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Autor Thema: Wie soll man eigentlich selbst feststellen, ob man depressiv ist.  (Gelesen 1185 mal)

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Paul

  • Gast

Ein mal zu mir: Ich bin 21 Jahre alt, männlich und stehe gerade in der Blüte meines Lebens. An sich geht es mir nicht schlecht, ich habe ein gesundes Elternhaus, habe erfolgreich mein Abi bestanden, eine Freundin und studiere gerade im dualen System.

Seitdem ich allerdings so um 15 geworden bin, hegte ich immer wieder Selbstzweifel. Ich fragte mich, ob ich das alles so will, ob ich das kann. Meistens war ich deshalb traurig, weil ich mir selbst nicht sagen konnte, hier bist du auf dem richtigen Weg. Ich musste eine Klassenstufe wiederholen, weil ich nach der Schule nur noch im Bett lag und nichts weiter getan habe. Dazu sollte man vielleicht sagen, dass ich nicht gemobbt wurde oder sonstiges, ich hatte immer einen kleinen aber stetigen Kreis von gzten Freunden, die mich schätzten und mochten. Irgendwann dachte ich allerdings, ich will nicht mehr bin von zu Hause weg gelaufen und habe mich auf eine Bank gesetzt, nicht weit von meinem zu Hause entfernt. Ich versuchte mich umzubringen, doch war immer noch so bedacht, dass es nicht passierte, es sollte eher ein Hilferuf werden. Einfach darüber reden konnte ich nicht. Irgendwann fand mich ein guter Freund, der mich gesucht hat, da ich sowas bei ihm annähernd angekündigt habe, das Blut lief zwar, aber es waren keine lebensgefährliche Verletzungen. Dennoch rief er den Krankenwaagen und die Sanitäter meine Eltern an. Nun musste ich Ihnen das also erklären. Im wesentlichen sagte ich, dass es ein ausrutscher war, von dem Krankenhaus bekam ich trotzdem eine Stunde beim Psychotherapeuten verschrieben. Nun saß ich dann da auf dem Stuhl, doch das gespräch war nach 15 Minuten vorbei, da das eher eine Massenabfertigung war als eine echte Hilfe. Meine Eltern gaben sich dann damit zufrieden und die Geschichte verlief sich in der Vergangenheit. Doch nun fängt es wieder von vorne an, also es war nie so richtig weg, aber ich merke, wie es doller wird. Ich habe einfach Angst mit dem Druck und den Erwartungen nicht fertig zu werden, habe dauerhafte Bauchschmerzen vor Gedanken und weiß nicht, wie ich das durchhalten soll, ich rede mir ein, dass es keine Depressionen sind, warum auch, aber wüsste dann auch nicht, warum es keine sein sollten. Ich musste einfach mal los werden, wie es mir geht, dass es dann evt einer liest und an mich denkt. Antworten müsst ihr nicht.

Danke für die Aufmerksamkeit

Ich hoffe, ihr alle habt ein tolles Leben!
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die Traurige

  • Gast

Hallo Paul,
ich kann dich gut verstehen. Da ich mich in deinen Beschreibungen auch selber sehe. Du brauchst einen Menschen, dem du alles erzählen kannst. Gehe doch zu deinem Arzt und versuche Therapiegespräche verschrieben zu bekommen. Sicher dauert es einige Zeit bis dies genehmigt etc. ist. Keine Ahnung wo du wohnst. Also bei uns gibt es die Arche und es gibt auch die Insel. Bei beiden Einrichtungen kann man hingehen und reden. Es geht auch anonym. Wenn man dies wünscht. Du bist nicht allein. Suche das passende für dich. Vielleicht kann sogar dein Arzt auch selber Gespräche mit dir führen. Glaube mir, es gibt für dich Personen, die dir zuhören. Nicht immer ist eine Klinik das richtige. Aber Hilfe suchen und annehmen, dass braucht man um wieder das Leben weiterhin leben zu können. Bitte schaue dich um und du wirst Hilfe finden. Gib nicht gleich auf, vielleicht dauert es bis die richtige Person für dich gefunden ist, aber sie wird kommen.
Gute Nacht. Ich denke an Dich.
die Traurige
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Adrenalinpur

  • Gast

Hallo Paul,
bitte versuche mal aufzuschreiben was dir denn fehlt
in deiner Beziehung, was du vorhast, wovon du träumst
deine Freundin redet doch auch mit dir?

Gute Nacht
Adre
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Paul

  • Gast

Ich bin eine Person die es grundsätzlich nicht so gern hat, Anderen ihre Sorgen mitzuteilen. Selbstverständlich kann ich mit meiner Freundin reden, aber ich habe das Gefühl, dass sie sowas zu doll belastet und dadurch möchte ich nicht die Beziehung riskieren.
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Freudestrahlend

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  • So ruhig. Und so wütend.

Hallo Paul,
ich verstehe, dass du andere nicht belasten willst. Doch hast du nicht ein Recht darauf, deine eigenen Sorgen mitzuteilen und dir Hilfe, Trost oder was immer du brauchst zu suchen oder zu erbitten?
Ich denke, dass ein ehrlicher Austausch vielleicht erst einmal nicht einfach ist, aber trotzdem wichtig. Eine Beziehung, in der Sachen ausgespart werden, obwohl sie wichtige Faktoren im Leben der Betroffenen sind, mag reibungsloser sein. Aber fehlt es ihr nicht auch an Ehrlichkeit?

Du solltest die Gespräche vielleicht auf mehrere Personen verteilen und dir auch - wie die Traurige vorschlug - jemanden Professionelles suchen.

Und du kannst das Forum hier auch dafür nutzen, wenn du einfach über dich hier schreibst.
Viel Kraft wünscht dir
Freude
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Ina

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Hallo Paul,

je nachdem wie lange bzw. wie gut ihr euch kennt und wie nah ihr euch seid, wird Deine Freundin aber doch auch so merken, dass irgendetwas mit Dir nicht stimmt, also dass Dich etwas belastet und Du Dich nicht gut fühlst. Sowas nimmt man doch auch bei Freunden oft wahr – und speziell für die Gefühle des Partners ist man meist noch viel sensibler!

Deine Freundin spricht Dich vielleicht nicht darauf an, weil sie Dich gut genug kennt, um zu wissen, dass Du nicht gerne über Deine Probleme sprichst. Aber bemerkt haben wird sie es wahrscheinlich schon längst... Und gerade dann kann Schweigen zur größten Belastung werden! Stell es Dir mal umgekehrt vor: Du wüsstest genau, dass Deine Freundin unglücklich ist und Sorgen hat – Du würdest es einfach spüren, obwohl sie kein Wort gesagt hat und versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Nachhaken wollen würdest Du nur ungern, weil sie höchstwahrscheinlich sowieso abblocken würde und Du nicht möchtest, dass sie sich gedrängt fühlt oder genervt ist. Wie würdest Du damit umgehen? Was würdest Du denken? Egal wäre es Dir sicher nicht. Du wärst wahrscheinlich verunsichert, hättest eventuell Schwierigkeiten, ihr zu vertrauen, würdest Dich in erster Linie aber um sie sorgen und Dir alle möglichen (und unmöglichen) Gedanken machen, was wohl mit ihr los ist, warum sie sich so verschließt, ob es vielleicht an Dir liegt usw... Und selbst wenn Du wüsstest, dass ihre traurigen Gedanken belastend für Dich wären, ginge es Dir sicher besser damit, wenn sie diese aussprechen würde, anstatt alles mit sich selbst auszumachen, oder? Dann hättest Du zum einen Klarheit und würdest sie besser verstehen, und zum anderen könntest Du für sie da sein und ihr Halt geben, sei es auch "nur" durchs Zuhören und Verständnis zeigen oder dadurch, dass Du ihr Deine Gedanken / Sichtweise zu den Dingen mitteilst, die sie beschäftigen / belasten.

Was ich Dir damit sagen möchte: Du glaubst, Deine Gedanken könnten Deine Freundin zu sehr belasten und weil Du die Beziehung nicht riskieren möchtest, behältst Du Deine Sorgen für Dich – die Wahrscheinlichkeit, dass Deine Beziehung irgendwann aber unter Deinem Schweigen und Deiner Verschlossenheit leidet, ist mindestens genauso hoch!

Grundsätzlich halte ich Kommunikation für enorm wichtig – nicht nur in der Partnerschaft, sondern auch unter Freunden oder mit anderen Menschen, mit denen man häufig zu tun hat. Das ist doch so die Basis, auf der jeder zwischenmenschliche Kontakt überhaupt erstmal aufbaut... Und wenn dann auch noch Gefühle im Spiel sind, ist auch Vertrauen notwendig – dass sich dies allerdings schwierig gestaltet, wenn man sich bei "schwierigen" Themen (Probleme, Konflikte, Gefühle usw.) verschließt, steht wohl außer Frage.

Mit Sicherheit sieht das nicht jeder so oder hält es nicht für sooo wichtig – vielleicht schließe ich auch zu sehr von mir auf andere... Es ist einfach meine persönliche Erfahrung. Meine erste Beziehung ist (nach knapp vier Jahren) mitunter genau daran gescheitert – für die meisten Probleme / Missverständnisse / Streits war das ständige Schweigen der Auslöser / die Ursache... Und auch in meiner jetzigen Beziehung ist diese Verschlossenheit immer wieder Thema. Zwar sehe ich sie dadurch nicht ernsthaft gefährdet, aber belastend ist es durchaus manchmal und es entstehen z.B. irgendwelche unschöne Situationen und Missverständnisse, die sich mit wenigen Worten hätten umgehen lassen.
Ich merke es sofort, wenn etwas nicht stimmt – da reicht oft ein einziger Blick, irgendeine Bewegung, die er "normalerweise" nicht macht, ein Lächeln, das andere offenbar für echt halten, für mich aber gequält aussieht, oder auch nur seine Stimme am Telefon, die einen Halbton tiefer als sonst ist, wenn er "Hallo Liebste" sagt... Da kann er auch zehnmal versuchen mir weiszumachen, dass alles in Ordnung ist und es ihm gut geht – glaub ich nicht – und irgendwann sagt er es mir dann ja doch... Aber BIS er sich endlich öffnet, mache ich mir pausenlos Gedanken darüber, was passiert sein könnte, was los ist, was ihn so belastet und warum er es mir nicht sagt – ob ich mich ihm gegenüber vielleicht falsch / blöd / ungerecht verhalten oder ihn unbewusst verletzt habe – ob es in irgendeiner Form mit mir (oder noch schlimmer: mit UNS) zu tun haben könnte, dass er so in sich gekehrt ist – ob er mir nicht ausreichend vertraut – ob er Geheimnisse vor mir hat oder ich irgendetwas nicht wissen soll (und wenn ja: Was könnte das sein – und vor allem: Warum?) etc... In meinem Kopf spielen sich dann manchmal richtige "Horrorszenarien" ab, meine Verlustängste werden unweigerlich verstärkt (unnötigerweise) und ich stehe permanent unter Spannung. Wie soll man in solchen Situationen / Phasen noch wissen oder realistisch einschätzen können, woran man eigentlich ist? Dieses Verhalten lässt Zweifel entstehen und macht es schwer, zu vertrauen! Das tut weh, egal ob es aus Rücksichtnahme, Feigheit, Schuldgefühlen oder anderen Gründen geschehen ist.

Das Schlimmste aber ist jedes Mal das gleiche: Zu wissen, dass er leidet, aber nicht warum / woran / worunter. Nicht helfen zu können, weil das Schweigen es nicht zulässt. Nicht SO da sein zu können, wie ich es könnte, wenn ich wüsste, was los ist. Ihn und seine Situation einfach nicht verstehen / erkennen zu können. Die Unerreichbarkeit.

Ich hoffe, Du verstehst, warum ich Dir das alles schreibe... Vielleicht geht es Deiner Freundin ähnlich wie mir, sagt aber nichts. Wenn Du auf Deine Beziehung aufpassen möchtest, ist schweigen und im Stillen weiterleiden jedenfalls nicht der richtige Weg... Dadurch entfernt ihr euch nur voneinander (obwohl Du ja eher das Gegenteil erreichen möchtest). Zudem geht dadurch doch auch irgendwie die "Leichtigkeit" zwischen euch verloren, oder? Nur so ein Gedanke, weil Du dann ja eigentlich gar nicht so sein kannst, wie Du wirklich bist und Dich fühlst. In bestimmten Situationen musst Du ihr doch zwangsläufig etwas vorspielen...

Und ganz wichtig: Das alles kannst Du im Prinzip genauso auf die anderen Menschen in Deinem Umfeld übertragen, denen Du wichtig bist! Freunde und Familie machen sich meist nämlich die gleichen Gedanken und Sorgen... Da Du "dauerhafte Bauchschmerzen vor Gedanken" erwähnst, nehme ich an, dass Du auch abgesehen von Deiner Freundin mit niemandem über diese Dinge sprichst. Es wäre eine typische Reaktion des Körpers... Du versuchst belastende Dinge mit Dir selber auszumachen, was auf Dauer kaum gelingen kann. Im Gegenteil! Es staut sich immer mehr in Dir auf, der Druck wird größer und Du nimmst a) anderen die Chance, Dich zu verstehen und b) Dir selbst die Chance, neue Wege zu finden – denn die findet man oft nur, wenn man andere Sichtweisen kennenlernt, sich Meinung und Rat von anderen einholt und um Hilfe bittet. Und hin und wieder auch nur durch das Erzählen an sich, z.B. wenn einem gewisse Dinge plötzlich viel klarer erscheinen, man sich die ein oder andere Frage selbst beantworten kann und es einem dadurch leichter fällt, auch mal "in andere Richtungen zu denken". Ich könnte mir vorstellen, dass es ein befreiendes Gefühl für Dich wäre, wenn Du Deine Gedanken jemandem anvertrauen würdest. Das muss nicht unbedingt ein Arzt oder Therapeut sein – für den Anfang wären Gespräche mit einem guten Freund oder jemandem aus der Familie sicher auch schon hilfreich.

Und wenn das zum jetzigen Zeitpunkt völlig unvorstellbar für Dich ist, schreib es auf! Auch das kann eine wahre Entlastung sein! Angefangen hast Du ja bereits. Vielleicht möchtest Du es fortsetzen? Ein bisschen mehr ins Detail gehen? Oder einfach die ganzen Gedanken, die sich in Deinem Kopf überschlagen, irgendwie in Worte fassen? Entweder nur für Dich oder gerne auch hier im Forum – wie Du magst und Dich damit wohlfühlst! Wir haben auch zwei geschützte Bereiche, die nur für registrierte Mitglieder einsehbar sind.


Ich hatte nicht vor, Dich derart zuzutexten – entschuldige bitte... Aber vielleicht tut es Dir ja sogar gut, dass sich hier jemand ganz viele Gedanken um Dich und Deinen Text gemacht hat – in der Hoffnung, Dir damit in irgendeiner Form helfen zu können oder Dich zumindest zum Nachdenken / "Umdenken" anzuregen...


Alles Gute

Ina
 
« Letzte Änderung: 11 April 2016, 19:19:52 von InaDiva »
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