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Ich erzähle

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Angie Finch Johnson:
Zunächst einmal Danke, dass ihr euch Zeit nehmt, um das hier zu lesen. Das ist nicht selbstverständlich.

Ich hatte im letzten Halbjahr ziemlich viele Probleme, die ich nicht lösen konnte, und ich möchte jemandem davon erzählen. Deshalb schreibe ich euch, weil ich weiß, dass viele von euch die Probleme nachvollziehen können.

1.Meine (beste) Freundin
Wir sind etwa 3 Jahre richtig innig befreundet gewesen, von der 5. bis zur 7. Klasse, aber auf einmal ga es so einen Abbruch. Etwa ein halbes bis ein dreiviertel Jahr.
Wir redeten weniger, trafen uns kaum.
Es wurde immer schlimmer.
Ich habe sie so oft gefragt, was los sei, habe versucht, Kontakt aufzubauen.
Viele von euch können sich vermutlich vorstellen, wie das ist: ich musste Wochen- und Monatelang mit ansehen, wie meine ehemals beste Freundin zu den anderen ging, mit ihnen lachte und redete.
Man kann jetzt sagen: Freunde kommen und gehen.
Aber um mein Problem zu verstehen, muss man auch verstehen, wie viel mir meine beste Freundin bedeutet.
Ich bin nicht wirklich hübsch, noch sonderlich beliebt. Ich bin oft nicht nett und habe so gut wie nie gute Laune. Ich bin oft ohne ersichtlichen, oder aus lächerlichen, Gründen traurig oder wütend.
Und dann ist da meine beste Freundin. Nett. Hübsch. Beliebt. Hat viele Freunde. Und ist einfach unglaublich nett. So unglaublich. Sie hat mir so oft geholfen, wenn ich schlechte Laune hatte.
Sie ist eine der zwei Sachen, die mir wirklich etwas bedeuten. Durch sie habe ich mein Aussehen, meine Sprache, mein Denken geändert.
Ich denke,ihr könnt nachvollziehen, wie die "Trennung" für mich war.
Ich war in der Zeit vollkommen verzweifelt.
Ein emotionales Wrack. Ich habe in der Schule, wenn etwas nicht gleich klappte, losgeheult und mich gefragt, was es für einen Sinn macht, das noch zu tun, oder noch irgendetwas zu tun, wo sie mich doch nicht mehr mag.
Und dann kam der Nachmittag am Deich. Wir waren für eine halbe Stunde dort und haben geredet. Sie meinte, dass sie von meinem Exfreund (mit dem ich damals noch zusammen war) immer so genervt ist, da er ständig alle neckt und ärgert.
Und wenn sie so genervt ist, habe ich immer nur mit meinem Ex geredet. Deshalb hat sie sich von mir distanziert, weil sie dachte, ICH mag SIE nicht mehr. Dass war das schlimmste.
Dass ich schuld bin. Ich bin schuld an Monatelanger Verzweiflung. Ich bin an allem schuld...
Ich habe ihr das geschrieben, und sie fragte ob alles so sie wie früher. Ich sagte ja, aber das ist es nicht.
Seit der "dunklen Zeit" unserer Freundschaft nistet in mir der Gedanke, dass sie mich nicht mehr mag. Ich habe es nicht geschafft, diesen Gedanken loszuwerden, und das werde ich auch niemals.
Und ich bin schuld.

2. Mein(Ex)Freund
Ich war lange Zeit (auf den Tag genau 16 Monate) mit jemandem zusammen, den ich nicht liebte. Schön nach einiger Zeit wurde mir klar, dass ich Schluss machen möchte, aber ich habe es nicht getan. Aus Angst, ihn freundschaftlich zu verlieren, denn er ist ein wirklich netter Typ. Mittlerweile ist es zum Glück beendet. Er hat gesagt, dass wir lieber gute Freunde sein sollen. Aber seit dem  ignoriert er mich komplett. Er versteht sich super gut mit meiner Zwillingsschwester und die beiden grenzen mich in der Schule regelrecht aus.
Habe ich mit meinem Freund den einzigen Menschen verloren, von dem ich dachte, dass er mich braucht und mag, so wie ich bin?

3. Neue Liebe

Während ich noch mit meinem Freund zusammen war, habe ich mich erneut verknallt.
Aber in ein Mädchen. Ich kenne sie aus der Gemeinde (Ich habe aktuell Konfirmandenunterricht, sie ist Teamerin). Sie ist ein paar Jahre älter als ich und in gewisser Weise ähnlich wie meine beste Freundin. Eine Zeit lang habe ich mir nicht sehnlicher gewünscht, als mich an ihre Schulter zu lehnen und ihr von mir zu erzählen.
Aber natürlich war ich zu feige, um es ihr zu gestehen und mittlerweile liebe ich sie nicht mehr so.
Aber ich glaube, ich habe mich in sie verliebt, weil ich in der Zeit ohne meine Freundin, die mir sehr zugesetzt hat, einen Menschen brauchte, der ihr ähnlich war.

3.Meine Familie
An sich ist meine Familie sehr normal. Also gesund, keiner nimmt Drogen oder so und eigentlich sind alle glücklich.
Eigentlich.
Meine Eltern streiten sich nämlich dauernd. Nicht wegen was schlimmen, sondern wegen vergessenen Sachen, einem misslungenen Essen, einfach Kleinigkeiten.
Sie schreien sich an. Sie sind beleidigt. Meine Mutter weint, mein Vater geht weg.
Dauernd.
Ich halte das einfach nicht mehr aus.  Warum lassen sie sich nicht scheiden?
Ich habe das Gefühl, wenn sie sich streiten, zerspringt mein Herz und anschließend wird es notdürftig mit Kleber repariert. Aber bevor es richtig heilen kann, streiten sie sich erneut und mein Herz geht wieder kaputt.
Ich fühle mich dann immer so hilflos und renne weg.

Das schlimmste ist: ich empfinde keine wirkliche Zuneigung mehr für meine Familie. Ich streite täglich mit meiner Zwillingsschwester, finde es nervig, von meinen Eltern umarmt zu werden. Ich finde es lästig, mit ihnen zu reden oder auch nur zusammen zu sein.
Klar löst man sich in der Pubertät oft etwas von den Eltern, aber man empfindet dich noch Liebe zu ihnen? Ich nicht.

4.Niemand versteht mich
Wahrscheinlich kennen viele von euch das Gefühl: niemand kann euch verstehen, alle denken, ihr seid seltsam. So ist das jedenfalls bei mir.

5. Niemand mag mich
Das Verhältnis zu meiner besten Freundin ist falsch, mein Freund hat Schluss gemacht, mit meiner Familie geht völlig den Berg hinab was die Beziehung zu mir angeht, ich bin bei niemandem aus der Klasse beliebt.
Neulich habe ich gegen ein beliebtes Mädchen aus meiner Klasse Federball im Sportunterricht gespielt, ich mag die meiste Zeit vorn. Nur ganz am Schluss hat sie mich überholt. ALLE haben sie angefeuert, sie bejubelt, mich ausgelacht. Sogar meine Freundin, von der ich dachte, dass sie mich lieber mag als die beliebte Person.
Ich habe einfach das Gefühl, dass niemand mich braucht und dass ich da, wo ich hingehe, schlechte Laune verbreite.


Diese Probleme (und noch einige andere kleine, die ich nicht aufzähle) klingen zwar nicht viel im Vergleich zu dem, was manche von euch durchmachen,  aber mich machen sie vollkommen fertig. Ich habe das Gefühl, alle meine positiven Eigenschaften sind verschwunden.
Ich schaffe es nicht, die Erlebnisse hinter mir zu lassen und durch die monatelange Belastung sind leichte Depressionen entstanden, die ich immer deutlicher spüre. Ich habe Angst  davor, dass sie schlimmer werden, ich habe Angst davor, dass es nie besser wird.


Wenn Du bis hierher gelesen hast: Danke.
Ich weiß das zu schätzen.

Bella:
Hallo liebe Angie,

ich habe deinen Bericht gelesen. Ich möchte dir sagen, dass ich dich sehr gut verstehe und mich in dich hineinversetzen kann. Du erinnerst mich an mich selbst, als ich in deinem Alter war. Da ging es mir in vielen Bereichen ähnlich wie dir jetzt gerade. Du bist also nicht die Einzige, die sowas erlebt und sich deswegen deprimiert fühlt. Ich wünsche dir sehr, dass du in deinem Umfeld Hilfe und Verständnis findest. Vielleicht könnte tatsächlich deine Vertrauenslehrerin eine erste Anlaufstelle sein. Ich wünsche dir Mut, dass du es schaffst, sie anzusprechen.

Natürlich darfst du auch hier weiter erzählen. Du wirst gelesen. Du bist nicht allein.

Liebe Grüße
von Bella

Angie Finch Johnson:
Danke für die lieben Worte!
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine leichte Depression habe und ich hoffe, dass sich das bessert. Deine Worte geben mir Mut, vielleicht genug Mut, um meine Vertrauenslehrerin anzusprechen...
Falls das nicht zu persönlich ist, würde ich gern fragen, ob du auch Depressionen hast oder hattest... wenn ja, was hilft dir dabei?
Viele Grüße,  Angie

Bella:
Ja, ich hatte als Jugendliche Depressionen und habe auch heute noch welche. Ich hatte damals leider keinerlei Hilfe, obwohl ich sie dringend gebraucht hätte. Dadurch wurden die Depressionen bei mir leider chronisch und ich kämpfe bis heute immer wieder damit. Damit es dir nicht  auch so geht, rate ich dir wirklich sehr, dir JETZT Hilfe zu suchen. Jetzt ist noch Zeit und du kannst noch gegensteuern. Warte nicht, bis es schlimmer wird. Von alleine wird es nicht weggehen.

Ich wünsche dir viel Kraft und Mut
Bella

hardworking fool:
Hallo Angie,

ich glaube, dass vieles was du erzählst nahezu jedem schon mal passiert ist, vor allem in einer Zeit in der man sich über so vieles erst klar werden muss, in der man nicht mehr Kind aber auch noch nicht erwachsen ist. Die Pubertät ist wirklich eine schwierige Zeit. Ich erinnere mich noch gut daran wie es mir damals ging (grauenhaft!) und mit meinem Sohn war (und ist) es ähnlich. Vielleicht tröstet es dich, dass die meisten das relativ unbeschadet überleben. ;-)


--- Zitat von: Bella am 09 März 2019, 13:26:46 ---Warte nicht, bis es schlimmer wird. Von alleine wird es nicht weggehen.

--- Ende Zitat ---

Ja, und nein. Eine leichte Depression kann auch unbehandelt wieder verschwinden, aber du solltest wirklich schauen, dass du jemanden findest mit dem du reden kannst. Vielleicht gibt es ja jemanden in deiner Gemeinde dem du vertraust, ansonsten kannst du versuchen dir (auch anonym) Hilfe zu suchen, z.B. beim sozialpsychiatrischen Dienst, bei der Nummer gegen Kummer 08001110333 usw.

Alles gute für dich! Und schreib weiter!

LG Fool

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