Mein Leben zog so also dahin, ich fing ne Ausbildung an. Spaß machte es mir nicht, im Gegenteil. Ich hasste den Job. Bei dem Gedanken das mein ganzes Leben zu machen wurde mir Schlecht. Meine Freundin gab mir damals ein bisschen Stabilität, immerhin kam keine Vorladung zum Gericht oder zur Polizeiwache mehr ins Haus. Zufriedenheit ist anders, aber es war ein bisschen was
Dann kam die Zeit wo wir uns öfters Stritten und dann der Tag wo sie die Beziehung beendete. Keine Woche später war sie mit einem Kameraden von mir zusammen. Ich sah sie also noch ständig in unseren Kneipen, auf den Konzerten, immer mit ihm, knutschend, kuschelnd, streichelnd, verliebt. Das war die Zeit wo ich dann nur noch besoffen war, ständig auf Arbeit fehlte und die erste Vorladung wieder ins Haus flatterte. Tief in mir wusste ich immer dass diese Szene totaler Mist ist, aber wenn ich aussteige wäre ich wieder alleine. Meine Mutter sagte mir sie mache das nicht mehr mit, ich solle meine Koffer packen. Es ist nicht so dass ich bis dahin nie über Selbstmord nachgedacht hätte
Die ersten Selbstmordgedanken hatte ich schon früh in der Schule. Doch dann kam DER Morgen, statt zur arbeit fuhr ich zur Tanke, holte mir Alk und fuhr erst einmal zu einem abgelegenen Plätzchen. Die Straße und den Baum hatte ich mir schon ausgesucht
ich fuhr fast täglich dran vorbei und mehrmals war mir schon in den Sinn gekommen das wenn da mal ein Auto dagegen kracht der Fahrer das nicht überleben würde. Zweimal fuhr ich dann an dem Baum doch noch vorbei, beim dritten Mal peilte ich den Baum an, machte die Augen zu und gab Vollgas. Die nächsten Erinnerungen sind nur Rauch, Schmerzen und meine eigenen Schreie. Dunkel erinnere ich mich das ich auf ner Trage liege, es ist nicht unbedingt so das ich die Schmerzen wirklich gespürt hätte, es war mehr so das ich GEWUSST habe das es schrecklich weh tut. Ich denke irgendeine Schutzfunktion im Gehirn hat die Schmerzen ausgekoppelt, an meine Schmerzensschreie erinnere ich mich trotz allem noch sehr gut. In meinen Träumen kommen sie immer wieder. Nach zwei Wochen im Künstlichen Koma wurde ich auf der Intensivstation aufgeweckt, die Schmerzen brachen wieder über mich herein bis zur ersten Morphiumspritze, dann schlief ich wieder. Es dauerte noch drei Monate bis ich wieder aufstehen durfte, unzählige Operationen da meine Verbrannten Beine die Künstliche Haut abstießen und die Ärzte eine Eigenhautverpflanzung durchführen mussten. Die unzähligen Brüche machten das nicht einfacher. Nach diesen drei Monaten wo ich nur im Bett auf dem Rücken lag und zwei mal am Tag gewendet wurde das ich mich nicht wund liege stand immerhin fest das ich nicht im Rollstuhl gefesselt sein würde und auch kein Bein amputiert werden musste. Mein rechtes Bein war ziemlich zermatscht, das stand lang auf der Kippe. Diese drei Monate waren die Hölle
den ganzen Tag liegen, sich selbst kaum bewegen können. Schmerzen, ein Meer aus Schmerzen
Und immer wieder gesagt zu bekommen wie viel Glück ich doch hatte. Warum ich das überhaupt getan hätte. Ich würde doch eine neue Freundin kennen lernen. Meine Familie war natürlich tief Betroffen, doch es ist auch nach wie vor ein Tabuthema. Gesprochen wurde und wird darüber nie. Nach weiteren vier Monaten hatte ich das laufen wieder soweit gelernt das ich mich mit zwei Krücken selbst bewegen konnte und vom Morphium war ich auch soweit entwöhnt. Es gab nur noch Schmerztabletten. Da kam mein erster richtiger Krankenhauskoller, Nächtelang hab ich nur noch geweint und mich gefragt Warum? Warum hab ich überlebt? Warum nur? Wäre ich angeschnallt gewesen wäre ich Tod. Ruhe, endlich Ruhe. Man schickte mich zwei Wochen nach Hause. Danach war ich wieder knapp drei Monate im Krankenhaus. Danach vier Wochen in Kur. Damals wurde ich natürlich Psychiatrisch betreut, wirklich was gebracht hats mir nicht. Viel Interesse schien der Krankenhauspsychologe auch nicht an mir zu haben. Ich lernte im Krankenhaus eine neue Freundin kennen, wie ein Engel erschien sie mir damals. In meiner dunkelsten Stunde kam sie zu mir und gab mir Halt und Liebe. Verständnis. Die Beziehung zerbrach ca. zwei Monate nachdem ich endgültig aus dem Krankenhaus draußen war. Ich kann es ihr heute nicht verübeln, sie war jung, wollte das Leben genießen. Ich mit Krücken konnte nicht viel machen, klammerte zu sehr. War zu vereinnahmend. Sie lernte im Urlaub einen anderen kennen, tja nach dem Urlaub machte sie Schluss mit mir, auch wenn es ihr sicherlich nicht einfach viel. Es dauerte noch zwei Jahre, dann konnte ich eine Umschulung anfangen. Hatte mir einen neuen, wenn auch sehr kleinen Freundeskreis aufgebaut. Aus der rechten Szene war ich immerhin draußen. Nur das normale Leben fiel mir schwer, die alte Zeit war einfach zu prägsam. Es dauerte lange bis ich mich unter Menschen traute, ich humpelte, war verletzlich. Immer abschätzend bei Gruppen, immer das Gefühl alle Blicke auf mir zu haben.
Ein paar Wochen bevor ich die Umschulung beginnen sollte erhängte sich mein Vater im Speicher. Das klopfen und rumpeln verfolgt mich ebenfalls in meinen Träumen. Damals konnte ich es nicht direkt zuordnen, oder wollte ich es nicht zuordnen? Ich weis es nicht
Das klopfen war als er den Nagel einschlug, das rumpeln als er vom Stuhl sprang. Bei dem Klopfen dachte ich noch er repariert irgendetwas. Beim Poltern war mir schlagartig bewusst was nun passiert ist. Ich suchte ihn noch im Haus, da er schon Tage vorher wieder Andeutungen gemacht hatte er würde sich am liebsten erhängen. Ich versuchte damals mit ihm darüber zu reden, mich mit ihm auszutauschen, aber auch er sagte immer er wolle doch nur Ruhe, Ruhe vor seinen Gedanken, Ruhe vor seinen Träumen. Einfach nur Ruhe. Ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte, versand ich doch nur zu gut was er meinte. In den Speicher schaute ich damals nicht, ich weis nicht warum. Heute Glaube ich es war die Vorahnung ihn dort hängen zu sehen. Das hätte ich nicht verkraftet ihn so zu sehen, obwohl ich es verstehen konnte dass er es nun doch gemacht hatte. Ich verließ das Haus, ging zu einem Freund, später kam der Anruf von meinem Schwager dass mein Vater Tod sei. Als ich nach Hause kam drückte meine Mutter mir zwei Beruhigungstabletten in die Hand und meinte für die Familie wäre es nun besser. Das wirklich traurige ist das es stimmt. Mein Vater war immer bei einem Psychiater, in einer Klinik, wieder Zuhause, wieder in der Klinik, wieder eine weile Zuhause, wieder in einer Klinik. Medikamente, neue Medikamente, mehr Medikamente, wieder andere Medikamente. Nicht half, es wurde immer schlimmer. An diesem Tag fand er endlich seine Ruhe. Erst nachts, als ich alleine war konnte ich richtig Weinen. Die Tabletten hatte ich nicht genommen. Zu dem Zeitpunkt war ich 24.