen
so war mein Lebenswille doch gebrochen
ich hub die Gräber aus mit scharfem Spaten
war nicht mehr Jener der ich vorher war
hab meiner Feinde gift´ges  Blut getrunken
war´s auch auf meines Schwertes Klinge längst geronnen
hab den Gestank des Bösen doch ich in mir selbst gerochen

Denn jeden Feindes Blick den ich erschlug
trag eingebrannt ich wie ein schwarzes Mal
schier unauslöschlich in der Seele
und hätt´ den Kampf ich nicht erbittert aufgenommen
so lebten meine Freunde noch
die Qualen waren allzu groß die ich ertrug
unzählig ihrer Stunden Zahl
ein Umstand den ich nicht verhehle
nicht ohne Grund war es zur Schlacht gekommen
ansonsten säße ich im Kerkerloch und trüge noch der Knechtschaft Joch

So musste ich zum Schwerte greifen
um meine Freiheit zu erringen
da jeder Würde ich gemein beraubt
und meiner Feinde Spiegelbild erschlagen
war da der Preis auch noch so hoch
der Tötungswille musste in mir reifen
die Opfer meiner Schwerter Klingen
haben der Wahrheit nicht geglaubt
konnt´ ihre Lüge nicht mehr tragen
die da aus finstren Löchern kroch

Zu guter letzt war´s doch ein großer Sieg
und nicht umsonst das Gute ist gestorben
durch seinen Tod das Böse ist bezwungen
bin ich auch leer und ausgebrannt
so hab ich doch das neue Land gewonnen
und wär ich nicht gezogen in den Krieg
hätt nie mein Selbst ich mir erworben
und nicht des Glückes Pfand errungen
wär stumpf in meinen Tod gerannt
und all mein Leben wär zerronnen

Wohl ist vernarbt nun meine Seele
der Rücken leicht gekrümmt die Augenbrauen schwer
und sehe Zorn ich und Gewalt so schaudert´s mir
wenn tiefe Müdigkeit mich überfällt
ob all des Blutes das von Menschen wird vergossen
der Tabak dörrt mir meine raue Kehle
nicht selten bin ich von Gedanken leer
und starre vor mich hin grad wie ein krankes Tier
dem alle Lebensfreude ist vergällt
weil seine Kraft wie kaltes Kerzenwachs zerflossen

Doch hätt ich nicht zerschmettert meine Feinde
mit aller Wut und Raserei
so hätten sie ´s mit mir getan
ich müsste wandeln bei den Schatten
in finsterkalten Seelenhallen
so aber hüte ich die Kinder meiner Freunde
sie krabbeln noch auf allen Vieren eins zwei drei
und manches plagt ein neuer Zahn
und will der Mut mir manchmal auch ermatten
so richte ich mich auf an ihrem süßen Lallen

Dir aber der dies liest dir sei gesagt
es gibt nur einen Menschen den du fürchten musst
blick in den Spiegel dann erkennst du ihn
er ist dein ärgster Feind wenn es ums Überleben geht
sei auf der Hut vor ihm  selbst wenn du ihm vergibst
erst wenn du älter bist und hochbetagt
und wenn beruhigt sich des Lebens pralle Lust
kannst du getrost in seine Hütte ziehn
weil er wie du vor seiner letzten Schwelle steht
dann lass es ruhig zu dass deinen Feind du liebst
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: persephone am 26 Juni 2010, 17:37:03
Das gefällt mir bisher am besten. Erinnert mich ein bisschen an Macbeth.
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 28 Juni 2010, 16:29:25
Hallo Persephone,

es freut mich, dass Dir meine Verslein gefallen. Und Dich ein bisschen erinnern an große Meister.
Aber Shakespeare war ein Gigant, ich bin bestenfalls ein Atomkern.... Trotzdem danke!


Umweltsünder

In zwei Dekaden brennt die Erde
was ich verkünde Jahr um Tag
ist nun in aller Munde
geblendet von der Kraft der Pferde
weil Jedermann sein Auto mag
zu drehen seine Runde

Es ist zu spät um umzukehren
was losgelöst ist rast zu Tal
der Bremsweg ist zu lang
da weiter sie das Geld verehren
in frei getroffner blinder Wahl
zieh´n alle sie am selben Strang

Das Sterben hat begonnen
aus Steppen werden Wüsten
wie Zunder brennen Wälder
die Gletscher sind zerronnen
das Meer verschlingt die Küsten
bald liegen brach die Felder

Nun mögen alle jammern
den Untergang beklagen
um ihre Zukunft bangen
sich an ihr Leben klammern
ihr schweres Los ertragen
sie sind schon längst gefangen

Die Menschheit ist verloren
sie schaufelt sich ihr Grab
es gibt kein Überleben
voreinst zum Mahner auserkoren
zum Schritt verebbt mein Trab
will nicht mehr mir die Sporen geben

Es stört mich nicht in meiner Ruh
ich bin der Highway Star
führ selbst ich auch kein Steuer
als Backseatdriver cool dazu
erkenn ich die Gefahren klar
der Straßen Ungeheuer

Ich rauche lebe ungesund
verglühe manche Birne
und lach mir eins ganz insgeheim
die Welt ist groß die Erde rund
der Luftverkehr zieht seine Zwirne
da ich verbreche diesen Reim


Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 30 Juni 2010, 20:22:48
Neu

Nichts ist mehr wie es war
wenn wir uns aus dem Dunkel schälen
uns Schritt für Schritt ins Leben quälen
ja selbst das Licht scheint sonderbar

Wir freuen uns am Kleinen
an Vöglein die da singen
an Glocken die da klingen
und können wieder weinen

Es scheint uns wie ein Wunder
dass da noch Wolken wandern
von einem Ort zum andern
voll steht der Mond und runder

Das Gestern ist versunken
Vergangenheit geblieben
von anderen geschrieben
Erinnerung ertrunken

Und die zerplatzten Träume
die gestern uns noch plagten
da wir enttäuscht verzagten
erschaffen freie Räume

Wir wissen um das Sterben
um Todeskampf und Ringen
von unbekannten Dingen
wir sind des Schicksals Erben

Was kann uns noch erschrecken
wir haben doch gesehen
wie wir zu Grunde gehen
auf todgeweihten Strecken

Und mag sie wiederkehren
die Nacht mit ihrer Qual
in unbegrenzter Zahl
wird sie uns Neues lehren

Denn Krankheit ist Erwählung
sie führt mit festen Schritten
tief in des Wesens Mitten
in liebender Vermählung
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 04 Juli 2010, 14:20:05
Schwurrlinbirno, depperter Guest....


Erloschner Stern

Wie kann es dir gelingen
dem Schicksal zu entrinnen
das deine Nornen singen
schon vor den Zeiten spinnen

Dein Muster ist gewebt
du magst es hässlich finden
dein Leben ist gelebt
gezählt sind deine Sünden

Die Summe deiner Werke
ist nichts als bloße Zahl
was gestern deine Stärke
wird heute dir zur Qual

Wenn nun die finstre Nacht
sich senkt auf deine Tage
ist sie von dir gemacht
du selbst wirst dir zur Plage

Du willst Gerechtigkeit
so sei sie dir gegeben
denn schon vor langer Zeit
tatst Unrecht du dem Leben

Du willst den Menschen richten
im Tod ihm nicht verzeihn
willst dich als Opfer sichten
sein Abbild sollst du sein

Fliehst die Vergangenheit
und trittst ihr nicht entgegen
du hast dich nie befreit
kein Unheil wurde Segen

Du sagst du warst gepeinigt
in deinen Kindertagen
du hast es nie bereinigt
sollst es durchs Leben tragen

Du bist den Andern gleich
in deines Wesens Kern
verhärtet was einst weich
wie ein erloschner Stern

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Lotusblume am 04 Juli 2010, 20:52:32
Der bleiche Mond ...

dieses Gedicht von dir berührt mich so sehr. Ein Gefühl, dass ich so gut kenne, drückt sich für mich  darin aus.

Ich weiß nicht, was ich sonst dazu sagen soll. Die Worte fehlen

Alles Liebe
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 06 Juli 2010, 12:24:04
Hallo Lotusblume,

es kommen auch wieder andere Tage, nie die Hoffnung aufgeben.


Das Begegnen

Fliegend war Dein Haar
Deinem Glück liefst Du entgegen
und was Totes in mir war
wecktest Du zu neuem Leben

Freudestrahlend Dein Gesicht
fällst mir in die Arme
in den Augen helles Licht
und Dein Blick der warme

taut in meinem Herzen
einen Eisberg tief und schwer
verjagt all meine Schmerzen
und da ist kein Kummer mehr

Deine Lippen reden wild
von Liebe und Verlangen
Deine Zunge züngelt mild
spricht von argem Bangen

Ich halt Dich umschlungen
wie mein eignes Leben
alle Angst sie ist verklungen
und ich fühl mich schweben
 

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Lotusblume am 07 Juli 2010, 18:14:09
Wunderschön...

Wirklich einfach wunderschön. Erinnerungen... die schönsten sind so oft auch die schmerzendsten, weil sie Vergangenheit sind.

Aber es ändert nichts.. dein Gedicht gibt auch Hoffnung. Hoffnung, zu begegnen.

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Lotusblume am 10 Juli 2010, 11:13:04
Begegnen ... Begegnen...

ich muss es einfach immer wieder lesen.  Unfassbar schön
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 12 Juli 2010, 08:53:28
Der neue Tag

Du bist mir näher als mein Ich
bei Dir bin ich geborgen
in Deinem Herzen wohne ich
und fürcht mich nicht vor morgen

In Deinen Armen find ich Glück
das niemals ich genossen
ich will nicht in den Tod zurück
vor Wonnen ich zerflossen

In Deinen Augen find ich Ruh
in Deiner Stimme Halt
was ich auch denke rede tu
es nimmt in Dir Gestalt

Du bist mein Leben und mein Sein
da staun ich armer Tor
denn unsre Liebe sie ist rein
wie niemals noch zuvor

Du bist die Antwort auf mein Fragen
das Ende meiner Suche
Du wirst mich durch mein Leben tragen
den Kummer ich verfluche

Du bist mein Leben und mein Licht
was da auch kommen mag
ich fürchte und ich bange nicht
Du bist mein neuer Tag
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 14 Juli 2010, 20:06:13
Landung

War wohl doch ein bisschen viel
so mir nichts dir nichts über Nacht
unvermutet ahnungslos
das ganze Leben in einem Guss
vor Augen zu haben
in all den Gesichtern
wie lang schon flieg ich ohne Ziel
getragen von der Winde Macht
auf weiten Schwingen grenzenlos
gehätschelt von der Sonne Kuss
an Regentropfen mich zu laben
unter Sternenlichtern

Vor Käfigtüren golden und verrostet
Erinnerungen die Gefangenschaft bedeuten
vergebne Flucht Versklavung Knechtschaft
gebrochne Flügel lahme Beine
Ketten die mich banden
Fesseln die mich zwangen
nun da die wahre Freiheit ich gekostet
bin ich ein Fremder unter wohlvertrauten Leuten
und sie zu mögen raubt mir alle Kraft
tatsächlich ist da nur die Meine
seit wir uns ohne Hoffnung fanden
um Liebe zu erlangen

Und all das ganze Leben
genug Dekaden an der Zahl
ist hinter mich gebracht
verschwunden wie ein Traum
aus dem verwirrt ich aufgewacht
um seine Schatten zu verjagen
und dem Vergessen sie zu geben
da ich zuletzt in Seelenqual
in tiefster schwarzer Nacht
erschloss mir neuen Raum
und hab mich fortgemacht
wie aber soll ich ihnen dieses sagen

Der Mensch den sie da vor sich sehen
ist nicht die Summe seiner Jahre
und nicht die Frucht der Jahreszeiten
weil er vom Gestern abgeschnitten
gefällt gerodet und verbrannt
um neuem Keimling Raum zu schaffen
er hat geschmeckt das Werden und Vergehen
gezählt die Menge seiner Haare
geschaut die grenzenlosen Weiten
hat jeden noch so großen Schmerz gelitten
und seine Nichtigkeit erkannt
gestreckt sind seine Waffen

Im Netz der Zeit gefangen
so sitzen sie vor meinem Auge
ihr Fortgang ist in feste Bahn gezwungen
Verpflichtung ist die Basis ihres Seins
der Kompromiss gibt ihnen Sicherheit
Abhängigkeit die Freiraum schafft
und keiner ist erwählt die Größe zu erlangen
zu der ich selbst nicht tauge
und doch hab ich ein Stück von ihr errungen
gefunden und verwahrt den Schlüssel ihres Schreins
zum wahren Leben außerhalb von Raum und Zeit
weil bis zuletzt ist meine Suche nicht erschlafft

Es wäre weiter kein Problem
sie sind hüben ich bin drüben
und es freut mich sie zu sehen
jedoch ich kann sie nimmermehr erreichen
und ihnen ist der Weg zu mir verschlossen
kein Steg kein Floss und keine Furt die zu mir führen
im Grunde ist es mir recht angenehm
weil keine irdisch Sorgen meine Augen trüben
da Leid und Traurigkeit im Wind der Ewigkeit verwehen
die Zukunftsängste absolutem Gleichmut weichen
so alles Stückwerk ist in Eins gegossen
kann keines Bildes Trug mich mehr verführen

Gleichwohl mein Bündel ist gepackt
ich werde in die Ferne ziehen
in neues Land zu neuem Leben
und lasse nun auch räumlich hinter mir
was ohnehin ich längst zurückgelassen
vor Jahren schon
mein Gestern ist geschnürt und eingesackt
ich gehe ohne Hast muss nicht entfliehen
nichts niederbrennen und dem Abgrund übergeben
weil nichts und niemand will mich halten hier
und weder alte Schulden mich erfassen
noch lockt mich irgend eitler Lohn

Denn was zu tun war ist getan
wer mich auch weiter sehen will
der muss mich wohl besuchen
und kann es lassen nach Belieben
denn die mir lieb und teuer ist bei mir
nebst allem was ich habe
denn auch an mir nagt der Gezeiten Zahn
ich lärmte allzu lange und nun bin ich still
es drängt mich nicht Erfüllung mehr zu suchen
mein neuer Auftrag ist zu lieben
ob Mensch ob Pflanze oder Tier
mir bleibt nur diese eine Gabe


2008
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 23 Juli 2010, 09:44:06
Das kleinste Ding

Es ist schon ein kurioses Ding
wenn ich es recht betrachte
ich sag zum Amseljungen sing
die Menschheit aber ich verachte
mit ihrer Habgier ihrem rücksichtslosen Treiben
ihrer Bequemlichkeit und ihrem feigen Schweigen
ihrer Verlogenheit und Heuchelei
mit ihrem Hochmut ihrer Spöttelei
der Mensch verdirbt bereits als Kind
er spielt sich auf als Herr der Welt
Natur und Tiere Opfer sind
die Erde stinkt von seinem Geld

Da zu den Schwachen ich gehör´
den Mittellosen ohne Macht
gar meine Seele noch verlör´
vor Schmerz mich habe totgelacht
ihr blindes Treiben nicht mehr stör´
hab meinen Frieden ich gemacht

Der Sapiens richtet sich zu Grunde
die ganze Welt gleich mit dazu
vermessen geht er vor die Hunde
die Erde stirbt nun gibt er Ruh
und alles was vor ihm gelebt
gekreucht gefleucht getaucht gewebt
reißt sterbend mit sich ins Verderben
der Narr anbetend seine Scherben
drum wend ich mich den Schwächsten zu
die wehrlos sind in seiner Hand
was dem Geringsten hier ich tu
der Mauersegler pfeift ´s ins Land

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 27 Juli 2010, 18:41:50
Nacht oh Nacht

Nacht geliebte Nacht
was hast du nur aus mir gemacht
ich kämpfte unter deinem Schild
war unbesiegbar frei und wild
in Augen das kalte weiße Licht
das hart in der Pupille bricht
ein scharfes Schwert war mein Wort
die Heuchler und Blender jagte es fort
wenn meine Gedanken wie Pfeile
die Feiglinge trieben zur Eile
ich konnte sehen konnte hören
Gedanken lesen und betören
durchschaute die Menschen wie Glas
sah ihre Liebe und ihren Hass
oh Nacht geliebte Nacht
was hast du mit mir gemacht

Nacht oh finstere Nacht
warum hast du mich verlacht
in deinem Dunkel geborgen
verleugnete ich den Morgen
die Finsternis schenkte mir Sicherheit
sie kannte nicht Freude kannte nicht Leid
der Tod war mein treuer Begleiter
die apokalyptischen Reiter
die Schrecken der letzten Posaune
erheiterten meine Laune
ich konnte die Geister betören
ihr Raunen und Flüstern hören
die Unterwelt durchwandern
von einem Ende zum andern
Nacht oh schwarze Nacht
wo hast du mich hingebracht

Oh Nacht mit deiner Pracht
ich lebte im Zentrum deiner Macht
zerstörte den Traum jeder Illusion
und sprach allen Wirklichkeiten Hohn
verdunkelte was da am Leuchten
und zerrte ins Licht die Verseuchten
im Widerspruch fand ich Vergnügen
um hinter verschlossenen Zügen
die Menschen zu schockieren
den Himmel mit Hölle zu zieren
ein Ja zum Nein zu verformen
aufzulösen die Normen
das Glück als Trug zu verlachen
und all die herrlichen Sachen
die ich mit dir gemacht
du hast mich verlassen oh Nacht

Nacht oh schreckliche Nacht
du hast mein Feuer entfacht
im Kometenschweif konnte ich tanzen
den Sternenstaub gießen zu Lanzen
Materie verschlingen
mir Energie verdingen
die Menschen manipulieren
und ihnen sonst was suggerieren
ihr Denken dorthin bringen
wo ´s mir zum Nutzen vor allen Dingen
mit ihren Gefühlen spielen
in ihren Geheimnissen wühlen
die Feinde mit Bann belegen
und finstere Pläne hegen
Nacht oh brennende Nacht
was haben wir alles zusammen vollbracht

Nacht oh süße Nacht
was haben wir doch gelacht
im Possen und Ränke schmieden
wollten wir nicht ermüden
der Spott war unser Vergnügen
die Häme will keinen belügen
der sich da wichtig nimmt
den dennoch das Dunkel verschlingt
die Stolzen vom Thron zu stürzen
den Wein mit Galle zu würzen
die Eitlen zu Fall zu bringen
die Mächtigen zu bezwingen
war doch ein herrliches Spiel
es brauchte wahrlich nicht viel
Nacht oh liebliche Nacht
was hab ich mit dir gelacht

Nacht oh tiefe Nacht
hab mein Leben mit dir verbracht
ich habe dir blind vertraut
auf deine Magie gebaut
ich war dir treu und ergeben
umnachten mein fleißiges Streben
das Chaos war mein System
wie war mir das angenehm
zum Hellseher konnte ich taugen
den Weltuntergang vor Augen
du hast gegen mich dich gewandt
als wären wir nicht verwandt
mich wie einen Fremden verraten
ausgeliefert verbraten
Nacht oh meine Nacht
du hast mich fast umgebracht

Nacht oh grimmige Nacht
du hast mich zunichte gemacht
warum kannst du nicht verstehen
ich musste den Weg zu Ende gehen
die Wahrheit endlich erkennen
die Dinge beim Namen nennen
da warst du mir plötzlich Feind
hab bittere Tränen geweint
hast mir die kalte Schulter gezeigt
und dich dem Abgrund zugeneigt
starbst einen stillen Tod
im drohenden Morgenrot
die Dämmerung ist gekommen
hat alle Macht dir genommen
Nacht oh schwindende Nacht
du hast dich fortgemacht

Nacht oh grausige Nacht
du hast mich in Not gebracht
im stechenden Tageslicht
zitierte man mich vor Gericht
der Kläger waren genug
ihr Vorwurf voll Lug und Betrug
Bezichtigung ob der Beweisesnot
verurteilte mich zum schaurigen Tod
die Kläger samt Zeugen widerlich
verhängten den Galgenbaum über mich
doch als die Nacht brach herein
das Sternenheer funkelte fein
da wurde das Urteil verkündet
das lebenslang mich in Ketten bindet
Nacht oh getreue Nacht
du hast mir die Kerkertür aufgemacht

Nacht oh geliebte Nacht
wir haben das Rennen gemacht
nun bin ich mit dir verschmolzen
in Schande zittern die Stolzen
wer gegen mich vorgegangen
den sieht man am Galgen hangen
die Selbstgerechten gerichtet
die Rufmörder alle vernichtet
die da zum Verrat gedungen
dein Odem hat sie verschlungen
weit wölbt sich dein Zelt über mich
im Herzen trage ich dich
auf immer mit dir vermählt
geläutert vom Leben gestählt
Nacht oh ewige Nacht
nun herrschen wir mit Macht

Nacht oh himmlische Nacht
Du hast mich nach Hause gebracht
in Dir bin ich nun geborgen
und fürchte keinen Morgen
der Tag ist für immer entschwunden
der Schmerz und die schwärenden Wunden
die Schrecken im gleißenden Licht
sie blenden und stören mich nicht
die Stille ist eingekehrt
kein Tosen sie je mehr stört
kein Drängen Zerren und Reißen
kein Jagen Peinigen Beißen
kein Drohen kein Geifern kein Laut
kein Retten der nackigen Haut
Nacht oh himmlische Nacht
Wir haben´s zu Ende gebracht

 



Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 01 August 2010, 14:59:09
Ach Wind

Ich sah das schwarze Pferd
die Hufe glühend rot
es rührte nicht die Erd
und schien mir wie der Tod

Ich sah die Eulen fliegen
geduckt im Sonnenschein
sah meinen Lauf erliegen
im Haben wie im Sein

Ich sah die Fledermaus
verirrt im Tageslicht
hört ihren Ruf o Graus
sie rief mich ins Gericht

Der Sommer war so flüchtig
in jenes Turmes Schatten
der Fluss er schäumte tüchtig
bewohnt von Wasserratten

Die Zeit sie wollt nicht rasten
bald fiel der erste Schnee
sie wollte weiterhasten
und fraß den Sommerklee

Bis in der Weiden Frost
führt uns der stein´ge Weg
die Tage voller Trost
wurden der Pein Beleg

Ach Wind du hast verweht
die Spuren unsrer Liebe
und doch blieb was da geht
bis in die Frühlingstriebe
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 04 August 2010, 07:50:20
Zulassen

Wer da sagt
was soll ich mit dem Leben noch
dem kann nicht geholfen werden
keiner fragt
warum ich in die Höhle kroch
und nichts mehr sehen will von dieser Erden

Ich soll vor allen Dingen
den Hintern in die Höhe bringen
jedoch ich sitze gut
gewärmt von Liebesglut
entrückt und frei von allem Ringen
hör ich des Nachts die Grillen singen
und habe Frieden ohne allen Lebensmut
weil alles Trachten zeugt nur Wut

Der Vöglein hungrig Schnäbel füllen
ist Auftrag mir genug
reicht allemal für jenen sogenannten Lebenssinn
ansonsten will ich mich in Schweigen hüllen
hab ein für allemal genug von Eitelkeit und Trug
weil ich in meinem Herzen angekommen bin

Zu neuen Ufern aufzubrechen
erneut in Eiterbeulen Wespennester stechen
um Schiffsbruch zu erleiden und zu stranden
zur Hinrichtung gezerrt in festen Banden
weil Blinde ihre Sünden an mir rächen
bis in die frühen Morgenstunden zechen
zuletzt den Sündenbock in meiner Schwäche fanden
das mögen andre auf sich nehmen hierzulanden

Sterben ist nicht Schande und nicht Schmach
Überleben aber kann verwerflich sein
Verrat ist nur im Daseinskampf verborgen
alles Tun schafft nichts als Ungemach
befleckt ist jeder Sieg die Niederlage aber rein
der Untergang das einzig wahre Morgen


2008
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 09 August 2010, 15:50:32
Am größten aber ist die Liebe

Ist es denn möglich dass mir Glück gegeben
das finde ich in Deinen Armen wie niemals nie zuvor
Dich lieben und von Dir geliebt zu sein
ist völlige Erfüllung mir im Leben
zu Dir allein hat mich geführt mein ganzes Streben
und blind war meiner Seele Auge
nichts weiter war ich als ein Tor

Ist es denn wahr dass ich bei Dir gefunden
all meiner Sehnsucht Suche angekommen
denn seit Du bei mir bist und immer in mir wohnst
sind glücklich jeden Tages Stunden
und jeder Kuss heilt eine meiner vielen Wunden
Mensch bin ich ganz und Mann
seit Dich ich hab zur Frau genommen

Mein Herz kann fühlen wie es nie gefühlt
die Mitte meines Lebens bist Du mir
und alles was ich hab und jemals haben werde
mit Dir umarme ich die Erde
all meine Liebe die ich jemals in mir trug
schenk ich aus vollen Armen Dir nur Dir
und bist Du fort und fern bin traurig ich und aufgewühlt

Nie hab ich einen Menschen so wie Dich geliebt
nie vorher mich aus freiem Willen hingegeben
und nie zuvor im Einklang mich befunden
als einer der da glücklich nimmt und gibt
als einer der da ohne Zweifel liebt
ein Mann der nichts mehr andres will und kann
als Dich zu lieben durch sein ganzes Leben
als einem der Dich durch und durch aus vollem Herzen liebt
bist Du für jetzt und immer mir gegeben
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 13 August 2010, 09:03:09
Sie werden eins sein

Mein Weg hat mich zu Dir geführt
ich kannte Dich seit meiner Geburt
und wohl schon im Mutterleib
das hab ich in meinem Herzen gespürt
als ich über imaginäre Furt
Dich fand im Zeitvertreib

Das Leben zuvor war Suchen nur
nach Dir in jedem Gesicht
das meine Augen erspäht
ich lebte die Launen der Natur
doch Glück und Frieden fand ich nicht
hab Unkraut und Korn gemäht

Ich war allein eine Hälfte bloß
und unvollkommen mein Ich
der Stromkreis nicht geschlossen
der Schmerz der Einsamkeit war groß
bis endlich fand ich Dich
wir sind ineinander geflossen

Nun schlägt mein Herz in Deinem
und Deines pocht in mir
ich kann mit Dir denken und fühlen
jetzt bin ich mit mir im Reinen
mit Haut und Haaren gehör ich Dir
kein Meer kann mich von Dir spülen

Mit Dir bin ich ganz geworden
ein Leib eine Seele ein Sinn
für immer und alle Zeit
und niemand kann meine Liebe ermorden
weil ich mit Dir verschmolzen bin
von nun an in Ewigkeit

Ein Wunder ist uns geschehen
an das wir nicht mehr geglaubt
um das wir nicht mehr gebeten
nun können wir staunend sehen
was uns die Verzweiflung geraubt
und dankbar zum Himmel beten

Wir sind füreinander bestimmt
und wurden zusammengeführt
als wir uns aufgegeben
selbst wenn der Tod Dich mir nimmt
mich über Nacht entführt
für immer bleibst Du mein Leben
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 01 September 2010, 09:22:08
Katastrophenalarm

Nun schneit es in den Bergen
ein Wetter das selbst Zwergen
und Trollen Angst und Sorge macht
der düstre Tag erscheint wie Nacht
noch nicht einmal das Herbstgold lacht
der Kobold schläft verkrochen
Mutter Natur
was haben wir an dir verbrochen

Das Lied der Taiga ist verbrannt
der Strom bedeckt das weite Land
die Stürme sind entfesselt
und Kontinente eingekesselt
der Nordpol schmilzt und nässelt
der Strand vergällt mit Quallen
im Regenwald
die letzten Riesen fallen

Autobomben krachen
Selbstmörder böse Dinge machen
Kriege hier und dort
Gewalt und Tod an jedem Ort
Verrat und Meuchelmord
der Orient versinkt im Wahn
oh Friedensfürst
was haben wir dir angetan

Sind das die letzten Tage
ist abgestürzt die Seelenwaage
gibt es kein Entrinnen
sind wir denn ganz von Sinnen
die letzten Körner rinnen
die Zeit ist abgelaufen
hört auf damit
wir müssen uns zusammenraufen
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Wolkenbruch am 08 September 2010, 06:00:51
"der selbstkrieg" hat mir zur rechten zeit die richtige gänsehaut verschafft. groß. danke.
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 09 September 2010, 11:09:50
Hallo Wolkenbruch,

Du bist jetzt schon die zweite positive Rückmeldung zum "Selbstkrieg".
Und ich hatte noch Bedenken, er würde aufgrund seiner Blutrünstigkeit rausgenommen werden, so kann man sich täuschen.

Danke jedenfalls für Deine Worte!

Tja, manchmal presst man so Sachen in Zeilen, die aus der brodelnden Tiefe des Unterbewussten steigen, und es kommt sogar was Brauchbares raus dabei.

Lieben Gruß
Sintram
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 11 September 2010, 10:25:35
Auch schon wieder gute drei Jahre alt. Und plötzlich aktuell.

Kreuzzugprediger

Ihr nennt sie eine kleine Minderheit
wiegt euch in selbstgefällig´ Sicherheit
wie viel Sekundenschläge hat die Zeit
wie viele heiße Tränen kennt das Leid
wenn Allahs selbsternannte Krieger kommen
und kreuzigen die Sünder wie die Frommen
ist alle Luft zum Atmen euch genommen
denn gottlos seid ihr ihnen und verkommen
Ungläubige genannt verdient ihr keine Gnade

Ihr nennt mich sonderlich
verrückt so heißt ihr mich
ich hätte einen Stich
und übertriebe fürchterlich
der wahre Feind sei jene Supermacht
sie hätte all dies Übel in die Welt gebracht
ich hör schon wie der alte Mullah lacht
wenn ihr seid tot und umgebracht
ein fetter Fraß der Made

Sie leugnen Gottes eingebornen Sohn
und beten an des Allerhöchsten Thron
auf schwarzem Fels dem Kreuz zum Hohn
Jungfrauen willig bieten sie als Paradieses Lohn
folgen dem Kriegsherrn Mohammed
und morden wie ihr seltsamer Prophet
heiliger Krieg ist ihnen nicht zu blöd
ein Gottesstaat wird über jedes Weltenreich erhöht
wird fest gebaut auf Blut

Der Freiheit edle Fahne
verbrennen sie im Wahne
ihr aber rügt mich weil ich mahne
vor Satans letztem großen Plane
sie wollen nicht mit Andersgläub´gen reden
sie ächten und verfluchen einen Jeden
ob er nun liest die Tora Evangelien Veden
die Vielfalt wollen sie zu einem Gottesbild veröden
verachten jedes fremde Gut

Wollt ihr vor ihrem Gott zu Staube kriechen
den Schweißfuss eures Vordermannes riechen
und sehn wie Freiheit und Kultur zu Grabe siechen
wie jedes große Kunstwerk ist mit grauem Kalk bestrichen
ja dass statt Glocken raue Männerstimmen von den Türmen klingen
dass wirre Muster sich durch eure Kirchen schlingen
da alles Bildnis Sünde sei vor allen Dingen
sowie das Jauchzen Tanzen und das Singen
dann schweigt wie ihrs bisher getan

Doch wollt ihr weiter Wallfahrtssegen über euren Fluren
das wohlvertraute Ticken eurer goldnen Uhren
dann glaubt dem Wort und nicht den Suren
und habt Erbarmen mit den Zöllnern und den Huren
will weiterhin der Frauen Lächeln euch beglücken
ihr schönes Haar die Sinne euch verzücken
anstatt dass Schleier seine Pracht erdrücken
und knöchellange Kutten ihre Schultern bücken
dann hebt die Stimme an mit aller Macht

Mag sein dass Jene die bei uns geboren
sich Meinungsfreiheit für ihr Leben auserkoren
und nicht verschlossen vor des Andern Denken ihre Ohren
wenn jene blinden Eifrer kommen sind als Ketzer sie verloren
die Frommen die da ihre Lämmer schächten
die ihre Frauen samt den Töchtern knechten
sich voller Hochmut nennen die Gerechten
nicht einmal noch im Leben fröhlich zechten
ihr schweres Joch auf eure Rücken wuchten

Wenn sie die alten Symphonien Teufelswerke heißen
die Heilgen samt Monstranzen aus den Kirchen reißen
das freie Wort der Litratur ins Feuer schmeißen
dem Grundgesetz in seine blanke Kehle beißen
wenn Kinos sie und Theater niederbrennen
der Lieder bunten Reigen Unrat nennen
mit Homosexuellen keine Gnade kennen
wenn Juden Christen Heiden um ihr Leben rennen
da alle sind verworfen die nach andrer Wahrheit suchten

So zückt das Schwert des Glaubens was auch dieser sei
die Rede der Gedankenflüge bleibe frei
und was ein Jeder glaube das sei einerlei
für Freiheit Gleichheit Liebe diese drei
drum hört genau was ich da sage
was schroff ich zu behaupten wage
es liegt mir fern dass andre ich verklage
so werft mein Wort in wohlgeeichte Waage
mein Geist ist nicht verwirrt

Wie frag ich soll erkennen Sinn in Menschennot
wer eisern leugnet da den Kreuzestod
des Menschensohns der mit uns bricht des Daseins täglich Brot
und der verachtet Pulverdampf und Schrot
wer mit Gewalt den Nächsten will bekehren
der muss wohl einen falschen Gott verehren
wer alle will nach seines Kammes Bürste scheren
ist wohl nur schwerlich eines Bessren zu belehren
weil er im Ansatz irrt

Der Kreuzesritter wildentschlossne Heere
befleckten einst mit Blut der Christen Ehre
Konquistadoren kreuzten Weltenmeere
und warfen Völker in den Kerker ihrer Lehre
doch dies geschah vor längst vergangner Zeit
und wer gefangen hat sich bald befreit
er fand nun Seelentrost im tiefsten Leid
und was ihm eng erschien wird heut ihm weit
da selbst zum Heil er hat gefunden

Als Hexen brannten Ketzer starben
das Unkraut fraß der Ähren Garben
als Siedlerhorden Land erwarben
und die Indianer ließen darben
das Kreuz zum Schwert ward umgedreht
die Botschaft mit Gewalt gesät
der Lilie Unschuld umgemäht
des Meisters Wort mit Hohn geschmäht
schlug Christenglaube tiefe Wunden

Doch dieses ist Vergangenheit
tobt auch ein Krieg für lange Zeit
da Luther hat das Wort befreit
dem Volk geschenkt die Ewigkeit
so sehnt nach Frieden doch fürwahr
sich heut das Heer der Christenschar
des Berges Predigt wunderbar
erstrahlt in neuem Lichte klar
kein Weltenherrscher kann s verdunkeln

So auch nicht jene Krieger mit dem Sichelmond
sie lästern den der über Friedensreichen thront
ihr feiges Morden wird mit Höllenqual belohnt
weil dieser nicht in selbstgerechtem Hass sich sonnt
ihr alle die ihr glaubt an einen Gott
er freut sich nicht an eines Glaubenslosen Tod
selbst Sodom hätte er verschont für Lot
da Liebe ist sein einziges Gebot
und da er heilen will der Menschheit eitrige Furunkeln

Niemals wird Gott den stolzen Krieger segnen
und Unheil wird auf alle die hernieder regnen
die Fluch und Bann auf ihres Nächsten Scheitel legen
und Zorn und Groll im Abgrund ihrer Herzen hegen
denn wer zum Schwert greift wird durch dieses fallen
er tafelt nicht in unsrer Ahnen Heldenhallen
wird nicht berauscht von süßer Götterspeise Lallen
ein andrer packt sein schwarzes Herz mit scharfen Krallen
weil Blut an seinen Händen klebt

Wenn da auch manchen wilden Streites Wagen
an Kirchendecken Hunnen oder Türken schlagen
all jenen die Madonnen durch das Schlachtfeld tragen
sie hört und sieht der Feinde Weh und Klagen
und jeder Tropfen Blutes der geflossen
ist tief in ihre reine Seele eingegossen
die weinend kauert zwischen Stacheldraht und Trossen
sie kümmert jedes Menschen Leib der da zerschossen
weil ihre Sanftmut stets nach Frieden strebt

Doch will der Islam nun die Säbel schwingen
mit Mord und Tod in unsre Länder dringen
soll ich nur stumm mit meinen Händen ringen
und über bösem Unrecht fromme Lieder singen
soll schweigend ich den Untergang betrachten
von Allem was als heilig wir erachten
mit Schmerz und Kummer meinen Sinn umnachten
preisgeben Alles was ans Licht wir brachten
und meine linke Wange reichen

Soll ich mich meiner Haut erwehren
und meinen Gott im Kampfe ehren
dem Gegner das Gesicht zukehren
und ihn das Kreuz zu fürchten lehren
soll meine Hände ich erheben
zu schützen meiner Lieben Leben
dem Eindringling Paroli geben
verbrennen die verdorrten Reben
so würd ich seinem Wahne gleichen

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 11 September 2010, 10:30:01
Kreuzzugprediger Teil II

So mag der Halbmond uns bezwingen
von Minaretten lauthals singen
der Imam über allen Dingen
die Freiheit in die Knechtschaft zwingen
ihr mögt euch weiterhin besaufen
im Bierzelt euch die Haare raufen
und Möbel Kleider Autos kaufen
zur Weihnacht in die Kirche laufen
sagt nicht ich hab euch nicht gewarnt

Habt ihr schon den Koran gelesen
kennt ihr des größten Teiles Wesen
an welchem sollt die Welt genesen
ihr klammert euch an eure Tresen
habt Jene ernst ihr je genommen
die da in unser Land gekommen
die Gottesfürchtgen und die Frommen
seid wirklich ihr zum Nichts verkommen
ist euer Glaube gut getarnt

Die Stirne müsst ihr ihnen bieten
gesalbte Häupter keine Nieten
die ihren Glauben wach behüten
als Kinder einst im Herzen glühten
die einem Heiland anvertraut
die da auf festen Fels gebaut
ihr Vater Unser beten laut
jedoch ihr dienet andern Herren

Was sollten Jene Zweifel plagen
ihr Weltbild her zu uns zu tragen
die da ihr Leben für den rechten Glauben wagen
und im Gewissen ständig nach der Wahrheit fragen
wie sollen jene unsre Werte achten
wenn unsre Kinder längst mit Hohn bedachten
die weisen Lehren die den Alten Hoffnung brachten
eh denn des Wohlstands fette Korken krachten
da selbstgemachte Götter wir verehren


Wie gesagt, über drei Jahre her, und wo ich selbst stehe, sei dahingestellt.
Entstand aus einer "was wäre wenn" Stimmung heraus.
Zum Glück bin ich keine Person des öffentlichen Lebens.
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 11 September 2010, 11:07:15
Noch ein Verslein zum Thema, etwa vier jahre alt.
Heute ist schließlich Nine Eleven, da passt das in etwa.
Irgendwo da treib ich mich gesinnungsmäßig rum...

Den Gottesstreitern

Und mögt ihr noch so oft in Gottes Namen streiten
"Du sollst nicht töten" wird euch in das Grab geleiten
und des erschlagnen Bruders Blut
verdammt euch in die ewge Glut

Die Christen töten ohne Scheu - das ist nicht neu-
sie trennen Weizen von der Spreu
den Halbmond sie mit Schwert bezwungen
bis heut wird dieser Sieg besungen
ob Neger oder Indianer
ob Manichäer Lutheraner
wer nicht wie sie lehrt reinen Glauben
gehört nicht zu den guten Trauben
ob Hexen Heiler oder Ketzer
ob Heilge Weise oder Schwätzer
wer vor dem Kreuz sein Knie nicht beugt
der ist vom Teufel selbst gezeugt
er wird vom Rebstock abgerissen
und in den Feuerpfuhl geschmissen
die Christen wandeln nicht im Licht
sie kennen ihren Meister nicht
und speien ihm ins Angesicht

Die Jünger Mohammeds mit ihren krummen Klingen
sich gar dem Satan selbst verdingen
von heilgem Krieg sie sprechen
begehen skrupellos Verbrechen
und träumen noch vom Paradies
wenn guter Geist sie längst verließ
der Jungfraun Schar´n die ihrer harren
Dämonen sind ´s die ihresgleichen waren
die Märtyrer des gottbefohlnen Mords
sind Mörder heilgen unbefleckten Worts
der Lüge Trug sie Wahrheit nennen
und blindlings ins Verderben rennen
es liegt in göttlicher Natur
den Mord befiehlt der Teufel nur
die Moslems wandeln nicht im Licht
sie kennen den Propheten nicht
und schlagen ihm ins Angesicht

Und Gottes auserwählten Volkes Leute
verbünden sich mit selbstgerechter Christenmeute
die Söhne Ismaels zu unterdrücken
sich selbst dabei ins beste Licht zu rücken
ich bin nur Deutscher und kann sagen
dass unser Stamm mit Schwermut ist geschlagen
mit Fluch belegt bis in das dritte Glied
der wieder Fluch und Unheil nach sich zieht
und ist auch Israel aus dieser Schuld geboren
hat dennoch seine Unschuld es verloren
denn des Verfolgtseins helles Licht
erleuchtet das Verfolgen nicht
mein ist die Rache spricht der Herr
wer selber rächt bestraft sich schwer
die Juden wandeln nicht im Licht
sie kennen ihre Väter nicht
und steinigen ihr Angesicht

Und mögt ihr noch so oft in Gottes Namen streiten
der blinde Eifer wird euch in die Irre leiten
und der geschändet´ Schwerter Blut
beschert euch ewge Höllenglut


So viel zum Thema Weltreligionen und Glaubenskriege.





Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 15 September 2010, 08:54:24
Schau nicht zurück

Bilder der Vergangenheit
gestern erst geschossen
sind im Strom der Ewigkeit
längst ins Meer geflossen
sieben feste Brücken
queren seine Ufer
auf Pfeilern ohne Lücken
und dazwischen wachen Rufer

Spuren sind verwischt
andere geblieben
Erinnerung erlischt
einiges ist fortgetrieben
ich lungere in meinem Kahn
lass mein Treiben leiern
mein Schlingern ohne feste Bahn
mein Strudeln unter Geiern

Weit getragen von der Flut
der ich mich überlassen
vor Kälte starr verbrannt von Glut
kann ruhig ich zusammenfassen
keine Spur in meinem Kiel
die ich verwischen muss
vor mir weitet sich das Ziel
das Meer der Zeit aus einem Guss

Im Labyrinth des Deltadschungels
im wilden Reich der freien Tiere
führ ich das Ruder fern des Rummels
dort wo ich die Vollendung spüre
der Salzgeruch des Meeres
streicht sanft mir um die Nase
im Licht des Sternenheeres
entleer ich meine Blase

Und in der Ferne schwinden
die Menschen auf den Brücken
die Strand mit Strand verbinden
ich sehe sie entrücken
ein letzter Gruß ein letztes Winken
mein alter Kahn zerfurcht die Wellen
sein fester Grund ließ mich nicht sinken
in dunklen Tagen und in hellen

Der Wind in Deinen Haaren
er streichelt Dein Gesicht
in diesen schweren Jahren
bist Du mein Augenlicht
bald ist das Meer erreicht
die Mündung schon zu spüren
die Ruder gleiten still und leicht
sind mühelos zu führen

Was jenen galt als Wiedersehen
schien mir wie Abschied nur
sie mögen ihrer Wege gehen
gemäß Begabung und Natur
mich zieht es in die große Weite
in stetem Sog voll Urgewalt
selbst wenn ich ohne Steuer gleite
treibt still mein Kahn und ohne Halt

Die Nachtigall ein Schlaflied singt
wenn eng an Dich geschmiegt
im Mondlicht das auf Wassern schwingt
der kleine Tod die Angst besiegt
das zarte Licht am Morgen
wird ohne Furcht mich finden
verscheucht die Last der Sorgen
löst Fesseln mir und Binden

Noch einmal kam das Gestern
verstohlen in mein Jetzt
zu rühmen und zu lästern
in sich verwoben und vernetzt
mich kann es nicht mehr fassen
hab mich davon befreit
es ohne Groll zurückgelassen
mit allem Glück und allem Leid


2008
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 24 September 2010, 09:17:25
Auftrag

Was ist es geboren zu sein
zerbrechlich verletzlich und klein
hinein in die große Welt
die ihre Versprechen nicht hält
was ist es geboren zu sein

Es heißt wir sollen begreifen
wachsen lernen und reifen
die Wahrheit ist dass wir schrumpfen
verderben verblöden versumpfen
es heißt wir sollen begreifen

Wir sollen auf Auen weiden
und wandern durch blühende Heiden
jedoch wir streifen durch Wüsten
zerschellen an felsigen Küsten
wir sollen auf Auen weiden

Wir sollen die Liebe erfahren
verschenken mit wachsenden Jahren
jedoch wir werden verraten
verletzen auf vielerlei Arten
wir sollen die Liebe erfahren

Wir sollen die Kinder lehren
zum Besseren bekehren
jedoch wir lassen sie hängen
empfehlen sie fremden Fängen
wir sollen die Kinder lehren

Wir sollen die Alten versorgen
schon eingedenk unserer Morgen
jedoch wir lassen sie sterben
damit wir rechtzeitig erben
wir sollen die Alten versorgen

Wir sollen die Kranken pflegen
uns und ihnen zum Segen
wir schieben sie von uns fort
verlassen den schaurigen Ort
wir sollen die Kranken pflegen

Es heißt wenn endlich wir sterben
sollen den Himmel wir erben
doch ach unsre roten Zahlen
bereiten uns Höllenqualen
wenn endlich verlassen wir sterben

Was ist es geboren zu sein
in diese Welt hinein
geschaffen um Neues zu schaffen
erfinden wir schrecklichste Waffen
was ist es geboren zu sein


08
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 29 September 2010, 19:43:30
Sterbend

Ich hab euch nichts mehr zu sagen
ihr habt schon alles gehört
die Antwort auf meine Fragen
hat eure Gesichter verstört
die Fragen auf meine Antwort
geb ich euch mit auf den Weg
ich gehe an einsamen Ort
und dorthin führt kein Steg

Ihr werdet mich nicht mehr sehen
ich sah euch lange genug
ihr wolltet mich nicht verstehen
und glaubtet dem eigenen Trug
ihr wollt das Leben meistern
mit bloßer Willenskraft
und eure Scherben kleistern
bald seid ihr hinweggerafft

Die Sprossen eurer Leitern
sie führen steil bergab
ihr wollt das Blickfeld erweitern
und landet dennoch im Grab
ihr habt euer Sterben verdrängt
den Tod weit von euch verbannt
steril in Korsette gezwängt
und werdet doch überrannt

Ich hab euch nichts mehr zu geben
ihr habt mir schon alles genommen
ich hoffe auf besseres Leben
hab jene Treppe erklommen
ich lass euch allein zurück
ihr könnt mich nicht mehr erweichen
schmiedet nur euer Glück
ihr werdet es nicht erreichen

In diesen letzten Stunden
hab ich euch losgelassen
hab mich genug geschunden
ihr mögt mich ruhig hassen
ich gehe euch voraus
es sei denn ihr wollt mir nicht folgen
hinein hinüber hinaus
mögt Blinden ihr blindlings folgen


09




...
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 30 September 2010, 11:09:22
Nebel

Feucht steht er über Gräbern
von Menschen und Getier
nasse Erde deckt den Moder
versteckt des Todes Angesicht
vor ängstlichen Kindern

Hast Du das Licht gesehen
es flackert noch in flüssig Wachs
lautlos erlischt es unbemerkt
wie unser aller Leben
bei Gott- ich will vergessen sein

Nie sei ich hier gewesen
kein Tritt bezeugt den Weg
den ich gegangen keine Spur
mein Name vom Regen zerfressen
und niemand habe mich gekannt


Allerseelen 2008
  

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 08 Oktober 2010, 10:44:28
Trigger!!!


Freitodfantasien

Ach könnt ich mich doch erheben
stolz wie ein Adler kühn wie ein Pferd
und künden dies ist kein Leben
nichts was des Lebens wert

Ach könnt ich doch vor mir bestehen
mit mächtigem Todesmut
und über die Schwelle gehen
im Herzen der Freiheit Glut

Ach wär ich doch nur ein Held
der für seine Sache streitet
der pfeift und flucht auf die Welt
sich selbst ins Jenseits begleitet

Mit letzter großer Tat
und letzter Konsequenz
Ankläger des Menschen Verrat
in purer Existenz
in göttlicher Essenz

Das letzte wahre Werk
mein letzter Aufschrei der Kunst
sieh her o Mensch und merk
du lebst in blindem Dunst

Mit aller gesammelten Kraft
das endgültig klare Nein
und endlich wär sie geschafft
die Absage an dieses Sein

Mit allergrößter Würde
und klar wie schon lange nicht mehr
zu nehmen die letzte Hürde
wo nehm ich die Kraft nur her

Ach könnte ich über die Pforte gehn
seht her was ihr mir getan
nie habt ihr den Glanz des Lichtes gesehn
ihr stolpert in törichtem Wahn


Juli 2005
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 13 Oktober 2010, 18:21:41
Melancholie

Angekommen sein
dort wo der Wind von den Gipfeln der Berge
eine staubdünne Kalkschicht abgetragen hat
im Zeitraum meines verschwindenden Lebens
wo die Jahresringe der alten Bäume
sich lange vor mir wanden
und lange nach mir weiterwinden werden
wo grade mal ein Fingerhut voll Wassers
verdampft in den Nebelschwaden
über dem wandernden Fluss
niederregnen wird
um an der Quelle neu zu sprudeln
wenn ich zurückkehre zur Erde
aus der ich in Jahrmillionen geformt

Was werdet ihr sehen
die ihr jetzt in Windeln kräht
was mein Auge nimmer schauen kann
welche Welten werden sich euch öffnen
die mir verborgen bleiben
was für Wunder was für Schrecken
werdet ihr schmecken
die noch nicht einmal mein Geist ersinnen kann
wie viel Morgen wartet auf euch
das mich längst im Gestern des Vergessens
hat versinken lassen

Werden eure Träume den meinen ähnlich sein
wird eure Sehnsucht der meinen gleichen
werdet ihr meine Fehler wiederholen
oder aus ihnen gelernt haben
werdet ihr aufbrechen zu neuen Ufern
von deren Existenz ich nichts weiß
oder an den alten stranden
über meinem Gebein

Ach könnt ich nur einen Spalt weit lugen
durch die hellen Fenster eurer Zeit
die sich mir verdunkeln
durch die Läden des Todes
nur einen leisen Schimmer des Lichtes spüren
das auf euch fallen wird
wenn ich lange schon schlafe in Dunkelheit
ein Säuseln des Klanges vernehmen
der eure Welt erfüllen wird
wenn mein Lied schon lange verklungen ist
seine Melodie niemand mehr kennt
ach könnt ich nur


13.10.2010




Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 23 Oktober 2010, 08:32:10
Sintrams Blues

Die Menschen fürchten sich
vor dem was sie in sich erkennen
im Schrecken meiner Züge
mit Schaudern spüren sie den Abgrund klaffen
ein kalter Hauch vielleicht ein Frösteln nur
indes was kümmert ´s mich
ich könnte ihnen Namen nennen
vom Vater aller Lüge
vernarbt ist mein Gemüt von seinen Waffen
weiß um das Übel seiner Unnatur

Ein Drachentöter ist versengt
im Blut gewaschen und verkrustet
sein Leben lang trägt er die Spuren seiner Kämpfe
sie werden damit leben müssen
dass ich in ihrer Mitte weile
im Tiefsten bin mit Frieden ich beschenkt
man sieht nur einen finstern Kerl der hustet
weil ihn gekratzt im Hals die teerverklebten Dämpfe
bald werd ich innig meine Liebe küssen
ist nur noch eine kleine Weile

Zu dumm nur dass die Redlichen nicht sehen wollen
was da an Lebenslügen und Verrat ihr eignes Dasein lenkt
sie wollen immer nur verstanden sein
obwohl sie selbst sich nicht verstehen
und üben statt Barmherzigkeit den richtenden Gedanken
zu Götzen sind erhöht Verlangen und das Wollen
da sie den wachen Geist im tiefen Meeresgrund versenkt
und sich begnügen mit gepanschtem Wein
ja Augen haben sie um nicht zu sehen
verschanzt in ihrer saubren Welt der selbstgezognen Schranken

Zum stummen Gruß mit nackter Hand
braucht Überwindung manches Grauhaar neben mir
jedoch der Unhold hat zum Menschen sich gewandelt
der eben noch von kohlenschwarzer Nacht umwölkt
sich schob in seine heile Welt
aus einem fernen sonnenlosen Land
in dessen Augen flackerte ein mörderisches Tier
der Teufel wohl um den sich’s hierbei handelt
die schwarze Ziege die am Blocksberg er gemelkt

Ach guter Mann was hat es zu bedeuten
der Hölle Pforten zu durchschreiten
um dort den Fürst der Finsternis zu schauen
sein Spiegelbild in die Pupille eingebrannt
wenn doch das Herz er nicht besetzen kann
weil dieses eingenommen ist von guten Leuten
da lichte Engel meine Wanderschaft begleiten
auch wenn erzittern sie vor Furcht und Grauen
denn dieser gräulich Ort ist ihnen unbekannt
den der Gefeite nur ertragen kann

Sag deinen Enkeln dies hier ist kein Spiel
die Strasse ins Verderben breit wie eine Autobahn
ich hab so viele Seelen dort gefunden
die freien Willens sich vom Guten abgetrennt
kennst du die Augen jener Seherkinder
die voll Entsetzen sahen einst der bösen Menschen Ziel
die eisern folgten ihrem Allmachtswahn
ihre Gesichter zart erschienen mir wie offne Wunden
in denen lichterloh das nackte Grauen brennt
drum gib gut acht auf deine Enkelkinder


08
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 01 November 2010, 17:55:10
November

Der Herbst kam ins Land gezogen
mit mächtig wehendem Schritt
die Sonne hat wärmend betrogen
der Sturm nahm den Sommer mit
ist zornig durch die Bäume gerauscht
und hat die Blätter zu Wällen gebauscht
die Hühner scharren im Laub
die Straßen bedeckt mit modrigem Staub
das Grablicht ist ausgeblasen
rasch welken die letzten Blumen
verblasst ist das Grün im Rasen
schwarz bröseln die feuchten Krumen

Schon flattern die Vögel ums Häuschen
der Igel ist müde und fett
im Winterpelz mümmelt das Mäuschen
das Eichhörnchen richtet sein Bett
die Katze ist träge und faul
fest in der Wolle der Gaul
der Falter hat sich verkrochen
die letzte Wespe gestochen
der letzte Apfel gefallen
Nebel verhüllt den Wald
der Marder leckt seine Krallen
müde der Eulenruf hallt

Die Sonne schleicht über den Himmel
der Mond leuchtet kalt und klar
wild jagen Wolkenschimmel
zersaust weht ihr Mähnenhaar
spät dämmert der Morgen früh kommt die Nacht
die flüchtigen Wochen schwinden mit Macht
in Stuben brennen Kerzen
zu wärmen die fröstelnden Herzen
frisch der Grabschmuck geflochten
der Toten Weg zu begleiten
andernorts wird gefochten
wann nimmt ein Ende das Streiten


08
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 14 November 2010, 06:27:47
Diogenes

Wie kann dem Menschen es gelingen
das Unbewusste mit Bewusstsein zu durchdringen
um so das Dunkel hinter seiner Helle zu bezwingen
mit der Gedankenschwerter scharfen Klingen
erlischt doch jeden Geistes Funke in der Nacht
dem Edelmut höhnt feige Niedertracht
die Wahrheit wird zum Galgenbaum gebracht
der Selbstsucht Lüge strahlt in falscher Pracht

Allmächtig herrscht in uns der Lebenstrieb
tobt Tag und Nacht ein kalter heißer Krieg
der Liebe Diamanten tropfen durch das Sieb
Vernunft schimpft sich der Schmutz der überblieb
wer wagt das Dunkel zu betreten
ohne aus Steinen Brot zu kneten
ohne der Unschuld reines Licht zu töten
ohne das klare Meer mit Blut zu röten

Der Psychologen großes Heer
der Nervenärzte Garde noch viel mehr
sie stehen stramm bei Fuß Gewehr
und reden volle Kammern leer
sie sagen wer sein Dunkel kennt
die Finsternis beim Namen nennt
ist wie ein Licht das selber brennt
wenn’s auch das Morgenrot verpennt

Die Lehren sich vom Selbst zu lösen
ins reinste Licht hineinzudösen
geschüttelt von des Schicksals Stößen
sich Mut und Hoffnung einzuflößen
bedecken und verschleiern nur
des Menschen wahre Unnatur
denn der Gebote blut´ge Spur
zum Eigennutz verfolgt er stur

Die höchste Stufe im Erkennen
ist dass wir niemals löschen können
die Gluten die da in uns brennen
so oft wir auch durchs Feuer rennen
denn auch die Spur der Fantasie
erreicht der Seelen Abgrund nie
sie geht bezwungen in die Knie
und steht erstarrt sich vis-a-vis

Das Wollen ist es das uns treibt
und wer sich kühn der Willenlosigkeit verschreibt
im Willen des Nichtwollens doch gefangen bleibt
als noch so großer freier Geist dem Tode einverleibt
was übrig bleibt ist aufzugeben
den Tod genauso wie das Leben
das Walten Schalten Sinnen Streben
um sich ins Nichts emporzuheben

Wer sieht muss sterben dass ist wahr
nur offne Augen sehen klar
was ist und kommen wird und war
und blind bleibt wer den Tod nicht sah
wem´s widerfährt wird denen nicht mehr gleichen
die hurtig gehen über Leichen
um ihre eitlen Ziele zu erreichen
und erst im Tod die aufgeblähten Segel streichen

Nur wer das Leben abgestriffen
hat seinen Widersinn begriffen
sein heißes Eisen wird geschliffen
er muss durch schroffe Klippen schiffen
weil er im bildenden Gestalten
nicht wie die Jungen und die Alten
ob rosig oder voller Falten
sein Dasein will sich nackt erhalten

Wenn endlich seine Flamme loht
so fühlt sich jedermann bedroht
ist der nun Schöngeist oder in des Lebens Kampf verroht
gleich ob er feuert oder wandert in den Schlot
und weil die Masse glaubt sie sei im Recht
von alters her seit Urgeschlecht
im Mutterschoß und im Gemächt
drum bleiben ihre Früchte schlecht

Die Kerngesunden wie die Kranken
die Wohlbeleibten wie die Schlanken
errichten und vernichten Schranken
umklammern diesen Erdenbaum mit ihren Ranken
sie schrein wir müssen überleben
und müssen Leben weitergeben
so sei es und so ist das eben
wir sind der Weinstock und die Reben

Und weh dem der sie daran hindern will
er sei befeindet bis zum Overkill
es töte wer da nicht getötet werden will
denn Selbsterhaltung ist das hehre noble Ziel
der Tod gilt nur dem Gegenüber
in ihrer Torheit stehn sie drüber
wir sterben nie wir bleiben über
verschaff uns keine Klarheit nein zerstreu uns lieber

Ich sitz zufrieden in der Sonne
und schlafe süß in meiner Tonne
lieb innig meines Herzens Wonne
weil ich in ihrem Herzen throne
ich seh die Menschen um mich her
sie kümmern mich nicht allzu sehr
mach ihretwegen mir das Herz nicht schwer
und stelle keine dummen Fragen mehr

Ich seh sie leben seh sie sterben
ich seh sie wachsen und verderben
ich seh sie sparen seh sie erben
ich seh sie locken seh sie werben
ich schnitz gelassen meines Stockes Kerben
und wundre mich wie sie ihr Brot erwerben
mit Feuereifer kitten ihrer Leben Scherben
letztendlich schließlich einsam und verlassen sterben

Würden sie kommen und mich fragen
so könnt ich ihnen manches sagen
ich kenne ihres Lebens Klagen
weiß um ihr Hoffen und Verzagen
ich weiß um ihres Glückes Ringen
vergessne Lieder leise in mir klingen
die da von Ruhm und Reichtum singen
wollten dem Teufel mich verdingen

Jedoch sie kommen nicht
die Finsternis scheut Licht
die Schandtat Strafgericht
die Maske das Gesicht
und ich geh nicht zu ihnen
weil sie mein Wissen nicht verdienen
ich trete nicht in ihrer Felder Minen
bin nicht gekommen um zu dienen

Bin nicht gekommen um zu schlichten
kein Ausguck Land für sie zu sichten
mein Lebenszweck ist ihr Gericht zu richten
ich kann auf ihren Spott getrost verzichten
mein Auftrag ist es Lügen zu vernichten
die dichten Reihen ihrer Schar zu lichten
um durch mein Schweigen zu berichten
dass Unrecht sie auf Untat schichten

Nicht dass den Luxus ich mir leiste
zu einem Urteil mich erdreiste
da lang vor mir die Sonne kreiste
und gab es schon das Allermeiste
doch wer den Mitmenschen belügt
sich um die Wahrheit selbst betrügt
die dennoch bleibt und das genügt
dass eins sich in das andre fügt

Das ist es was zu sagen ist
glückselig wer den Rest vergisst
denn wer mit falschen Maßen misst
der wird gemessen bis sein Licht erlischt
nicht dass ich Hand an meinen Nächsten lege
ja nicht einmal dass ich sie gegen ihn erhebe
nutzlosen Groll in meines Herzens Wunden hege
noch dass ich irgendwen mit einem Fluch belege

Mein bloßes Dasein löscht das ihre aus
wenn sie da sinnen mir zu machen den Garaus
so knöpfen ihrer Galgen Stricke sie daraus
es ist ihr selbstgewählter schlechter Tausch
wie aber kommt es dass sie an mir scheitern
die Krebsgeschwüre ihrer Sünden eitern
erklimm ich selbst doch keine Himmelsleitern
das Schauen meiner Seele zu erweitern

Nun denn ich hab weiß Gott genug gelitten
die gut bewachten Pforten vielmals überschritten
hinein in meiner tiefsten Seele Schlund inmitten
und eben dort den letzten Sieg erstritten
ich weiß es nun gewiss und bleib dabei
des Menschen Wille ist tatsächlich völlig frei
und alles was ihm widerfährt ist einerlei
denn Schuld bleibt Schuld da hilft kein Wehgeschrei

Denn auch in Leides schlimmstem Schrecken
der Mensch kann sein Gewissen wecken
und muss sich nicht mit Schuld beflecken
erklärt er’s auch um tausend Ecken
dort in der Hölle schwarzem Herzen
in namenlosen Seelenschmerzen
gilt´s seine Seele zu verscherzen
oder das Böse auszumerzen

Denn wer statt Gutem Böses tut
ist einfach böse und nicht gut
weil ihm zum Guten fehlt der Mut
was diesem keinen Abbruch tut
der Mensch kann oft und lange es vermeiden
sich für und wider zu entscheiden
doch wer da sagt er muss der ist nicht zu beneiden
denn nichts entschuldigt noch so großes Leiden

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 14 November 2010, 06:31:36
Doigenes - Teil II

Das ist es was ich hinter mich gebracht
im absoluten Grauen meiner Seelennacht
hab Frieden ich mit mir und meinem Los gemacht
und bin als Lebender vom ewgen Tod erwacht
denn hab ich’s auch zu allermeist vermieden
mich oftens für den leichten Weg entschieden
um in der breiten Straße Staub zu Tode zu ermüden
so fand in meiner Seele Sterben ich den Frieden

Bereits in Todesbinden eingemullt
stand plötzlich ich in Gottes Huld
so dass ich keinem gab da mehr die Schuld
für meiner eignen Taten Ungeduld
wer also sagt dass er da muss
der redet schlichtweg blanken Stuss
gießt Gift in seines Lebens Fluss
und wird sich selber zum Verdruss

Es gibt ein Ja und gibt ein Nein
das ist so und das soll so sein
es gilt für Groß gleichwie für Klein
denn unser Tun bestimmt das Sein
hab ich auf andre auch gezählt
sie selbst zu Freunden mir erwählt
mich mit der falschen Frau vermählt
den Pfad ins Unglück selbst gepfählt

Und hab ich keinen Mord verbrochen
bin doch zu Kreuze ich gekrochen
als ich des Wohlstands Lust gerochen
der Armut habe Hohn gesprochen
war auch mein Handeln nicht verrucht
so hab ich dennoch Streit gesucht
hab statt zu segnen arg geflucht
die Fahrt zur Hölle selbst gebucht

Es gäb noch vieles zu vermerken
um meiner Einsicht Licht zu stärken
doch lieber will im Heut ich werken
und meine Fehler jetzt bemerken
so sitz ich hier von Nacht umhüllt
mein Zimmer ist mit Licht gefüllt
und hätt den Freibrief ich zerknüllt
so bliebe ich in Nacht gehüllt

Und hätt das Leben nie gefühlt
wär von Gezeiten weggespült
und tief in Dunkel eingewühlt
im Herzen leer und abgekühlt
ich hab mein stilles Ja gesagt
von Irrlichtern und Angst geplagt
hab ich den Schritt hinaus gewagt
und nicht nach meinem Wunsch gefragt

Der Mensch hat seinen freien Willen
er ist durch nichts zum Zwang zu drillen
und die Entscheidung fällt im Stillen
sonst wären nichts wir als Bazillen
wer sagt er ist da ferngesteuert
und seine Unschuld stur beteuert
auf schlechtem Schiff hat angeheuert
das Herzen statt der Kohle feuert

Nichts ist mir fremd was Menschen treiben
ich könnte manches niederschreiben
sich fette Scheiben abzuschneiden
doch soll es im Verborgnen bleiben
nichts was ich nicht verstehen kann
es zu erklären irgendwann
zu brechen jeden Schweigens Bann
mich eines Bessern ich besann

Doch eines will ich nicht verbergen
wir sind die Opfer und die Schergen
sind Riesen gleich und auch den Zwergen
und schlafen doch in schwarzen Särgen
da Unbewusstes uns umnachtet
das nicht auf gut und böse achtet
und emsig nach Erfüllung trachtet
bis ins Bewusste es verfrachtet

Wer diesen Abgrund hat geschaut
sich nur nach langer Prüfung traut
und keine Märchenschlösser baut
ist sein Verlangen auch gestaut
er weiß was alles in ihm lauert
im Moloch seines Herzens trauert
verbirgt es sicher eingemauert
weil süßer Wein im Nu versauert

Wenn alles ist ans Licht gezerrt
wird manches wieder eingesperrt
was wuchernd sonst sich rasch vermehrt
und zarte Pflänzchen roh versehrt
wer seines Wesens Hölle kennt
sich gern von manchem Laster trennt
bevor sein Leben es verbrennt
und er in sein Verderben rennt

Denn ist er erst hinabgesunken
ins Unbewusste und ertrunken
zu Charons Seelenkahn gewunken
der will in seinen Styx in tunken
so ist er mit der Nacht getauft
auch wenn er sich die Haare rauft
mit Finsternis ist überhauft
wird nur durch Opfertod erkauft

Drum glaubt den Seelenklempnern nicht
im Hades existiert kein Licht
die Seele an sich selbst zerbricht
kennt kein Erbarmen im Gericht
so lasst das Unbewusste ruhn
bedenkt gelassen euer Tun
und seid zufrieden mit dem Nun
genießt die Sonne und den Moon

Erfreut euch an den kleinen Dingen
lauscht andächtig der Vögel Singen
lasst Melodien in euch klingen
und schärft des Geistes stumpfe Klingen
denn ist die Hölle erst erwacht
umhüllt euch schwarze Seelennacht
der böse Teufel der da lacht
hat eure Unschuld umgebracht

Ach möchte Gott euch wohl behüten
beschützen vor des Trübsinns Blüten
und wie im Märchen wie in Mythen
euch bergen in des Friedens Hütten
flieht vor der Nacht wenn ihr noch könnt
weil schneller als der Wind sie rennt
mit Haut und Haar verschlingt was da noch pennt
euch nimmermehr Erwachen gönnt

Lasst gut verriegelt diese Pforte
umkreist in großem Bogen jenen Orte
gar mancher ist von übler Sorte
er reicht euch Gift in Sahnetorte
die Monster die in euren Höhlen schlafen
mag Gott am jüngsten Tage strafen
im Sarg lasst ruhn den blutberauschten Grafen
das todgeweihte Geisterschiff versenkt im Hafen

Denn sind die Geister erst geweckt
mit Grauen bleibt der Sinn befleckt
und alles Reine ist verdreckt
drum lasst die Schrecken zugedeckt
denn seid ihr erst zum Kampf gezwungen
mit Mördern die vom Tod gedungen
und habt zuletzt den Sieg errungen
ist nur das nackte Überleben euch gelungen

Es kann dem Menschen schlichtweg nicht gelingen
heil in das Unbewusste vorzudringen
mag er das Dunkel auch mit Licht bezwingen
sein Antlitz bleibt vernarbt sein Leben lang von glutgestählten Klingen
die in die tiefsten Tiefen seiner aufgerissnen Seele dringen
Abscheulichkeit gewahrt sein nacktes Auge hinter allen Dingen
so ruft die Geister nicht wie euch die Dichter singen
sie loszuwerden wird euch nimmermehr gelingen

Denn sind die bösen Geister erst erwacht
sie hüllen euch in Seelenmitternacht
und Luzifer in euren wirren Träumen lacht
den klaren Sinn hat hinter eurem Rücken umgebracht
dem Menschen kann es niemals fruchten
den Grabstein seines Unbewussten wegzuwuchten
denn statt der Katakomben klaffen tiefe Schluchten
in denen Ungeheuer ihre Zuflucht suchten

Sie schliefen tief im Mantel des Vergessens
sie geifern in Erwartung großen Fressens
und alle Fähigkeiten menschlichen Ermessens
sind nichts vor ihren Künsten des Erpressens
da sie die Würde und den Mut aus euren Sinnen streichen
zum Leben wecken eurer Schuldner Leichen
bis diese Feindsgestalt und Macht erreichen
und euch zerhacken mit erneuten Streichen

Da ihr zum zweiten Mal bezwungen
und wieder ist der Sieg euch nicht gelungen
weil abermals vergeblich ihr gerungen
des Gestern tiefe Schatten hämisch in euch eingedrungen
seid völlig ihr verzweifelt und zerschmettert
hasst euer Selbst das gegen euch nun wettert
weil seine Peiniger durchs Fenster sind geklettert
da schutzlos nackt ihr selber wart entblättert

Es gibt nur eine Losung welche rettet hier
ruft sie hinein in jene dunkle Kammertür
sagt euch mit Tränen ich vergebe mir
bekennt die Niederlage ihr könnt nichts dafür
der Schmerz ist schrecklicher als jeder Zorn
denn Opfer sein ist wie ein krummgespitzter Dorn
blickt nicht in euer Gestern schaut nach vorn
denn ist die Frucht geboren stirbt das zarte Korn



...
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 30 November 2010, 16:35:32
Weihnachten 2006

Alle Jahre wieder
träumt die Christenheit den kollektiven Traum
von einer bessern Welt
des Friedens und der Liebe
singt ihre Krippenlieder
schmückt andächtig den Weihnachtsbaum
hofft inständig das Segen niederfällt
und dass er haften bliebe

Sie weiß genau in dieser Welt
ist nichts im rechten Lot
Gewalt und Hass wohin man schaut
Gerechtigkeit ist blanke Illusion
allüberall regiert das Geld
herrscht Hunger Krieg und Tod
tobt Krankheit die den Weg verbaut
erschlafft die Lebenskraft in schwerer Arbeit Fron

Im Kreise der Familien
nagt Zwietracht Neid und Lüge
drückt Sorge schwer und Schuldenlast
die Zukunft schreckt mit ungewissen Wegen
verwelkt die Reinheit keuscher Lilien
und jeder ist bemüht dass er sich selbst betrüge
die Sterblichkeit verdrängt in ruheloser Hast
sich orientiert an allem was ihm kommt gelegen

Und allzu oft sind die Geschenke
nur täuschend Blendwerk für Versäumtes
das gute Wort das ungesprochen starb
die Liebe die verraten auf der Strecke blieb
wenn da geschmiedet wurden finstre Ränke
im Dunkel wuchert ängstlich Weggeräumtes
und was da heimlich um Erfüllung warb
als es verlangend uns zum Bösen trieb
mit Glitzergold betüncht sind schwarze Seelenschränke

Die Sehnsucht aber bleibt bestehen
nach Wahrheit Klarheit Harmonie
Geborgenheit und Wärme
und Licht in unsrer Sinne Dunkelheit
wenn wir im Kerzenschein das Gute sehen
das unserm Denken Wahrheit einst verlieh
die Weihnachtsgans fett im Gedärme
den Kopf von Glühweinnebel mühsam nur befreit

Wir sind so bettelarm im Innern
wie selten noch ein Volk zuvor
Erfolg heißt unser goldnes Kalb
das wir umtanzen Tag und Nacht
will uns dies neugeborne Kind erinnern
an größre Scheunen die sich baut der alte Tor
an den der teilt den warmen Mantel halb und halb
dies Kind das Blinde sehend hat gemacht
Verlierer kürte zu Gewinnern


...
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 03 Dezember 2010, 12:20:50
Alle Jahre wieder

Weihnacht naht
ich muss in Nacht versinken
so wie jedes Jahr
es bleibt mir nicht erspart
in Schwermut zu ertrinken
wie es von Anfang war

Dort wo ich geboren
damit das Licht mich blende
mitten aus der Finsternis
zum Leiden auserkoren
zu Qualen ohne Ende
gepeinigt von der Schlange Biss

Von Dunkelheit umfangen
wo andren Engel singen
eine frohe Botschaft künden
wie die Alten sangen
mir will das Lied nicht klingen
im Schatten meiner Sünden

Finde keinen Frieden
im Abgrund meiner Seele
kann das Kind nicht schauen
es ist mir nicht beschieden
selbst wenn ich seinen Abglanz stehle
ich mag dem falschen Licht nicht trauen

Ward mir zu oft zerbrochen
jene stille heilge Nacht
und von Schmerz zerfressen
hab den Meuchelmord gerochen
an Kindern die da umgebracht
und das Wiegenlied vergessen

Weihnacht süße Weihnacht
du bist mir so fern
so unendlich fremd
wie quält mich deine helle Pracht
auf meinem kalten Stern
ach ich fühlte dich so gern
unter meinem Büßerhemd


Advent 05
...
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 07 Dezember 2010, 15:55:47
Sag wann

Der Retter wird geboren
doch wer will uns retten
aus unsrer Ängste Spinnennetzen
die wir aus freiem Willen über unsre Leben spannen
da wir die Heimat längst verloren
die Wärme unsrer Kinderbetten
getrieben durch das bittre Dasein hetzen
und unsre Kinderträume schon vor langer Zeit verrannen

Wir wünschen jedem Wickelkind von Herzen
dass es vom Leben nicht gebeutelt wird wie unsereins
und wissen doch es bleibt ihm nicht erspart
drum füllt mit Wehmut uns das helle Kinderlachen
da unsres trocken klingt und rau ob mancher Seelenschmerzen
und Tränenfluten wir ersäuft im falschen Trost des Weins
das Mienenspiel der Wangen ist im Frust erstarrt
als trügerischer Hoffnung Schwindel Hohn uns sprachen

Sag bringt der weite Weg uns einst zurück
gebrochen und vernarbt im Wesenskern
sag finden wir uns wieder in des Stalles Dampf
ein breites Lächeln auf gegerbten Lippen
wann wird unendlich kostbar uns das kleinste Glück
wann leuchtet strahlend in den müden Augen jener Stern
wenn wir erschöpft vom gnadenlosen Überlebenskampf
den Säugling sehn an seiner Mutterquelle nippen

Sag wann verstehn wir das Geheimnis
der Heiligkeit des Lebens um uns her
die Botschaft jedes neugebornen Kindes
das da den Erdenrund betritt
sag wann wird alles Leben uns zum Gleichnis
das zu begreifen ist fürwahr nicht schwer
kommt es auch unerwartet wie der Hauch des Windes
so bringt es doch das Licht der Hoffnung mit

Der stets die Wahrheit sprach
und Gutes nur den Menschen tat
sag wer hat solches noch vollbracht
von all den Großen und den Weisen
wie lang schon liegen unsrer guten Taten Felder brach
wie lang schon lehren wir mit schlechtem Rat
wie lang schon wandern wir durch Nacht
wie lang schon fahren wir in falschen Gleisen

Ist er zuletzt umsonst zu uns gekommen
war uns sein Beispiel denn der Nachahmung nicht wert
die wir es selber immer besser wissen wollen
so blind so taub so orientierungslos
so arg und schlimm und durch und durch verkommen
und hörig einem Jeden der uns Ruhm und Reichtum lehrt
die wir in Demut und in Liebe dienen sollen
warum nur glauben wir der Lüge bloß

06

Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Adrenalinpur am 07 Dezember 2010, 21:51:33
wenn ich darf werde ich in 2 wochen etwas dazu schreiben
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 08 Dezember 2010, 06:33:48
Du willst mir was unter den Christbaum legen?
Jederzeit gerne, egal was es ist.   :-)
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 09 Dezember 2010, 07:52:30
Hirtentraum

Geburt ist Unschuld und so soll es weiter bleiben
was immer auch die Könige der Welt da draußen treiben
wie finster ihre bösen Pläne mögen uns bedrohen
wie sehr die Kinder heutzutage auch verrohen
wie grimmig Feinde auch einander fluchen
im Stall von Bethlehem hat dieses nichts zu suchen

Die Welt mag ins Verderben rennen ohne Halt
regieren mag die Völker Unrecht und Gewalt
und was der Engel da in Euphorie verkündet
mit Frieden und so weiter scheint mir unbegründet
schau ich zurück auf´s Zwanzigste Jahrhundert
so reib ich mir die müden Augen recht verwundert

Was kümmert mich der Mächtigen Getöse
der Mensch ist schlecht und sein Verlangen böse
er mag getrost den ganzen Erdenball verbrennen
ein neues Leben soll mein müdes Suchen kennen
wo jedes Weh im reinen Licht erlischt
und jede Träne aus dem Auge wird gewischt

Denn einst wenn Wolf und Lamm in Frieden schlafen
will ich mein Lager richten mir behaglich zwischen Schafen
und mag es auch gehörig stinken
hier bei dem zarten Säugling will ich niedersinken
mein müdes Haupt auf weiche Felle betten
und meine süßen Träume in den Morgen retten

07
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 14 Dezember 2010, 14:56:46
Der Liebe Fesseln

Die frohe Botschaft einer klaren Nacht
schien fern mir und im Lebenskampf verhallt
grad so als wäre Bethlehem auf Golgatha
als wär das Kreuz aus Krippenholz gezimmert
die Engel die da gute Kunde einst gebracht
als Unglücksboten mir erschienen bald
da schon im frühen Lebensjahr
mein Urvertrauen sterbend und erschlagen hat gewimmert

Wer in die Hölle ist geboren
so wies bei mir der Fall gewesen
der ahnt das Grauen schon des blutgen Kindermords
wenn seiner Unschuld Schäfchen sind vom Wolf zerrissen
hat das Vertrauen schon im Morgenrot verloren
ein Abgrund tut sich auf in seinem Wesen
er glaubt nicht an das Märchen eines guten Lords
die Schlange ist in seiner zarten Ferse festgebissen

Der Geist der zukünftigen Weihnacht schreckt ihn nicht
da die vergangne nichts als Schrecken übrig lässt
und die der Gegenwart hat nichts als Leere ihm zu schenken
weil all den mühsam aufgesetzten Frieden er für Lüge hält
er schaut die Finsternis verborgen hinter hellem Licht
nachts wenn der Angstschweiß seine Kissen nässt
und wirre Träume rauben ihm das gute Denken
weil er sich zu den Ungeliebten zählt

Nichts war mir heilig mehr was andren Hoffnung gibt
da jedes guten Willens Keim Berechnung war gewichen
ich mit Verachtung strafte alles Leben um mich her
Zerstörungswille war mir letzte Lust geworden
da längst in mir gestorben alles was da liebt
und jeder Seelenkammer Tür war schwarz gestrichen
weil hinter ihr der Raum war kalt und leer
wer mochte einen Leichnam denn ermorden

Tief sinkt der Mensch wenn er gesunken
hinab bis auf den Meeresgrund
denn ohne Liebe hat er nichts
was über Wasser ihn erhält
da hat das Leben mir von fern gewunken
als ich gekommen auf den Hund
des Todes angesichts
verbittert, böse und vergällt

Im tiefsten Grunde ihres Herzens
die zu mir kam in tiefster Nacht
um wahre Liebe mich zu lehren
die in mir ward geboren
mit lautem Wehenschrei
im Sonnenlicht des Lachens und des Scherzens
das mich bezwang mit unerbittlich sanfter Macht
das kalte Herz im Leib mir umzukehren
bis ich mich fand verloren
und in der Liebe Fesseln wurde froh und frei

fand ich den Zauber stiller Nacht
verborgen und behütet wie ein Schatz
schien auf mir da der Frieden der mit uns gemacht
den sie bewahrt von Kindesbeinen an
wie einer Kerze zartes Licht
das jedes Jahr zu hellem Glanz erwacht
wenn aller Kummer macht der Freude Platz
die jenes Kind in unser Dunkel hat gebracht
und die ich mit ihr teilen will fortan


08
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 19 Dezember 2010, 08:08:11
Weihnachtslicht

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn trüber Nebel aus den Tälern steigt
der kalte Ostwind jammernd in den kahlen Ästen geigt
wenn manche ruhelose Seele über Heckenzäune hechtet
die Drud den angstdurchschweißten Pferden Zöpfe flechtet
die losen Nächte Weg und Hof mit Grauen tränken
und aller Übel ungesühnte Schrecken sich in unsre Herzen senken

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn um die hellerstrahlten Kirchen Schatten huschen
unheimlich und bedrohlich rascheln in den Dornenbuschen
die Kerzen auf den Gräbern geisterhaft und heftig flackern
als würde einer ihren Grund mit heißgeglühtem Pflug durchackern
die wilde Jagd fegt krachend über tiefgebeugte Waldeswipfel
und Blitz und Donner hüllen ein mit Zorneswut der Berge Gipfel

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn die vier letzten Reiter Völker überrennen
und überall auf Erden lodernd Kriege brennen
der feige Mord schont keine noch so kleinen Kinder
ein Klageruf schallt schaurig aus der Brust gequälter Schinder
die Flüsse schwarz wie Tinte keine Sterne wiederspiegeln
die Geizigen die goldnen Tore des Palasts verriegeln

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn uns der Tod das Leben aus den Händen reißt
und irgendwo ein vollbesetzter Zug entgleist
zerfetzt ein Autowrack verkohlt im Straßengraben
wenn auf dem Galgenbaum versammeln sich die Raben
die Hoffnung wie ein Feind die armen Hütten meidet
die Hoffart sich in purpurne Gewänder kleidet

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn unsre bangen Seelen sind in Finsternis getaucht
der Totenvogel aus dem schwarzen Schlund der Hölle raucht
der Lebensmut uns schwindet mit dem letzten Abendrot
an unsre Türen pocht mit aller Macht Gevatter Tod
wenn wir in tiefer Neumondnacht im Nichts versinken
und rettungslos im Strudel unsrer nackten Angst ertrinken

Weihnachtslicht
verlass uns nicht
wenn wir zu Tod gehetzt in unsre Kerker springen
in kalter nackter Not uns an den Wahn verdingen
uns selbst zum Feind geworden tiefe Wunden schlagen
zum Geifern und zum Schäumen wird das schrille Klagen
wenn unsre ewge Nacht uns selbst verschlingt
das goldne Glöckchen wie die Totenglocke klingt

Weihnachtslicht
oh stilles feines Weihnachtslicht
verlass uns nicht
verlass uns nicht
verlass uns nicht



Weihnachten 2006
Wünsche allen ein friedliches Weihnachten!
Titel: Re: Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 24 Dezember 2010, 13:20:29
Heilige Nacht

Dass wir gehangen an der Nabelschnur
so wie bestimmt es uns von der Natur
dass wir mit Wonne und mit großer Lust
genuckelt an der vollen Mutterbrust
ist ins Vergessen abgetaucht
als beides wir nicht mehr gebraucht

Was soll´s das Kind liegt lächelnd in der Futterkrippe
es schert sich nicht um Herkunft noch um Sippe
weil Ochs und Esel angetan
von diesem Winzling ohne Zahn
ihr heißer Odem tut ihm gut
und hält ihn warm wie Feuersglut

Und auch des Hirtenvolks illustre Schar
ruft mit Vergnügen aus ein volles Gnadenjahr
die Schäferhunde sind nicht zu verdrießen
und lecken zärtlich an den kleinen Füßen
während die Schafe sich zu diesen legen
und eifrig ihres Schlafes Ruhe pflegen

Sind da nun Engelscharen oder nicht
die dunkle Grotte ist erfüllt mit hellem Licht
man sieht die Mäuse huschen durch das Stroh
und ihre Äuglein brennen lichterloh
die Katze hat das Jagen aufgegeben
um sich behaglich in das weiche Heu zu legen

Die Hebamme ist rundherum zufrieden
ein schönes Kind ward ihr als Lohn beschieden
das unter Umstands Widrigkeit
gesund und kräftig kam zur rechten Zeit
und auch die Mutter ist wohlauf
da gönnt sie sich ein Schnäpschen drauf

Die Mutter ist in tiefen Schlaf gesunken
nachdem in puren Glückes Wogen sie ertrunken
der ungeheure grelle Schmerz war wie verflogen
als da das Söhnlein war auf ihre nasse Brust gehoben
und sie mit zärtlich zugespitzten Lippen
geheimnisvolle Koseworte sprach aus ihres Herzens Mitten

Der Vater in die Hocke ist erschöpft gesunken
für ein paar Stunden war die Welt um ihn versunken
doch weil sich sonst kein Helfer fand
ging er der Hebamme zur Hand
und konnte so ein atemloser Zeuge sein
als durch die Pforte kroch das Baby winzigklein

Er wird fortan die Welt mit andern Augen sehen
das Kommen Werden Wachsen und Vergehen
ob auch die Ohnmacht ihm noch immer die Leviten liest
so weiß er doch dass die Geburt ein großes Wunder ist
trotz Blut und Schweiß und Wehgeschrei
er weiß es und er bleibt dabei

Nun denn wir wollen diesen Ort nicht mit dem fernen Kreuz belasten
das Essen hat genauso seine festen Zeiten wie das Fasten
die Freude ebenso wie auch die Trauer
Geburt wie Tod und Sonnenschein wie Regenschauer
und bin auch abgeklärt ich manchmal fürchterlich
wenn ich ein Neugebornes sehe strahle ich

Frohes Fest!

Titel: Re:Gedichte
Beitrag von: Sintram am 02 Januar 2011, 16:05:39
Eiszeitausstellung

Das Mammut stößt in die Posaune
der Höhlenbär uns brüllend grüßt
der Säbelzahn pflegt seine Laune
indem ein Kälbchen er genießt

Ein weißer Wolf heult an den Mond
der als derselbe wie vor Zeiten
über höchsten Gipfeln thront
um Nachts auf Fährte ihn zu leiten

Das Wollnashorn beschützt sein Küken
stampft zornig auf und senkt sein Horn
vor der Hyänen feigen Tücken
sie scheuen diesen spitzen Dorn

Gelassen fürchtet keine Pirsch
am Haupt die mächtge Schaufelkrone
mit stolzem Blick der Riesenhirsch
dient Höhlenmalern als Ikone

Das Wildpferd jagt über die Steppen
mit straffer Mähne schnell und frei
es fürchtet keiner Felsen Treppen
von weitem hört man seinen Schrei

Die Bisonherde galoppiert
wenn Brunft der Bullen Ruhe raubt
im tiefsten Winter niemals friert
wer dicht vermummt von Zeh bis Haupt

Wie eine Wand das Moschustier
das Kalb geschützt in festem Ring
ist dieser Ochse doch ein Stier
und seine Angst nur sehr gering

Schneeleopard und Eisfuchs schleichen
um den verspielten Wurf zu nähren
die weißen Gletscher niemals weichen
die unsern Breitengrad beehren

Das Schneehuhn flattert vor dem Wiesel
es vom Gelege wegzulocken
Schneewehen wandern im Geriesel
Eisriesen auf den Bäumen hocken

Und grauen Rauches dünne Fahne
ein Zelt geformt aus Walfischknochen
bedeckt mit dicker Häute Plane
verrät die Menschen die da kochen

Auf einer Stange ragen Hörner
aus einem Schädel wuchtig breit
des schwarzen Auerochs´ der ferner
war Geisterbote seiner Zeit

Und nackt und bloß gehüllt in Felle
den Säugling an den Leib gebunden
des Feuers Herrin schwingt die Kelle
die Jäger bleiben aus seit Stunden

Die stützen sich auf ihre Speere
und müssen sich durch Tiefschnee plagen
mit Fleisch gefüllt der Mägen Leere
die Beute sie auf Schultern tragen

Wir stehen staunend vor den Ahnen
sie haben viel mit uns gemein
auch wir müssen den Weg uns bahnen
durch dieses harte Erdensein

05
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 10 Januar 2011, 17:04:19
Kinderstube

Wir sind ein kleines Tierasyl
wo Waisenkinder Bett und Nahrung finden
die hüpfen, krabbeln und sich winden
voll Übermut in ausgelassnem Spiel
ihr kleines Herzlein an das unsre binden
Verletzlichkeit und zartes Wesen künden
denn eine Handvoll Leben ist nicht viel

Die Schwalbe ruft mit feinem Ton
Nachzügler grob im Nest zurückgelassen
wie soll der Mensch das harte Dasein fassen
wenn überall das Sterben spricht dem Leben Hohn
zermalmte Igelleiber pflastern graue Straßen
wie soll er´s lieben und nicht hassen

Die Welt versinkt in grellem Wahn
Gewalt und Mord und Totschlag überall
mit Blut getränkt ein jeder Rauch und Schall
zum Rand gefüllt der Toten Kahn
mit Seelensternen dicht besetzt das All
im Anfang und am Ende sei der Knall

Der Lauf der Welten ist nicht aufzuhalten
doch lern ich manches von den kleinen Tieren
die flattern oder wälzen sich auf allen Vieren
ein ungezähltes Volk in vielerlei Gestalten
ob ihre Äuglein flattern oder stieren
ihr stummes Leiden geht mir an die Nieren
ich will fortan am Leben sie erhalten

06
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Fee am 13 Januar 2011, 22:43:35
... hab`s gerade erst gelesen und find ich sehr schön !


L.G. Fee
Titel: Re:Gedichte
Beitrag von: Sintram am 14 Januar 2011, 20:30:28
Danke Fee, das freut mich!


Verwildert

Mir ist als wäre ich ein Teil von ihnen
als lebt ein kleiner Funke ihrer Seelen
fortan in meiner Brust
als hätten sie von jenem Winkel den sie in mir füllen
ein Teilchen mit sich fortgenommen
hinaus in ihre wilde Welt
dies Wunder konnt ich nicht verdienen
noch war ich fähig es zu stehlen
von ihres Lebens Lust
die sie sich frech in meine Haare wie in Nester wühlen
als Pflegevater adoptiert und angenommen
zu Ihresgleichen haben mich erwählt

Dass ich die Welt fortan mit ihren Augen sehe
und fühle und erspüre was mir da verborgen
bisher in meines Menschseins Unnatur
weil blind und taub ich durch das Dasein irrte
ein Fremder ausgestoßen und verbannt
die sie mit Schrecken vor mir flohen
doch wenn ich heute durch die Wälder gehe
dann bin ich Bruder ihrer Freuden und auch Sorgen
als wandelte mein Geist befreit in ihrer Spur
als flög ich selbst im Vöglein das da grade schwirrte
als hätt es mich beim Namen glatt genannt
anstatt mir wie bisher zu drohen

Erstaunt blickt nun das Eichhorn aus den Zweigen
herab auf diesen gar nicht artgetreuen Affen
der da zu ihm in seiner eignen Sprache spricht
grad so als könne springen er von Baum zu Baum
der er doch träge auf dem feuchten Boden klebt
woher so fragt es weißt du um mein Spüren
wie kommt es dass du aufgenommen in des Lebens Reigen
du Freund der lärmend Monster und der Waffen
sag an wie kann ich finden mich in deinem Angesicht
erscheinst mir wie ein Wesen du aus einem Traum
nun sag ich weil dein kleines Volk bei mir gelebt
um mich geschwind in eure Wildnis zu entführen

Januar 2011
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 20 Januar 2011, 09:36:18
Den Gesunden

Fallt auf die Knie all ihr Gesunden
bejubelt eures Leibes Wunden
pilgert nach Mekka nach Tibet nach Rom
in die Mosche Synagoge den Dom
opfert im Tempel am heiligen Baum
kniet nieder und küsst der Erleuchteten Saum
huldigt dem Leben dem Menschensohn
werft euch nieder vor Gottes Thron

Glaubt an Marx an Lenin an Mao
ehrt Zarathustra pflegt das Tao
vertraut der Materie folgt ihrem Ruf
übt schwarze Messen küsst den Huf
schlachtet Hühner im Voodoo Rausch
feiert Seancen tobt euch nur aus
dient den Ahnen den Felsen dem Strom
badet im Ganges im Nil im Don

Tanzt um der Urmutter feistes Idol
trällert auf Pfeifen und Knochen hohl
schlagt die Trommeln springt um das Feuer
glaubt an Hexen und Ungeheuer
wandert im Reigen der Wiedergeburt
pflügt mit Mose des Meeres Furt
betet und leiert den Rosenkranz
bezeugt eure Demut im heiligen Tanz

Glaubt an Alles glaubt an Nichts
an den Zufall den Tag des Gerichts
das Karma das Schicksal die Fügung das Los
die Gestirne die Urahnen groß
folgt den Zahlen den Ziffern den Zeichen
von Orakeln lasst stellen die Weichen
findet den Sinn im Zeugen von Kindern
im Lehren Erziehen und Leiden mindern

Woran ihr auch glaubt und was immer ihr macht
es beschütze Euch vor der Seelennacht



Klinik 05
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 31 Januar 2011, 16:18:10
Der alte Fels

Nacht und Nebel
ein Begriff aus Jugendtagen
als er noch mit Tat gefüllt
mit Kampf und Abenteuer
und heimlicher Gefahr
bis Fessel der Natur samt Knebel
hemmte mich den Krieg zu wagen
ein kleines Kind in Decken eingehüllt
bezwang in mir das Ungeheuer
noch im ersten Lebensjahr

Vergangen und vorbei
die Zeit ist gnadenlos
mag sie auch Wunden heilen
so raubt sie doch Erinnerung
und löscht die Spuren der Gezeiten
wir sind in ihr gefangen sie allein bleibt frei
sind Erde nur und Staub aus irdnem Mutterschoß
die ohne Rast und ohne Ziel durchs Dasein eilen
beharren stur auf unserer Berechtigung
und lassen uns zur Dummheit gern verleiten

Doch heute ist die Nacht von andrer Art
der dicke Nebel birgt nicht mehr
denn selbst sind wir in unsren Seelenkammern
mit Nacht und Nebel ausgefüllt
so dass das Außen unserm Innern gleicht
und was geblieben aus der Kindheit zart
macht keinen Deut mehr her
ist festgezurrt mit unsres Geistes Klammern
vermummt und hinter Schleiern tief verhüllt
wo es nur allzu selten unser Herz erreicht

Ich will im festen Schutz des Hauses bleiben
so wie der Igel tief in seinem Lager ruht
will ich es tun entspannt und ohne Sorge
Behaglichkeit und Wonne soll mich tragen
durch diese düstren Wintertage
wozu soll ich da draußen mich am Leben reiben
denn was herauskommt ist nur selten gut
was aber hindert mich daran dass ich mir stille Zeiten borge
versonnen lächle statt zu klagen
die Kunst des Müßiggangs mit vollem Einsatz wage

Wer rastet rostet so behaupten sie
und Stillstand sei das Gegenteil von Leben
Bewegung sei das wahre Wesen aller Dinge
so lehren sie und wollen mich dazu bekehren
dass ich das Hinterteil erhebe und mit ihnen eile
den alten stummen Fels jedoch missachten sie
der schon seit langem überdauert Wandel hier und Streben
und wissend zählt der Eichen Jahresringe
um über aller Flüchtigkeit die Dauerhaftigkeit zu lehren
drum raste ich an seinem Fuß noch eine kleine Weile

Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 02 Februar 2011, 11:12:45
Achherrje, schon wieder so ein elendiglich ellenlanges Unding!
Der vor ein paar Jahren niedergeschriebene unmögliche und folglich vergebliche Versuch, die sondersame Erfahrung eines Zeitlochs im Befinden desselben zu umschreiben, den ich selbst nicht (mehr) verstehe(n muss)...


Zeitloch

Alles was sein wird
wird schon gewesen sein werden
im Kreislauf der Zeit
gibt es nichts Neues auf Erden
denn auch das Morgen
wird in der Zukunft zum Gestern
die Last der Sorgen
der Menschheit Brüder und Schwestern
ist schon vergangen
lang noch bevor sie gewesen
des Schicksals Zangen
können die Stränge nicht lösen

Würde ich reisen
weit in mein Gestern zurück
müsst´ ich entgleisen
lebte für immer dies Stück
wiedergeboren
als hätt ich’s schon vielmal gelebt
im Zeitloch verloren
Beginn mit Vollendung verwebt
die Summe des Ganzen
zum ersten und letzten Mal
der Ewigkeit Lanzen
frei und doch ohne Wahl

Wahrnehmung aber
stets ist gebunden ans Jetzt
und die Erinn´rung
ist mit dem Heute vernetzt
ging ich zurück
wäre mein Morgen gelöscht
zu meinem Glück
von dem Erinnern gelöst

Die früher fragten
nannten es Wiedergeburt
weil sie nicht wagten
zu fassen den einzigen Spurt
Ist er nun Irrtum
der Glauben ans öftere Sein
da auch im Unum
die Ahnen ich trag im Gebein
die die Erinn´rung
an viele gelebte Leben
mir in die Windung
meines Gehirnes weben

Doch wenn es ginge
dass nähm ich die Zukunft mit mir
wüsste um Dinge
jenseits von heute und hier
wär doch das Jetzt
Siegel für ein Voreinst
und das Zuletzt
immer nur ein Dereinst

Gibt es ein Ende
der Grenze von Zeit und Raum
da ich vollende
der Zeiten Lauf ewigen Traum
wär´s schon erreicht
noch ehe ich damit begonnen
ob schwer oder leicht
mein Faden wär schon gesponnen
was ich erlebe
hätt ich schon oftmals erlebt
wonach ich strebe
wär ich schon vielmals gestrebt

Doch im Erleben
stets wär´s das erste Mal
einmal gegeben
lebte die letzte Zahl
da schon geschlossen
endgültig ist mein Kreis
was morgen ich gestern genossen
und dass um die Zukunft ich weiß
würde nichts daran ändern
dass nur mein letztes Leben
mich knüpfte mit endlichen Bändern
ans Morgen das ist mir gegeben

Was in der Zukunft wird
wär bis zuletzt schon gewesen
wär ich auch arg verwirrt
würd ich am End doch genesen
und meiner Chancen Summe
im Ganzen wär doch nur eine
ob schrei ich oder verstumme
bejahe oder verneine
nur meine arme Seele
würde wohl alt mit der Zeit
von der ich nehme und stehle
ob ihrer Unsterblichkeit

Je mehr ich darüber sinniere
werd umso mehr ich gewiss
dass ich auf mein Leben stiere
und dies meine Wahrheit ist
wie anders könnt ich begreifen
der Menschheit vergebliches Tun
dass alle Früchte die reifen
schon gestern in Wurzeln ruhn

´s ist nicht so dass ich’s erdenke
wie viele andere auch
nicht dass ich mich darein versenke
wie´s der Erleuchteten Brauch
ich weiß nicht woher ich es nehme
´s war da schon von Anfang an
vor meiner Gedanken Ströme
und ihrer verwinkelten Bahn

Was sein wird ist schon vergangen
vergessen bevor es geschieht
und all unser Hoffen und Bangen
zu Asche ist schon verglüht
bevor es noch hat gebrannt
das Schicksal bereits besiegelt
bevor wir dagegen gerannt
ob wild oder eingeigelt
vollendet ist unsere Bahn
bevor wir sie noch betreten
die Törichten nennen es Wahn
gefangen in ihren Nöten

Was immer ich denke und tue
ist schon für immer getan
ob streite ich oder ruhe
gleichgültig wo und wann
Alles ist immer jetzt
ohne Anfang und Ende
ohne zuerst und zuletzt
wie ich’s auch drehe und wende

Das Schauen der Ewigkeit
kann der Mensch nicht erringen
gefangen in Raum und Zeit
kann er´s höchstens besingen
doch wer sie einmal geschmeckt
ist aus der Zeit gelöst
der Tod ihn nicht mehr erschreckt
kein Raum ihm mehr Furcht einflößt

Bin ich im Schoß schon gestorben
eh ich geboren war
hab so mir dies Wissen erworben
vor meinem ersten Jahr
kann es bis heut nicht benennen
bin nicht von dieser Welt
ist es doch dieses Erkennen
das mich am Leben hält

Der Kampf ums Überleben
ist mir von je her fremd
das Heute ist mir gegeben
hab nie mich ins Morgen gestemmt

Bin einfach dageblieben
ein Stein des Anstoßes gar
lebte der Leben sieben
als ob es das erste war
und das letzte zugleich
so wie dem Tag folgt die Nacht
wurd an Erfahrung reich
hab mir nichts draus gemacht


...und mach mir auch weiter nichts aus diesem Geschwurrle. ;-)
Ein Zeitloch- das ist wie die Gewissheit, dass es die Quadratur des Kreises gibt, gepaart mit der Gewissheit, dass sie ein Ding der Unmöglichkeit ist.
So ungefähr.


...
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 02 Februar 2011, 15:48:33
Winterfrust

Ach zarter feiner Wintertraum
wie war ich doch vernarrt
in jeden schneegeschmückten Baum
wie bist du doch erstarrt

Ich war verliebt ganz fürchterlich
in deine weiße Pracht
schön langsam Freund bedrückst du mich
mit deiner kalten Macht

Der nackte Himmel fahl und leer
er schlägt mir aufs Gemüt
ach Freund ruf doch den Frühling her
dass neues Leben blüht

2.2.11
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 09 Februar 2011, 15:37:42
Sail Away

Im Labyrinth des Deltadschungels
im wilden Reich der freien Tiere
führ ich das Ruder fern des Rummels
dort wo ich die Vollendung spüre
der Salzgeruch des Meeres
streicht sanft mir um die Nase
im Licht des Sternenheeres
das flüchtig ich durchrase

Und in der Ferne schwinden
die Menschen auf den Brücken
die Strand mit Strand verbinden
ich sehe sie entrücken
ein letzter Gruß ein letztes Winken
mein alter Kahn zerfurcht die Wellen
sein fester Grund ließ mich nicht sinken
in dunklen Tagen und in hellen

Der Wind in Deinen Haaren
er streichelt Dein Gesicht
in diesen schweren Jahren
bist Du mein Augenlicht
bald ist das Meer erreicht
die Mündung schon zu spüren
die Ruder gleiten still und leicht
sind mühelos zu führen

Die Nachtigall ein Schlaflied singt
wenn eng an Dich geschmiegt
im Mondlicht das auf Wassern schwingt
der kleine Tod die Angst besiegt
das zarte Licht am Morgen
wird ohne Furcht mich finden
verscheucht die Last der Sorgen
gelöst des Todes Binden


07
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 17 Januar 2012, 11:22:50
Ode an die Nacht

Komm Schwester Nacht
umhülle mich
betöre und erfülle mich
mit deiner Dunkelheit
des schwarzen Mantels Kleid

O Süße nimm mich auf
in dein erblindend Reich
wo aller Tränen Lauf
in den Gesichtern bleich
dem Unsichtbaren weicht

So öffne mir geschwind
umgib mich schwarz und blind
all der Verbrechen Pein
für immer lass verschwunden sein

Komm Schwester Mutter Nacht
mit Macht
birg mich in deiner Welt
in deinem dunklen Zelt
nimm mich hinfort
an einen Ort
wo niemand mich mehr finden kann
nirgendwann

Ich flieh zu dir dein Kind
dorthin wo keine Menschen sind
und Fratzen nicht und Lügner
nicht Heuchler nicht Betrüger
nur du und ich
komm Nacht und hole mich


stammt aus dem letzten Jahrtausend von 1998
heute beim Kruschen zufällig gefunden

Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 17 Januar 2012, 12:03:26
Das hier "entstand" im Mai 1989... meine Güte... nur nicht sentimental werden...


Gestern

Tonkrüge zwischen den Zeilen
Scherbenklänge bizarrer Vergessenheit
blutzerronnene Farbenformen
kosmische Fantasienmusterwindungen
zerwobene Spiralenrundungsbögen
mitten in vergilbten Schlagzeilen
längst vergangener Tage

Schillernde Seifenblasen
zerfließende Erinnerungsklekse
zerplatzende Traumgesichte
altgewordene Geschichten
Rosenblätter in blutigem Dornenduft
Tränenperlenketten endloser Reihe
und alles auf einmal



Und das aus dem Juni des selben Jahres 89... tjamei...


Das Ende

Namenloser Seelenschmerz
Würgen und Stöhnen
keine armselige letzte Träne mehr
quälendes Körperbeben
zu schwach zum Schreien

Peinigende Leere
gehetztes Umherlaufen
zu hoffnungslos für Enttäuschung
für Trauer viel zu müde
zu leblos für Wut

Immer nur Verstummen
lähmendes Schweigen und mörderische Stille
elende aushöhlende grausame Einsamkeit
jeden Abend nur kalter Tod
vergebliche Suche


...ich sags ja, bin immer schon Desperado gewesen...
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 17 Januar 2012, 15:19:09
Das hier hab ich 1988 geschrieben, vor rund einem Vierteljahrhundert also.
Summer in the City, unten an der Uferpromenade.
Viele Tage saß ich dort, einen beliebigen hab ich zu Papier gebracht, einen der guten.


Der Stufenhocker

Die Sonne brennt drückend heiß
Asche auf den Zähnen auf der Zunge am Gaumen
wie erfrischend kühl ist der gnädige Schatten
auf der Treppe am Ufersteg sitzt einer
betrachtet die Menschen
die vorübergehn

Sag
Matrose mit der Tätowierung am Arm
heute Küchenhilfe oben in der Kneipe
wie wird das Wetter

Dicke Luft
Schwalben fliegen zäh wie durch Milch
Möwen über dem geschwollenen Fluss
der die Fische nach unten drückt
es wird Regen geben

Du weißt viel Matrose
weshalb aber du nicht glücklich bist
weil Wissen nicht glücklich macht
denn immer streben wir danach
alles zu wissen
doch erst wenn wir nichts wissen
wissen wir alles
denn wüssten wir alles
wären wir nie gewesen
so aber lernen wir nichts zu wissen

Nein nein nein ich bin kein Professor
ich bin ein armer reicher Narr
ein weiser Irrer

Schwester schau
die Eidechse dort an der Mauer
warum flieht sie nicht
wenn Menschen schattenwerfend vorübergehn
nun
sie ist dick
und die Sonne brütet die Eier im Mutterleib aus
so setzt sie für ihre Kinder ihr Leben aufs Spiel
und gibt sich der Gefahr preis
Opfer

Oh ein Weiser ein Heiliger
welche Größe und Anmut in deinen edlen Zügen
glücklich die Eltern
die dich im Kinderwagen vorbeischieben

Hallo
junger Wandervogel auf dem Rad
heute wirst du deinen Schirm nicht brauchen
herzlich willkommen in unserer Stadt
fühl dich wie zuhause
hier lässt es sich leben
leg deine Jacke ab und pfeife durch den Tag

Kleiner Bruder
wild und verwegen siehst du aus
ja zeig es ihnen dass du lebst
und dass das Leben mehr ist als Besitz

Oh Töchter eines alten Volkes
wie schön ihr doch seid
wie wohlgeformt und hübsch
versteckt euch nicht und gebt euch nicht preis

Schwester Liebesglut
gib die Suche nicht auf
suche und du wirst finden
wie du seine Stimme erkennen sollst unter all den vielen
du wirst sie erkennen meine Freundin du wirst
er wird flüstern Schwester flüstern
vergib mir meine sentimentalen Tränen

Ehrwürdige Frauen
welcher Glanz von euch ausgeht
welch unnahbare Reinheit
habt Milde mit einem alten Taugenichts
der die Weisheit zwischen den Pflastersteinen sucht
und sein Haupt vor euch neigt

Hört
sie singen ein Ständchen
Frauen und Männerstimmen nein ein Paar
sie singen ihre Liebe und ihr Glück hinaus in die Welt
wie zärtlich sie einander umwerben
sie sinkt er steigt hinab
hört doch jetzt fliegen sie schwingen sich hinauf
jaja sie fängt ihn auf
so sind wir ewig Söhne der Mütter
vergebt mir wenn ich klatsche

Ja in der Tat da habt ihr ein besonderes Kind
so winzig noch verdreht er schon Kopf und Augen
um alles zu sehen was es zu sehen gibt
ein Suchender wird er werden
lasst ihn finden denn dies ist sein Weg

Ach Bruder aus Italien
was sorgst du dich
ja dein Sohn ist ein geballtes Bündel Temperament
ein Feuer nicht zu löschen
er ist eben wie sein Vater
die Sprache der Tränen hat er von der Mutter

Altehrwürdige Patriarchin oder besser Matriarchin
wie mutig und selbstbewusst du
die Versonnenheit eines Verrückten kreuzt
tja deine Sippe
sie hört nicht auf die Mahnung deiner Worte
sie müssen eigne Wege finden so ist das nun mal
haben sie gefunden
so kommen sie zurück

Ich lache mit euch Leute
die ihr euch lustig macht über die Taten und Untaten
eurer großen Geschwister
und doch lebt ihr in dem Raum
den sie euch erkämpft haben
nutzt ihn voll und sucht seine Grenzen
um sie erneut zu sprengen
so nur kann es weitergehen
und bleibt wie ihr seid
provokant verrückt und lieb

Ja edler Herr ich war entrückt
und der Stockschritt deiner Dame hat mich aufgeschreckt
aber deshalb ein Vergebt zu sprechen
spottet meiner
denn es ist euer Recht hier zu gehen
sei wie es sei

Alte verblichene Schönheit des Viertels
die Schenkel zu bräunen ist dein gutes Recht
aber ohne Rock durch die Gassen zu eilen
deiner unwürdig
wohin soll eine gehen bei all den vielen Leuten ich weiß
nimm dir nächstesmal einen Rock mit
dann brauchst du nicht erröten

Oh die Königin geht vorüber
gut vermummt so will sie nach dem Rechten sehn
natürlich hab ich dich erkannt Listige
keiner vor mir staunst du
sprich zu deinen Soldaten
sie sollen mich in Frieden lassen
denn ich tue niemandem Böses

Jetzt darf ich wieder in die Sonne
meine Rast ist zu Ende
ich habe Galle getrunken
wie warm und lebensspendend sie doch ist
und wie süß bleibt die Zeit verweilend
in ihrem Schein

Ja ich komm jetzt zurück zum Fest
aber erst lasst mich auf den Berg gehen
um allein zu sein dort wo die Stille wohnt
zwischen singenden Grillen und raunenden Ähren
das Feld steht herrlich wie eine Säulenhalle
wie ein wogendes Meer

Bald komme ich zurück
um unser großes Fest weiterzufeiern
in den Gassen der Stadt
in meinem Königreich


...verdammt lang her...
Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 17 Januar 2012, 16:43:33
Gab auch weniger gute Tage anno neunzehnachtundachzig...


Sterben

Alles ist längst verloren
hast du dich einmal aufgegeben kann keiner mehr dir helfen
tote Tage altvergilbter Vergangenheitsfetzen
es ist genug

Bücherlesen
es gibt so unzählig viele Worte
für eine schweigende Welt der Verstummung
ich bin leer

Müde und verlebt
ich könnte tausend Worte reden ohne Sinn
mein Gefühl starb im Dunkel des Glitzerwassers
keine greifbare Zukunft

Nichts zu sagen
nichts zu geben keine Botschaft
warum muss ich diese Tage noch erleben
wenn die meinen längst abgeschlossen sind

Meine Zeit ist um
doch die Zeit richtet sich nicht nach mir
längst bin ich gestorben
nun lebe ich endlos in den Tod hinein

Ich komme wieder
wenn alles im Chaos versinkt
und wenn die Menschen irrgeworden zu fliehen versuchen
werde ich gelassen und heiter dem Untergang entgegengehn


Titel: Re:Gedichte aus der Seelennacht
Beitrag von: Sintram am 17 Januar 2012, 17:53:20
Zum Schluss noch eins vom 23.Mai 1993, nur um die Lücke zu schließen.


Vermächtnis

Widerlegbare Thesen aufzustellen über meinem Weizenglas
zweihundertundfünfundsiebzig Kalorien wachsender Bauch
nicht gerade befriedigend aber gut genug für sogenannten Zeitvertreib
Widerlegbares kurbelt Gespräche an Unwiderlegbares würgt sie ab
dennoch alles leeres Geplapper später Gesapper

Geistreiches oh nein nichts davon nicht von mir
ihr- ihr dreht euch stetig um euch selbst wie der Planet den ihr bewohnt
eure Welt ist grade so groß wie euer Fernsehschirm oder diese immerselbe Kneipe
Gedankenräume oh nein nicht hier

Warum den vergeblichen Versuch unternehmen
Unsagbares und Unsägliches in die nichtssagenden Begriffe zu pressen
die manfrau gemeinhin Sprache nennt keine Lust
keine Lust irgend Beweislast anzuhäufen um sie Schicht für Schicht wieder abzutragen
um den Rest dieses Nichts dann Wahrheit zu nennen
um dieses Fleckchen Leben dieses verschwindend bedeutungslose Stück Zeit
aus Jahrtausenden oder was weiß ich mit dem Mantel der Wichtigkeit zu umnachten
ja umnachten

Widerlegbare Thesen Bewegung und Gegenbewegung Austausch Kommunikation
mehr ist nicht drin ist nicht geboten gibt´s nicht mehr hab ich nicht für euch
Oberfläche alles Äußere ist Oberfläche tiefer kommt euer Quatsch nicht
dumme Quasseltanten interessieren mich nicht nein ihr seid eben grade nicht interessant
nicht aufregend und nicht anziehend und nicht sexy ihr seid hohl und leer und platt
Spiegelanbeterinnen interessieren mich nicht werden mich nie interessieren haben mich nie interessiert

Ich rede dann wenn ich reden will und höre eben nur dann zu
Funken hie Trümmer da fresst meine Masken wenn ihr satt werden wollt aber verschluckt euch nicht
mein Gesicht kennt ihr nicht werdet ihr nie sehen nicht heute nicht morgen nicht gestern niemals
wenn ich schweigen will schweige ich der Vergleich mit Vollidioten ist unter meinem Level und der mit Genies
im Grunde ist es mir scheißegal was andere von mir denken oder halten oder munkeln oder zu wissen glauben
kein Einblick nicht der Schimmer davon kein Lächeln wenn mir nicht nach Lächeln ist grinse ich auch nicht
kein freundliches Wort überhaupt kein Wort wenn ich keines habe schon garnicht wenn ihr eines hören wollt
bedeutungslos seid ihr auch ohne mich ich werde euch nicht die Bedeutung meiner Beachtung geben

Ich spiele nicht mit in eurem verlogenen Spiel des gelingenden Lebens
ich rieche den Verwesungsgeruch unter den Blumenkränzen der Beweihräucherung
wichtigtuerisch vergeudet ihr eure Tage bewahrt die Facon bis euch der Lack abfällt bis die Feder bricht
aber tut es ohne mich kein Funke meines Feuers kein flackerndes Fünkchen nichts von meiner Welt
dort habt ihr weder was zu suchen noch die Möglichkeit dorthin zu gelangen ohne zu verbrennen
in Höhen und Tiefen seid ihr nicht zu finden weil ihr euch dort nicht findet euer ist das Mittelmaß
ihr klebt auf der Erde wie lehmverschmierte Regenwürmer ihr fresst Dreck und scheißt Dreck

Einzig wichtig ist euch dass ihr nicht ins Gerede kommt aber ebendort werdet ihr immer sein
weil ihr euch gegenseitig gnadenlos ortet wenn ihr auf den Strich eurer faulen Kompromisse geht
eure Wellenlänge ist grade so lang wie die Antenne eurer Stereotürme und das Kabel eurer Designerboxen
ihr verschachert eure Seele für einen Spottpreis ach was für nichts für einen lumpigen Fetzen Scheinsicherheit
alles was von euch übrigbleiben wird ist das Stück Plunder das ihr euch mühselig verdient habt
keine Spur von mir in euren Büchern in den stinkenden Ergüssen eurer Leere
kein Zeichen für niemand dass ich jemals dagewesen bin bei euch will ich nie gewesen sein
es gab mich nicht nein keine Erinnerung



Noja, war ja offenbar so richtig gut drauf seinerzeit...