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Autor Thema: Therapie  (Gelesen 738 mal)

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Gastin

  • Gast
Therapie
« am: 16 August 2020, 20:32:14 »

Hallo Zusammen,

Nachdem ich in einer Depression hänge und mein Leben gerade wie Blei an meinen Armen und Beinen hängt versuche ich positives zu sehen. Es ist wie Ironie. Trotzdem. Ich habe eine Verhaltenstherapie begonnen und bin in dem Zwiespalt von Akzeptanz und Verdrängung. Mir fehlt der Mut es meiner Umgebung mitzuteilen. Andererseits fehlt mir die Kraft meine Aufgaben zu erfüllen. Ich fühle mich wie ein kaputtes Schuhregal. Braucht man trotzdem, zur Not wird es ersetzt....
Wie offen kann man mit dem Thema umgehen ohne direkt verletzt zu werden?
Bisher wissen nur die wenigsten von der Diagnose, doch leider sind die Reaktionen meistens verhalten. Also das klassische "oh du hast eine Depression, ja also ich hatte auch mal so ne Phase - geh einfach mal raus und hab Spaß..."
Dabei habe ich auch viel Verständnis, also ich glaube diese Art von Ratschlägen sind wirklich gut gemeint. Mich zieht es nur weiter runter. Da kann ich nicht anders, also lächeln aufsetzen, Zähne zusammenreißen und weiter machen. Auch wenn die Ohren piepsen, meine Hände zittern oder ich gedanklich wegdrifte. Es ist als ob die Depression verhindern möchte dass ich mich weiterhin missachte.
 Nur wie kann ich das anderen kommunizieren?
Ich habe nicht gelernt meine Meinung und Gefühle verbal zu äußern und schon garnicht gegen Widerstand zu bestehen. Ich will auch nicht verlangen das man mich berücksichtigt. Irgendwie habe ich immer Angst alles falsch zu machen. Im Leistungssport habe ich gelernt über meine Grenzen zu gehen. Aber ich fühle mich ganz hilflos und einsam.
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  • Gast
Re: Therapie
« Antwort #1 am: 16 August 2020, 20:46:33 »

Hi,

ich würde mit der Krankheit nicht hausieren gehen.
a) die meisten wissen nicht, was genau dahinter steckt und legen es so aus, was jeder mal hat : Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Tief
b) selbst mit anerkannten Krankheiten gehen die meisten nicht zu anderen und erzählen alles

Klar, du magst Verständnis für deine Situation. Versteh ich. Aber ganz ehrlich? Es wird von vielen als Ausrede aufgefasst. Ob es in einer bestimmten Situation zutrifft, kannst nur du beurteilen.
Es klingt - gerade bei Leuten, die man nicht gut kennt - oft ein Beigeschmack mit (Mitleid, Ausrede, dass etwas nicht klappt, usw.).
Gerade auf der Arbeit.

Wir - in der Psychiatrie! - haben auch eine Kollegen mit Depression. Ich denke, die Krankheit ist nicht das Problem. Vielmehr, dass die Kollegin alle paar Wochen mehrere Wochen ausfällt und die Patienten/Arbeit dann kurzfristig auf andere verteilt werden muss. Dasselbe hast du auch, wenn jemand starke Rückenschmerzen hat und dasselbe Verhalten zeigt.
Bei psychischen Krankheiten ist in unserer Gesellschaft allerdings noch weniger Verständnis.

Ich würde es nur denjenigen erklären, wo es unbedingt nötig ist.
Ob es im Beruf bei der erforderlich ist, musst du entscheiden.
Ich denke allgemein: Eigene Belange (Krankheiten, egal was) nur anbringen, wo es unbedingt notwendig ist.

ansonsten überlegen: Was möchtest du erreichen, wenn du es an  der und der Stelle anbringst. Macht es Sinn? Welche Reaktion ist zu erwarten und wie wird dies meine Situation verändern?
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Ina

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Re: Therapie
« Antwort #2 am: 16 August 2020, 20:55:55 »

 
Hallo Gastin,

es freut mich, dass Du zu uns gefunden hast, denn so ein Forum ist eine gute Möglichkeit, zu lernen, über Deine Depression zu sprechen. Hier wirst Du sicher auf Verständnis treffen, weil wahrscheinlich viele von uns ähnliche Gedanken und Sorgen haben oder sich zumindest in Dich hineinversetzen können. Manchmal hilft doch schon ein ehrlich gemeintes "Ich verstehe dich.", ein bisschen Trost, vielleicht der ein oder andere Rat, die Sichtweise eines ebenfalls Betroffenen und dass man sich mit seinen Problemen angenommen und akzeptiert fühlt. Im realen Umfeld bekommt man das leider nicht von jedem und ich bin der Meinung, dass man das auch nicht erwarten sollte. Es ist für jemanden, der selber noch nie eine ernst zu nehmende Depression hatte, nicht leicht, sich in "unsere" Gedanken und Gefühle hineinzuversetzen. Wer nur Deprimiertheit kennt, ja, dem helfen die gut gemeinten Ratschläge, die "wir" eher als Floskeln empfinden, vermutlich wirklich.

Davon abgesehen bin ich aber auch der Meinung, dass man es nicht jedem auf die Nase binden sollte, sondern sich auf die Kontakte beschränken sollte, die einem nahestehen oder bei denen es aus anderen Gründen wirklich sinnvoll ist.

Was ich Dir empfehlen möchte, ist eine Selbsthilfegruppe, denn da ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Du gute Gesprächspartner für Deine Probleme findest, Dich verstanden fühlst und Dich freier über Deine Erkrankung austauschen kannst, ohne Angst vor Ablehnung haben zu müssen. Ob sich Selbsthilfegruppen aktuell überhaupt treffen, weiß ich allerdings nicht.

Alles Liebe
Ina
 
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Gastin

  • Gast
Re: Therapie
« Antwort #3 am: 16 August 2020, 21:37:18 »

Danke erstmal für die schnelle Antwort.

Es ist so dass in meiner Familie einigen auffällt das ich anders bin. Es gibt nachfragen, ich weiche aus. Vielleicht habt ihr recht und es wäre nur komplizierter davon zu berichten. Und ja ich denke Akzeptanz suche ich. Vielleicht weil ich diese auch für mich selbst noch nicht habe.
Wie schafft man es nur aus dieses Loch.
Das Leben ist so zäh.
Ich fahre morgen mit meiner Familie in den Urlaub und die Vorstellung ist so anstrengend. Ich weiß nicht wie ich das schaffen soll. Meine Kinder möchte ich nicht enttäuschen, aber das wird unmöglich den Spagat zu schaffen.


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Ina

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Re: Therapie
« Antwort #4 am: 16 August 2020, 21:47:57 »

 
Gerade vor Deiner Familie würde ich es NICHT verstecken! Das sind doch Menschen, die Dir nahestehen, mit denen Du ständig in Kontakt bist und die wissen sollten, was in Dir vorgeht. Ich weiß nicht, wie alt Deine Kinder sind, aber ich kann Dir mit absoluter Sicherheit sagen, dass gerade kleine Kinder sehr viel merken und spüren, auch wenn es nicht ausgesprochen wird. Nur können sie es nicht unbedingt richtig einordnen – und das kann zu Problemen führen, verunsichern und ggf. sogar als Ablehnung empfunden werden. Du brauchst vor ihnen ja nicht von Depressionen zu sprechen, aber vielleicht wäre es doch gut, sie wissen zu lassen, dass es Mama manchmal "nicht so gut geht", sie ihre Kinder aber immer lieb hat und es nichts mit ihnen zu tun hat.

Hast Du einen Mann / Partner? Weiß er Bescheid? Wie steht er zu der Sache?

Ich denke, gerade wenn Deine Familie ohnehin schon bemerkt hat, dass etwas nicht stimmt und interessiert nachfragt, wäre das eine gute Chance, Dich ihr zu öffnen.
 
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hardworking fool

  • Gast
Re: Therapie
« Antwort #5 am: 17 August 2020, 07:04:01 »

Gerade vor Deiner Familie würde ich es NICHT verstecken!

So pauschal würde ich das nicht unterschreiben. Es ist wirklich eine schwierige Entscheidung, wem man was mitteilt. Ina hat sicherlich Recht, dass du deinen Kindern gegenüber das Thema ansprechen solltest, da Kinder sich oft schuldig fühlen, wenn es Mama oder Papa nicht gut geht, und dein Mann muss natürlich auch Bescheid wissen, aber was darüber hinausgeht, solltest du dir gut überlegen.

Vielleicht habe ich auch eine besonders schwierige Familie, aber als ich meinen Eltern meine Depression "gebeichtet" habe, war die Reaktion meiner Mutter im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternd. Statt Verständnis gab es Vorwürfe. "Du bist nicht  krank, du bist bloß faul!" :-( 
Anmerkung: Ich hatte damals noch keinen einzigen Tag in der Arbeit gefehlt wegen Depression.
Zu ihrer "Verteidigung" muss ich allerdings zugeben, dass sie auch absolut nichts bemerkt hatte.   
Dafür bekam ich von anderen Unterstützung, von denen ich das gar nicht erwartet hätte. Ich war jedenfalls sehr erstaunt, wie viele das Problem aus eigener Anschauung kennen.

Ich wünsche dir, dass du auf verständnisvolle Ohren stößt und die Hilfe und Unterstützung bekommst, die du brauchst.

Alles Gute!
Fool
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