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Autor Thema: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.  (Gelesen 1624 mal)

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Svvenja

  • Gast
Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« am: 20 Februar 2013, 11:46:01 »

hallo,
ich bin seit einigen Wochen in psychiatrischer Behandlung eigentlich wegen mittelgradiger Depression: es knallte mächtig beruflich innerhalb weniger Stunden und mir wurden die letzten 15 Jahre meines Lebens gnadenlos als ein Haufen Mist klar gemacht. Nebenher habe ich schon immer Probleme gehabt, die die Ärztin als Agoraphobie diagnostizierte-jedoch bezweifel ich stark, daß es das ist.
 
Ich habe keine Panik vor Menschengruppen, ich fühle mich jedoch in Menschengruppen unwohl und überfordert. Ich liebe einsame Orte, bin überhaupt am Liebsten ganz allein. Ich kann Reisen und Unternehmungen machen, aber nur wenn ich alleine bin (Auto) und nur an Orte, die ruhig sind und keine städtische Betriebsamkeit aufweisen.
Ich ruder gerne allein mit einem Ruderboot auf Seen, daß habe ich als Kind/Jugendliche schon immer geliebt.
Ich verstehe zum Beispiel nicht den Sinn darin, daß millionen Menschen, die sich nicht kennen, sich zu Hunderten in eine Dunkelkammer setzen, um sich gemeinsam einen Film anzusehen. Kino nennt man das-aha.

Ich würde nicht sagen, daß mir Menschen Panik machen. Sie überfluten nur meine Sinne und Reize und schließlich habe ich die Erfahrung gemacht, daß ich enttäuschend auf Menschen wirke. Ich lebe deshalb schon 10 Jahre allein und Beziehungen: nein - danke, nach dem ich durch eine Scheidung nach kurzer Ehe erkannte, daß dies kein Lebensmodell für mich ist. Ich bin sehr gerne allein.
Zur Zeit fallen mir aber alle Unternehmungen, häusliche sowie außerhäusliche, unheimlich schwer. Ich kann nicht schlafen, trotz Doxepin und Fluoxetin hilft mir tagsüber auch nicht wirklich. Ich weine oft spontan, weil ich das Gefühl nicht los werde, daß mein bisheriges Leben nur Mist ist, alles was ich anfasse, wird zu Mist und ich selbst bin wohl auch nur Ballast für die Menschen. Oft kommt am Ende dann der Wunsch, es wäre alles am Besten vorbei.
Draußen tobt gerade ein kleiner Schneesturm, dem könnte ich stundenlang zusehen, wie die Flocken zu Boden fallen.

Grüsse
Gespeichert

Svvenja

  • Gast
Re: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« Antwort #1 am: 20 Februar 2013, 23:29:08 »

hallo Wohlstandspudel,
danke für deine Antwort. Es ist schön, gelesen zu werden. Die Medikamente nehme ich jetzt 5 Wochen. Vielleicht muß ich da wirklich noch abwarten. In Behandlung bin ich eigentlich wegen dem depressiven Zustand gegangen. Das mit der Agoraphobie stellte die Ärztin nebenbei fest, weil ich auf Frage schilderte, daß ich keine Freunde habe, an keiner Beziehung interessiert bin und Menschen auf mich beunruhigend wirken. Damit lebe ich aber schon seit Kindheit an und es stellte für mich nie ein größeres Problem dar. Nebensächlich daran ist, daß mich andere Menschen vielleicht merkwürdig, andersdenkend und zuweilen taktlos empfinden. Beurteilt wurde ich überall als ruhige und freundliche Zeitgenossin. Ich glaube nicht an die Agoraphobie.
Für eine Therapie stehe ich auf einer Warteliste, bei der sich in spätestens 2 Wochen etwas tun sollte. Dann erfahre ich vielleicht auch mehr über diese Agoraphobiegeschichte.

Wirklich alleine bin eigentlich nicht, niemand ist wirklich ganz allein. Ich habe zwei Töchter, von denen die Große schon ausgezogen ist und mir einen Enkel geschenkt hat. Die jüngere Tochter werde ich noch eine Weile bei mir haben. Sie ist schwerbehindert (nicht schwerstbehindert) und sie braucht etwas länger, um selbständig ins Leben zu finden. Aber ich habe diesbezüglich auch keine Loslassängste, wie andere Mütter haben, wenn die Kinder plötzlich das Nest verlassen. Ich freue mich auf den Tag, an dem auch meine Jüngste endgültig auf eigenen Beinen steht.

Fakt ist, daß die Depression nicht in Verbindung mit der Agoraphobie steht, wenn es denn eine ist. Denn ich habe selbst auch keinen Behandlungsbedarf bezüglich meiner Zurückgezogenheit je in meinem Leben gespürt. Es kommt nicht daher, daß ich vielleicht großen Enttäuschungen ausgesetzt gewesen wäre oder kein Vertrauen in andere Menschen hätte, weil mein Vertrauen irgendwann missbraucht wurde. Es ist genau anders herum.

Grüsse
Gespeichert

stumm

  • Gast
Re: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« Antwort #2 am: 22 Februar 2013, 07:19:56 »

willkommen bei uns :-)

deine beiträge beschäftigen mich, weil es so ungefähr auch bei mir ist
ich mag die menschen nicht, sie sind nicht meine freunde
es ist nicht so, dass sie mich unmittelbar in panik versetzen
aber auch nicht so, dass ich mich unter ihnen wohl fühlen würde
es ist nicht so, dass ich sie meiden würde
aber ebend auch nicht so, dass ich ich kontakt suche
und es gibt durchaus einzelne menschen welche ich als angenehm empfinde

einige sätze von dir verstehe ich nicht

...,,...es knallte mächtig beruflich innerhalb weniger Stunden und mir wurden die letzten 15 Jahre meines Lebens gnadenlos als ein Haufen Mist klar gemacht,,...

wer hat dir klar gemacht, dass dein leben die letzten 15 jahre ein haufen mist war??
und woran hat sie das festgemacht?

...,,...und schließlich habe ich die Erfahrung gemacht, daß ich enttäuschend auf Menschen wirke,,...

also ich denke, dass jeder mensch schon mal einen anderen in irgendeiner art enttäuscht hat, sicherlich nicht mit absicht
wie auch immer, kommunikationsprobleme, zu hohe erwartungen
aber, dass jemand immerzu und in allen lebenslagen alle andere menschen enttäuscht, habe ich noch nicht erlebt
kannst du von deinen erfahrungen berichten?

...,,Nebensächlich daran ist, daß mich andere Menschen vielleicht merkwürdig, andersdenkend und zuweilen taktlos empfinden. Beurteilt wurde ich überall als ruhige und freundliche Zeitgenossin.,,...

hier scheinen dein empfinden und das deiner mitmenschen nicht überein zu stimmen
wie kommst du drauf, dass andere dich so empfinden würden?
und wie kommt es, dass dein empfinden und die beurteilungen anderer menschen so unterschiedlich sind?

und nun die aussage welche bei mir die allergrößten fragezeichen im kopf macht

...,,Es kommt nicht daher, daß ich vielleicht großen Enttäuschungen ausgesetzt gewesen wäre oder kein Vertrauen in andere Menschen hätte, weil mein Vertrauen irgendwann missbraucht wurde. Es ist genau anders herum.,,...

das klingt nicht gut und sehr abwertend dir selbst gegenüber
kannst du es erklären?

und nun zu deiner ,,diagnose,,
viele wollen unbedingt eine diagnose
sie haben gefühle und verhaltensweisen welche sie nicht einordnen können und wollen diese in eine kiste packen
einen deckel drauf
und ein ziel
das ziel genau diese diagnose zu behandeln
einen namen für ihre beschwerden
aber so einfach ist das nicht

die seele lässt sich nicht so einfach in schächtelchen packen
alles gehört zusammen und greift irgendwie ineinander

nun haben sie also einige deiner gefühle und verhaltensweisen in ne schachtel gepackt
und nen namen da drauf geschrieben
du sagts der name gehört da nicht drauf
welcher name gehört da drauf?

ich sag dir was
hol die gefühle und verhaltensweisen wieder raus aus dieser kiste und verknüpfe sie mit all deinen anderen gefühlen
vielleicht findest du so den passenden namen

für mich persönlichen waren diagnosen nie wichtig
es ist mir egal was sie da auf die kisten schreiben
sie haben zu mir gesagt:,,was sie da über ihr leben berichten klingt sehr einsam,,
joar stimmt, es ist einsam
nur in dem tonfall wie die ärztin das sagte machte das wort einsam den eindruck als sei es gleichzusetzen mit der pest
ich empfinde einsam als nichts negatives
ganz im gegenteil ich empfinde es als ungemein beruhigend
Gespeichert

Svvenja

  • Gast
Re: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« Antwort #3 am: 22 Februar 2013, 14:01:37 »

hallo stumm,
du hast soviel geschrieben, daß es dein Nick gar nicht erwarten läßt. ;-)
Beruflich waren meine langjährigen Kollegen und ich im letzten Jahr überdimensionalem Stress ausgesetzt, der jeden Kollegen sehr an die Grenze des Machbaren brachte. Die Stimmung sank ins bodenlose und jeder war immerzu angepieckt. Dann plötzlich wurde gehetzt, genervt und hinterm Rücken hergezogen, daß sich die Balken bogen. Dieses eskalierte und ich wurde (auch und gerade von langjährigen Kollegen) an meiner dünnsten Stelle gepackt: 'Du brauchtest schon immer Sonderbehandlung...keine Früh- und Spätdienste, immer eine Extrawurst usw. usw.' Fakt ist, daß ich durch meine Scheidung vor 15 Jahren alleine da stand mit zwei kleinen Kindern. Ich hatte niemanden zu Hause, um Früh- und Spätdienste zu machen, ständig war was mit den Kindern. Meine Große versuchte sich dann mit 15 J. umzubringen und meine Jüngste ist mit schweren Krankheiten, mehrmaligen Krankenhausaufenthalten und Gehirnfunktionsstörungen gezeichnet. Es ist gar nicht gut, daß ich das hier schreibe. Alles kommt hoch! Niemand hat in all den Jahren erwähnt, daß es ein Problem wäre und auf einmal kam sowas. Ein Kollege hat vor Jahren angeblich wegen mir einen Versetzungsantrag gestellt? Es ging wirklich sehr hart zu Sache. Ich weiß nicht, in welcher Welt ich vorher war, aber diese JETZT ist es nicht. Vielleicht haben sie aber Recht, vielleicht bin ich wirklich an allem Schuld.
Enttäuschend wirke ich auf andere Menschen grundsätzlich, weil ich eben nicht den Sinn darin sehe, mit anderen Zeit zu verbringen-wofür? Ich sage Einladungen ab, beteiligte mich nie an Konzertbesuchen, Partys, Kino oder Betriebsausflügen. Mich interessieren keine Schauspieler oder Bestsellerbücher und ich will auch nicht wissen, wer wo wann in welches Musical geht und ob Urlaub in der Türkei einem Urlaub bei den Griechen vor zu ziehen ist. Das alles ist mir völlig egal. Vor allem nervt es, wenn Menschen mit Phantastereien versuchen, sich hervorzutun. Genau das finden andere an mir eben anders. In schriftlichen Zeugnissen stehe ich immer als ruhig und freundlich drin.
Ich bin im Leben noch nie groß enttäuscht worden, wahrscheinlich weil ich auch nicht viel von anderen erwarte. Selbst die Situation auf der Arbeit war genau genommen irgendwann einmal fällig. Mein Leben ist eben von Ausnahmezuständen geprägt, die ich nicht verhindern konnte und natürlich verstehe ich, daß es anderen zur Last gefallen sein mußte. Ändern kann ich es aber nicht, so weh es auch tut. Allerdings bin ich an einem Punkt, an dem zu beenden es eine Option wäre.
Agoraphobie paßt nicht wirklich finde ich. Es gibt keine Orte, die mir Angst machen. Menschen empfinde ich nur in Massen betrachtet, unangenehm. Nicht weil ich Angst davor hätte mich zu blamieren-das ist mir nun wirklich total egal. Denn in so einer Menschenmasse blamieren sich vor mir noch mindestens 10 andere. Es ist interessant, wie viele Menschen so tun, als wären sie unsterblich. Mag der Mensch ein Herdentier sein, ich war es nie und werde es nie. Ist das wirklich Agoraphobie?

Ich habe über eine Stunde gebraucht, um das zu schreiben. Es war schwer und kostete 3 Zigarettenpausen und eine Menge Zewa.

Grüsse
Gespeichert

stumm

  • Gast
Re: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« Antwort #4 am: 22 Februar 2013, 14:56:54 »

wow
respekt vor deinem schonungslosem schreiben :-)
*ne packung tempos rüberschieb*

ja eigentlich ist das reden nicht so meine sache
das reden über mich ....
ansonsten geht,s so *gg

okay versuchen wir,s mal auseinander zu fädeln

du hast 15 jahre lang keine früh- und spätschichten gemacht
nicht etwa weil du zu faul für warst, sondern ebend weil du wirklich genug zu tun hattest
weil es keine andere möglichkeit gibt arbeit und kinder gleichermassen zu erledigen
du persönlich empfindest es nicht als problem keine früh-und spätschichten zu arbeiten
nun lass es nicht zu deinem machen!!!
es ist ihr problem und sie können dir gern mitteilen, dass sie ein problem damit haben
aber
es ist ihres, nicht deins!!!
du musst nicht die probleme anderer menschen lösen damit diese zufrieden sind
wenn,s ihnen nicht passt können sie,s ja so machen wie besagter kollege welcher versetzungsantrag stellte
sie müssen dir kein verständniss entgegen bringen
aber
sie sollten auch nicht ihre sorgen zu deinen machen
das du ihre aussagen verstehen kannst ist eine sache, ihre probleme zu deinem machen zu lassen eine andere
und du solltest alle versuche ihrerseits nicht zu lassen

ich verstehe, dass ihre vorwürfe schmerzen
dass keinerlei verständniss da ist
dass 15 jahre lang so getan wurde als sei es völlig okay so
und dann in stresssituationen wege gesucht werden um anderen, in diesem falle dir, vorwürfe zu machen
ich verstehe, dass du enttäuscht bist
aber du bist es nicht von dir, sondern von ihnen
nicht verwechseln!!

und nein sie haben nicht recht, du bist nicht an allem selber schuld
kein mensch ist an allem selber schuld
und wenn du ganz ruhig und tief in dich reinhörst weisst du auch :
kein mensch ist an allem selber schuld

du verdienst meinen respekt du hast viel erreicht
2 kinder, davon eins schwer krank, allein groß zu ziehen ist echt ne leistung
warum kannst du das nicht sehen?
 
hm naja in bezug auf menschen und deren verschiedenen aktivitäten bin ich wohl nicht der richtige ansprechpartner
ich seh es so wie du,...naja so ähnlich
ob es nun gut und gesund und richtig so ist weiss ich nicht
aber
ich habe deshalb keinerlei leidensdruck und deshalb benötige ich diesbezüglich keine diagnose, weil ich es ebend nicht als behandlungsbedürftig sehe

wir hier sind alles keine ärzte
von daher wäre es fatal hier diagnosen zu stellen oder auch in frage zu stellen
wir können nur unsere meinung schreiben
und meine meinung ist
wenn du sagst es ist keine agoraphobie, wenn es dein gefühl ist, dass diese diagnose so gar nicht zu dir passt
dann solltest du das auch deiner ärztin gegenüber deutlich sagen und begründen
und ich finde du kannst das ganz gut
hier jedenfalls hast du dich sehr verständlich ausgedrückt :-)

nachdem du hier dein innerstes nach aussen gekrempelt hast
dieses teuer bezahlt hast in form von ,,jeder menge,, ziggis und zewa
möchte ich dir danken für deine ehrlichkeit :-)

und nein es ist keine option

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missing

  • Gast
Re: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« Antwort #5 am: 23 Februar 2013, 01:28:38 »

Hallo Svvenja,

erst mal: willkommen im Forum!
(Und: Zewas sind in Mengen benutzt zu rauh - nimm Tempos & Co ...;)

Stumm spricht mir aus der Seele; sehe ich genau so.

Ich bin natürlich auch kein Fachmann, aber für mein Laienverständnis klingt deine Beschreibung so sehr nach Agoraphobie wie unser Wetter sich im Moment nach Sommer anfühlt :-0 Als Laie würde ich da eher über "soziale Phobie" grübeln, wenn überhaupt. Aber wie Stumm schon sagt: was ist eine Diagnose, also eine "treffsichere Benennung" wert - und was hilft oder bewirkt die?! Wesentlich sind allein die Gegebenheiten. Ich würde einfach hoffen und davon ausgehen, dass die in deiner Therapie in jedem Falle richtig gewichtet und gewürdigt werden. Mach dich also wegen dieser Frage nicht nervös!

Fakt ist, daß die Depression nicht in Verbindung mit der Agoraphobie steht, wenn es denn eine ist. Denn ich habe selbst auch keinen Behandlungsbedarf bezüglich meiner Zurückgezogenheit je in meinem Leben gespürt.

Bist du dir da sicher...??

Ich kann deine Beschreibung, wie du dich zu anderen Menschen "distanzierst", verdammt gut nachvollziehen: passt fast punktgenau auch auf mich! Ich war immer eher der "Einzelkämpfer", und eine Abendtau-Wiese am Waldrand ist ehrlicher als eine Menschenmeute ... Die langjährigen Depressionen haben dann bei mir noch mal unfreiwillig zu verstärkterem sozialen Rückzug geführt, so dass heute quasi "fast niemand mehr übrig ist". Aber genau DAS hat fatale Auswirkungen, die ich vorher nie so geahnt hätte ...:

Ich zumindest hab die Erfahrung machen müssen, dass Austausch enorm wichtig ist für ein halbwegs gesundes oder ausgeglichen-zufriedenes Befinden! Wenn einen von außen nichts und niemand positiv inspiriert, gewinnen die Probleme schnell an Übergewicht ... - Ich denke, du wirst zwar allerhand soziale Kontakte haben, alleine schon durch die Arbeit und wegen deiner Kinder. Aber sind darunter Menschen, die dir in irgendeiner Art Rückhalt geben? Oder Bestätigung, Zuspruch, oder Inspiration?? - Ich zweifle, dass man man im Leben ganz ohne all das klar kommt ...

Enttäuschend wirke ich auf andere Menschen grundsätzlich, weil ich eben nicht den Sinn darin sehe, mit anderen Zeit zu verbringen-wofür? Ich sage Einladungen ab, beteiligte mich nie an Konzertbesuchen, Partys, Kino oder Betriebsausflügen. Mich interessieren keine Schauspieler oder Bestsellerbücher und ich will auch nicht wissen, wer wo wann in welches Musical geht und ob Urlaub in der Türkei einem Urlaub bei den Griechen vor zu ziehen ist. Das alles ist mir völlig egal. Vor allem nervt es, wenn Menschen mit Phantastereien versuchen, sich hervorzutun.

Mag sein, dass dadurch manche Menschen von dir enttäuscht sind - aber "ent-täuscht" bedeutet wörtlich gesehen, dass sie sich ein Bild von dir gemacht oder erhofft haben, das eben so nicht zutrifft. Ergo: es ist IHR Problem, wenn sie ihre eigenen Wertvorstellungen zwangsweise auf dich projizieren - nicht deins!! Auch wenn 90% der Menschen fröhlich-flockig an rumtataaa-Events teilnehmen: es ist keine zwingende Norm, der man genügen muss! Im Gegenteil: die Welt wird nicht reicher durch heuchlerische Zwänge, Herdentiere und Alleinunterhalter - sondern durch Menschen, die ihre Gefühle, Werte und Überzeugungen vertreten bzw. die sich nicht ständig verbiegen. Es ist völlig ok, wenn du da deinen Weg gehst!

Und, wie Stumm auch schon sagt: du hattest dir die Gründe für die ausbleibenden Schichtdienste ja nicht ausgesucht. War das den Kollegen so deutlich bekannt? Falls ja: dann weißt du jetzt, was du von ihnen zu halten hast, wenn sie dir das nun vorwerfen! Anders kann man es eigentlich kaum sehen ...

Lass dich nicht runtermachen, Svvenja! Aber bleib dran an der Therapie: ich denke, sie kann nur hilfreich sein für dich. Und, ...aus eigener Erfahrung..., geh noch mal tief in dich, was das Thema "Menschen vs. Einsamkeit" bzw. die sozialen Kontakte und all das angeht.

Liebe Grüße, missing
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Epines

  • Gast
Re: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« Antwort #6 am: 23 Februar 2013, 02:59:45 »

Hallo liebe Svvenja und Mitlesende

Nachdem ich deine offenen Zeilen gelesen und etwas aus deinem Leben erfahren habe, sehe ich dich als Frau, die erwerbstätig ist, es schafft alleine zwei Kinder aufzuziehen, den ganzen Haushalt schmeißt, ein Kind hat das angeschlagen ist und viel Betreuung braucht und Sorgen um einen Teenager haben muss,  der gerade viel Probleme mit sich selber hat.

Da ich mir gut vorstellen kann wie gross dadurch die Arbeits- und Nervenbelastungen sind, denen du permanent ausgesetzt bist, hast du meinen vollen Respekt!
Im Grunde verstehe ich warum dich kaum andere Freizeitvergnügen interessieren, denn wo ist denn für diese noch Platz in deinem Leben?

Mir geht es auch oft so, meine Tage sind durch die Arbeit bis manchmal tief in die Nacht hinein so ausgefüllt, dass ich echt kaum noch Lust habe, mich mit jemandem zu treffen und ausgehen? Also ich weiss nicht wann ich zum letzten Mal ausgegangen bin. Besuch empfinde ich oft als Belastung, es wird mir einfach zu viel, nicht weil ich Menschen oder Geselligkeit nicht mag, sondern einfach weil dies zusätzlichen Stress bedeutet (putzen, aufräumen, kochen usw.) und die eigentliche Arbeit dann liegen bleibt und ich danach noch mehr arbeiten muss. Mich stresst es im Voraus Termine und Treffen abzumachen, weil an diesen Tagen die Sonne scheinen könnte und ich dadurch blockiert bin und dann am Tag danach das Wetter umschlagen könnte (Murphys Gesetz) und ich dann im Regen arbeiten muss (ich arbeite mehrheitlich draussen).

Urlaub, was ist das? Alleine der Gedanke in Griechenland, oder der Türkei am Strand zu liegen langweilt mich schon… und dann auch noch dahin zu fliegen und mich mit Leuten unterhalten zu müssen die ich nicht kenne und auch keine Lust habe sie kennen zu lernen, ne du, das ist auch für mich nichts.

Dann lebe ich alleine, was kaum einer versteht, also ohne Partner und dies beschäftigt das ganze Dorf. Die alleinstehenden Männer machen sich Hoffnungen und die verheirateten Frauen haben Angst ich würde ihre Männer verführen, na ja…
Auf die Idee, dass man gerne alleine lebt, also keine Beziehung will, kommt keiner.
Mit mir stimmt vermutlich etwas nicht, es ist doch nicht normal, dass man gerne alleine ist…, na ja sie haben im Grunde Recht.
Eine Beziehung würde noch mehr Stress und Aufwand bedeuten und das tue ich mir im Moment einfach nicht an.

Wie du siehst geht es mir ähnlich. Oft zwinge ich mich am Gesellschaftsleben teil zu nehmen, aber durch deine Zeilen zum Denken angeregt, frage ich mich warum? Wem außer mir selbst muss ich ständig etwas beweisen, wem Rechenschaft ablegen was ich tue oder was ich lasse?

Als Teenager und junge Erwachsene hatte ich Phobien, die ich heute mehr oder weniger erfolgreich im Griff habe. Ich habe also keine Panik mehr in Menschenmengen, kann heute alleine ein Restaurant aufsuchen, kann auch in öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und kann Theater und Kinos besuchen. Ich lasse mir auch keine Vermeidungshaltung mehr unterstellen, nur weil ich diese Dinge selten bis gar nie tue. Ich wüsste gar nicht was ich im Kino soll :-), wenn ich einen Film sehen möchte kann ich dies zu Hause ohne großen Aufwand ebenso.

Stumm hat vieles geschrieben dem ich auch beipflichten kann.

Arbeitskollegen die sich jahrelang ärgerten, dass du eine Sonderstellung hattest und heimlich geschmollt und nie offen und ehrlich ausgesprochen haben was sie nervt, sind meiner Meinung nach selber schuld und du bist in keinster Weise für ihre schlechten Gefühle verantwortlich.
Es ist bestimmt der enormen Stresssituation die du erwähnt hast zu verdanken, dass sie ausgesprochen haben was sie scheinbar seit langem stört, aber wie die alte Fasnacht hinterher zu motzen und vorher nie den Mund aufzumachen, zeugt von mangelnder Courage. Dies zeigt auch die Erwähnung des Kollegen, der angeblich wegen dir gegangen ist. Er ist gegangen, weil er mit den Arbeitsbedingungen nicht einverstanden war, mit dir hat dies wohl wenig zu tun, denn sonst hätte er es ja klären können.

Wenn Mitarbeiter nie etwas sagen, dann entsteht natürlich der Eindruck, dass sie mit ihren Arbeitszeiten einverstanden sind, ansonsten kann man von erwachsenen Leuten nämlich Offenheit erwarten.
Falls du es noch nicht getan hast, würde ich sie darauf ansprechen und ihnen sagen, dass du nach ihrem jahrelangem Schweigen angenommen hast, dass alles in Ordnung sei. Hier können klärende und offene Gespräche sicherlich einiges bewirken, um das Arbeitsklima künftig zu verbessern und bestimmt gibt es auch Dinge die dir nicht gepasst haben und über die du auch einfach hinweg gesehen hast und die du bei dieser Gelegenheit ebenfalls ansprechen könntest.

Für mich sieht es so aus, als ob sie in dir den Sündenbock für ihre eigene Frustration gefunden haben. Lass dich ja nicht mit ihrer Last auf dem Buckel in die Wüste jagen!

Betreffend Schichtarbeit kenne ich viele die über die Schicht motzen, aber das zusätzliche Geld nehmen sie  gerne. In einigen Betrieben, schmollen die Arbeitnehmer, wenn man ihnen zu wenig Nachtstunden einteilt, weil dies dann ja  auch weniger Geld bedeutet...

Von Menschen nichts zu erwarten sehe ich als sehr gute Einstellung an!
Dadurch wird man zweifellos weniger enttäuscht und die Leute um uns, stehen nicht permanent unter Leistungsdruck. Alles was kommt kann man dann im Grunde als Geschenk sehen.

Ich selbst bin früher in solchen Situationen, wo ich beschuldigt und kritisiert wurde, egal ob zu Unrecht oder nicht, meist davon gelaufen und oft tief gefallen, so dass ich keine Lust mehr hatte und den Sinn meines Lebens erneut in Frage stellte. Aber mit den Jahren habe ich gelernt nicht mehr alles zu schlucken und zu mir zu stehen,  Frust auszuhalten, Kritik nicht nur negativ, sondern auch als positive Hilfe zu betrachten, die Veränderungen herbei führen kann, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist.

Agoraphobie oder nicht? Im Grunde kann man alle Menschen die nicht besonders gesellig sind, oder für Geselligkeit keine Zeit aufwenden wollen, in diese Schublade stecken. Soll doch dein Thera von dir halten was sie möchte, Hauptsache du weißt was du willst und was dir gut tut!

Alles Liebe
Epines
Gespeichert

Svvenja

  • Gast
Re: Agoraphobie? Irgendwie verstehe ich das nicht.
« Antwort #7 am: 23 Februar 2013, 13:38:45 »

hallo,
habt alle lieben Dank. Momentan komme ich gegen das Stressventil der Kollegen nicht an. Gespräche hat es zur genüge gegeben. Zur Zeit kann ich mich dem auch nicht weiter aussetzen, da bei mir ganz klar Endzeitgedanken vorherrschen. In Behandlung habe ich mich begeben, weil ich schon seit längerer Zeit erkannte, daß ich mich nicht mehr erholen kann, mich nichts mehr erfreut, ich mir selbst die größte Last bin und ich nichts dagegen tun kann. Ich schaffe alleine nicht mehr, das zu bewältigen.
Agoraphobiker waren in meiner Vorstellung immer panische Menschen, die Todesängste in Situationen haben, die sie selbst nicht beeinflussen können und deshalb nicht steuerbare Situationen meiden, bis hin zur Isolation in der häuslichen Umgebung, daß sie das Haus nicht mehr verlassen. Vielleicht war meine Vorstellung davon auch falsch.
Das Verhalten, daß ich jedoch habe, hatte ich schon immer und macht mich nicht panisch. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß ich mich an meine Wohnung fesseln würde. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, was Agoraphobiker wirklich durch machen.
Ich danke euch, für eure Anregungen zur Agoraphobie, denn ich bekam ungefragt den Diagnosenamen für ein Verhalten, mit dem ich schon immer lebte und das ich nicht als Krankheit verstehe. Das hat mich sehr verwirrt. In der Therapie (hoffe, daß sie bald beginnt) muß ich da nochmal genau nach haken. Ich bin doch nur ein introvertierter Mensch-dachte ich.

Grüsse
Gespeichert
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