Habe einen Artikel gelesen, der mich nicht los lässt.
Es ging um einen Notarzt, gegen den ein Strafbefehl erlassen worden ist, weil er bei einer Einsatzfahrt (ging wohl um ein Kind, dass kaum Luft bekam) mit Sondersignalen plötzlich in den Gegenverkehr ausgeschert und dort mindestens zwei Fahrzeugführer gezwungen haben soll, ins Bankett auszuweichen. Nun soll er 4.500 € zahlen und darf sechs Monate nicht mehr fahren.
Der Fall an sich ist gar nicht das, was mich so bewegt. Vielmehr die ganzen Kommentare hierzu, die man im Internet lesen kann.
Wie fast immer gibt es auch hier zwei Lager. Die Mehrheit der Kommentatoren teilt die Meinung, der Notarzt sei ein Held, der nur ein Leben retten wolle und es ja nicht sein kann, dass er dafür noch bestraft wird. Er fuhr schließlich mit Sondersignal, das alle dazu bewegen muss, auszuweichen.
Die Gegenmeinung, die aber im Gegensatz zur erstgenannten Meinung in der Minderheit vertreten ist, ist der Ansicht, dass der Notarzt ja so rücksichtslos fahre, wie alle Sondersignalberechtigten. Es ginge ja nur darum, sich darzustellen als Held.
Mir dreht sich hierbei echt der Magen um. Man liest Argumente wie
„Ich wünsche dir/dem ermittelnden Staatsanwalt, dass deinem/seinem Kind auch so etwas passiert!“
Was hat sowas denn noch mit Sachlichkeit zu tun?
Ganz vereinzelt lese ich die Meinung, die ich selbst teile. Weder der Berichtschreiber noch die Kommentatoren waren bei dem Vorfall dabei und können ihn beurteilen.
Sondersignale bedeutet ausweichen soweit es geht und nur Verkehrsregeln brechen, soweit es andere nicht gefährdet.
Man kann doch nicht ein Leben retten und zig andere riskieren.
So, dies nur mal ein einleitendes Beispiel.
Mich erschreckt einfach, wie viele Menschen doch nur von der Tapete bis zum Kleister denken und wie schnell sie sich einfach beeinflussen lassen.
Bin mir sicher, dass die Kommentare anders aussehen würden, wenn der Bericht nicht aus Sicht des Notarztes, sondern aus Sicht eines Autofahrers geschrieben wäre, der deswegen gegen einen Baum gefahren und verletzt geworden wäre.
Wieso sind soviele so einfach zu beeinflussen?
Natürlich wird sowas immer durch eine gewisse „Gut-und-Böse-Darstellung“ gefördert.
Letztendlich wird dann auf die Justiz geschimpft, dass diese falsch urteile, gegen die falschen Personen ermittle, den Beamten doch auch mal sowas passieren solle usw.
Wenn ich sowas lese, frage ich mich langsam echt, wieso wir unser Rechtssystem nicht einfach abschaffen? Lassen wir doch einfach das Volk urteilen, das hat doch eh mehr Ahnung von Recht und Gesetzen. Sparen wir einen Haufen Geld!
Im Ernst, es geht mir hier gar nicht um einzelne (Berufs-)Gruppen.
Auf obiges Beispiel bezogen:
Ich habe großen Respekt vor den Rettungsdienstlern. Sicher nicht einfach, zu einem Einsatz gerufen zu werden, nicht zu wissen, was einen erwartet, der Druck, jemanden schnell ins Krankenhaus zu bringen usw. Sicher ist gerade der Verkehr auch ein Problem, da man nie weiß, wie andere Fahrzeugführer reagieren. Sicher gibt es genügend Fahrer, die das Sondersignalfahrzeug nicht wahrnehmen oder aus anderen Gründen keinen Platz machen, obwohl sie könnten.
Umgekehrt gilt aber auch eine Regel für Sondersignaler: Keine anderen Personen gefährden. Leider wird dies von einigen auch vergessen und sie fühlen sich mit ihrem Patienten im Recht. Dass ein Fahrer manchmal einfach nicht ausweichen kann, wird dabei oft völlig außen vor gelassen.
Diese Extreme führen doch erst zu dem Unmut, den beide Gruppen aufeinander haben. Dass die meisten Fälle unproblematisch ablaufen, interessiert niemanden. Kaum ein Rettungsfahrer kommt: Oh, die Fahrt heute war gut. Alle Fahrer haben uns Platz gemacht.
Kein Autofahrer erzählt seinen Bekannten: Ein Rettungswagen ist heute ordentlich an uns vorbeigefahren.
Und sowas begegnet mir tagtäglich. Egal um welches Thema es geht.
Natürlich gibt es auch viele Menschen, die die Dinge objektiv sehen. Die schreiben eben nicht unter solche Artikel, da man ja oft nur angemeckert wird, wenn man das Selbstverständliche (Ironie) nicht sehen kann.
Das alles ist für mich ein richtiges Schwarz-Weiß-Denken.
Es geht oft gar nicht mehr um die Sache, sondern nur darum, sich selber als jemanden darzustellen, der eine gute Meinung hat und ein guter Mensch ist. Dass dabei andere nieder gemacht werden, wird gar nicht gesehen, oder indirekt gerechtfertigt.
Persönlich gefällt mir einfach diese Art der Selbstjustiz nicht. Ich denke, unser Rechtssystem ist eins, dem man in vielen Dingen vertrauen kann. Sicher werde auch hier viele Fehler gemacht und bei manchen regiert die Willkür.
Doch das sind alles Menschen, die sich jahrelang mit dem Thema auseinander gesetzt haben. Wieso traut man ihnen nichts zu?
Immer wieder liest man, dass Urteile zu milde seien, man doch keinen Vergewaltiger auch nur eine Chance geben darf usw.
Sicher sind das alles sehr heikle Themen und ich weiß manchmal auch nicht, was für mich Gerechtigkeit ist.
Aber diese Subjektivität, die in Volke herrscht, ohne dass die Mehrheit auch nur eine Einzelheit eines Falles kennt, ist für mich einfach nur erschreckend.
Naja, ich hole grade zu weit aus, aber das fiel mir zu dem Ursprungsthema meines Threads noch ein.
Gerne gehe ich auf einzelne Punkte näher ein, wenn jemand darüber reden möchte.