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Mama

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Ina:
 
Mama  † 22.01.2021

Bestimmt möchte ich Dir irgendwann etwas schreiben.
Nicht heute, aber einen Platz sollst Du hier schon einmal bekommen. "Trotz allem"...

Meine Kerze für Dich brennt jetzt – und das wird sie bestimmt die ganze Nacht über.
Ein Foto von "Deinem" Himmel – dem heutigen Abendhimmel – steht daneben.
 

Ina:
 
Einschlafen dürfen, wenn man müde ist, und eine Last fallen lassen dürfen, die man sehr lange getragen hat, das ist eine tröstliche, eine wunderbare Sache.

(Hermann Hesse)
 

Ina:
 
Für Mama

Ringsherum liegt kaltes Weiß
Das flöckchenweise niederfiel
Bei Nacht kam's unerwartet-leis'
Das klirrend-winterliche Spiel

Trotz Kuscheldecken friere ich
Vielmehr jedoch tief innerlich
Es ist die Trauer, die mich quält
Weil's Schicksal Dich hat auserwählt

In den Himmel Dich zu senden
Zu Deinen Engeln, die Du liebst
Erdendasein musste enden
Weil zu viel Krankheit in Dir blieb

Welten haben sich verschoben
Schaust Du wohl auf uns von oben?
Bist Du es, die die Flocken streut
Als Zeichen Deiner Landung heut'?

So wie das Weiß stammt aus der Ferne
Kullern Tränen durch die Seele
Gedenk ich Dir mit Blick zum Sterne
Schnürt's dem Kind auch zu die Kehle


01.02.2021
 

Ina:
 
Dienstag findet die Kremation statt, die Einäscherung. Ständig muss ich daran denken – und finde diesen Gedanken fürchterlich. Aber es geht ja nicht anders.

Samstag fahren wir an die Küste, an die Nordsee. Wir werden Dir Deinen Wunsch erfüllen und Dich dem ewigen Meer übergeben. Dem Meer, das Du so liebtest...
 

Ina:
 
Genau vier Wochen ist es jetzt her, dass Du gegangen bist...


Du hast mir nie gefehlt, ich habe Dich nie vermisst. Höchstens die "kleine Ina" hat sich nach ihrer Mama gesehnt, wenn sie durch irgendetwas getriggert wurde. Aber nicht ich.
Es war gut für mich, auf Distanz zu gehen, mich von Dir zu lösen und ohne Dich zu sein. Es war besser so – es war nötig, um den Schmerz nach und nach loslassen zu können.
Wahrscheinlich war es der schwierigste, aber wichtigste Schritt in meinem bisherigen Leben. Für mich. Für mich und meine Seele, für mich und mein Leben.
Endlich raus aus der Abhängigkeit. Nur die "kleine Ina", die war und ist nach wie vor abhängig von Dir.
Aber MIR hast Du NICHT gefehlt, das kann ich ganz ehrlich so sagen.

Und jetzt sieht das plötzlich anders aus...
Jetzt bist Du gegangen – für immer – und ich wünsche mir so sehr, Dich noch einmal zu sehen und mit Dir zu sprechen...
Es war immer mein Plan, den ich im Hinterkopf hatte, Dich irgendwann wiederzusehen und in Ruhe und sachlich mit Dir zu reden.
Reden... Über früher. Über das, was mich gekränkt, verletzt und traumatisiert hat.
Reden... Über das, was ich erleben musste – mit Dir oder wegen Dir.
Am meisten habe ich mir Einsicht von Dir gewünscht. Vielleicht auch eine Entschuldigung.
Und selbst wenn Du Dich uneinsichtig gezeigt hättest: Dass Du wenigstens verstanden hättest, dass mich das alles krank gemacht hat.

So ein Gespräch mit Dir hätte ich nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt führen können, sondern erst dann, wenn ich wirklich bereit dafür gewesen wäre.
Und auch erst dann, wenn DU bereit gewesen wärst, Dich mit klarem Verstand darauf hättest einlassen können. Mit dem Willen, dass wir irgendwie auf einen Nenner kommen.

Es wird kein Gespräch mehr geben können. Ich hätte es gebraucht...
Gebraucht, um mich zu ordnen, um zu verarbeiten und vielleicht auch um zu lernen, die Dinge anders zu betrachten und zu bewerten.
Es wird nun alles in mir bleiben müssen. Du bist nicht mehr da – wir können nicht mehr reden. Wahrscheinlich nicht...



Man erzählte mir etwas von Vergebung und dass vergeben nicht mit verzeihen gleichzusetzen ist.
Vergebung – dieses Wort, mit allem was dahintersteckt, ist mir zu groß. Es passt nicht in mein Weltbild, meine Gedanken und meine Sicht auf das Leben.

Man sprach mit mir über Gott und über die Liebe. Ein guter Austausch, der mich gedanklich vielleicht sogar ein bisschen weitergebracht hat.

Man riet mir, mit Dir zu sprechen. "Sprich doch einfach zu Deiner Mutter.", hieß es.
Ich würde es gerne versuchen – es war ein einfacher und doch so guter Rat.
Aber ich kann nicht. Noch nicht. Die Angst davor ist zu groß.
 

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