Das ganze Leben ist ein großes Schlamassel. Ein unlösbares Dilemma und eine ewig andauernde Misere.
Wir wollen alle nur eine Hand voll Liebe. Einen kleinen Korb voll Geborgenheit, einen Fingerhut voll Verständnis. Aber das ist bereits zu viel verlangt.
Es interessiert "die andern" nicht die Bohne, wie es uns geht, wenn wir uns umbringen wollen. Was wir dabei erleben, erfahren, durchleiden. Die wollen das gar nicht hören. Niemand will es hören. Weil es krank ist. Unnatürlich. Lebensfeindlich.
Diese Welt ist krank. Sie liegt röchelnd in Agonie und merkt es nicht einmal. Vertrödelt ihre Zeit mit Blödheit und Stumpfsinn, Wichtigtuerei und banalem Geschwätz. Diese unsere Welt ist zum Kotzen. Sie bringt sich um mit lautem Hurra. Rennt in ihr Verderben mit dick aufgetragener Schminke. Damit man den verrotteten Totenschädel dahinter nicht sieht. Aber ihr stinkender Atem verrät sie.
Diese Welt ist ein Irrenhaus. Ein schrilles, gewalttriefendes Irrenhaus. Es gibt keine Hoffnung, keine Aussicht auf Besserung. Nirgends. Nie.
Aber wir, die Lebensmüden, die Gebrochenen und Überdrüssigen, die Verzweifelten und Untoten, wir müssen versteckt werden, weggeschlossen, totgeschwiegen. Weil wir im Grunde rebellierendes Leben sind. Denn diese Welt ist kein Ort mehr, den man ertragen kann, an dem man es aushalten kann. Kein Ort mehr, an dem es sich zu leben lohnt.
Unsere Todessehnsucht ist nichts weiter als ein gesunder Reflex auf all den Irrsinn, all die Blutbäder, die Verbrechen, die Lügen und Gemeinheiten, von denen wir Tag und Nacht umzingelt und umgeben sind. Wir wollen einfach nur hier weg. Einfach nur weg.
Was haben mir die Seelenklempner und Psychotanten denn anzubieten? Ein sinnvolles, erfülltes Dasein in einer vollkommen sinnentleerten und leeren Umwelt? Eine verdammte Portion Lebenswillen in einer dem Wahnsinn und Aberwitz verfallenen Gesellschaft? Ein Häppchen schäbiger Existenz in einem Haufen von Vollidioten und Egomanen?
Soll ich alles was mir wichtig und wertvoll ist verraten und verkaufen, nur um mein verschwindend bedeutungsloses Leben zu retten, für dieses elendigliche und kümmerliche Siechtum aus Nichts?
Klar, wir können stunden-wochen-monate-jahrelang drüber reden und diputieren, was denn zu tun ist, welche Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, welche Schritte einzuleiten, welche Rettungsaktionen zu starten sind, wenn es Zeit ist zu gehen. Wenn wir uns absolut sicher sind, dass es Zeit ist zu gehen. Es ändert überhaupt nichts. Nicht das Geringste.
Denn wenn es so weit ist, dann tun wirs einfach. Wir tuns einfach und Schluss. Wir gehen. Hauen ab. Verschwinden von hier.
Und was da irgendein Psychiater oder Therapeut oder Neurologe davon hält, wo er das einstuft und wie er das diagnostiziert, ist uns aber auch SO WAS VON SCHEISSEGAL!!!
Wir sind immer und überall im Vorteil. Niemand durchschaut uns, erkennt uns, weiß von uns, hat auch nur die geringste Ahnung, wie´s wirklich in uns aussieht. Niemand hat auch nur die Spur einer Ahnung davon.
Wir sind mächtig und stark, unendlich stark, eine innere Stärke, die sich ein Normalo gar nicht vorstellen kann. Weil er nicht weiß, wie ungeheuer viel Mut, Entschlossenheit und Größe dazu gehört, unseren Vorsatz in die Tat umzusetzen. Wie viel Würde und Erhabenheit.
Weil er nichts ist als ein kleiner angstzerfressener Wicht.
Wir werden siegen. Ja das werden wir. Wir werden siegen. Eines Tages werden wir siegen.
Erfahrungsbericht
Das Nichts hast du schon vor Ewigkeiten hinter dir gelassen.
Das Nichts als solches im Sinne von nichtexistent.
Du erkennst schaudernd, dass das Nichts mehr ist als nichts, weit mehr und mächtiger, weil es die Kraft hat, Alles zu verschlingen und zunichte zu machen.
Du rast hinein in das realexistierende Nichts, ohne Halt und Zurück, ohne Anfang und Ende, ohne Zeit und in alle Ewigkeit.
Auf der Spirale einer Luftschlange wirst du hineingerissen in den Sog, unaufhaltsam, und je tiefer dich der Wirbel einsaugt, desto dichter ballt sich die Materie in deinem Innern zusammen, du wirst innerlich zermalmt und zerquetscht unter unaussprechlichen Qualen.
Alles was du bist und warst wird vernichtet, erdrückt und deformiert, nein transformiert zu einem Klumpen aus Nichts, einem häßlichen Haufen Antimaterie, zu Anti-Alles oder Allesnichts.
Das bist du zuletzt: Ein schwarzer Klumpen Negativenergie und Antimaterie.
Und dann rast du weiter, hindurch durch das, was da noch übrig war von dir oder besser was geworden war aus dir, schießt hinaus in die absolute endgültige und totale Leere, Raumlosigkeit und Stille.
Dein noch vor Sekunden tobender und rasender Verstand kommt zum Stillstand. Das unentwirrbare Chaos peinigender Gedanken ist schlagartig verschwunden. Vollkommene Klarheit ist an seine Stelle getreten.
Und ein einziger Begriff füllt deinen Kopf aus, deine gemarterte Seele, er ist mild und erlösend, befreiend und beglückend.
Ja, eine seltsam frohe Stimmung macht sich in dir breit, als wäre alles, was sich eben noch in tiefster Finsternis und Qual wand und wälzte, mit einem Mal in helles Licht getaucht, kaltes, transparentes, farbloses Licht, und aller Schmerz im selben Augenblick von dir gewichen für alle Zeit.
Du wirst es tun. Mit absoluter Sicherheit. Mit vollkommener Entschlossenheit. Mit unumkehrbarer Entschiedenheit.
Alles ist urplötzlich vollkommen klar, übersichtlich und eindeutig. Du hast die einzig mögliche, definitive und endgültige Lösung gefunden. Du wunderst dich, dass dir der rettende Gedanke nicht schon viel früher gekommen ist.
Aber nun ist er ja da und alles ist gut.
Für alle das Beste. Für dich das einzig Denkbare. So läppisch, so federleicht, so banal. So selbstverständlich. Nie zuvor war etwas anderes als dieser Gedanke dagewesen.
Alles Gestrige ist zu Nichts geworden, du bist zu Nichts geworden, dein ganzes Sein und deine Persönlichkeit sind nichts als nichts, das Leben ist ein Nichts geworden.
Und nun hebst du dich wie Phoenix aus der Asche, ein Erkennen von Würde und menschlicher Größe steigt in dir auf und wächst, du erhebst dich aus dem erbärmlichen Daseins des zermalmten zerschnittenen Wurmes hinauf in die Höhen menschlicher Existenz in seiner reinsten ureigensten Form.
Würde. Alles was du bist ist Würde. Du glaubtest sie längst verloren, für immer in den Schmutz getreten, versunken und verschwunden ohne Wiederkehr. Doch nun kehrt sie zurück in einer Erhabenheit und Heiligkeit, die du nie zuvor so erleben und erfahren konntest und durftest.
Du bist Würde.
So, mit erhobenem Haupt und einem Lächeln auf den Lippen, gehst du seelenruhig und mit heiterer Gelassenheit in den Freitod...
Das Gespenst
Warum soll ich es für mich behalten?
Ich saß im Meditationsraum der Klinik, einem hellen gläsernen Turm, und seh oben im Flur der Privaten die grünen Männchen rumschwirren. Den Chefarzt, den Kliniksleiter, alle da. Sehr ernst. Aufgeregt.
Und ich dachte nur: Das gefällt mir nicht.
Im Zimmer. Mit ihren eigenen Tabletten.
Tags darauf in unserer Gesprächsgruppe saß dann die Freundin der Verblichenen. Die Klinikfreundschaft. Verheult und im tiefsten Loch, das man sich als Depri nicht wünschen kann.
Erzählte wie das war, dass sie ihre Freundin noch oberhalb der Treppe stehen sehe, mit dem bunten Bathiktuch um den Hals, das sie ihr geschenkt habe, geschminkt, lächelnd und entspannt, wie sie ihr fröhlich gesagt habe, sie wolle heute nicht mitgehen in die Pizzeria, weil sie gern für sich allein sein wolle.
Und wie sie das den andern aus der Gruppe erzählt habe und dass es der Dings heute offenbar besser gehe.
Und wir haben ihr im Verbund mit dem Psychiater über eine Stunde lang gut zugeredet, bis wir da waren, wo ihre Wut schlummerte und vor sich hinschäumte.
Ihre Wut darüber, missbraucht und getäuscht worden zu sein.
Die hat sie dann vor allen eingestanden, und von da an gings bergauf mit ihr.
So weit so gut. Alles im Rahmen, im grünen Bereich.
Ich hatte nur das kleine Problem, dass ich keine Ahnung hatte, wer denn nun genau verschwunden war. Ich ließ mir die Frau beschreiben, detailiert, aber sie fiel mir einfach und um die Burg nicht ein. Und niemand im Speisesaal fehlte mir.
Sie blieb ein Phantom.
Und mitten in der Nacht werd ich wach, hör die andern schnarchen und spür da jemanden, der hier nicht reingehört. Und dann hab ich sie gesehen, vor mir am Bett, stand da mit wirren zersausten Haaren und Augen in tiefen Höhlen, in ein seltsam graudüsteres knöchellanges Kleid gehüllt, sah alles in allem ziemlich schrecklich aus, und das erste was ich dachte war: Ach DU warst das!
Und im selben Moment fiel mir auch ein, wo sie gesessen hatte im Speisesaal, meist schweigsam in sich versunken. Da sah sie zwar unscheinbar, aber wesentlich besser aus.
Aber ich hatte keine Sekunde Angst vor ihr. Ich spürte, dass sie mir nix Böses will sondern vielmehr was sagen.
Und dann hat sie das gesagt. Nein, sie hat mich angefleht. Sie hat mich ANGEFLEHT! Mich, einen Wurm, ein Nichts, der nirgends und nie auch nur das Geringste zu sagen hat, weil er nichts zu sagen haben will.
"Sag den andern, dass sie es NIE tun sollen und dass es IMMER IMMER einen andern Weg gibt."
Diese Frau, die ich nicht einmal kannte, vergessen hatte, nicht bewusst wahrgenommen, hat mich angefleht... Du MUSST ihnen das sagen. Und verschwand.
Ich war tagelang durch den Wind. Überlegte hin und her, ob das mit meinen Tabletten zusammenhängt bzw damit, dass ich grade dabei war, sie abzusetzen.
Aber mir ging es damals echt erstaunlich gut. War klar im Kopf und recht zuversichtlich. Hatte ein paar wichtige Entscheidungen gefällt und in die Tat umgesetzt. Befand mich in einem der seltenen Zwischenhochs.
Habs dann verdrängt und irgendwo hingesteckt. Aber es kommt immer wieder mal hoch. Heute zum Beispiel. Dann will es raus und lässt sich nicht dran hindern, auch nicht von mir.
Und noch so was, um die Tragweite zu verdeutlichen...
Als ich vor sechs Jahren im Netz nach einem Depressionsforum suchte, landete ich erst mal in der Schweiz. Und weil ich da wirklich schon war und des öfteren und es mir recht gut gefallen hat, blieb ich mal drin, wies wir Desperados halt so tun.
Die Leute dort waren recht lustig und verwirrten mich immer wieder mal mit ihrem Schwyzerdytsch, aber sie fanden einen Bajuwaren unter ihren Reihen ganz originell, wir redeten auch über den Krieg unter Napoleon, wo´s mit den Rothosen gegen die Eidgenossen ging, und nachdem ich mein tiefstes Bedauern und meine Scham über diesen Bruderkrieg deutlich genug zum Ausdruck gebracht hatte, war ich in ihre Mitte aufgenommen.
Das geschah aber alles erst hinterher. Denn als ich die Seite wahllos aufschlug, war das Erste, was ich zu lesen bekam ein:
"Ich kann nicht mehr und ich mag nicht mehr."
Das kenne ich nur allzu gut, dachte ich, aber bald wurde mir anhand der verzweifelten und bittenden Postings, die von überall her eintrudelten klar, dass die -es war eine sie- das wortwörtlich meinte.
Und ich hab ihr einfach mal ein paar Zeilen geschrieben...
Tja, und da ich praktisch nagelneu und taufrisch war und alle andern eh schon längst Bescheid wussten und sie offensichtlich kein Verlangen hatte, mit ihnen auch nur noch ein überflüssiges Wort zu wechseln, antwortete sie mir relativ ausgiebig, ein wenig durcheinander -was wohl an den bereits zu wirken beginnenden Tabletten lag- aber im Ganzen verständlich.
Ein elendes Leben mit Scheißkindheit, traumatischen Erfahrungen, gescheiterten Katastrophenbeziehungen, verlorenen großen Lieben, verfahrenen Berufswegen, Verarmung und Klinikaufenthalten bis zum Abwinken, so die ganze übliche Palette eben.
Und jetzt hatte sie endgültig und unwiderruflich die Nase voll und sich auf den Weg gemacht...
Und ich hab geschrieben, mir die Fingerspitzen blutig gestoßen, hab Dinge gesagt, an die ich schon damals längst nicht mehr glaubte, hab sie beschworen, mit ihr gelitten, verstanden, getröstet und auf ihre Verantwortung gestoßen mit voller Wucht, sie angefleht und Gottes Beistand dazu...
und alle andern haben zwischendrin ein "recht hat er" und "hör auf ihn" eingeflochten und dazwischengerufen, von ihr aber kam immer nur ein immer leiser werdendes "bin schon noch da" oder "hör noch zu."
Und irgendwann schrieb sie:
"Ich mach jetzt aus. Der Bayer hat so schön geredet, so wunderbare Sachen gesagt, er hat mich soo schön in den Schlaf gewiegt..."
Das war schon eher zu erraten, ohne abgesetzte Wörter und mit ziemlich viel nicht vorhandenen Buchstaben.
Und weg war sie.
Das war mein Einstand in einem Depriforum. Eigentlich typisch.
Ob sie´s geschafft hat, wird nie jemand erfahren. Wenn ja, wars swieso für die Katz, und wenn nicht, hat uns keine Feuerwehr oder Polizei oder ModeratorIn drüber informiert. Es herrschte absolute Informationssperre und Ungewissheit.
In den Forumsregeln vertraglich angeordnetes Redeverbot.
Wenn sie gerettet werden konnte, wird sie bestenfalls mit anderm Namen auftauchen und kein Wort darüber verlieren vor Scham und Bedauern.
Und nach ein paar Tagen verhaltenen Gemurmels ging alles weiter wie gewohnt, sie machten genau da weiter -ich hab rückwärts gelesen- wo sie aufgehört hatten, als sei nichts geschehen.
Und weil es eh schon egal war, blieb ich einfach dabei. Hab einmal zaghaft nachgefragt, ohne Antwort zu erhalten.
Tja, so war das damals. Im Land der Berge. Und seitdem frag ich mich, weshalb nicht wenigstens ein:
"Immerhin haben wir alles versucht"
möglich war oder ein
"Wie konnte sie uns das nur antun?"
Aber da hat sich niemand getraut, und ich als Gast sowieso nicht...
Wenn die Welt heut noch untergehen will, dann macht sie das einfach. Ohne uns zu fragen.
Vielleicht ist es sogar das Beste, was ihr einfallen kann. Vorhang zu und Ende der Vorstellung. Hatte ohnehin Überlänge...
Unsre Selbstmordgedanken hocken wie ein Kettenhund im Zwinger unsres Verstandes und bellen bei jeder Gelegenheit los und eine Weile vor sich hin, um wieder in stumpfer Trübsinnigkeit zu versinken.
Unser Verstand soll ja nun laut Dottores ein Erlebnisbauernhof sein mit Mitzekätzelchen, Streicheleselchen und Knutschhündchen.
Wie passt der Zerberus da rein?
Er ist aber nun mal da und nicht aus der heilen Blumenwiesenwelt zu schaffen. Wir können den ignorieren oder fixieren, der ist einfach da und bewacht den Hof wie ein Höllenhund das nun mal tut. Geifernd, wutschnaubend, schäumend und mit weit aufgerissenen Kohlenaugen. Furchterregend und bedrohlich.
Und eines Tages bin ich einfach mal zu dem Ungeheuer hin und hab mir den eingehend betrachtet.
Da begann der schon mal auf Normalgröße zu schrumpfen. Wars irgendwann leid mich anzukläffen und hat sich grummelnd und mit eingezogenem Schwanz in seine Ecke verkrochen.
Peilte mich eine Zeit lang mit blutunterlaufenen Augen an, bis ihm auch das zu langweilig wurde, legte seinen mächtigen Kopf auf die Vorderläufe und machte erst mal n Nickerchen.
Als er aufwachte und mich immer noch stehen sah, flackerte dann doch sowas wie Neugier in seinen gequälten Augen, und nach einer Weile kam er angetrapst, zögernd und vorsichtig, in Lauerstellung und Angriffshaltung, aber immerhin.
Schnupperte dann mit erhobener Nase aus sicherer Entfernung an mir rum. Kam ihm alles in allem doch recht vertraut vor, mein Geruch.
Und irgendwann waren wir soweit.
Da hatte ich meine Finger im Gatter und er leckte und schleckte dran rum mit wedelnder Peitsche. Und da sah ich, dass der ach so grauenerregende Höllenhund auch nur ein kleiner liebesbedürftiger Dackel ist wie alle andern armen Hundeseelen auch.
Und wir wurden Freunde, meine Selbstmordgedanken und ich.
Weil wir erkannt hatten, dass keiner dem andern was will und jeder nur seine Ruhe haben, seine Daseinsberechtigung und die nötige Aufmerksamkeit.
Und wenn ich den mal ab und zu aus seinem Zwingerverlies hole und mit ihm Gassi gehe, streng angeleint versteht sich, rennt alles was uns begegnet entsetzt zur Seite und macht uns die Gasse frei.
Hat ja nun auch was.
Aber hinterher heißt das dann, "wie kann der mit so nem Monster frei rumlaufen?
Wir haben doch Kinderchen hier, und sensible ängstliche Leute, für die ist doch so ein Anblick der pure Schock!
Der ist doch ungemein gefährlich und unberechenbar, eine blutrünstige Bestie ist das, das sieht doch jeder!"
Aber das schert uns dann auch nicht, meinen Höllenhund und mich.
Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Ein Geheimbund sozusagen. Eine zweiköpfige Bestie ohne Arg und Bosheit. Aber das braucht ja niemand zu wissen.
So werden wir wenigstens in Ruhe gelassen, angekläfft und beschimpft vielleicht, aber bellende Hunde beißen nun mal nicht und das Gerede... Pfft!
Ich leb gut mit meinen Selbstmordgedanken und meine Selbstmordgedanken fühlen sich wohl in meiner Nähe. Und das jemandem begreiflich zu machen ist nun wirklich nicht mein Anliegen.
Es ist einfach so und Schluss damit.
sintram
alles ok bei dir?
hat sich dein Zustand verschlechtert o.ä.?
kommt mir vllt nur so vor :-)
lg Deja
Nicht verschlechtert nicht verbessert.
Wurde nur das eine oder andere wachgerufen in mir an Erinnerungen.
Mach Dir keine Sorgen, ich tu mir nichts an.
LG
Sintram
ok
danke :-)
so eine geballte Ladung hat mir n bißchen Sorge bereitet
lg Deja
***Dein noch vor Sekunden tobender und rasender Verstand kommt zum Stillstand. Das unentwirrbare Chaos peinigender Gedanken ist schlagartig verschwunden. Vollkommene Klarheit ist an seine Stelle getreten.***
... einmal kam auch ich in diesen,von Dir soooooooo wahr be-
schriebenen Genuß ... aber leider, selbst als krankenschwester, auch dazu zu blöde ... wieder im Land der Schlümpfe aufgewacht ...
L.G. Fee
Hallo Fee,
Zu mir gekommen im Schlumpfland...
Abgeschnitten vom Lande der Lebenden. In mir isoliert. Wie tot. Ein lebender Leichnam.
Zurückgekehrt und doch im Hades geblieben. Im Bardo der Tibeter. Im Reich der Schatten.
Mein Leben als ein großes Ganzes vor Augen, als wäre es das eines anderen. Ohne eine persönliche Beziehung dazu herstellen zu können. Gespeicherte Erinnerungen ohne innere Anteilnahme, Ohne Gefühle, ohne Bezug. Und gleichzeitig ein neues Nachvollziehen des Erfahrenen, mit zwingender Logik und tiefem Verstehen.
Und ganz langsam schält sich aus diesem Puzzle aus Geschichten, diesem Sammelsurium aus Kurzgeschichten, so etwas wie wie ein Zusammenhang heraus. Ein unbefangenges und unbeeinträchtigtes neues Begreifen von Ereignissen und ihren Folgen, die Stück für Stück ein Leben ergeben. Mein Leben.
Sicher, da ist das eine oder andere, dass ich unbenommen dem Egoismus zuschreiben muss, der Herzenskälte und Grausamkeit, der Unbesonnenheit und Verfallenheit. Zusammengenommen ergibt es eine nicht unbeträchtliche Summe an "Untaten", Verfehlungen, Schuld... Sünden, so sagt man doch. Sünden.
Aber da ist auch noch ein anderer Teil, der mich Schritt für Schritt und Sturz für Fall in die Verdüsterung und Verzweiflung getrieben hat, unaufhaltsam, bis an den Punkt der "Erlösung" vom Selbst. Und der ist unverschuldet.
Es sind die Verletzungen, die mir zugefügt wurden. Die Misshandlungen und Demütigungen. All der Verrat, die enttäuschte zertretene Hoffnung, das ermordete Gute in mir. Das mich gegen meinen Willen zur Nacht hat werden lassen. Zur Finsternis.
All der aufgestaute Hass, die ohnmächtige Wut, die gallige Bitterkeit, die trostlose Entäuschung.
Die mich transformiert haben in Antimaterie. In ein alles verschlingendes schwarzes Loch. Um mich zuletzt selbst zu verschlingen.
All das wurde mir angetan, zugefügt, beigebracht. Ich bin gequälte, gepeinigte, in die Bösartigkeit gepeitschte Kreatur.
Und da ist er plötzlich, der befreiende, erleuchtende, gnädig grausam unbarmherzige vergebende Gedanke: Ich bin Opfer.
Mein Stolz ist mit mir gestorben und nicht wieder zum Leben erwacht. Er steht mir nicht mehr im Weg, verdeckt und tarnt die grässlichen Narben und klaffenden Wunden meiner Seele nicht mehr, ich kann sie betrachten ohne davor zurückzuschrecken, sachlich und distanziert wie ein Pathologe.
Und kann mir vergeben, wo es nichts zu vergeben gibt. Und der Schmerz ist gewaltig und wohlig zugleich. Ich zerberste. Zerfließe. Löse mich auf.
Mit den heißen Tränen kehrt das Leben in mich zurück.
Tröpfchenweise, und doch wie ein mächtiger Strom.
""Aber da hat sich niemand getraut, und ich als Gast sowieso nicht...""
Wir müssen wieder lernen unserem inneren ruf zu folgen, unabhängig was die äussere welt verlangt.
Ich hatte das gefühl das es dir besser gegangen wäre, wenn Du Deinem inneren ruf gefolgt wärest.
Zu Deiner begegnung am krankenbett;
Ich bin mir nicht sicher ob die botschaft wirklich, die anderen zu warnen, war.
""Wenn die Welt heut noch untergehen will, dann macht sie das einfach. Ohne uns zu fragen.
Vielleicht ist es sogar das Beste, was ihr einfallen kann. Vorhang zu und Ende der Vorstellung. Hatte ohnehin Überlänge... ""
Das suggeriert das die welt "uns" brauchen könnte. Wir haben sie doch schon untergehn lassen.
Die meere fischleer und ölverpestet, rot vom blut. Unsere wälder geschrumpft und weiterhin bedroht von unserer profitgier.
Unser atmosphäre preisgegeben unserer faulheit. Sitzendes rasen in den untergang.
""Und wir wurden Freunde, meine Selbstmordgedanken und ich.""
Genau das was ich versuche zu beschreiben mit meinem hass.
Ich muss mich in allen teilen annehmen, um nicht nach dem unterdrücken einzelner anteile, völlig am boden zu liegen.
Jeder teil von uns möchte gehör, jeder unserer wesenszüge möchte gesehen werden.
In der gleichberechtigung unserer anteile liegt die beruhigung. Liegt die heilung.
""Und ganz langsam schält sich aus diesem Puzzle aus Geschichten, diesem Sammelsurium aus Kurzgeschichten, so etwas wie wie ein Zusammenhang heraus. Ein unbefangenges und unbeeinträchtigtes neues Begreifen von Ereignissen und ihren Folgen, die Stück für Stück ein Leben ergeben. Mein Leben.""
Ich mag diese perlenkette, die unsere leben ergibt! :)
glg, Streicher
***All der aufgestaute Hass, die ohnmächtige Wut, die gallige Bitterkeit***
... bis auf diese Deine Worte sintram,beschreibst Du fast deckungsgleich auch mein Empfinden.
Welches allerdings derzeit,aufgrund von Ermangelung eines auffindbaren Ausganges,dazu verdammt ist,in mir gefangen bleiben zu müssen.
Darum freut es mich umsomehr,daß Dir dieses hier gelingt.
So zu sagen:
"Auch ein wenig für mich mit ."
Danke dafür ...
... und liebe Grüße Fee
Hallo Streicher,
ich habe damals auf meine innere Stmme gehört -was sicher auch damit zusammenhing, dass ich mir natürlich nicht die Mühe geacht hatte, die Forumsregeln durchzulesen- und ein paar mal nachgefragt.
Nur kam keine Antwort, auch nicht von Leuten, mit denen ich mich grade im Austausch befand. Die plauderten weiter, als existierte meine Frage nicht, als hätten sie sie überlesen.
Und als dann noch die Teile ihres Threads im Nichts verschwanden, in denen es um Leben und Tod ging, wurde mir die Sachlage schön langsam klar.
Darum finde ich das Ruhe-Forum diesbezüglich vorbildlich und progressiv. Denn wenn in einem Forum über Depressionen nicht über Selbstmord gesprochen werden kann und darf, wo bitte dann sonst?
Es ist meiner bescheidenen Meinung nach höchste Zeit, das Gespräch darüber als Therapie zu begreifen und in dieselbe aufzunehmen, ehe noch mehr Kriminelle das Netz verseuchen mit "Anleitung zum Suizid" und dergleichen Unsäglichkeiten.
Du hast es ja bereits schön formuliert, dass nur die Akzeptanz aller Komponenten unserer Krankheit letztendlich einen Weg zur Heilung bedeuten kann. Und suizidale Tendenz ist eben nun mal ein wesentlicher Bestandteil davon.
Je offener es zum Austausch kommt, desto geringer wird meines Erachtens die Gefahr des sogenannten Nachahmungseffektes. Weil es, wie Du sagst, eine beruhigende Wirkung hat.
Ein Tabu hingegen impliziert immer etwas Verbotenes, Anrüchiges, Totzuschweigendes, Gefährliches.
Im Anschluss an den Kliniksuizid zum Beispiel wurden auf Beschluss der Leitung sämtliche Therapien vertagt und ausschließlich das Thema Freitod zum Inhalt der Gespräche gemacht, auch und vor allem in den Gruppen.
Was ich damals davon mitnahm und wie sehr ich davon profitier(t)e ist nicht hoch genug einzuschätzen.
Sicher kann das im Falle eines Falles einen Entschluss zum Freitod nicht verhindern- aber meiner Erfahrung nach eben auch nicht fördern oder beschleunigen. Wer es tun will, der tut es - so oder so.
Für alle anderen aber wird sehr Vieles sehr viel verständlicher. Die Wachsamkeit gegenüber eigenen Suizidgedanken und ihre "Zähmung" wird ebenso gefördert wie die Aufmerksamkeit gegenüber Anzeichen und Signalen akut Suizidgefährdeter.
Also, nach allem was ich bisher -von meinen eigenen Erfahrungen einmal abgesehen- im Austausch darüber erfahren und gelernt habe, kann ich den offenen Umgang mit der Theamtik ohne Bedenken als lebenserhaltende ja mitunter lebensrettende Maßnahme nur befürworten.
Sintram hat gesprochen. Lach-Smilie.
@ Liebe Fee
auch Deine Worte bestätigen mich.
Selbst nicht in der Lage und Verfassung darüber zu sprechen, ermutigt und tröstet es Dich, wenn es ein anderer für Dich tut.
See You
Sintram
Ah ja, und was ich noch sagen wollte, man merkt an Euren Antworten, dass ihr euch echt die Mühe gemacht habt, das alles zu lesen und euch sogar noch Gedanken gemacht dazu.
Dafür möchte ich euch herzlich danken.
Sintram
eine Frage: hast du als Kind auch schon so gedacht?
Oder hast du erstmal die Welt als spannend empfunden und sie entdecken wollen?
Ich empfand die Welt spätestens im Kindergarten als fremd und bedrohlich.
Mit etwa sieben fiel ich zum ersten mal bewusst in ein tiefes schwarzes Loch und kam wochenlang nicht mehr so recht raus.
Das wiederholte sich regelmäßig.
Sicher, ich habe entdeckt, ausprobiert, gespielt und getobt wie andere Kinder auch. Viel "gerauft".
Gleichzeitig starb ich nachts tausend Tode vor Angst, wenn ich an der Gartenhecke des Elternhauses vorbeigehen musste. Sie verkörperte das, was im Haus auf mich wartete.
Es ist eine sehr lange Geschichte, aber grundsätzlich würde ich sagen "Ja".
Ohne es freilich zu wissen, ich empfand meinen Horror vor dem Leben als völlig "normal".
Hallo Sintram
Es ist ja eine geballte Ladung die du dagelassen hast, aber in jedem wort erkenne ich meine Gedanken, DU hast sie ausgedrückt, besser hätte ich das auch nicht schreiben können diese tiefen empfindungen die uns um den Verstand bringen, ich muss dir einerseits gratulieren, du hast noch den sogenannten " Durchblick" du siehst und erkennst noch, du hast noch worte um den wahnsinn auszudrücken um ihm einen Namen zu geben. Mir geht das mittlerweile ab, ich habe keine worte mehr, ich sehe nur noch, unfähig das was ich sehe und was sich in mir abspielt nennen zu können. Könnte ein Problem werden beim anstehenden Arztbesuch.
Fühle mich an die wand genagelt, glaube jetzt verstehe ich die Menschen die sagen, alles was ich nicht sehe das existiert nicht, denn würden sie sehen was sie sehen dann würden sich die kliniken schlagartig füllen.
Liebe grüsse
Hallo Madele,
oh, auch ich musste mir die Worte nach und nach mühsam erringen. Sprachlosigkeit kenne ich sehr gut.
In der Klinik beispielsweise verbrachte ich drei oder vier Wochen mehr oder weniger schweigend, dachte immer nur:
"Weshalb bin ich eigentlich hier? Alle um mich her sind schwerkrank und leiden entsetzlich, da versteh ich das ja, aber ich-
ich wollte mich doch nur umbringen."
Es ist ein sehr mühsamer und unendlich langsamer Weg zurück ins Leben, aber das weißt Du ja selbst.
Und der Gedanke, was los wäre, wenn alle plötzlich alles so sehen würden, wie es wirklich ist...
ist grauenvoll.
Lieben Gruß
Sintram
So wie der Mensch und alles im Leben zwei Seiten hat, so hat es auch der Freitod.
Fangen wir mal mit der dunklen an. Der Schuld. Dem Schaden, den er anrichten kann.
Ein Schulfreund von mir, den ich als gutmütigen und friedfertigen Menschen in Erinnerung habe, hat sich als junger Erwachsener erst die Pulsadern geöffnet und, nachdem er gerettet werden konnte, im Krankenhaus aus dem Fenster gestürzt.
Er war Bauer, hatte Landwirtschaft studiert und war frisch verheiratet. Die Ehe funktionierte jedoch von Anfang an nicht, wie das so vorkommt, und seine Frau traf die Entscheidung, ihn zu verlassen, bevor Kinder ins Spiel kommen und weil immer einer den ersten Schritt tun muss.
An sich keine große Geschichte. Nur leider sah er das etwas anders, weil er ohne seine Frau keinen Sinn mehr in seinem Leben erkennen konnte und daraus den offensichtlich unabwendbaren Schluss gezogen hat, dasselbe zu beenden.
Und die Frau, ich kannte sie flüchtig, oder vielmehr Witwe wird zeitlebens mit dem Vorwurf zu tun haben, ihn auf den Gewissen zu haben. Erst mal von seiten der Umwelt, vor allem aber vor sich selbst. Irgendwo in einer verborgenen Kammer ihrer Seele dürfte sie sich bis heute als Mörderin fühlen.
Und das ist tatsächlich ein Problem.
Jeder Freitod geschieht in einem sozialen Umfeld. Und immer und überall lässt er Leute zurück, die sich schuldig fühlen, und sei es das Pflegepersonal im Krankenhaus, das sich vorwirft, nicht genug auf den Verzweifelten aufgepasst zu haben.
Irgendjemand fühlt sich immer schuldig am Tod des "Selbstmörders", meist Partner, Freunde, Verwandte oder Eltern. Und auf deren Leben lastet fortan ein Schatten, oft bis ans eigene Lebensende.
Wenn also im Zusammenhang von Freitod überhaupt von Schuld gesprochen werden kann, dann hier.
Freilich kann man sich tausendmal einreden, dass ja keiner ahnen konnte, dass der gleich so "überreagiert". Dass man deshalb sein eigenes Leben auch nicht wegwerfen kann. Dass man sicher war, das für alle Beteiligten Beste zu tun.
Aber das passiert im Kopf, in der Seele bleibt eine Wunde.
Freunde fragen sich, warum sie ihn nicht besucht haben, ihm gut zugeredet, dass das Leben ja noch nicht vorbei sei, er ja noch diesen wunderschönen Bauernhof habe und eine Fernsehkarriere bei "Bauer sucht Frau" vor sich.
Und die Eltern fragen sich, warum sie das nicht gesehen, gespürt, vorhergesehen haben, sie wussten doch schließlich am besten, wie empfindsam er war, und warum sie nichts unternommen haben.
Jeder Freitod gibt Hinterbliebenen das Gefühl, in irgeneiner Form Schuld zu tragen an der Sache, und das ist einfach nur übel.
So weit die dunkle Seite.
Das Land der aufgehenden Sonne sprich Japan ist eine von Überbevölkerung geplagte gnadenlose Leistungsgesellschaft- und hat die höchste Selbstmordrate weltweit.
Ein Gesellschaftssystem erweist sich offensichtlich als lebensfeindlich nein tödlich, und Japan sieht sich gezwungen, diesem mörderischen Prozess mit lebenserhaltenden Gegenmaßnahmen entgegenzuwirken.
Diese Einsicht verdankt es schlicht und einfach den Selbstmördern.
Wenn also in einem Schulsystem die Jugendlichen und Kinder, die zu Autoaggression neigen und nicht als Amokläufer enden, dem Leistungsdruck erliegen und sich das junge Leben nehmen, ist der Wurm drin im System, und zwar ein gewaltiger, ein menschenfressender Lindwurm.
Wenn in einer freien Marktwirtschaft die Verteilung der Güter immer ungerechter wird, das soziale Netz immer löchriger, die Schere immer weiter aufklafft, die Arbeitlosigkeit in Folge der Technologisierung immer höher wird und die Lebensbedingungen immer härter, so dass viele Menschen dem täglichen Existenzkampf am Rande des oder unterm Existenzminimum, sprich dem Kampf ums nackte Überleben erliegen und der psychischen und physischen Dauerüberlastung mit Freitod zu entkommen suchen, ist die freie Marktwirtschaft im After.
Und bedarf einer grundlegenden Veränderung sprich Reform sprich -sanften- Revolution.
Das ist eine dringliche und unmissverständliche Botschaft an eine Gesellschaft, in der unerträglicher Lärm, gnadenloser Konkurrenzkampf, steter Zeitdruck und arbeitsmäßige Überlastung bis zu Erschöpfung längst zur Gewohnheit geworden sind, also zum Usus.
Das ändert nichts daran, dass diese Erscheinungen lebensvernichtende Eigenschaften in sich tragen. Und darauf werden wir, die Überlebenden, unmissverständlich aufmerksam gemacht bzw. drauf hingestoßen mit jedem Menschenleben, das da seine Erlösung und Befreiung von diesen unerträglichen Zuständen im Freitod sucht... und wohl auch findet.
Unsere Leistungsgesellschaft ist mörderisch geworden, weil sie Menschen mit geringerer Belastbarkeit sprich tieferer Empfindsamkeit, höherer Sensibilität und Verletzlichkeit sowie größerer Sehnsucht nach Erfüllung und Glück, gesteigerter Zukunftsangst infolge hochentwickelter Aufnahmefähigkeit und regem Interesse an Natur und Ökologie, also im Grunde wertvollen und wesentlichen Menschenseelen keine Daseinsberechtigung mehr gibt.
Das ist das Vermächtnis, dass uns jeder Freitod in diesem unserem Lande hinterlässt:
So kann und darf es nicht weitergehen. Da muss sich etwas ändern, unsere Welt muss freundlicher, sensibler, mitmenschlicher und lebensorientierter werden, sprich sehr viel weniger leistungszentriert und materialistisch. So einfach ist das.
Ein gutes Vermächtnis, das sich zweifelsohne auf der Seite des Lichts, sprich der Einsicht, des Erkennens, des Besinnens, Innehaltens und Umdenkens mit -hoffentlich- folgenden Taten befindet, kurzum auf der hellen.
Es liegt auch an uns, den Überlebenden, sie zum leuchten zu bringen.
Hallo sintram
Ich möchte niemandem eine Schuld gebe wenn ich wirklich von der Bühne abtrete, es ist nur so dass meine Ängste und Sorgen übermächtiger sind als meine Gedanken an das danach. Manchmal habe ich schmerzen, die es rein anatomisch gar nicht geben kann, die ich eigentlich nicht haben dürfte, die ich aber real habe obwohl sie unreal sind. Und die tun so wehh dass ich auch oft den Wunsch habe ohne Fallschirm vom Balkon zu springen. Ich versuche ja mit meinem Umfeld zu reden, über den Freitod und warum ich den Wunsch habe, aber es scheint als würden wir 2 verschiedene Sprachen sprechen, die WOLLEN das nicht sehen, hören und fühlen. Tod, freitod...das sind in unserer konservativen gesellschaft immer noch tabuthemen an denen keiner rütteln darf, das ist eigentlich traurig, denn so wie es Leben gibt, gibt es auch den Tod, er ist Bestandteil des Lebens der unweigerlich kommen wird. Unausweiglich und von der ersten Minute unseres Lebens miteingeplant. Nur warum lässt es unsere aufgeklärte Gesellschaft nicht zu dass man den Tod in Erwägung zieht? Warum fürchten sich soviel davon? Warum habe ich als eigenständiger Mensch nicht die Möglichkeit mein Ende selber zu wählen? Meiner Meinung nach hat das auch was mit der Würde des Menschen zu tun die angeblich unantastbar ist, wähle ich aber diesen Schritt bin ich als Suizidgefährdet eingestuft und habe einen Stempel auf dem Hintern. Werde auf eine Station gebracht dort fixiert und eingesperrt, warum frage ich mich? Warum gibt es immer andere die über mich bestimmen? Mich hat niemand gefragt als ich geboren wurde, warum darf ich nicht einfach gehen wenn ich die Zeit als gekommen sehe? Ohne dass sich jemand schuldig fühlt? Es ist doch meine Entscheidung auf die ich ein Recht habe.
Tja, grundsätzlich kann ich Dir nur uneingeschränkt recht geben. Suizid ist Menschenrecht.
Allerdings sollte genau abgewogen und überlegt sein, was er bei den Hinterbliebenen auslöst. So sehr sie auch gefangen sind in Tabuisierung und Verdrängung und so wenig Verständnis sie auch dafür haben-
es wird ihnen gewaltigen Schmerz zufügen.
Im Zustand der akuten Suizidalität -was für ein Wort!- also der willentlichen Bereitschaft zum Freitod, ist die seelische Qual derart groß und übermächtig, dass die Folgen der Selbsttötung für die Hinterbliebenen nicht einmal mehr ansatzweise erfasst werden können.
Im Gegenteil, die Gewissheit, für alle Beteiligten das denkbar Beste und einzig Mögliche zu tun, ist durch nichts mehr zu erschüttern.
Deshalb kann auch nicht von Schuld im Sinne von willentlicher Verfehlung gesprochen werden, schon gar nicht von Täuschung oder rücksichtsloser Grausamkeit. Egoismus oder Gleichgültigkeit. Alles Unfug.
Der tranceartige Zustand im Moment des Freitodes, ja schon vom Augenblick des Entschlusses an, versetzt die "Selbstmörder" in eine Art definitiver Unzurechnungsfähigkeit - bei vollem klaren Bewusstsein.
Klingt widersprüchlich, aber anders kann ich es nicht beschreiben.
Ich verstehe Dich, weiß welche irrsinnige Qualen Du grade durchmachst, wie Du bei lebendigem Leib in Stücke gerissen wirst. Und wie unheimlich tröstlich und befreiend der Gedanke an den Freitod dabei sein kann.
Menschen, die derlei nicht erlebt haben, können es nicht verstehen, selbst wenn sie wollten. Versuch erst gar nicht, ihnen das irgendwie zu erklären, Du könntest ebensogut chinesisch reden.
Es genügt vollauf, wenn Du es hier drin los wirst- auch wenn´s nicht auf Anhieb positiv aufgenommen wird oder missverstanden.
Lass Dich nicht entmutigen, lass Deinem Schmerz freien Lauf.
Das kann lebensrettend sein.
Lieben Gruß
Sintram
Hallo Sintram
Ich könnte jetzt wirklich heulen, ENDLICH jemand der mich versteht, der das beschreiben kann und auch noch rüber bringt, ja es IST lebensrettend. Und manchmal möche ich gegen Wände schlagen, heulen, Schreien und um mich schlagen.
In den dunkelsten Stunden unseres " Lebens" sind wir ganz alleine.
Hab einen schönen Abend.
* Drück dich mal*
Madele.
Hallo Madele,
und seit ich weiß, was noch dahintersteckt, versteh´ich Dich sogar noch sehr viel besser.
Ich habe eine Ehe hinter mir und eine Langzeitpartnerschaft, und was Trennungsarbeit anbelangt, könnte ich ein Buch schreiben.
Vielleicht kam meine Antwort diesbezüglich deshalb auch ein wenig pragmatisch daher, aber es ist nun mal so und hilft nichts. Entweder ich mach weiter, wenn´s geht, oder ich mach Schluss.
Paartherapie hab ich auch schon auf dem Konto, nun wie soll ich sagen, war auf jeden Fall interessant. Geholfen im Sinne von Partnerschaft erhalten hat sie nicht mehr, aber wenn ich ehrlich bin, war´s für mich eher eine Hilfe, um die Unvereinbarkeit professionell herausarbeiten zu "lassen". Denn ich wollte nicht mehr.
Normalerweise sind es ja die "Gesunden", die da irgendwann nicht mehr können, und ob das nun nicht mehr können oder wollen ist, ist auch egal, denn grade bei Trennungen kommt es sich auf ein und dasselbe raus.
Gründe hatte ich jedenfalls reichlich, meine Würde war längst den Bach runter.
Es tut weh. Irgendwann gab´s da mal so was wie einen hoffnungsvollen Anfang, und wenn man hinterher konstatieren muss, was davon übriggeblieben ist bzw. draus geworden, tut es allein schon deshalb weh.
Aber es hilft nichts, wenn´s für Beide nur noch eine Quälerei ist, muss einer den ersten Schritt tun.
Wenn ich jetzt so zurückdenke, war´s genaugenommen beide Male ich. Bei der Scheidung freilich ging´s ziemlich unschön ab, ohne Gewalt um Himmels Willen, aber sonst schon auch alles. Und wenn ich jetzt sage, vor allem von ihrer Seite, ist das einfach nur eine traurige Tatsache.
Die zweite Trennung war vergleichsweise homogen und geschah bei aller emotionalen Belastung in gegenseitigem Einvernehmen und einigermaßen in Anstand und Würde.
Man lernt eben dazu.
Aber eine gewaltige Aufgabe ist so eine Trennung nach langen gemeinsamen Jahren immer, selbst wenn vor allem die letzten Jahre einsame Jahre waren. Allein sein ist trotzdem eine andere Dimension und Lebenswirklichkeit. Aber durchaus keine schlechte. Absolut nicht.
Eine problematische und unglücklich verlaufende Beziehung bringt immer einen gewissen Prozess der Selbstentfremdung mit sich, die unvermeidliche Folge von sogenannten Kompromissen, die für einen Depressiven wie mich immer gleichbedeutend sind mit Selbstaufgabe, aber nun, selbst schuld.
Hinterher ist die Rückkehr zu einem selbst- ob nun allein oder mit einem neuen Partner- umso befreiender.
Ich wünsche Dir auf alle Fälle viel innere Kraft und die nötige Entscheidungsfähigkeit.
Lieben Gruß
Sintram
Ein viertel Jahr ist mein obiges letztes Posting her.
Was hatte ich im August noch an Kraft in mir, war zu brauchbaren Antworten fähig, konnte auf positive Postings positiv ermutigend reagieren.
Und bekam so schöne und verständige Zuschriften.
Immer wieder mal interessant, sich seine innere Verfassung anhand von kleinen Rückblicken zu verdeutlichen.
Viel Mut verloren seitdem. Viel Zuversicht, soweit ich überhaupt noch welche hatte.
"Wenn du denkst du hast alles verloren, wirst du immer ein klein wenig mehr finden das du noch verlieren kannst." Ist von Bob Dylan.
Eine wahre Aussage. Nur dass dir dieses "klein wenig" erst bewusst wird, nachdem du es ebenso verloren hast- und dann kosmische Ausmaße annimmt.
Whatever.
Wen kümmert schon ein kleines Licht, das da unbemerkt erlischt?
Die halbe Welt liegt in Agonie, von Haiti bis Pakistan, was bedeutet da so eine winzige persönliche Tragödie?
Nur hift mir das Alles nicht weiter, wenn ich einfach nicht damit klar komme.
Wenn es unterschiedslos schmerzt auch nach Monaten.
Es mich erledigt hat.
Einfach das berühmte Quäntchen zuviel war, das die letzte Luftblase verschwinden ließ.
Nun denn, so ist das eben.
Atme ich eben mit meinen Kiemenbüscheln weiter.
Hallo Sintram
Danke , dass du mich eingeladen hast an deinen Gedanken und Empfindungen teil zu nehmen. Ich könnte einiges dazu sagen, aber du hast vieles so wundervoll ausgedrückt, dass ich nicht wüsste welche Worte ich noch wählen sollte.
Deshalb nur kurz.
" Wen kümmert schon ein kleines Licht, das da unbemerkt erlischt?
Die halbe Welt liegt in Agonie, von Haiti bis Pakistan, was bedeutet da so eine winzige persönliche Tragödie?"
Sehr viel, denn so weit ich dies beurteilen kann, bist du bist einzigartig! Ich kenne dich zwar nicht persönlich, aber ich denke, dass es ein grosser Verlust für die Welt wäre, wenn du dich entscheiden würdest heim zu kehren.
Wir sind zwar nur ein unbedeutendes Nichts, gemessen in der Unendlichkeit des Universums, weniger noch als Sternenstaub, aber wir hinterlassen dennoch erkennbare Spuren.
Ich habe mir einmal , als es mir nicht besonders ging, zusammen mit einem Freund diese Spuren ins Gedächtnis geholt. Erstaunt stellte ich fest, dass sich durch mich das Leben vieler Menschen verändert und in diese , oder jene Richtung bewegt hat.
Flüchtige Begegnungen, die mir ein Glücksgefühl bescherten und die mir einfach im Vorbei gehen geschenkt wurden, kamen erneut in mein Bewusstsein. Ich fing an die positiven zwischenmenschlichen Beziehungen zu zählen und war erstaunt wie zahlreich sie waren.
All das Elend in der Welt durch die Medien aufgepuscht und bis zur Geschmacklosigkeit verbreitet, hat mich zusätzlich hinunter gedrückt, ich beschloss nicht mehr daran teilzunehmen und Informationen , egal welcher Art nur noch durch Gespräche zu erhalten. Was bedeutet, dass ich keine Zeitungen mehr lese, kein Radio höre und keinen Fernseher habe. Nachrichten sind für mich tabu. Ich will den Schmerz der Welt nicht mehr fühlen, sondern nur noch meinen eigenen.
Natürlich dringt immer noch genug durch, aber ich fühle mich nicht mehr für alles was da so geschieht verantwortlich.
Ich weiss nicht genau wie weit du dich schon entschieden hast, oder vielleicht doch..., aber irgendwo in deinen Zeilen meine ich gelesen zu haben, dass es immer einen Weg gibt, vielleicht gelingt es dir ihn noch ein letztes Mal zu beschreiten.
Ich meine es wäre echt schade um dich!
Alles Liebe
Epines
P.S.
Das Recht über sein Leben selbst zu entscheiden, ist leider im Moment in der Gesellschaft immer noch verpönt. Mir persönlich hat diese Einsicht jedoch in Karens Fall vieles erleichtert. Sie wollte es so und an diesem Entscheid gibt es nichts zu rütteln, da hat niemand ein Mitspracherecht.
Ich habe auch keinerlei Schuldgefühle.
Was ich nun doch noch loswerden will ist die Reaktion ihres Vaters. Er fand es das Allerletzte! Und ich konnte es kaum glauben und es treibt mir gerade wieder die Tränen in die Augen, wenn ich an seine letzte Aussage denke. Er hat sie jahrelang missbraucht und psychisch und physisch fertig gemacht, so dass sie es einfach nicht mehr aushielt ihm weiterhin zu begegnen.
Er hat die Art und Weise kritisiert wie sie es getan hat und mir erzählt wie sie es hätte besser tun können...
Die Mutter hat mich gefragt, ob es passiert sei, weil sie Karen gebeten hatte, nicht so viel Wäsche zum Waschen zu bringen!
Wenn man von Schuld sprechen kann, die jemand hat, wenn sich ein Mensch entscheidet das Leben zu beenden, dann muss ich sagen, dass ihre Eltern sich schuldig fühlen müssten!
Aber nein, die sonnen sich im allgemeinen Mitleid und sehen sich selber als Opfer und Karen wieder einmal mehr als Täterin...
Hallo Epines,
Also zuallererst muss ich mich mal bei Dir entschuldigen, weil Du mein letztes Posting so gedeutet hast, als befände ich mich gerade in einer latent akuten Suizidalphase, und wenn ich meine Zeilen lese, muss ich zugeben, dass man es durchaus so verstehen kann, ich mich also missverständlich ausgedrückt hatte.
Ich kann Dich beruhigen. Es ging vielmehr um einen erlittenen Verlust.
Trotzdem danke für Deine ermutigenden Worte, oder gerade deshalb herzlich danke, denn es hätte ja immerhin sein können.
Ganz ähnlich wie bei Dir halten mich Liebe und Verantwortungsgefühl zur Zeit nicht nur am Leben, sondern füllen es sogar mit Sinn und Freude, und so lange "man" mich in Ruhe lässt, habe ich durchaus nicht vor, freiwillig das Feld zu räumen.
Ich kenne den Kampf, die Prozesse, die Materie allerdings gründlich genug, um mir zu erlauben, die Worte dieses Threads dazu losgeworden zu sein.
Es gibt ohne Zweifel den Punkt, an dem Freundschaft und Vertrauen es unmöglich machen, die Entscheidung des liebgewonnenen Menschen zu beurteilen oder gegen dessen bekundeten Willen zu unterbinden.
Und egal, was auch immer andere dazu sagen, bleibt es einzig und allein Dir überlassen wie Du Dich dazu verhältst, weil nur Du wirklich in der Lage bist zu verstehen und nachzuempfinden.
Sie also akzeptieren und respektieren kannst.
Im Gegensatz zu ihrem Vater, einem offenkundig gemeingefährlich bösartigen Psychophaten, und ihrer Mutter, der untertänigen Mitwisserin. Ich denke durchaus, dass Du hier die Schuldigen und Verursacher der Tragödie gefunden hast.
Ich frage mich immer wieder ungläubig, wer eigentlich auf die fixe, vermessene und selbstherrliche Idee gekommen ist, über eine Selbsttötung richten zu wollen.
Ich wünsch Dir einen schönen Sonntag!
Sintram
Hallo Sintram
Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich es missverstanden habe und freu mich, dass es dir gut geht.
Mir geht es auch langsam besser, die schlimme Woche, wo das Bedauern über ihren Verlust immer am größten ist, ist vorbei. Manchmal frage ich mich, ob ich es je überwinde, vielleicht sollte ich auch nicht so viel nachdenken.
Wünsch dir eine schöne Adventszeit und alles Liebe
Epines