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Allgemeines Nur-Ruhe Forum => Erfahrungen mit Kliniken, Therapien und Medikamenten => Thema gestartet von: Ina am 06 August 2021, 04:27:37

Titel: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 06 August 2021, 04:27:37
 
Hat jemand von Euch Erfahrungen mit dem Absetzen von Lamotrigin?
Es ist ein Antiepileptikum, wird aber auch als Stimmungsstabilisator bei (rezidivierenden) Depressionen eingesetzt.
Ich nehme es (in Kombination mit anderen Psychopharmaka) seit über zehn Jahren; in den letzten Jahren war ich bei 100 mg täglich.

Auf meinen Wunsch hin haben mein Psychiater und ich einen Absetzplan erstellt, da ich einfach nicht weiß, ob es überhaupt Wirkung hat, denn meine Stimmung ist alles, aber nicht stabil. Ich nehme echt „genug“ Tabletten – und sollte es wirklich so sein, dass es mir ohne Lamotrigin nicht anders geht als mit, lasse ich es lieber weg. Nun soll ich es also langsam ausschleichen und die Dosis in 25-mg-Schritten reduzieren. Montag habe ich damit begonnen, bin jetzt also bei 75 mg pro Tag.

Dienstag hatte ich einen extremen Stimmungseinbruch und fühle mich seitdem sehr depressiv. Ob es an der Dosisreduzierung liegt, kann ich nicht genau sagen. Es kann auch mit aktuellen Ereignissen zusammenhängen (was ich für wahrscheinlicher halte). Symptome, die aber sicher darauf zurückzuführen sind, sind verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Kreislaufprobleme und leichter Schwindel. Halb so schlimm. So etwas vergeht ja meistens nach wenigen Tagen (so zumindest meine Erfahrung; und ich habe ja schon wirklich viele Psychopharmaka aus fast allen Wirkstoffgruppen ausprobiert und wieder abgesetzt) und belastet mich nicht sonderlich. Was mir allerdings Sorgen bereitet, ist, dass gestern schon der dritte Tag in Folge war, an dem ich einfach so umgekippt bin und mich danach an nichts mehr erinnern konnte. Einfach „weg“, ohne vorher etwas davon gemerkt zu haben. Bei einem anderen Medikament hatte ich das auch schon mal, aber da fühlte es sich eher wie plötzliches Einschlafen an. Jetzt habe ich mehr den Eindruck, es würde sich um Ohnmacht handeln.

Auf dem Boden liegend zu mir zu kommen und mich nicht an das Davor erinnern zu können, ist mir nicht unbekannt: Aufgrund meiner nahezu völligen Schlaflosigkeit passiert dies ca. zwei- bis viermal im Monat, weil entweder mein Körper / Kreislauf schlappmacht oder weil ich eben wirklich von einen Moment auf den anderen einschlafe. Dann bin ich allerdings maximal für eine halbe bis dreiviertel Stunde „weg“ und komme immer mit extremen Kopfschmerzen wieder zu mir. Das war in den letzten drei Tagen anders: Da war ich deutlich länger „weg“ und hatte danach keine so starken Kopfschmerzen. Ich nehme auf jeden Fall einen Unterschied wahr, kann ihn aber nicht so gut in Worte fassen. Es ist einfach ein ganz anderes Gefühl.

Sollte es heute noch einmal passieren, werde ich die Dosis vom Lamotrigin wieder auf 100 mg hochsetzen. Mit meinem Psychiater kann ich erst Montag Rücksprache halten. Er lässt mir bei so etwas ohnehin freie Hand, da ich ausreichend Erfahrung mit der Einnahme und dem Absetzen von Psychopharmaka habe und mich und die Reaktionen meines Körpers und meiner Psyche diesbezüglich ganz gut einschätzen kann.

Mich würde interessieren, ob jemand dieses „plötzliche Umkippen“ (ob es tatsächlich Ohnmacht ist, weiß ich nicht) beim Absetzen von Psychopharmaka kennt.
(Ich bin mir ja nicht mal sicher, ob das Reduzieren der Dosis – es sind ja erst 25 mg weniger – wirklich die Ursache ist.)
 
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 01 September 2021, 09:47:47
 
Vorgestern habe ich die Dosis von 62,5 mg auf 50 mg reduziert – und letzte Nacht ist es wieder passiert: Einfach weg, von einen Moment auf den anderen. Als wäre ich plötzlich ohnmächtig geworden. Habe stundenlang auf dem Boden gelegen, bis ich heute Morgen wieder zu mir gekommen bin. Erinnerungen habe ich so gut wie keine.

Kopfschmerzen: Ja, aber es ist nicht der „typische“ Kopfschmerz, den ich habe, wenn ich geschlafen habe. Ich vermute also, es war kein gewöhnliches Schlafen, sondern ein anderer Zustand.

Körpertemperatur: 35,4 °C.
 
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Homo.habilis am 06 Oktober 2021, 19:33:37
Hallo ina
Bin mit meinen Zeilen etwas spät dran. Ich schreib jetzt aber doch noch was zum Thema absetzen von lamotrigin.
Ich nehme schon seit längerem verschiedene Psychopharmaka. Wenn ich mal ein der zwei Tage eines davon weglasse, reagiere ich sofort mit einer massiven Verschlechterung.
Wenn ich Lamotrigin mal weglasse (z. B. weil ich zu doof war rechtzeitig neues zu besorgen) merke ich aber keine verschlechterung. Hab es aber nie länger als 3 Tage weg gelassen. Vielleicht sollte ich auch versuchen es abzusetzen. Hab aber Angst, dass mein labiles System dann einstürzt.
Ich hoffe du hast inzwischen deine ohnmachtsanfälle von einer Ärztin checken lassen. Ich bin da tatsächlich etwas besorgt.
Du schreibst so wunderbare Antworten. Genau so wünscht man sich eigentlich Antworten von Therapeuten und Ärzten. Leider kommt das eher selten vor. Danke für deine einfühlsamen, wertschätzenden, vorsichtigen, klugen,... Beiträge.
L. G. Homo. Habilis
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 09 Oktober 2021, 19:37:47
 
Halllo Homo.habilis,

danke für Deine lieben Worte! Solche Rückmeldungen tun wirklich gut.

Bis jetzt habe ich Lamotrigin noch nicht weiter runterdosiert, weil ich den ganzen September über viel unterwegs war und arbeiten musste. Da war mir das Risiko einfach zu hoch, dass so etwas passiert. Ich möchte aber versuchen, noch diesen Monat weitere 12,5 mg wegzulassen. Dann bin ich bei 37,5 mg pro Tag. Sollte es dann erneut dazu kommen, dass mein Körper schlapp macht, werde ich auf jeden Fall meinen Psychiater darauf ansprechen. Das habe ich bis jetzt nicht getan, weil es nicht mehr vorkam.

Liebe Grüße
Ina
 
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 27 Oktober 2021, 17:17:17
 
Ich habe die Dosis gestern wieder um 12,5 mg reduziert.
Es geht mir miserabel – nicht erst seit gestern – und ich frage mich, ob es wirklich der richtige Zeitpunkt dafür ist.
Andererseits: Wann ist schon der richtige Zeitpunkt? Ich habe doch IMMER Depressionen und weiß gar nicht, wann ich zuletzt eine Phase hatte, in der es mir einigermaßen gut ging. :-/
 
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 18 November 2021, 17:17:17
 
Die letzte Dosisreduzierung habe ich gut überstanden. Eigentlich habe ich kaum etwas davon gemerkt.
Heute habe ich wieder 12,5 mg weggelassen und bin jetzt bei 25 mg am Tag. Es liegen also nur noch zwei Schritte vor mir.
Wer weiß, vielleicht schaffe ich es ja bis Endes des Jahres, es komplett auszuschleichen. Das wäre schön. :)
 
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 08 Dezember 2021, 07:57:57
 
Gestern habe ich die Dosis halbiert und bin nun bei 12,5 mg pro Tag. Im Grunde ist das „nichts“. Und doch wirkt sich die geringe Dosisreduzierung auf mein körperliches Befinden aus: Mein Kreislauf ist immer wieder kurz davor, schlappzumachen. Mir wird schwindelig und für einen kurzen Moment fast schwarz vor Augen, aber dann geht es wieder. Ich schaffe das. Spätestens in ein paar Tagen werden die Absetzerscheinungen verschwunden sein. Die letzten 12,5 mg setze ich Ende des Jahres ab – dann habe ich es geschafft. Ich möchte dieses kleine Ziel wirklich gerne erreichen. Ein Medikament weniger.


Nachtrag: Dass ich den aktuellen Absetzschritt trotz der geringen Dosis spüre, liegt vermutlich daran, dass ich das Medikament schon seit über zehn Jahren täglich einnehme.
 
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 02 Januar 2022, 19:19:19
 
Geschafft! Seit dem 30.12. schon. :)
An den beiden Tagen davor habe ich noch jeweils 6,25 mg Lamotrigin genommen. Das hat zu sehr starker Übelkeit und zu Kreislaufproblemen geführt, aber es wird langsam besser.
Mein Ziel habe ich jedenfalls erreicht: Ein Medikament weniger!
 
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Crying Angel am 02 Januar 2022, 19:47:18
Herzlichen Glückwunsch meine Liebe :)
Titel: Re: Absetzen von Lamotrigin
Beitrag von: Ina am 10 Januar 2022, 17:37:47
 
Danke, liebe Michi!


Ich habe wohl fast alles an Absetzerscheinungen, was man nur haben kann. :( Manches tritt komischerweise jetzt erst auf – elf bzw. zwölf Tage nach dem vollständigen Absetzen des Medikaments. Auf etwas anderes sind die Symptome aber nicht zurückzuführen.

Sehstörungen / verschwommenes Sehen (schon seit mindestens zwei Monaten, zeitweise sehr ausgeprägt), Schwindel (seit heute sehr stark), Übelkeit (seit ein paar Wochen hin und wieder), Ausschlag (seit mehreren Wochen, zum Glück aber nicht so schlimm), Muskelkrämpfe (seit ein paar Tagen, mehrmals täglich und sehr stark) usw...

Ich hatte es nicht alles gleich mit dem Absetzen vom Lamotrigin in Verbindung gebracht und mich gefragt, woher es wohl kommt. Aber seit ich heute einen Bericht darüber gelesen habe, ist es für mich eine klare Sache... Hoffentlich hört das bald auf – ich fühle mich sehr unwohl. :-/