Ich versuche Fremden erst einmal relativ neutral gegenüberzutreten. Dass mir das immer gelingt, kann ich nicht behaupten. Ich glaube, niemand ist ganz und gar frei von Vorurteilen und Schubladendenken. So kann es passieren, dass man jemandem, den man noch nicht kennt, aufgrund bestimmter Kriterien z.B. Eigenschaften zuschreibt, die gar nicht zu ihm passen. Das kann sowohl im positiven als auch im negativen Sinne geschehen. Wichtig finde ich, dass man sich dessen bewusst ist und diese ersten Gedanken nicht zu ernst nimmt, damit man der Person unvoreingenommen begegnet. Das funktioniert bei mir ganz gut. Viel mehr als von solchen (wie gesagt: nicht ernst zu nehmenden) Gedanken lasse ich mich von meinem Gefühl leiten: von meinem Bauchgefühl, aber auch von meiner Menschenkenntnis. Die greift natürlich erst, wenn ich die Person eine Weile erlebt und beobachtet und bestenfalls auch mit ihr gesprochen habe.
Dass jemand einem anderen so wie in Deinem Beispiel schlechte Beweggründe für sein Verhalten unterstellt, kann unterschiedliche Gründe haben. Ich glaube, mit Deinem Ansatz liegst Du schon ganz richtig: Viele ähnliche schlechte Erfahrungen können sicher ein Grund dafür sein. Angst spielt bei manchen wahrscheinlich auch eine Rolle, z.B. Angst davor, verletzt oder vor anderen bloßgestellt und von ihnen abgelehnt zu werden. Als häufigen Grund vermute ich außerdem Misstrauen, also generelles Misstrauen gegenüber anderen und vor allem fremden Personen. Diese Art von Misstrauen muss nicht unbedingt auf schlechten Erfahrungen beruhen. Es kann auch daher rühren, dass man in seiner Kindheit einfach nicht gelernt hat, zu vertrauen. Wenn in der frühen Kindheit kein Urvertrauen entstehen konnte und es Bindungsschwierigkeiten gab, hat man es leider auch im Erwachsenenalter oft schwer. Man ist insgesamt ziemlich misstrauisch und andere müssen sich das Vertrauen der betreffenden Person regelrecht „erarbeiten“ – und zwar meistens über einen langen Zeitraum hinweg.