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Allgemeines Nur-Ruhe Forum => Nur-Ruhe - Einfach nur Ruhe! => Thema gestartet von: Skygirl07 am 11 September 2019, 15:23:46

Titel: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 11 September 2019, 15:23:46
Hallo, 

ich befinde mich seit 5 Monaten in einer schweren Depression und leide seit einigen Wochen sehr unter Gefühllosigkeit. Das Gefühl, nicht richtig da zu sein, keine Emotionen zu haben. Für mich ganz fürchterlich. Habe Angst, darin stecken zu bleiben. Zurzeit werde ich stationär behandelt und bekomme Medikamente. 

Kennt das jemand auch? 
Wie geht Ihr damit um?

Liebe Grüße 
Skygirl07
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Ina am 11 September 2019, 15:55:55
 
Hallo und willkommen im Forum, Skygirl07!

Ja, leider kenne ich diese Phasen absoluter Gefühllosigkeit – und ich empfinde sie ebenfalls als fürchterlich. Alles scheint egal und sinnlos zu sein, die Zeit vergeht so langsam und rauscht doch in Windeseile an mir vorbei, ohne dass ich wirklich etwas davon mitbekomme bzw. sie nutze. Keine Freude, keine Trauer, kein Lachen, keine Tränen – nur Kälte und Gleichgültigkeit in mir... Bisher habe ich leider keine Möglichkeit gefunden, aktiv etwas an diesen Zuständen zu ändern. Ich weiß, es ist nicht gerade ermutigend und aufbauend, aber mir blieb bislang nichts anderes übrig, als abzuwarten, dass es wieder besser wird. Irgendwann kehrten die Gefühle immer zurück.

Bei mir hat es meist mit einer Art seelischem "Schock" zu tun. Die Emotionslosigkeit ist dann vermutlich ein Selbstschutzmechanismus – eine Reaktion auf eine enorme seelische Belastung, die meine Kräfte und Resilienz in dem Moment maßlos übersteigt.

Gut, dass Du eine stationäre Therapie machen wirst und auf Medikamente eingestellt wirst. Wenn man eine Therapie macht und sich wirklich darauf einlässt und "mitarbeitet", kommen die Gefühle in aller Regel nach einiger Zeit von ganz alleine zurück (bzw. "neue" / intensivere hinzu), weil die Gespräche auch nachhaltig im Innern "arbeiten".

Ich wünsche Dir alles Gute für Deinen Klinikaufenthalt und dass Du bald wieder mehr fühlst und wahrnimmst – in erster Linie Dich selbst!

Liebe Grüße
Ina
 
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 11 September 2019, 19:21:22
Liebe Ina,

Danke für Deine Antwort!  Es ist für mich als Gefühlsmensch ein wirklich schwer auszuhaltender Zustand mit der Emotionslosigkeit. Dabei ist das ja eine Trugwahrnehmung der Depression, Gefühle sind nur überdeckt. Es tröstet mich, zu hören, dass sie bei Dir immer zurück kamen.

Ich darf die Hoffnung nicht verlieren und sage mir immer, dass jede Depression vorbei geht, wir wissen nur nicht wann.

Liebe Grüße
Christiane
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: hardworking fool am 11 September 2019, 20:12:54

Ich darf die Hoffnung nicht verlieren und sage mir immer, dass jede Depression vorbei geht, wir wissen nur nicht wann.


Liebe Christiane,

ich hätte es nicht besser ausdrücken können! Auch die schlimmste und dunkelste Phase geht irgendwann vorbei, wir dürfen nur nicht aufhören zu hoffen und zu kämpfen.

Willkommen im Forum!

Fool
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Ina am 11 September 2019, 20:17:17
 
Liebe Christiane,

ganz genauso sehe ich es auch. Depressionen sind leider nur bedingt "berechenbar". Manchmal tauchen sie (scheinbar) aus dem Nichts auf und obwohl man nicht einmal einen konkreten Auslöser erkennt, übernehmen sie sozusagen die Kontrolle und lassen einen nicht mehr los. Und doch schafft man es immer wieder, sich davon zu befreien und ein Licht in der Dunkelheit zu erkennen, welches einem neuen Mut, neue Hoffnung und Zuversicht schenkt. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Ich leide schon seit vielen Jahren unter Depressionen und weiß nicht, wie oft ich davon überzeugt war, nicht mehr zu können, das alles nicht mehr auszuhalten und dass es das Beste wäre, meinem Leben ein Ende zu setzen. Glücklicherweise habe ich mich jedes Mal getäuscht und es kamen doch wieder bessere Zeiten, in denen es bergauf ging! Es ist genau wie Du sagst: Die Depression überdeckt die Gefühle, insbesondere die schönen. Wie eine dicke, schwarze Wolke, die sich vor alles Positive schiebt und uns die Sicht verschleiert... Mir hilft es manchmal, mir dies bewusst zu machen. Dadurch fühle ich mich dann zwar auch nicht besser, aber wenigstens erscheint es mir dann nicht mehr so hoffnungslos, weil ich immerhin weiß (!), dass es wieder besser wird.

Man kann ja durchaus einiges tun, um der Depression entgegenzuwirken, aber wenn die Emotionen komplett verschwunden bzw. nicht mehr wahrnehmbar sind, ist es schwierig, aktiv etwas zu tun. Meinst Du denn, es liegt an dem Medikament? Einige Antidepressiva sind ja durchaus genau dafür gedacht, dass die Gefühlsspitzen nicht mehr so intensiv erlebt werden. Unter Umständen kann es leider auch vorkommen, dass man dadurch nur noch sehr wenig bis gar nichts mehr fühlt, weil man einfach nicht klar "anwesend" ist. Eventuell ist die Dosis dann zu hoch. Hast Du darüber schon mit Deinem Arzt gesprochen? Vielleicht eignet sich eine niedrigere Dosis – oder aber ein anderes Medikament – besser für Dich.

Es ist schon mal gut, dass Du den Weg in unser Forum gefunden hast! Über solche Dinge kannst Du mit uns nämlich bedenkenlos sprechen und wirst mit Sicherheit auf Verständnis stoßen. Ich wurde hier schon sehr oft liebevoll aufgefangen, wenn ich am Boden war. Diese Erfahrung wünsche ich Dir ebenfalls und werde, sofern es mir möglich ist, gerne dazu beitragen!

Ich halte es für sehr wichtig, dass man (sich) nicht "einfach so" aufgibt – egal wie schwer es auch sein mag. Man darf ruhig mal eine Weile am Boden liegen und sich schwach und kraftlos fühlen, nur sollte man nicht vergessen, irgendwann auch wieder aufzustehen und für sich und sein Wohl zu kämpfen. Und wenn man es alleine nicht schafft, sollte man jede Hilfe in Anspruch nehmen, die man bekommen kann.

Liebe Grüße
Ina
 
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 12 September 2019, 11:02:15
Liebe Ina,

ich habe deinen Beitrag mehrmals gelesen und er beruhigt mich. Vielen lieben Dank! 
Für mich ist im April, als es so schlimm wurde mit dem Kontrollverlust, meine ganze alltägliche Welt stehen geblieben.  Meine Arbeit,, die Fürsorge für mein Kind, alles. Einfach ein großes Loch. So schlimme Depressionssymptome wie die totale innere Leere kannte ich bis dato nicht.

Ich muss noch einige Zeit stationär bleiben, um mich zu stabilisieren und medikamentös eingestellt zu werden. Fühle mich tagsüber so gedämpft und taub. Welche Erfahrungen hast Du mit Medikamenten? Hattest Du vom Schweregrad auch schon eine schwere Episode?

Die Psychologin sagte heute,  dass die Gefühllosigkeit ein Symptom der Psyche bzw des Körpers als Schutzmechanismus ist, da jetzt Gefühle nicht  verarbeitet werden können. Ich frage aber heute nochmal beim Arzt nach, was mit den Medikamenten ist. Nehme Duloxetin und abends ein Neuroleptikum. Aktivitäten gehen zurzeit leider wenig.

Ich kannte auch depressive Episoden von früher, aber nie so schlimm. Ich komme auch nicht zu dem Punkt, zu verstehen warum es so schlimm wurde. 

Kannst Du trotz der Erkrankung Deinen Alltag und Beruf so gestalten, wie Du möchtest?

Liebe Grüße und Danke!
Christiane
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 13 September 2019, 09:46:49
Ich habe gerade wieder das Gefühl, total am Boden zu liegen. Hoffnungslos ohne Aussicht auf Besserung. Es geht mir so schlecht. In mein "altes Leben" kann ich nicht zurück, ein neues kann ich nicht sehen. Ich bin ohne Gefühle und fühle mich die meiste Zeit des Tages benommen und stehe neben mir. Ich brauche Geduld, für die richtige Medikamenteneinstellung und die Genesung insgesamt. Und weiß nicht woher ich sie nehmen soll.
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Ina am 13 September 2019, 11:11:11
 
Hallo liebe Christiane,

gestern konnte ich Dir leider nicht mehr schreiben, da ich bis spät abends unterwegs war.


Für mich ist im April, als es so schlimm wurde mit dem Kontrollverlust, meine ganze alltägliche Welt stehen geblieben.  Meine Arbeit,, die Fürsorge für mein Kind, alles. Einfach ein großes Loch.

Das hast Du wirklich gut beschrieben. Bei mir hat sich die Depression eher über Jahre eingeschlichen, bis sie irgendwann so präsent war, dass man sie nicht mehr "übersehen" konnte. Es war also nicht "plötzlich alles weg"; vielmehr hatte bzw. habe ich das Gefühl, schon immer in einem solchen Loch zu sitzen und einfach nicht herauszukommen. Und es gab immer wieder Erlebnisse, die mich NOCH tiefer darin versinken ließen (obwohl ich dachte, schlimmer könne es nicht werden). Allerdings ist dieses Erleben kein Dauerzustand. Es gab und gibt immer wieder Phasen, in denen es mir deutlich besser geht, in denen mehr Antrieb da ist, in denen ich wieder lachen und mich an Dingen erfreuen kann.

Was für mich sehr wichtig war, war das Erkennen der Ursachen meiner Depression – und auch die Auslöser der jeweiligen depressiven Episoden benennen zu können. Als ich mir darüber noch nicht im Klaren war, habe ich mich völlig hilf- und machtlos gefühlt und hatte keine Hoffnung mehr, dass es jemals besser werden würde. Logisch, denn ich wusste einfach nicht, wo ich ansetzen könnte, um meine Situation zu verändern bzw. zu verbessern. Ich musste den Dingen auf den Grund gehen, um mich von dem, was mich quält, befreien zu können. Ambulante Gesprächstherapien und der Austausch im Forum sowie mit Freunden und anderen Betroffenen (Selbsthilfegruppe) war dabei sehr hilfreich; nicht zuletzt aber auch intensive Selbstreflexion.

Meiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen und zu erörtern, inwiefern sie bis in die Gegenwart hineinwirkt und mein Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst, war ein langwieriger, aber sehr wichtiger Prozess, der auch noch nicht abgeschlossen ist. Aktuell spielt es für mich aber keine besonders große Rolle mehr. Das, was mir bislang so alles bewusst geworden ist, hat mir nämlich immerhin schon mal geholfen, meine eigenen Denk- und Verhaltensmuster besser zu verstehen und teilweise auch zu verändern.

In den letzten Jahren lag mein Augenmerk verstärkt darauf, meine eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen und herauszufinden, was mir eigentlich fehlt, wonach ich mich sehne, was mir wichtig ist und was ich brauche / mir wünsche. Was tut mir gut und was schadet mir? Was müsste in meinem Leben anders sein, damit ich zufrieden(er) bin – und wie kann ich das erreichen? Was stört mich? Wovon bzw. von wem sollte ich mich besser distanzieren? Gibt es bestimmte Umstände / Bedingungen in meinem Leben, unter denen ich leide und die sich theoretisch ändern ließen?

Wann immer ich mir Fragen dieser Art beantworten kann, bin ich ein kleines Stückchen weiter. Teilweise war und ist es schwierig, Antworten darauf zu finden. Es erfordert viel "Innenarbeit", Selbstreflexion und dass man sich selbst gegenüber sehr ehrlich ist... Ich denke, auch das ist eine Entwicklung, ein Weg, der seine Zeit braucht.


Welche Erfahrungen hast Du mit Medikamenten?

Zu viele... In den letzten 13 Jahren habe ich ca. 25 verschiedene Psychopharmaka (Antidepressiva, Neuroleptika und andere) ausprobiert und hatte damit leider wenig Erfolg. Von den meisten Medikamenten habe ich gar nichts gemerkt, weder die erwünschte Wirkung noch Nebenwirkungen. Zwei oder drei habe ich hingegen gar nicht vertragen und musste sie nach kurzer Zeit wieder absetzen. Das soll Dich nun keineswegs entmutigen – ich wollte nur ehrlich antworten. Bei vielen ist es so, dass sie mehrere Medikamente ausprobieren müssen, bis sie das "richtige" für sich finden. Von daher ist es gut, dass Du zurzeit in der Klinik bist, denn dort lässt sich in aller Regel viel schneller herausfinden, welche Medikamente sich eignen.


Hattest Du vom Schweregrad auch schon eine schwere Episode?

Ja, schwere depressive Episoden wurden mir schon mehrfach diagnostiziert. Aber wie ich weiter oben bereits schrieb: Es ist nie zum Dauerzustand geworden! Es hat mal länger, mal kürzer gedauert, aber mein Zustand hat sich jedes Mal irgendwann wieder verbessert, sodass ich mich und mein Leben wieder etwas besser im Griff hatte, endlich wieder aktiver und auch fröhlicher wurde. Bitte gib die Hoffnung nicht auf, dass auch Du wieder aus dem Tief herauskommst! Ich weiß, dass das ganz, ganz schwer ist – leider ist es ja meist ein typisches Symptom der Depression, dass man die Zuversicht verliert...


Die Psychologin sagte heute,  dass die Gefühllosigkeit ein Symptom der Psyche bzw des Körpers als Schutzmechanismus ist, da jetzt Gefühle nicht  verarbeitet werden können. Ich frage aber heute nochmal beim Arzt nach, was mit den Medikamenten ist. Nehme Duloxetin und abends ein Neuroleptikum. Aktivitäten gehen zurzeit leider wenig.

Interessant – das ist ja in etwa das gleiche, was ich Dir auch geschrieben hatte.
Ja, sprich den Arzt auf Deine Medikamente und die Dosierung an. Schildere ihm Deine Wahrnehmung. Das ist wichtig, damit er sich ein Bild machen kann und ggf. entscheiden kann, ob sich etwas anderes evtl. besser für Dich eignet.


Kannst Du trotz der Erkrankung Deinen Alltag und Beruf so gestalten, wie Du möchtest?

Ganz ehrlich: Nein. Ganz und gar nicht...


Ich wünsche Dir jetzt erstmal alles Gute und viel Kraft, liebe Christiane!

Liebe Grüße
Ina
 
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 13 September 2019, 15:10:57
Hallo liebe Ina,

ganz lieben Dank für Deine ausführliche Antwort!  Ich befinde mich leider gerade an einem richtigen Tiefpunkt. Dieses Gefühl, irgendwie neben mir zu stehen, nicht richtig da zu sein, macht mich fertig. Der Arzt meinte, an der Medikation würde es nicht liegen. Ich muss weiter machen, ich habe einen kleinen Sohn....aber ich fühle mich insgesamt so ratlos und ohnmächtig.

Zum Glück hat es bei Dir diesen phasenhafteb Verlauf, wo Du auch wieder raus kommst und aufatmen kannst. Bei mir ist es die erste so schlimme Episode. Bis an die Schmerzgrenze. Ich habe Angst, nicht mehr in mein Leben zurück zu finden. Ich habe mit Sicherheit mich oft ūberfordert, aber im Prinzip immer gerne viel gemacht.

Ich bin leider immer noch nicht stabil genug, in einer Psychotherapie meine Situation zu beleuchten. Ich finde es ganz wertvoll, was Du schreibst zur Aufarbeitung und Selbstreflexion!
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Ina am 13 September 2019, 15:55:55
 
Es kann nur vorteilhaft für Dich sein, dass Du einen Grund zum Weitergehen und Kämpfen erkennst bzw. hast! Und ja, ganz sicher ist das ein guter (!) Grund: Dein Sohn braucht Dich!

Darf ich fragen, wie es mit dem Vater des Kleinen aussieht? Den hast Du bisher nämlich noch gar nicht erwähnt... Ist er noch an Deiner Seite? Und wenn: Fühlst Du Dich wohl in der Beziehung? Werden Deiner Bedürfnisse gestillt? Unterstützt er Dich und ist für Dich da?

Ich denke, es ist sehr, sehr wichtig, dass Du gerade jetzt in dieser schweren Zeit Menschen um Dich hast, denen Du Dich anvertrauen kannst, die Dir Halt geben und Dich bestenfalls ein wenig entlasten.

Ist Dir der Ursprung / Auslöser Deiner Depression bekannt oder hast Du zumindest eine Vermutung, wie und warum es dazu gekommen ist?

Wenn dieser Zustand der Gefühllosigkeit / Gleichgültigkeit und dass Du so neben Dir stehst, nicht auf die Medikamente zurückzuführen ist (nebenbei erwähnt: Die meisten Neuroleptika können je nach Dosierung ziemlich müde machen und sehr dämpfend / sedierend wirken.), klingt es für mich fast schon ein bisschen nach Dissoziationen. (Das war übrigens meine erste offizielle Diagnose: Depressive Episode mit dissoziativen Störungen.) Sagt Dir der Begriff etwas? Falls Du Zeit dafür hast, könntest Du Dich mal ein wenig darüber informieren und schauen, ob davon etwas auf Dich zutrifft. Das könntest Du dann natürlich auch bei der Psychologin ansprechen, um eine Einschätzung von ihr zu bekommen. Manchmal sind klare Diagnosen hilfreich, weil man dann evtl. etwas einfacher einen passenden Behandlungsansatz findet. Oftmals sind sie im Grunde aber auch völlig unwichtig, weil es an den Symptomen ja erstmal nichts ändert, ob man für das Ganze einen Namen hat oder nicht...


Ich finde es ganz wertvoll, was Du schreibst zur Aufarbeitung und Selbstreflexion!

Danke für Deine Wertschätzung! :)
 
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: hardworking fool am 13 September 2019, 15:57:52
Liebe Christiane,

auch ich kenne diese dunklen Zeiten in denen man innerlich wie tot ist, nichts fühlt und irgendwie in einer Käseglocke von allem abgeschnitten ist. Aber, da kann ich dich trösten, auch das geht vorbei.

Was ich allerdings nicht hilfreich finde, ist die Frage nach dem Schweregrad der Depression. Mir wurde einmal nahezu gleichzeitig eine leichte, mittlere und schwere Depression attestiert. Die Ärzte waren sich nicht einmal einig, ob ich nun eine depressive Episode oder eine chronische Depression habe. Im Grunde macht es auch keinen Unterschied. Die Diagnose Depression reicht doch.

Irgendwann war es bei mir so schlimm, dass ich wie gelähmt war. Da dachte ich auch ich würde nie wieder da raus kommen. Ich kam ja nicht mal mehr aus dem Sessel. Aber auch das ging vorbei.

Du schreibst, du seist noch nicht so weit, eine Psychotherapie zu machen. Das kann ich verstehen. Ich würde dir aber trotzdem raten, dich jetzt schon um einen Platz zu kümmern. Die Wartelisten für eine ambulante Therapie sind ziemlich lang.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du, bzw. deine Ärzte ein Medikament finden was dir hilft. Wie Ina bereits erwähnte, das ist nicht so ganz einfach. 

Nur nicht aufgeben!

LG Fool
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 13 September 2019, 18:20:29
Liebe Ina,

Darf ich fragen, wie es mit dem Vater des Kleinen aussieht? Den hast Du bisher nämlich noch gar nicht erwähnt... Ist er noch an Deiner Seite? Und wenn: Fühlst Du Dich wohl in der Beziehung? Werden Deiner Bedürfnisse gestillt? Unterstützt er Dich und ist für Dich da?

Wir sind schon lange getrennt, teilen uns das Sorgerecht und er ist mein bester Freund. Er tut was er kann, um mich gerade zu entlasten. Zum Glück!

I

Ist Dir der Ursprung / Auslöser Deiner Depression bekannt oder hast Du zumindest eine Vermutung, wie und warum es dazu gekommen ist?
Es ist wohl eine Mischung aus Überforderung und Stress und belastenden Ereignissen in diesem Jahr, Unfall und Erkrankung. Aus der Kindheit trage ich schon lang ein Trauma mit mir herum.

Wenn dieser Zustand der Gefühllosigkeit / Gleichgültigkeit und dass Du so neben Dir stehst, nicht auf die Medikamente zurückzuführen ist (nebenbei erwähnt: Die meisten Neuroleptika können je nach Dosierung ziemlich müde machen und sehr dämpfend / sedierend wirken.), klingt es für mich fast schon ein bisschen nach Dissoziationen. Ja, das sagt mir etwas und ich würde das auch damit in Verbindung bringen. Auch hier weiß man ja wieder nicht was vom Medikament kommt und was nicht.
 
Ich bin heute sowas von traurig über meinen Zustand und fühle mich verloren.

LG
Christiane
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 13 September 2019, 18:23:39
Lieber Fool,

Danke für Deinen Trost!! Es muss vorbei gehen, sonst kann ich nicht weiter. Meine Gefühle sind ein essentieller Bestandteil von mir.
Geduld zu haben und auf die Zeit zu vertrauen, fällt mir so schwer:=((
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 14 September 2019, 10:06:28
@Fool : Ging es denn bei Dir von alleine vorbei? Die Symptome,  die innere Leere und Gefühllosigkeit,  und die Depression insgesamt? Ging das in Etappen? Was hat Dir geholfen?
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: hardworking fool am 14 September 2019, 12:55:11
Mir haben die Medikamente leider kaum geholfen, aber die Therapie, meine Sturheit und die damit verbundene Weigerung aufzugeben, das Schreiben, das Forum und die Tagesklinik. Manchmal dachte ich es ginge nicht voran, dann wieder machte ich riesen Schritte vorwärts.

Die Depression zu bekämpfen kostet Zeit und Kraft. Heute habe ich mich mit ihr arrangiert. Sie ist schrecklich, aber ich habe auch viel von ihr gelernt und achte viel besser auf mich.

Natürlich gibt es bis heute Phasen in denen es mir besser oder schlechter geht, aber zu wissen, dass nichts ewig dauert hilft.
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 15 September 2019, 09:41:54
Ja,das halte ich mir auch immer Augen. Es ist eine Phase und  nichts dauert ewig. Zurzeit leide ich unter diesen Unwirklichkeitsgefühlen. Als wäre ich in einer Blase und nehme die Umwelt durch ein Milchglas wahr. Ich bekomme ein Neuroleptikum  und dachte dass das bei einer Depression mit psychotischen Elementen hilft. Aber die Benommenheit bleibt.
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 15 September 2019, 09:56:42
Ja das ist tröstlich, dass nichts ewig anhält. Zurzeit machen mir diese  Unwirklichkeitsgefühle zu schaffen. Ein Gefühl  nicht richtig da zu sein, wie hinter Milchglas. Ich nehme ein Neuroleptikum und weiß nicht,  inwiefern das Einfluss hat. Meine Depression ist stark ausgeprägt sagte der Doc und geht mit psychotischen Elementen einher. Ich bin so traurig, dass ich so krank geworden bin und von meinem alten Leben getrennt. Ich habe Angst, keine Zukunft als gesunder Mensch mehr zu haben.
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 15 September 2019, 16:12:10
Hallo Fool.

was hat Dir in der richtig dunklen Zeit geholfen? Ich verliere leider oft den Halt, weil ich Angst habe, dass es so bleibt. Die Unwirklichkeitsgefühle sind manchmal sehr schlimm auszuhalten. Das ist wohl auch nur eine Schutzfunktion der Psyche? Dass man abgeschirmt wird. Können Neuroleptika oder AD helfen?
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Ina am 15 September 2019, 17:27:37
 
Hallo liebe Christiane,

das ist ja schön, dass ihr nach der Trennung eine gute Freundschaft aufbauen konntet! Das ist nicht unbedingt selbstverständlich.

Es ist wichtig, dass Du nicht zu viel alleine bist, denke ich. Depressionen und Alleinsein können nämlich schnell dazu führen, dass man sich immer mehr zurückzieht, bis man irgendwann geradezu isoliert ist und niemanden mehr an sich heranlässt.

Was hältst Du von der Idee, Dich nach Deinem Klinikaufenthalt einer Selbsthilfegruppe anzuschließen? Ich könnte mir vorstellen, dass es Dir gut täte, Dich regelmäßig mit anderen Betroffenen in ungezwungener Atmosphäre auszutauschen, Deine Fragen stellen zu können und zu hören, was anderen geholfen hat, womit sie gute Erfahrungen gemacht haben und was sie in "dunklen Zeiten" machen, um die Hoffnung aufrechtzuerhalten.

Meine Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen sind jeweils gut. Vielleicht wäre das ja auch etwas für Dich?


Liebe Grüße
Ina
 
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: hardworking fool am 15 September 2019, 19:51:52
Hallo Fool.
was hat Dir in der richtig dunklen Zeit geholfen? Ich verliere leider oft den Halt, weil ich Angst habe, dass es so bleibt.

Ich glaube, es liegt in meiner Persönlichkeit. Aus irgendeinem Grunde bin ich einfach ein unverbesserlicher Optimist. Ich weigere mich aufzugeben. Und auch wenn ich heute nicht mehr daran glaube, dass ich jemals wieder komplett und für alle Zeiten frei von Depressionen sein werde, so bin ich doch überzeugt, dass das alles irgendeinen Sinn hat. Früher habe ich beispielsweise ausschließlich das Leben der Anderen geführt. Ich habe nur das getan was von mir erwartet wurde, auch wenn es mich fast umgebracht hätte.

Heute weiß ich, dass ich das Recht UND die Pflicht !!! habe egoistisch zu sein. Ich kann anderen viel geben - aber nur, wenn ich dafür sorge, dass es mir selbst auch gut geht. Meine Güte, früher hätte ich mir nicht mal ein Schälchen Himbeeren gegönnt, "Zu teuer", "Das braucht's nicht." "Äpfel und Bananen sind genauso gesund, aber viel billiger." (Ich HASSE Bananen!)
Die Depression hat mich gelehrt, achtsam und vorsichtig mit mir selbst umzugehen. Früher habe ich bis zur völligen Erschöpfung gearbeitet und mich selbst kasteit weil ich der Meinung war nicht gut genug gewesen zu sein, nicht genug getan zu haben. Heute versuche ich mein Möglichstes - aber nur mehr im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Zugegeben, es gab Zeiten in denen ich nur noch darüber nachgedacht habe "Wie? Wie kann ich mich am besten umbringen?", aber ich hatte meiner Therapeutin mein Wort gegeben, dass ich es nicht tun würde. Und auch wenn ich... hmmm, wie formuliere ich das jetzt, ohne die Forumsregeln zu missachten???? … beim Autofahren nicht unbedingt nur nach den Verkehrsschildern Ausschau gehalten habe, so habe ich doch jedes Mal wenn ich wieder kurz davor war irgendwie noch die Kurve gekratzt.

Ohne meine Therapeutin und dieses Forum wäre ich wahrscheinlich heute nicht mehr da. Es ist wichtig, sich Gleichgesinnte zu suchen. Wenn man selbst gerade kein Land sieht, können selbst die Einäugigen eine wertvolle Hilfe sein.

Morgen ist ein neuer Tag!
LG Fool
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 16 September 2019, 08:13:50
Ich denke auch, dass auch wenn es sehr hart ist, die Depression eine Botschaft hat. Dass irgendwas in der Art zu leben, falsch oder zuviel war. Ich habe mich oft überfordert und das nicht beachtet.

Ich leide sehr darunter, nicht für meinen Sohn da sein zu können. Aber ich kann noch nicht aus der Klinik raus. Ich habe diese komische Benommenheit, als wäre ich neben mir. Kennt Ihr das auch,?

Ich finde es toll, Fool, wie konsequent Du Deinen Weg da raus gegangen bist.

Mit den Selbsthilfegruppen werde ich mir überlegen. Danke!

Liebe Grüße
Christiane
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Ina am 18 September 2019, 17:47:47
 
Zurzeit machen mir diese  Unwirklichkeitsgefühle zu schaffen. Ein Gefühl  nicht richtig da zu sein, wie hinter Milchglas.

Die Unwirklichkeitsgefühle sind manchmal sehr schlimm auszuhalten. Das ist wohl auch nur eine Schutzfunktion der Psyche? Dass man abgeschirmt wird.

Ich habe diese komische Benommenheit, als wäre ich neben mir. Kennt Ihr das auch,?

Ja, sehr gut sogar. Nun weiß ich natürlich nicht, ob wir wirklich das gleiche meinen, aber so wie Du es beschreibst, kommt es mir bekannt vor. Ich sage dazu immer: "Ich bin nicht klar da / anwesend." oder "Ich bin ganz weit weg.". Alles wirkt so ein bisschen "verschwommen", ähnlich wie im Traum. Ich nehme dann alles sehr gedämpft wahr – auch mich selbst. Es kann vorkommen, dass ich in diesem Zustand verzögert auf äußere Reize reagiere, und ich glaube, ich spreche dann auch leiser und langsamer, allerdings mache ich das nicht absichtlich.

Früher traten diese Zustände bei mir öfter auf und hielten auch deutlich länger an als heute. Oft ging dieses benommene Gefühl mit Derealisation- und Depersonalisationserleben sowie dissoziativen Zuständen einher. Auslöser waren bzw. sind entweder akute Belastungssituationen oder extreme Erschöpfung, die auf langanhaltenden seelischen Belastungen beruht (z.B. ungelöste Probleme und Konflikte). Wenn es akut ist, treten bei mir auch vermehrt psychotische Symptome auf.

Ich bin mir recht sicher, dass diese Benommenheit und die Emotionslosigkeit zusammenhängen (jedenfalls bei mir).
 
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Ina am 18 September 2019, 20:27:27
 
Ein Denkanstoß als Nachtrag zu meinem Beitrag von heute Nachmittag:

Die Unwirklichkeitsgefühle sind manchmal sehr schlimm auszuhalten. Das ist wohl auch nur eine Schutzfunktion der Psyche? Dass man abgeschirmt wird. Können Neuroleptika oder AD helfen?

Wenn es doch eine Schutzfunktion der Psyche ist, ist es dann wirklich sinnvoll, es mit Medikamenten "wegzumachen"? Deine Psyche würde nicht so reagieren, wenn es nicht nötig wäre. Sie schützt Dich vor dem, was im Moment zu viel für Dich ist und Dich emotional überfordern würde; vor Gefühlen und evtl. auch vor Erinnerungen, die Du (noch) nicht ertragen kannst. Diese Benommenheit und "Unwirklichkeitsgefühle" können in der Tat sehr unangenehm sein, aber wie wäre es wohl, wenn Deine Psyche NICHT so reagieren und Dich schützen würde? Wahrscheinlich würde es sich noch viel schlimmer anfühlen.

Für Dich sind diese Zustände (ich weiß gar nicht, wie ich es sonst nennen sollte) ja noch recht neu. Vermutlich wäre es Dir am liebsten, so schnell wie möglich alles auf einmal loszuwerden. Das kann ich nur zu gut verstehen, leider ich doch selber schon sehr lange unter ähnlichen Symptomen und weiß daher, wie quälend und beängstigend sie sein können! Ich muss Dir leider dennoch sagen: Das wird nicht funktionieren. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, hat sich die Depression (wie bei den meisten anderen auch) langsam eingeschlichen, wurde im Laufe der Zeit stärker und es kamen weitere Symptome hinzu. Es war sozusagen eine Entwicklung. Genauso wird es auch seine Zeit brauchen, bis Du sie in den Griff bekommst. Diese Zeit musst Du Dir selbst geben – etwas anderes wird Dir ohnehin nicht übrig bleiben. Aber – und das ist das Entscheidende – Du kannst diese Zeit nutzen. Zum Beispiel für Therapie und Selbstreflexion, für Dinge, die Dir gut tun, für eventuell notwendige Veränderungen Deiner Lebensumstände und Deiner Situation. Diese Dinge sind es, die Dir realistische Hoffnung schenken werden, dass Du aus dem tiefen Tal der Depression herauskommen kannst!

Für utopisch halte ich hingegen die Hoffnung, ein Medikament zu finden, welches "alles wieder gut" macht. Ich sehe Psychopharmaka eher als Unterstützung (bestenfalls parallel zur therapeutischen Behandlung) oder auch als "Stabilisator", um die schwerwiegendsten Symptome abzuschwächen. Die Probleme, die für die Depression verantwortlich sind, können Medikamente aber nicht lösen. Es gibt zwar auch Formen der Depression, die rein körperliche Ursachen haben und allein mit Medikamenten, einer Umstellung der Ernährung usw. behandelt werden können, aber das ist bei Dir offenbar nicht der Fall. Du erwähntest ein Trauma aus der Kindheit, belastende Ereignisse, dass Du Dich oft überfordert und nicht genug auf Dich geachtet hast und noch einiges mehr. Dass sind die Punkte, die "bearbeitet" werden müssen, denke ich. Für den Anfang also z.B., dass Du besser auf Dich Acht gibst, indem Du in bestimmten Situationen anders als bisher reagierst und handelst – nämlich so, dass es Dich nicht zu sehr stresst und Du nicht im Nachhinein darunter leidest. Es gibt vielleicht einige Verhaltensmuster, mit denen Du Dir eher schadest, ohne dass Du es sofort merkst. Wenn Du sie erörtert hast und lernst, dass es auch anders geht (und wie), kann das sicher einiges bewirken und für eine Linderung Deiner Symptome sorgen.

Ich kenne Dich nicht persönlich, weiß nicht viel über Dich und kann es daher wahrscheinlich auch nicht wirklich gut beurteilen. Es ist nur meine Einschätzung, basierend auf Deinen bisherigen Schilderungen. Und ich glaube, dass das meiste, was ich gerade geschrieben habe, auf sehr viele Menschen mit Depressionen zutrifft.

Vielleicht musst Du aktuell erstmal lernen, die Depression "anzunehmen" und zu akzeptieren, dass Du sie nicht innerhalb weniger Tage und auch nicht durch die Einnahme von Antidepressiva und Neuroleptika komplett loswirst.

Hab Geduld mit Dir, liebe Christiane, auch wenn es schwerfällt. Das Wichtigste ist, dass Du dran bleibst, Hilfe annimmst und Dich dabei unterstützen lässt, so an Dir zu arbeiten, wie es für die Genesung erforderlich ist.


Alles Liebe
Ina
 
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 20 September 2019, 10:24:58
Danke liebe Ina für Deine ausführlichen Antworten.

Ich habe dieses Unwirklichkeitsgefühl in letzter Zeit leider oft und fühle mich dann sehr benommen und abwesend. Mir macht das leider auch Angst. Ich weiß, dass man Gefühle nicht kontrollieren kann. Es entzieht sich komplett meinem Zugriff. Vielleicht ist das frühe Kindheitstrauma Ursache oder meine Angststörung. Ich muss auf jeden Fall der Sache therapeutisch auf den Grund gehen. Das geht hier in der Klinik nur bedingt.

Wie bist Du mit diesen Zuständen umgegangen und was hat Dir geholfen?
Hat es irgendwann von alleine wieder aufgehört?

Ich befinde mich schon Monate in der Depression und weine deshalb täglich. Es hat mich aus meinem Leben gerissen und ich vermisse mein Kind und mein normales Leben. So sehr. Wie kann ich nur besser akzeptieren lernen ohne diesen Leidensdruck. Wie Du schon sagst, es hat sich länger so heraus kristallisiert und wird nicht in binnen von Tagen vorbei gehen. Vielleicht dauert es sogar ein Jahr...

Deine Worte sind sehr herzlich und Mut machend. Ich danke Dir sehr!
Liebe Grüße
Christiane
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Mickie am 20 September 2019, 16:46:32
Hallo Christiane,

deine Berichte hier und dem Wunsch dieses benebelte hinter sich zu lassen, wieder in die Normalität zurückzukehren und die Angst das es vielleicht nicht aufhört usw. haben mich sehr bewegt.

Als ich damals nach längerer Depressionsphase und längerer Ambulanter Therapie mich in der Klinik wiederfand habe ich ähnlich wie du gefühlt. Wahrgenommen habe ich alles eher wie durch einen Nebel, oder durch Watte, manchmal hab ich auch nur noch registriert ich bin dann wohl da und das wars. Ich habe damals daran gezweifelt das ich fähig wäre irgendwas auf die Reihe zu bekommen und wusste manches mal nicht weiter.
In der Klinik wurde mir damals viele Techniken beigebracht wie die Tresortechnik, der sichere Ort, Entspannungsübungen etc. und immer wieder dachte ich ja ja, aber mir gehts doch noch immer nicht besser und die Techniken wirken bei jedem nur ich bin zu blöde. Zwischendurch wollte ich komplett aufgeben und dachte jetzt musst halt damit Leben.
Irgendwann hat mir dort ein behandelnder Arzt gesagt: Sie können weiter in ihrem Vertrauten Muster vor den Dingen flüchten oder sie können den neuen Techniken eine Chance geben und sich selbst die Möglichkeit mehr zu Können um die Situationen zu beeinflussen.
Diese Ansage hat mich irgendwie erreicht und ich habe damals für mich weiter geübt, den sicheren Ort immer wieder und wieder. Ebenso die Tresortechnik.
Ich hab mir damals auch wieder eine Tagesstruktur aufgezwungen um sowas wie Alltagsroutinen zu erhalten, die auch dann funktionieren wenn es grad mal nicht so gut läuft.
Es ist mir sehr oft sehr schwer gefallen mich immer wieder aufzuraffen, aber nach und nach konnte ich dadurch mein Leben wieder selber in die Hand nehmen.
Ich weiss nicht was dir hilft und welche Stärken du schon hast und wo du grade Potenzial hast weiter dran zu arbeiten, aber ich bin überzeugt es wird irgendwas geben, was dich vielleicht einen Schritt weiter bringt.

Als ich nach vielen Jahren Therapie damals in die Therapiefreie Zeit gegangen bin, hatte ich für mich eine gewisse Stabilität erreicht, ich konnte wieder am Alltag teilnehmen, der Verantwortung für mein Kind nachkommen und für mich feststellen was ich tatsächlich alles gelernt habe.
Mein neuer Alltag war anders als der vor der Klinikzeit, aber ich habe seit der Zeit verstanden, es ist in Ordnung wenn ich nicht mehr alles  kann und ich muss auch nicht alles können.
Ich wünsche dir von Herzen das du nicht aufgibst und daran glaubst das es auch für dich ein Weg gibt.

Ach ja, damals hab ich vieles gelernt was ich dachte das hätte nie eine Wirkung gehabt und würde nichts bringen, als ich jetzt wieder gestolpert bin, habe ich erst gemerkt wie sehr die Techniken von einst wirken. Ich konnte sie wieder abrufen, sie anwenden und spüre das ich damit heute tatsächlich eine andere Selbsthilfemöglichkeit habe als damals.

Ich habe auch gemerkt das keine Therapie damals umsonst war, denn ohne die hätte gar nicht angefangen an mir selbst zu arbeiten und Dinge zu verstehen. Wieviel ich noch aus der Zeit weiss, merk ich  jetzt wo ich eine neue ambulante Traumatherapie angefangen habe.

Ich wünsche dir den Mut die Situation anzunehmen wie sie gerade ist.
Ich wünsche dir ein bissl Neugier um die Angebote einfach alle mal zu probieren.
Ich wünsche dir ein wenig Gelassenheit mit dir Selber, sei nicht zu streng mit dir.

Pass gut auf dich auf.

Lieben Gruß

Mickie

Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 23 September 2019, 11:43:02
Danke Mickie für Deinen Beitrag und die lieben Wünsche!
Meine Erkrankung ist stärker ausgeprägt, als mir bewusst war/ist.

Diese ganzen Gefühle und Erlebnisse der Unwirklichkeit, des nicht anwesend seins beängstigen mich und ich suche nach Erklärungen. Ich weiß, dass das nicht die Realität ist und doch werden diese Emotionen dann so stark.

Die Behandler sagen, dass es nicht an der Medikation liegt. Ich weiß es nicht...

Fakt ist ja aber, dass ich es bin, der es so bedrohlich werden lässt. Wenn es ein Symptom meiner Erkrankung ist, wird es abklingen mit der Remission der Depression. So lange ich nicht stabil bin, macht es wenig Sinn psychotherapeutisch in die Tiefe zu gehen.  Das, was Du erwähnt hast, mit Methoden aus der Therapie klingt sehr interessant. Klasse, dass es Dir auch nach so langer Zeit noch etwas bringt.

Mit der Akzeptanz kämpfe ich leider immer noch.
Wie lange war Dein Krankheits - und Genesungsprozess?
Haben Dir Medikamente auch geholfen?

Ganz liebe Grüße
Christiane
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Mickie am 23 September 2019, 20:36:23
Hallo Christiane,

wielange war mein Krankheits- bzw. Genesungsprozess, das kann ich dir ehrlich so gar nicht sagen. Mit dem Wissen von Heute würde ich sagen hatte ich schon Krankheitsmerkmale in der Jugend bzw. ich weiss halt das es dort die Auslöser gab und diese auch immer mein Leben beeinflusst haben.

Sehr lange wo andere schon erkannt haben, dass es mir wohl nicht so gut geht, habe ich alles noch als total normal empfunden, die Krankheitseinsicht und damit auch den Start in einen Genesungsprozess fand somit erst nach vielen Jahren nach dem Beginn statt.

Was den Genesungsprozess angeht, nach der Krankheitseinsicht habe ich zunächst mit einer ambulanten Therapie angefangen, durch die ich später in der Klinik gelandet bin und danach noch langer weiter in ambulanter Therapie war.
Rückblickend habe ich dort vieles gelernt, konnte eine Stabilisierung erreichen und eine Phase erleben, aus den damals angebotenen Möglichkeiten ein Leben zu führen welches in meinem Empfinden Lebenswert war. Was damals mir noch nicht so bewusst war, stabilisieren heisst nicht zwingend Verarbeitet zu haben.
Heute würde ich sagen habe ich in der Therapiefreienzeit das gelernte verarbeitet, für mich überprüft passt es so oder passt es nicht. Ich würde die Zeit definitiv zum Genesungsprozess betrachten. Wobei ja auch da die Frage ist, ab wann wäre man überhaupt genesen?

Als vor anderthalb Jahren immer mehr Themen hochkamen und ich merkte das Stabilisieren einen zwar Alltagstauglich macht, aber nix verarbeiten lässt, habe ich mich mit viel ringen wieder auf der Suche nach einer passenden Therapie gemacht. Inzwischen ist diese gestartet und diesmal ist das Ziel etwas anders, diesmal gehts halt ums eingemachte um die Traumaverarbeitung. Im Moment gehts mir damit eher bescheidener als vor Therapiebeginn aber die Reise hat ja erst angefangen.

In der ganzen Zeit wurde ich neben den Therapien auch mit Medikamenten individuell eingestellt, bzw. nach passenden Möglichkeiten für mich geschaut.

Mein Weg ist aber auch nicht einfach auf den nächsten zu übertragen, da, und das hab ich verstanden, die Psyche eines jeden sein ganz eigenes Tempo vorgibt und je nach Grundursache der eine fix wieder sich als Lebensfröhlich erlebt und ein anderer sehr lange braucht um zur Lebensfreude wieder zu kommen.

Ich hab beim ersten mal auch oft geschaut, wie hat ein anderer das gemacht hat, ich war wütend weil ich den Eindruck hatte alle haben Erfolg und nur ich bin zu blöd die Hilfe anzunehmen.
Ich bin auch lange einem Bild von Genesung hinterhergelaufen ala: Ich kann erfolgreich arbeiten gehen, eine tolle Mutter sein, eine liebevolle Ehefrau sein und die Probleme die das Leben bereithält mit Leichtigkeit bewältigen.
Genesung heisst für mich heute, ich lebe ein Leben welches ich als Lebenswert empfinde, wo ich positive Gefühle entwickeln darf und weiter wachsen kann. Manchmal gibts wie zur Zeit ein grosses Tal aber es wird sicher irgendwann wieder ein aufwärts geben.

Ich wünsche dir dass du aus dem dir angebotenen etwas annehmen kannst um in deinem Tempo dein Weg gehen zu können.

LG
Mickie
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 27 September 2019, 11:50:11
Hallo Mickie,

Danke für Deine ausführliche Antwort!
Das ist ein langer Weg zur Selbstheilung, den Du zurück gelegt hast.
Und Vieles wirkt noch nach.

Ich bin immer noch an dem Punkt Stabilisierung. Mir geht es aktuell sehr schlecht.
Ich verbringe den Tag in einer Art Betäubtheit, bin mental total neben mir und sehr langsam.
Ich kann Gesprächen nur bedingt folgen und ziehe mich eher zurück. Das einzige Gefühl dem ich Ausdruck geben kann, ist die Traurigkeit oder Verzweiflung über meinen Zustand.

Ich gebe Dir vollkommen Recht zum Tempo der Genesung. Ich glaube ich bin noch ganz am Anfang.
Mein Leben draußen kommt mir so weit weg vor. Ich habe Angst!

Liebe Grüße
Christiane
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Skygirl07 am 30 September 2019, 09:14:04
Mir macht das Gefühl neben sich zu stehen und nicht richtig da zu sein Angst. Weil es andauernd ist. Ich will mein Lebensgefühl wieder als ich aktiv und wach war. Ich habe so Angst jetzt in diesem Dämmerzustand bleiben zu müssen.
Titel: Re: Gefühllosigkeit durch Depression oder Medikamente
Beitrag von: Mickie am 30 September 2019, 20:05:23
Huhu Christiane,

hast du schon mal sowas wie ein Perspektivwechsel gemacht? Was meine ich damit, ganz einfach aus deinen Post nehme ich immer wieder wahr das du deine Betäubtheit in den Focus stellst und ich erlebe dort noch kein Blick was geht jetzt schon besser als vor 4 Wochen.

Die einen schreiben jeden Tag auf, was sie gefühlt haben an positivem wie z.B. die Wärme der Sonne auf dem Gesicht hat mich kurz lächeln lassen.
Andere haben in ihrer linken Tasche kleine Kirschkerne oder ähnliches und jedesmal wenn sie etwas positives gespürt haben packen sie einen Kern in die rechte Tasche und erleben so das es doch einige positive Momente gab.

Vielleicht ist das ja etwas um mal etwas anderes im Focus zu haben.

Lieben Gruss

Mickie