Autor: Ina
« am: 19 September 2017, 17:11:17 »
Also, ich habe hier durchaus schon öfter gelesen, dass jemand im Grunde "alles" hat und dennoch nicht glücklich ist, sondern sich auf dieser Erde schlicht und ergreifend fehl am Platze fühlt.
@ Bristol: So, wie Du Dein Leben beschreibst (auch wenn es nur oberflächliche "Eckdaten" sind), klingt es für mich nach dem typischen Klischee, wie ein Leben sein "müsste", damit man glücklich und zufrieden ist und sich wohlfühlt. Tolle Partnerschaft, schnelles Auto, ein angesehener Job usw. – das sind doch die typischen Dinge, die heute vermeintlich von Bedeutung sind. So wird es uns von der Gesellschaft vorgelebt! Man braucht nur mal den Fernseher einzuschalten und sich fünf Minuten lang von der Werbung berieseln zu lassen: Da sieht man dann blonde, aufgestylte Barbie-Püppchen, die sich auf der Motorhaube eines rot-glänzenden Ferraris räkeln – daneben ein durchtrainierter Typ mit Dreitagebart, dem es ja sooo gut geht, weil diese hübsche Lady seine ist und auch der tolle Wagen ihm gehört – und im Hintergrund sieht man noch das riesengroße Haus mit blitzend-reinen Fenster, davor im Garten die fröhlichen Kinder, die ausgelassen mit dem Hund spielen und blah blah blah...
Ja, sicher ist das übertrieben ausgedrückt, aber verstehst Du dennoch, was ich sagen möchte? Solche und ähnliche Werte werden uns allen heutzutage als wichtig vermittelt und für manch einen ist es das tatsächlich. Finde ich okay – von mir aus soll jeder sein Leben so führen, wie er glücklich ist. Wenn man sich mal umhört, was die Leute sich für ihre Zukunft wünschen, ist wohl eine der häufigsten Antworten: Beruflich Karriere machen und Familie gründen mit Haus und Hund usw... Die Stützpfeiler des Lebens, die Sicherheit schaffen – auch im hohen Alter noch.
Du sagst, Du seist rundum zufrieden. Vielleicht – und das ist natürlich nur eine Theorie meinerseits – glaubst Du tatsächlich, dass Du glücklich und zufrieden bist, weil es ja so sein "müsste", wenn Du doch "alles" hast. So wird es einem von klein auf von allen Seiten eingeflößt, bis man selbst daran glaubt und sich genau diese Dinge zum Ziel setzt, auf welches man jahrelang hinarbeitet. Aber ganz ehrlich: Dass Du "rundum zufrieden" bist. glaube ich nicht. Dann wäre der Wunsch, zu gehen, nicht derart ausgeprägt, würde sich Dir nicht immer und immer wieder in verstärkter Form aufdrängen. Dir scheint etwas ganz Bedeutendes zu fehlen. Etwas, was tief in Dir verborgen liegt und nie die Möglichkeit hatte, zum Vorschein zu kommen, möglicherweise weil es sich stark von den gesellschaftlich anerkannten Werten und Normen unterscheidet (?).
Mein Tipp: Horche mal in Dich hinein, ganz tief und vor allem Dir selbst gegenüber absolut ehrlich, ohne Dich daran zu orientieren, wie es (angeblich) "richtig" wäre. Wenn Du da keinen Ansatz findest, könntest Du es vielleicht so angehen: Stell Dir vor, Du würdest Dich für einen kompletten Neustart entscheiden und Dein Leben ganz neu aufbauen – ohne Freundin, Auto, Job und was Du sonst noch so hast. Nur Du – Du für Dich allein an einem Ort Deiner Wahl, mit Deinen Wünschen und Bedürfnissen, Deinen Sehnsüchten und Träumen, Deinen ehrlichen, persönlichen Vorlieben, Abneigungen und Interessen, Deinen Ansichten und Vorstellungen. Wie würdest Du beginnen? Zu welchen Menschen würde es Dich hinziehen? Welche Tätigkeiten, Aktivitäten, Hobbies usw. würdest Du gerne ausüben? Wie würdest Du Deinen Tag gerne gestalten, mit / in welchen Strukturen würdest Du Dich wohlfühlen? Usw...
Würde Dir ein Leben abseits der "Norm" vielleicht viel besser gefallen? Stell Dir vor, wie es wäre, völlig andere Dinge zu tun, andere Menschen um Dich zu haben, weit weg zu sein, Deine Prioritäten anders zu setzen, anderen Dingen Wert beizumessen und ein Leben zu leben, dass Deinem jetzigen überhaupt nicht ähnelt. Stell Dir total verrückte (aus aktueller Sicht "absurde") Situationen vor, in denen Du Dich befindest, und wie Du damit umgehen würdest. Lass Deiner Fantasie freien Lauf, lass Deine Gedanken einfach mal in verschiedene Richtungen fließen und ignoriere dabei alles, was jetzt ist und sein "müsste" oder "sollte". Vielleicht kannst Du da am Ende irgendetwas Positives für Dich herausziehen und Deinen inneren Bedürfnissen auf den Grund gehen. Das braucht Zeit und funktioniert – wie so vieles – nicht von heute auf morgen und ganz sicher auch nicht im Alltagsstress, der das Erfüllen der täglichen Aufgaben und Pflichten voraussetzt. Vielleicht mal ein paar Tage weg von zu Hause, ganz allein, ohne ein Handy, das ständig klingelt, ohne Kontakt zu Freunden und Familie – nur Du und Deine Gedanken. Das kann helfen, Dich zu "sortieren", Deine Gedanken in andere Bahnen zu lenken und Dich zu finden. Dich, wie Du wirklich bist und sein möchtest.
Ich wünsche Dir alles Gute und dass Du einen (Deinen!) Sinn findest, für den es sich zu leben lohnt.
Liebe Grüße
Ina