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Autor Thema: Gedichte aus der Seelennacht  (Gelesen 19543 mal)

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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #75 am: 31 Januar 2011, 16:18:10 »

Der alte Fels

Nacht und Nebel
ein Begriff aus Jugendtagen
als er noch mit Tat gefüllt
mit Kampf und Abenteuer
und heimlicher Gefahr
bis Fessel der Natur samt Knebel
hemmte mich den Krieg zu wagen
ein kleines Kind in Decken eingehüllt
bezwang in mir das Ungeheuer
noch im ersten Lebensjahr

Vergangen und vorbei
die Zeit ist gnadenlos
mag sie auch Wunden heilen
so raubt sie doch Erinnerung
und löscht die Spuren der Gezeiten
wir sind in ihr gefangen sie allein bleibt frei
sind Erde nur und Staub aus irdnem Mutterschoß
die ohne Rast und ohne Ziel durchs Dasein eilen
beharren stur auf unserer Berechtigung
und lassen uns zur Dummheit gern verleiten

Doch heute ist die Nacht von andrer Art
der dicke Nebel birgt nicht mehr
denn selbst sind wir in unsren Seelenkammern
mit Nacht und Nebel ausgefüllt
so dass das Außen unserm Innern gleicht
und was geblieben aus der Kindheit zart
macht keinen Deut mehr her
ist festgezurrt mit unsres Geistes Klammern
vermummt und hinter Schleiern tief verhüllt
wo es nur allzu selten unser Herz erreicht

Ich will im festen Schutz des Hauses bleiben
so wie der Igel tief in seinem Lager ruht
will ich es tun entspannt und ohne Sorge
Behaglichkeit und Wonne soll mich tragen
durch diese düstren Wintertage
wozu soll ich da draußen mich am Leben reiben
denn was herauskommt ist nur selten gut
was aber hindert mich daran dass ich mir stille Zeiten borge
versonnen lächle statt zu klagen
die Kunst des Müßiggangs mit vollem Einsatz wage

Wer rastet rostet so behaupten sie
und Stillstand sei das Gegenteil von Leben
Bewegung sei das wahre Wesen aller Dinge
so lehren sie und wollen mich dazu bekehren
dass ich das Hinterteil erhebe und mit ihnen eile
den alten stummen Fels jedoch missachten sie
der schon seit langem überdauert Wandel hier und Streben
und wissend zählt der Eichen Jahresringe
um über aller Flüchtigkeit die Dauerhaftigkeit zu lehren
drum raste ich an seinem Fuß noch eine kleine Weile

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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #76 am: 02 Februar 2011, 11:12:45 »

Achherrje, schon wieder so ein elendiglich ellenlanges Unding!
Der vor ein paar Jahren niedergeschriebene unmögliche und folglich vergebliche Versuch, die sondersame Erfahrung eines Zeitlochs im Befinden desselben zu umschreiben, den ich selbst nicht (mehr) verstehe(n muss)...


Zeitloch

Alles was sein wird
wird schon gewesen sein werden
im Kreislauf der Zeit
gibt es nichts Neues auf Erden
denn auch das Morgen
wird in der Zukunft zum Gestern
die Last der Sorgen
der Menschheit Brüder und Schwestern
ist schon vergangen
lang noch bevor sie gewesen
des Schicksals Zangen
können die Stränge nicht lösen

Würde ich reisen
weit in mein Gestern zurück
müsst´ ich entgleisen
lebte für immer dies Stück
wiedergeboren
als hätt ich’s schon vielmal gelebt
im Zeitloch verloren
Beginn mit Vollendung verwebt
die Summe des Ganzen
zum ersten und letzten Mal
der Ewigkeit Lanzen
frei und doch ohne Wahl

Wahrnehmung aber
stets ist gebunden ans Jetzt
und die Erinn´rung
ist mit dem Heute vernetzt
ging ich zurück
wäre mein Morgen gelöscht
zu meinem Glück
von dem Erinnern gelöst

Die früher fragten
nannten es Wiedergeburt
weil sie nicht wagten
zu fassen den einzigen Spurt
Ist er nun Irrtum
der Glauben ans öftere Sein
da auch im Unum
die Ahnen ich trag im Gebein
die die Erinn´rung
an viele gelebte Leben
mir in die Windung
meines Gehirnes weben

Doch wenn es ginge
dass nähm ich die Zukunft mit mir
wüsste um Dinge
jenseits von heute und hier
wär doch das Jetzt
Siegel für ein Voreinst
und das Zuletzt
immer nur ein Dereinst

Gibt es ein Ende
der Grenze von Zeit und Raum
da ich vollende
der Zeiten Lauf ewigen Traum
wär´s schon erreicht
noch ehe ich damit begonnen
ob schwer oder leicht
mein Faden wär schon gesponnen
was ich erlebe
hätt ich schon oftmals erlebt
wonach ich strebe
wär ich schon vielmals gestrebt

Doch im Erleben
stets wär´s das erste Mal
einmal gegeben
lebte die letzte Zahl
da schon geschlossen
endgültig ist mein Kreis
was morgen ich gestern genossen
und dass um die Zukunft ich weiß
würde nichts daran ändern
dass nur mein letztes Leben
mich knüpfte mit endlichen Bändern
ans Morgen das ist mir gegeben

Was in der Zukunft wird
wär bis zuletzt schon gewesen
wär ich auch arg verwirrt
würd ich am End doch genesen
und meiner Chancen Summe
im Ganzen wär doch nur eine
ob schrei ich oder verstumme
bejahe oder verneine
nur meine arme Seele
würde wohl alt mit der Zeit
von der ich nehme und stehle
ob ihrer Unsterblichkeit

Je mehr ich darüber sinniere
werd umso mehr ich gewiss
dass ich auf mein Leben stiere
und dies meine Wahrheit ist
wie anders könnt ich begreifen
der Menschheit vergebliches Tun
dass alle Früchte die reifen
schon gestern in Wurzeln ruhn

´s ist nicht so dass ich’s erdenke
wie viele andere auch
nicht dass ich mich darein versenke
wie´s der Erleuchteten Brauch
ich weiß nicht woher ich es nehme
´s war da schon von Anfang an
vor meiner Gedanken Ströme
und ihrer verwinkelten Bahn

Was sein wird ist schon vergangen
vergessen bevor es geschieht
und all unser Hoffen und Bangen
zu Asche ist schon verglüht
bevor es noch hat gebrannt
das Schicksal bereits besiegelt
bevor wir dagegen gerannt
ob wild oder eingeigelt
vollendet ist unsere Bahn
bevor wir sie noch betreten
die Törichten nennen es Wahn
gefangen in ihren Nöten

Was immer ich denke und tue
ist schon für immer getan
ob streite ich oder ruhe
gleichgültig wo und wann
Alles ist immer jetzt
ohne Anfang und Ende
ohne zuerst und zuletzt
wie ich’s auch drehe und wende

Das Schauen der Ewigkeit
kann der Mensch nicht erringen
gefangen in Raum und Zeit
kann er´s höchstens besingen
doch wer sie einmal geschmeckt
ist aus der Zeit gelöst
der Tod ihn nicht mehr erschreckt
kein Raum ihm mehr Furcht einflößt

Bin ich im Schoß schon gestorben
eh ich geboren war
hab so mir dies Wissen erworben
vor meinem ersten Jahr
kann es bis heut nicht benennen
bin nicht von dieser Welt
ist es doch dieses Erkennen
das mich am Leben hält

Der Kampf ums Überleben
ist mir von je her fremd
das Heute ist mir gegeben
hab nie mich ins Morgen gestemmt

Bin einfach dageblieben
ein Stein des Anstoßes gar
lebte der Leben sieben
als ob es das erste war
und das letzte zugleich
so wie dem Tag folgt die Nacht
wurd an Erfahrung reich
hab mir nichts draus gemacht


...und mach mir auch weiter nichts aus diesem Geschwurrle. ;-)
Ein Zeitloch- das ist wie die Gewissheit, dass es die Quadratur des Kreises gibt, gepaart mit der Gewissheit, dass sie ein Ding der Unmöglichkeit ist.
So ungefähr.


...
« Letzte Änderung: 02 Februar 2011, 11:28:08 von Sintram »
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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #77 am: 02 Februar 2011, 15:48:33 »

Winterfrust

Ach zarter feiner Wintertraum
wie war ich doch vernarrt
in jeden schneegeschmückten Baum
wie bist du doch erstarrt

Ich war verliebt ganz fürchterlich
in deine weiße Pracht
schön langsam Freund bedrückst du mich
mit deiner kalten Macht

Der nackte Himmel fahl und leer
er schlägt mir aufs Gemüt
ach Freund ruf doch den Frühling her
dass neues Leben blüht

2.2.11
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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #78 am: 09 Februar 2011, 15:37:42 »

Sail Away

Im Labyrinth des Deltadschungels
im wilden Reich der freien Tiere
führ ich das Ruder fern des Rummels
dort wo ich die Vollendung spüre
der Salzgeruch des Meeres
streicht sanft mir um die Nase
im Licht des Sternenheeres
das flüchtig ich durchrase

Und in der Ferne schwinden
die Menschen auf den Brücken
die Strand mit Strand verbinden
ich sehe sie entrücken
ein letzter Gruß ein letztes Winken
mein alter Kahn zerfurcht die Wellen
sein fester Grund ließ mich nicht sinken
in dunklen Tagen und in hellen

Der Wind in Deinen Haaren
er streichelt Dein Gesicht
in diesen schweren Jahren
bist Du mein Augenlicht
bald ist das Meer erreicht
die Mündung schon zu spüren
die Ruder gleiten still und leicht
sind mühelos zu führen

Die Nachtigall ein Schlaflied singt
wenn eng an Dich geschmiegt
im Mondlicht das auf Wassern schwingt
der kleine Tod die Angst besiegt
das zarte Licht am Morgen
wird ohne Furcht mich finden
verscheucht die Last der Sorgen
gelöst des Todes Binden


07
Gespeichert

Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #79 am: 17 Januar 2012, 11:22:50 »

Ode an die Nacht

Komm Schwester Nacht
umhülle mich
betöre und erfülle mich
mit deiner Dunkelheit
des schwarzen Mantels Kleid

O Süße nimm mich auf
in dein erblindend Reich
wo aller Tränen Lauf
in den Gesichtern bleich
dem Unsichtbaren weicht

So öffne mir geschwind
umgib mich schwarz und blind
all der Verbrechen Pein
für immer lass verschwunden sein

Komm Schwester Mutter Nacht
mit Macht
birg mich in deiner Welt
in deinem dunklen Zelt
nimm mich hinfort
an einen Ort
wo niemand mich mehr finden kann
nirgendwann

Ich flieh zu dir dein Kind
dorthin wo keine Menschen sind
und Fratzen nicht und Lügner
nicht Heuchler nicht Betrüger
nur du und ich
komm Nacht und hole mich


stammt aus dem letzten Jahrtausend von 1998
heute beim Kruschen zufällig gefunden

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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #80 am: 17 Januar 2012, 12:03:26 »

Das hier "entstand" im Mai 1989... meine Güte... nur nicht sentimental werden...


Gestern

Tonkrüge zwischen den Zeilen
Scherbenklänge bizarrer Vergessenheit
blutzerronnene Farbenformen
kosmische Fantasienmusterwindungen
zerwobene Spiralenrundungsbögen
mitten in vergilbten Schlagzeilen
längst vergangener Tage

Schillernde Seifenblasen
zerfließende Erinnerungsklekse
zerplatzende Traumgesichte
altgewordene Geschichten
Rosenblätter in blutigem Dornenduft
Tränenperlenketten endloser Reihe
und alles auf einmal



Und das aus dem Juni des selben Jahres 89... tjamei...


Das Ende

Namenloser Seelenschmerz
Würgen und Stöhnen
keine armselige letzte Träne mehr
quälendes Körperbeben
zu schwach zum Schreien

Peinigende Leere
gehetztes Umherlaufen
zu hoffnungslos für Enttäuschung
für Trauer viel zu müde
zu leblos für Wut

Immer nur Verstummen
lähmendes Schweigen und mörderische Stille
elende aushöhlende grausame Einsamkeit
jeden Abend nur kalter Tod
vergebliche Suche


...ich sags ja, bin immer schon Desperado gewesen...
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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #81 am: 17 Januar 2012, 15:19:09 »

Das hier hab ich 1988 geschrieben, vor rund einem Vierteljahrhundert also.
Summer in the City, unten an der Uferpromenade.
Viele Tage saß ich dort, einen beliebigen hab ich zu Papier gebracht, einen der guten.


Der Stufenhocker

Die Sonne brennt drückend heiß
Asche auf den Zähnen auf der Zunge am Gaumen
wie erfrischend kühl ist der gnädige Schatten
auf der Treppe am Ufersteg sitzt einer
betrachtet die Menschen
die vorübergehn

Sag
Matrose mit der Tätowierung am Arm
heute Küchenhilfe oben in der Kneipe
wie wird das Wetter

Dicke Luft
Schwalben fliegen zäh wie durch Milch
Möwen über dem geschwollenen Fluss
der die Fische nach unten drückt
es wird Regen geben

Du weißt viel Matrose
weshalb aber du nicht glücklich bist
weil Wissen nicht glücklich macht
denn immer streben wir danach
alles zu wissen
doch erst wenn wir nichts wissen
wissen wir alles
denn wüssten wir alles
wären wir nie gewesen
so aber lernen wir nichts zu wissen

Nein nein nein ich bin kein Professor
ich bin ein armer reicher Narr
ein weiser Irrer

Schwester schau
die Eidechse dort an der Mauer
warum flieht sie nicht
wenn Menschen schattenwerfend vorübergehn
nun
sie ist dick
und die Sonne brütet die Eier im Mutterleib aus
so setzt sie für ihre Kinder ihr Leben aufs Spiel
und gibt sich der Gefahr preis
Opfer

Oh ein Weiser ein Heiliger
welche Größe und Anmut in deinen edlen Zügen
glücklich die Eltern
die dich im Kinderwagen vorbeischieben

Hallo
junger Wandervogel auf dem Rad
heute wirst du deinen Schirm nicht brauchen
herzlich willkommen in unserer Stadt
fühl dich wie zuhause
hier lässt es sich leben
leg deine Jacke ab und pfeife durch den Tag

Kleiner Bruder
wild und verwegen siehst du aus
ja zeig es ihnen dass du lebst
und dass das Leben mehr ist als Besitz

Oh Töchter eines alten Volkes
wie schön ihr doch seid
wie wohlgeformt und hübsch
versteckt euch nicht und gebt euch nicht preis

Schwester Liebesglut
gib die Suche nicht auf
suche und du wirst finden
wie du seine Stimme erkennen sollst unter all den vielen
du wirst sie erkennen meine Freundin du wirst
er wird flüstern Schwester flüstern
vergib mir meine sentimentalen Tränen

Ehrwürdige Frauen
welcher Glanz von euch ausgeht
welch unnahbare Reinheit
habt Milde mit einem alten Taugenichts
der die Weisheit zwischen den Pflastersteinen sucht
und sein Haupt vor euch neigt

Hört
sie singen ein Ständchen
Frauen und Männerstimmen nein ein Paar
sie singen ihre Liebe und ihr Glück hinaus in die Welt
wie zärtlich sie einander umwerben
sie sinkt er steigt hinab
hört doch jetzt fliegen sie schwingen sich hinauf
jaja sie fängt ihn auf
so sind wir ewig Söhne der Mütter
vergebt mir wenn ich klatsche

Ja in der Tat da habt ihr ein besonderes Kind
so winzig noch verdreht er schon Kopf und Augen
um alles zu sehen was es zu sehen gibt
ein Suchender wird er werden
lasst ihn finden denn dies ist sein Weg

Ach Bruder aus Italien
was sorgst du dich
ja dein Sohn ist ein geballtes Bündel Temperament
ein Feuer nicht zu löschen
er ist eben wie sein Vater
die Sprache der Tränen hat er von der Mutter

Altehrwürdige Patriarchin oder besser Matriarchin
wie mutig und selbstbewusst du
die Versonnenheit eines Verrückten kreuzt
tja deine Sippe
sie hört nicht auf die Mahnung deiner Worte
sie müssen eigne Wege finden so ist das nun mal
haben sie gefunden
so kommen sie zurück

Ich lache mit euch Leute
die ihr euch lustig macht über die Taten und Untaten
eurer großen Geschwister
und doch lebt ihr in dem Raum
den sie euch erkämpft haben
nutzt ihn voll und sucht seine Grenzen
um sie erneut zu sprengen
so nur kann es weitergehen
und bleibt wie ihr seid
provokant verrückt und lieb

Ja edler Herr ich war entrückt
und der Stockschritt deiner Dame hat mich aufgeschreckt
aber deshalb ein Vergebt zu sprechen
spottet meiner
denn es ist euer Recht hier zu gehen
sei wie es sei

Alte verblichene Schönheit des Viertels
die Schenkel zu bräunen ist dein gutes Recht
aber ohne Rock durch die Gassen zu eilen
deiner unwürdig
wohin soll eine gehen bei all den vielen Leuten ich weiß
nimm dir nächstesmal einen Rock mit
dann brauchst du nicht erröten

Oh die Königin geht vorüber
gut vermummt so will sie nach dem Rechten sehn
natürlich hab ich dich erkannt Listige
keiner vor mir staunst du
sprich zu deinen Soldaten
sie sollen mich in Frieden lassen
denn ich tue niemandem Böses

Jetzt darf ich wieder in die Sonne
meine Rast ist zu Ende
ich habe Galle getrunken
wie warm und lebensspendend sie doch ist
und wie süß bleibt die Zeit verweilend
in ihrem Schein

Ja ich komm jetzt zurück zum Fest
aber erst lasst mich auf den Berg gehen
um allein zu sein dort wo die Stille wohnt
zwischen singenden Grillen und raunenden Ähren
das Feld steht herrlich wie eine Säulenhalle
wie ein wogendes Meer

Bald komme ich zurück
um unser großes Fest weiterzufeiern
in den Gassen der Stadt
in meinem Königreich


...verdammt lang her...
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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #82 am: 17 Januar 2012, 16:43:33 »

Gab auch weniger gute Tage anno neunzehnachtundachzig...


Sterben

Alles ist längst verloren
hast du dich einmal aufgegeben kann keiner mehr dir helfen
tote Tage altvergilbter Vergangenheitsfetzen
es ist genug

Bücherlesen
es gibt so unzählig viele Worte
für eine schweigende Welt der Verstummung
ich bin leer

Müde und verlebt
ich könnte tausend Worte reden ohne Sinn
mein Gefühl starb im Dunkel des Glitzerwassers
keine greifbare Zukunft

Nichts zu sagen
nichts zu geben keine Botschaft
warum muss ich diese Tage noch erleben
wenn die meinen längst abgeschlossen sind

Meine Zeit ist um
doch die Zeit richtet sich nicht nach mir
längst bin ich gestorben
nun lebe ich endlos in den Tod hinein

Ich komme wieder
wenn alles im Chaos versinkt
und wenn die Menschen irrgeworden zu fliehen versuchen
werde ich gelassen und heiter dem Untergang entgegengehn


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Sintram

  • Gast
Re:Gedichte aus der Seelennacht
« Antwort #83 am: 17 Januar 2012, 17:53:20 »

Zum Schluss noch eins vom 23.Mai 1993, nur um die Lücke zu schließen.


Vermächtnis

Widerlegbare Thesen aufzustellen über meinem Weizenglas
zweihundertundfünfundsiebzig Kalorien wachsender Bauch
nicht gerade befriedigend aber gut genug für sogenannten Zeitvertreib
Widerlegbares kurbelt Gespräche an Unwiderlegbares würgt sie ab
dennoch alles leeres Geplapper später Gesapper

Geistreiches oh nein nichts davon nicht von mir
ihr- ihr dreht euch stetig um euch selbst wie der Planet den ihr bewohnt
eure Welt ist grade so groß wie euer Fernsehschirm oder diese immerselbe Kneipe
Gedankenräume oh nein nicht hier

Warum den vergeblichen Versuch unternehmen
Unsagbares und Unsägliches in die nichtssagenden Begriffe zu pressen
die manfrau gemeinhin Sprache nennt keine Lust
keine Lust irgend Beweislast anzuhäufen um sie Schicht für Schicht wieder abzutragen
um den Rest dieses Nichts dann Wahrheit zu nennen
um dieses Fleckchen Leben dieses verschwindend bedeutungslose Stück Zeit
aus Jahrtausenden oder was weiß ich mit dem Mantel der Wichtigkeit zu umnachten
ja umnachten

Widerlegbare Thesen Bewegung und Gegenbewegung Austausch Kommunikation
mehr ist nicht drin ist nicht geboten gibt´s nicht mehr hab ich nicht für euch
Oberfläche alles Äußere ist Oberfläche tiefer kommt euer Quatsch nicht
dumme Quasseltanten interessieren mich nicht nein ihr seid eben grade nicht interessant
nicht aufregend und nicht anziehend und nicht sexy ihr seid hohl und leer und platt
Spiegelanbeterinnen interessieren mich nicht werden mich nie interessieren haben mich nie interessiert

Ich rede dann wenn ich reden will und höre eben nur dann zu
Funken hie Trümmer da fresst meine Masken wenn ihr satt werden wollt aber verschluckt euch nicht
mein Gesicht kennt ihr nicht werdet ihr nie sehen nicht heute nicht morgen nicht gestern niemals
wenn ich schweigen will schweige ich der Vergleich mit Vollidioten ist unter meinem Level und der mit Genies
im Grunde ist es mir scheißegal was andere von mir denken oder halten oder munkeln oder zu wissen glauben
kein Einblick nicht der Schimmer davon kein Lächeln wenn mir nicht nach Lächeln ist grinse ich auch nicht
kein freundliches Wort überhaupt kein Wort wenn ich keines habe schon garnicht wenn ihr eines hören wollt
bedeutungslos seid ihr auch ohne mich ich werde euch nicht die Bedeutung meiner Beachtung geben

Ich spiele nicht mit in eurem verlogenen Spiel des gelingenden Lebens
ich rieche den Verwesungsgeruch unter den Blumenkränzen der Beweihräucherung
wichtigtuerisch vergeudet ihr eure Tage bewahrt die Facon bis euch der Lack abfällt bis die Feder bricht
aber tut es ohne mich kein Funke meines Feuers kein flackerndes Fünkchen nichts von meiner Welt
dort habt ihr weder was zu suchen noch die Möglichkeit dorthin zu gelangen ohne zu verbrennen
in Höhen und Tiefen seid ihr nicht zu finden weil ihr euch dort nicht findet euer ist das Mittelmaß
ihr klebt auf der Erde wie lehmverschmierte Regenwürmer ihr fresst Dreck und scheißt Dreck

Einzig wichtig ist euch dass ihr nicht ins Gerede kommt aber ebendort werdet ihr immer sein
weil ihr euch gegenseitig gnadenlos ortet wenn ihr auf den Strich eurer faulen Kompromisse geht
eure Wellenlänge ist grade so lang wie die Antenne eurer Stereotürme und das Kabel eurer Designerboxen
ihr verschachert eure Seele für einen Spottpreis ach was für nichts für einen lumpigen Fetzen Scheinsicherheit
alles was von euch übrigbleiben wird ist das Stück Plunder das ihr euch mühselig verdient habt
keine Spur von mir in euren Büchern in den stinkenden Ergüssen eurer Leere
kein Zeichen für niemand dass ich jemals dagewesen bin bei euch will ich nie gewesen sein
es gab mich nicht nein keine Erinnerung



Noja, war ja offenbar so richtig gut drauf seinerzeit...


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