Nur Ruhe - Selbsthilfeportal über Depressionen und Selbstmord

Erweiterte Suche  
Seiten: [1]

Autor Thema: nerviges Eßverhalten  (Gelesen 816 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

dejavu

  • Gast
nerviges Eßverhalten
« am: 17 Juni 2011, 18:23:23 »

Gibt es eigentlich ein Wort dafür, wenn man den ganzen Tag nix ißt und abends Joghurt oder Obst in sich reinschaufelt, bis zum Erbrechen?
Also ich eß echt nie hochkalorische oder fettreiche Lebensmittel, weil ich ja nicht eßgestört bin, mich aber lt. Thera-aussage mein Leben lang diätiere.
Ich eß morgens ein Brötchen + 1 Tasse Kaffee und abends eine Schnitte. Leider hilft das nix, durch die Medikamente nehm ich nicht ab. Ich hab aber keine Wahl, dürfte bekannt sein, warum.
Abends krieg ich dann einen Heißhunger auf Stracciatellajoghurt mit Früchten, die ich mir selber reinmixe. Da das mein einziger Luxus ist, laß ich mir wenigstens den Straccia- joghurt, also kein Naturzeug.
Mein Thera sagt, Mittagessen wär besser aber davor hab ich mehr Angst als den Tag über nix zu essen und abends Joghurt reinzustopfen. Ich eß auch da nicht eimerweise, wie es ihn ja im Angebot gibt, sondern 2 Schüsselchen. Wie ich festgestellt hab aber soviel, daß ich die ganze Nacht nicht pennen kann. Von Joghurt.
Mich nervt es, daß ich nicht abnehme. Mehr als ich wahrscheinlich zugeben will. Ich mach alles dafür und fühl mich wie ne fette Qualle. Da ich mich aber auch schon mit viel weniger so gefühlt hab, macht es keinen Unterschied. Für mich ist es Fakt, daß mich andere als fett ansehen. Kann ich bestätigt kriegen, noch und nöcher, daß es nicht so ist.
Für mich ist es eine unumstößliche Tatsache.

lg deja
Gespeichert

Ezabeth

  • Gast
Re:nerviges Eßverhalten
« Antwort #1 am: 18 Juni 2011, 00:06:23 »


Liebe Deja,

bitte verzeih die blöde Frage, aber meinst Du das ironisch, "weil ich nicht eßgestört bin"? Ich frage nur, weil Du in Deinem Beitrag klassische Symptome der Eßstörung beschreibst. Vermeidung 'schlechter' Nahrungsmittel, lebenslange Diät, gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers, schlechtes Gewissen über das eigene Eßverhalten ... da isses eigentlich egal, wie Dein BMI ist.

Sorry, wenn ich was falsch verstanden habe ...

LG

Ezabeth

Gespeichert

dejavu

  • Gast
Re:nerviges Eßverhalten
« Antwort #2 am: 18 Juni 2011, 10:48:16 »

Liebe Ezabeth

danke für deine Nachfrage. :-) Nein, ich meinte das ernst, weil noch niemand diese Diagnose bei mir gestellt hat. Ich hab sogar mal zu hören bekommen, solange ich eine relativ normale Figur habe und es mich nicht beeinträchtigt, gilt das für mich nicht. Ich hatte das damals geschildert, und hatte das Gefühl, die Thera dachte, ich will unbedingt noch eine zusätzliche Diagnose bekommen. Ich hatte damals ganz vorsichtig angefragt, weil es mir iwann auch körperliche Probleme bereitet hatte. Ich hatte irre Magenschmerzen u.v.a.

Mein jetziger Thera hat mir neulich vorgeschlagen, in eine SHG für Eßgestörte zu gehen und ich dachte wirklich, ganz ernst, er will mich hochnehmen, veralbern.

Das schlimmste ist, für mich, daß ich für meine Anstrengungen nicht belohnt werde. Trotzdem komm ich nicht raus aus dem Verhalten, egal wie oft ich in Therapien schon an normales Eßverhalten gewöhnt wurde.
Ist auch so, wenn ich mir n Stück Kuchen gönne oder ein Eis, fallen automatisch die nächsten Mahlzeiten aus. So hab ich das gelernt.

lg deja
Gespeichert

Ezabeth

  • Gast
Re:nerviges Eßverhalten
« Antwort #3 am: 18 Juni 2011, 14:28:32 »

Hi deja,

ich glaube, Dein jetziger Thera ist ziemlich schlau. Mit der Diagnose ist es so 'ne Sache - ich war mal zum Vorsprechen in einer Klinik, weil ich Angst hatte, in die Magersucht zurückzufallen; ich hatte seit Monaten nur Gurken, Tofu und Tomaten gegessen, fünfzehn Kilo abgenommen und hatte einen BMI von unter 20. Sagte der leitende Psychiater zu mir, magersüchtig sei ich erst ab BMI 17,5 - ich könnte mich ja wieder melden, wenn mein Gewicht dem entspreche ...

Ich selbst als Betroffene - und ich bin durch alle 'Fächer' der Eßstörung gewandert, Freß-, Kotz- und Magersucht -, würde sagen: Wenn Dir Dein Eßverhalten Unbehagen verursacht und Du Dich trotz medizinisch und sozial akzeptablem Gewicht ständig zu fett fühlst, bist Du eßgestört. Vielleicht nicht der aufsehenerregendste Fall, und vielleicht ist Deine Eßstörung ja ein 'Ableger' Deiner Allgemeinerkrankung - BL und Eßstörung z.B. passen zusammen wie Hand- und Handschuh -, aber Du leidest unter etwas, was Dir kein Leiden verursachen müßte, und darum sollte es wohl auch Thema Deiner Therapie sein.

Es ist ja wirklich nicht schwierig, sich heutzutage eine Eßstörung zuzuziehen. Kriegt man so leicht wie eine Grippe. Und leider ist jeder Betroffene, jedes Opfer, bald auch ein Täter, weil Ideen über Eßverhalten und Körperideale sich halt verbreiten wie Viren. Ich habe mich z.B. schon früh bei meiner Mutter angesteckt, die, seit ich denken kann, über ihr Gewicht jammerte - obwohl sie nie wirklich über- oder untergewichtig war - immer auf Diät war, die ich nie ohne Bedenken habe essen sehen und die mir Kalorientabellen vorbetete, bevor ich die zehn Gebote auswendig gelernt hatte.

Wenn Dir der Schritt mit der Selbsthilfegruppe zu groß erscheint, dann könntest Du ja mal in Literatur über Eßstörungen reinschauen. Ich habe damals vor allem die feministischen Ansätze als tollen Denkanstoß empfunden.

Alles Gute
- und hab' Spaß mit Deinem Joghurt!

Ezabeth
Gespeichert

dejavu

  • Gast
Re:nerviges Eßverhalten
« Antwort #4 am: 18 Juni 2011, 15:41:05 »

hallo paradoxia

na klar, darfst du dich einklinken. Ich freu mich immer über Antworten. Hach mensch, ich bin anscheinend in wirklich guten Händen mit meinem Thera. Er ist so alt wie ich und im TB hab ich mal geschrieben, wie lustig ich es manchmal finde, wenn ich ihn als "meine Mama" ansehe. Also die Person, der ich vertraue und bei der ich weiß, daß sie mich nie im Stich lassen würde. Hab ja genug Bolzen geschossen. Ich weiß, andere würden sagen, es ist sein Job da ich aber schon Erlebnisse der dritten Art hatte, was Theras angeht, ist es für mich nicht selbstverständlich. Ich mach auch 3Kreuze, daß ich den Mut hatte, ihn als Mann in Erwägung zu ziehen. War zwar aus der Not geboren aber eins der besten Dinge, die mir passieren konnten. Ich sollte ihn nochmal direkt damit konfrontieren, daß ich trotz aller Symptome auch immer noch Zweifel hab an meiner Diagose.

hallo Ezabeth

ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt haben mußt. Ich weiß nicht, warum man auch noch Maßstäbe erfüllen muß mit einer Krankheit, die man ihren Dimensionen nicht in Zahlen erfassen kann. Ich kenne keine Kotzsucht, meine Freßanfälle beschränken sich auf die o.g Joghurts oder Eis. Ich hab Zeiten gehabt, wo ich elendig gehungert hab und nix abgenommen habe. In meiner Jugendzeit hab ich wöchentlich mind 1x zum WE Abführmittel benutzt (sag lieber nicht, welche), weil ich zur Disse mit einem flachen Bauch gehen wollte. Im Sommer durch Strandgänge natürlich noch höher potenziert.
Was du schreibst über deine Mutter war bei mir ähnlich. Allerdings hat meine Mutter mich dabei ständig auf Trab gehalten mit zb einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung. Sie hat dann für sich extra gekocht und ich weiß nicht, ob sich jemand vorstellen kann, wie man sich als Kind fühlt, wenn man selber normales Essen bekommt und die eigene Mutter nur Wasser und Brot, im Höchstfall einen Apfel. Auf Feiern stand sie immer im Mittelpunkt, weil sie die arme kranke Frau war, der man immer etwas extra kaufen mußte, was sie verträgt.

Zuhause war das schlimmm für mich, ich hatte oft das gefühl, ich müßte auf der Stelle ein gebratenes Schnitzel nehmen und es ihr in die Fresse hauen und ihr den Mund damit zuzustopfen. Man verzeihe mir meine Wortwahl. Erst jetzt, nach Jahren, bin ich dahinter gekommen, das sie gar nicht krank ist. Ich bin mit einer Mutter aufgewachsen, die 40kg wiegt und natürlich nimmt man als Mädchen sich die eigene Mutter als Vorbild. Mein Vater ist, wenn ich recht bedenke, nicht anders. Beide haben mir vorgelebt, daß man so ißt, wie ich es heute praktiziere. Mein Vater ist einem extremen Jugend- Gewichts und Sportwahn erlegen, meine Mutter einem Jugend- und Magerwahn. Kann ich aber heute erst aus der Distanz erkennen.

Darum eß ich wahrscheinlich auch nur "gesunde" Sachen. Andere Dinge sind sowieso in meinem Kopf von vornherein für mich verboten.
In der Reha hat man mir mit der Diagnose Adipositas einen Schlag ins Gesicht verpaßt. Das frißt heute noch an mir. Da kann Thera reden, was das Zeug hält, es sitzt. Ich war damals kurz über BMI das geb ich gern zu. Das war allerdings mit anderen Medikamenten, die ich auch aus anderen Gründen abgesetzt habe.
Meine Freundin sagte neulich zu mir, Mensch was willst du, du kannst alles tragen. Ich guck die an und werd richtig böse. Achtung Fettnäpfchen: Deja fühlt sich veralbert. Mein Thera sagt immer wieder, ich sei total in Ordnung so wie ich bin. Ich hör das und denke, jaja, verarschen kann ich mich allein.

Ja, da hab ich aber wieder geplaudert heute aus m Nähkästchen. Was die SHG angeht, ist leider eine andere Sache zu groß, die ebenfalls noch niemand vorher bei mir für voll genommen hat. Mein Thera hat in der letzten Stunde aus meiner sozialen Angst soziale Phobien gemacht.
Warum er in dem einen Jahr? Warum nicht jahrelange Therapien in Kliniken oder TK vorher?
Ich hab manchmal das Gefühl, es hört nicht auf, es wird immer mehr. Und manchmal, wenn Thera denkt, ich schau ihn nicht an, seh ich sein Entsetzen. Ist wohl viel zuviel Zeit verloren gegangen.

lg deja
 
Gespeichert

nubis

  • Global Moderator
  • Senior Member
  • ****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 2.897
  • Omnia vincit amor
Re:nerviges Eßverhalten
« Antwort #5 am: 18 Juni 2011, 17:23:51 »


Ich hoffe, dass mir jetzt keiner auf den Kopf haut... - aber ich habe dazu mal eine Frage:


@dejavu

So wie du dein 'normales' Essverhalten beschreibst, hast du doch auch schon selbst festgestellt, dass es eben nicht so ganz 'normal' ist?

***ich meinte das ernst, weil noch niemand diese Diagnose bei mir gestellt hat***

...warum braucht es da eine Diagnose?

Ist es erst dann eine Essstörung, wenn ein Arzt hingeht und sie diagnostiziert?


Die Frage hatte ich schon nach dem ersten Lesen im Kopf, aber ich dachte, ich stelle sie lieber nicht^^ - allerdings sehe ich jetzt, dass du auch bei dem Thema Angststörung/Phobie einen Unterschied machst, 'nur' weil der Thera ihn macht... ?

Eigentlich dachte ich bisher, 'Phobie' ist halt nur der (aus dem griechischen stammende) ärztliche Fachterminus... - welchen Unterschied macht es, ob die Ärzte in der Klinik, von einer 'Angststörung' reden - oder der Thera von einer 'Phobischen Störung'?


hmm.. - wie gesagt - ich hoffe, meine Fragen waren jetzt nicht wieder zu forsch - und wenn sie nicht beantwortet werden ist das auch ok ...würde mich halt nur interessieren



Gespeichert
Gegen Schmerzen der Seele gibt es nur zwei Arzneimittel: Hoffnung und Geduld

(Pythagoras)

dejavu

  • Gast
Re:nerviges Eßverhalten
« Antwort #6 am: 19 Juni 2011, 00:07:35 »

hallo nubis...warum sollte ich deine Fragen nicht beantworten? Und vor allem, warum sollte ich dir auf den Kopf hauen? So langte Arme hab ich gar nicht...:-).....

Nein Spaß beseite. Ich hab es so anerzogen bekommen. Für mich ist es iwo normal. Andererseits aber auch wieder nicht, weil ich ja mit Menschen zusammen treffe, die das anders handhaben. Ich selber hab über mein Eßverhalten nie wirklich nachgedacht. Damals fragte ich vorsichtig nach bei einer Thera und die meinte, es gibt keine Diagnose also gibts faktisch keine Eßstörung. Hm, da ich mein Eßverhalten ja normal fand, war es für also nix auffälliges. Man muß ja auch bei jeder Thera x- Fragebögen ausfüllen. Auch da hatte ich mein Eßverhalten geschildert. War also für mich so, als dächten die Thera, ich wünschte, ich hätte eine. Das wiederum war mir so peinlich, daß ich es auf sich beruhen ließ. Nie wieder drüber ein Wort verloren habe.
Nun hab ich allerdings mal in einem speziellen BL- Forum paar Dinge gelesen. Und plötzlich dachte ich, hm, iwas stimmt nicht. Als dann mein Thera, ohne das Thema intensiv angerührt zu haben, diesen Vorschlag mit der SHG machte, hm, war ich eben verwundert und dachte, jetzt mußte doch mal horchen, wie andere Meinungen dazu sind.
Naja und klar braucht es eine Diagnose. Sonst empfinde ich mich als hypochondrisch. Was ich aber nicht sein möchte.

Was die Angst und Phobie- Frage betrifft ist es fast ähnlich. Ich hab in jeder stat, teilstat Thera trotz aller Therapieversuche nie wirklich etwas gegen meine extremen Rückzugstendenzen tun können. Ich hab wirklich viel von mir preisgegeben aber es ist niemand auf die Idee gekommen, Hey, wenn die nie rausgeht, obwohl viel versucht wurde und sich immer wieder isoliert, woran könnte das liegen. Den Satz: Sie müssen rausgehen, dann wirds besser kann ich mittlerweile im Schlaf herbeten. Ja, toll. Wie denn, wenn ich schon an den ersten Schritten scheitere.
Selbst meinen Thera hab ich da iwi im Unklaren gelassen, weil ich das einfach nicht mehr hören wollte. Durch einen einzigen Satz von mir ist er drauf aufmerksam geworden. Nach dem ersten Gespräch darüber, dachte er, ich hätte nur Angst die Wohnung zu verlassen und dann ginge es. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, daß ich eine Phobie gegen Menschen habe. Je mehr Menschen um mich herum sind, umso mehr dissoziiere ich. Mach ich eh schon, wenn ich die Wohnung verlasse. Das steigert sich bis ich abtrete. Manchmal sogar schlimmer, wenn es Freunde sind, weil ich mir das nicht anmerken lassen darf.
Ich hatte mal für eine Weile das Gefühl, ich hasse die Menschen. Da konnte ich allerdings besser mit umgehen. Jetzt bin ich "allergisch" gegen sie.
Motto: Tausche Haß gegen Angst!

Ich hoffe, ich konnte deinen Fragen genüge tun. Wenn nicht, frag einfach weiter. :-)

lg deja
Gespeichert

nubis

  • Global Moderator
  • Senior Member
  • ****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 2.897
  • Omnia vincit amor
Re:nerviges Eßverhalten
« Antwort #7 am: 19 Juni 2011, 10:09:57 »


Hallo @dejavu

Danke für deine ausführlichen Antworten :-)

Ich hatte ein wenig befürchtet, du würdest meine Frage als persönlichen Angriff werten, weil wir ja doch das eine oder andere Mal aneinander gerasselt sind ;-)


Deine Antworten haben es mir aber schon verständlich gemacht.

Mir hat sich öfters die Frage gestellt, weshalb man einer Diagnose solch einen Wert beimisst - schließlich ändert sich nichts, nur weil man das Kind beim Namen nennt.

Das Argument sonst als hypochondrisch zu gelten kann ich aber nachvollziehen.


Die Unterscheidung Angststörung/Phobische Störung ist ja auch in der Definition fließend - aber so verstehe ich, was du meinst.
Wobei ich denke, da ist es dann weniger die Diagnose vom Thera, die den Unterschied macht, sondern die Erkenntnisse, die du - bzw auch er - daraus gezogen habt.

Wenn die beiden Themen bisher vernachlässigt wurden, besteht jetzt vielleicht die Möglichkeit daran zu arbeiten, zumal ja auch sicher (wie meist) alles ein wenig ineinander greift und sich gegenseitig bedingt.


Wünsche dir jedenfalls weiter viel Erfolg dabei - und dank deinem Thera scheinst du ja auch wirklich weiter zu kommen  :-)
Gespeichert
Gegen Schmerzen der Seele gibt es nur zwei Arzneimittel: Hoffnung und Geduld

(Pythagoras)
Seiten: [1]