hallo liebe Jenny
Danke für deine Offenheit, deine Lebensgeschichte hat mich so sehr berührt, so dass ich erst jetzt etwas darauf antworten kann. Es liest sich wie ein Kriminalroman und es wundert mich gar nicht, dass du daran immer noch zu kämpfen hast.
Nach so einer hoffnungslosen und gewalttätigen Beziehung braucht es lange bis man wieder Vertrauen in einen Partner fassen kann.
Vor allem dann, wenn der Ex stalkt und man in ständiger Angst leben muss, dass er irgendwo lauert und zuschlägt.
Also echt, ich bewundere dich dafür, dass du dies 17 Jahre lang ausgehalten hast, ich weiss nicht, ob ich so etwas schaffen würde.
Ich war auch mit jemandem verheiratet, der mich wie der letzte Dreck behandelt hat und ich war 19 und habe es drei Jahre mit mir machen lassen. Heute, viele Jahre später ist mir auch klar warum, es war eine Art Selbstverletzung, ich habe ihn mich verletzen lassen und mir eingeredet ich hätte mit SVV aufgehört.
Mir wurde auch bewusst, dass ich mit der Wahl meines Mannes nur weitergeführt hatte, was ich aus meinem Elternhaus, in dem Gewalt in jeder Form herrschte, gewohnt war. Ich kannte ja nichts anderes. Ich suchte wohl unbewusst das Vertraute, weil ich damit umgehen konnte.
Mein Vater war ein Spiel-, Alkohol- und Sexsüchtiger Psychopath und mein Ehemann genau so... Wer die beiden nicht kannte erlag sofort ihrem Charme, denn sie waren so etwas von gewinnend und herzlich, dass man ihnen nie etwas Böses zugetraut hätte. Auch ich fiel auf dieses strahlende Lächeln und die offene Freundlichkeit herein. Die Maske wurde relativ schnell fallen gelassen, aber da hatte ich schon zu viel Angst, um noch alleine heraus zu finden, also blieb ich auch.
Es ist gut, dass du es hier aufgeschrieben hast, denn die meisten Frauen schämen sich darüber zu berichten, weil die Mehrheit der Gesellschaft sie als blöd oder hörig ansieht, denn sie hätten ja gehen können.
So ist es eben nicht, man kann nicht so einfach gehen, aber um die Ohnmacht und die Handlungsunfähigkeit zu erklären in der man steckt, muss man aussprechen wie dramatisch es wirklich ist und darf es nicht bagatellisieren.
Meiner hat auch nach jedem Gewaltakt geweint und sich entschuldigt. Vielleicht hat es ihm anfangs wirklich leid getan, aber so ein Verhalten ist unentschuldbar und mit der Zeit habe ich auch nicht mehr geglaubt, dass es ihm leid tut. Er hat seinen ganzen entstandenen Schmerz aus der Kinderzeit, im Suff durch seine Fäuste auf mich übertragen. Es war eine wirklich schlimme Zeit und darum weiss ich auch genau wie du dich gefühlt haben musst. Fühle dich mal ganz lieb von mir umarmt!
Vergewaltigung in der Ehe ist zwar heute ein strafbares Delikt, aber viel zu oft drücken sich Richter vor einer Verurteilung und reden sich damit heraus, dass sie ja nicht in die Schlafzimmer gucken können und somit steht meist Aussage gegen Aussage. Es sei denn man hat die entstandenen Verletzungen gut dokumentiert vorlegen können. Aber welche Frau verlässt nach einer Vergewaltigung und nach Schlägen das eheliche Schlafzimmer und geht in ein Krankenhaus, um die Verletzungen feststellen zu lassen? Als ob man einfach so davon laufen könnte! Jeder Versuch hätte weitere Schläge zur Folge...
Vor ein paar Monaten ist es einer Bekannten genau so ergangen. Nach jahrelangem Martyrium hat sie endlich ihren Mann verlassen und ihr wurde von einer Beratungsstelle empfohlen ihn anzuzeigen. Sie hatte lange gezögert und dann doch den Mut gefunden. Bis der Fall vor Gericht kam, ging es vier Jahre und dann wurde er aus Mangel an Beweisen frei gesprochen. Nun ruft er ständig an und verhöhnt sie...
Ich kann deshalb gut verstehen, dass du nicht mehr kannst. Das muss ein Ende haben!
Bei mir war es so, dass mein Mann ständig gedroht hatte mich umzubringen. Er war rasend eifersüchtig und ich hatte, obwohl ich nichts mehr von ihm hörte nachdem er mich verließ, jahrelang Angst er könnte mir irgendwo auflauern und mich umbringen. Während der Beziehung hatte er es ja einmal versucht.
Um die Angst abzubauen habe ich mit Karate angefangen und bin in den Schützenverein eingetreten. Irgendwie hat mir beides Sicherheit gegeben. Ich wüsste heute wenigstens wie man sich wehren kann.
Das mit dem Bier trinken hatte ich auch, also ich habe bewusst keinen Freund gewählt der Bier mag. Heute kann ich es lockerer sehen, denn mit der Zeit habe ich auch erkannt, dass nicht jeder Mann der ein Bier trinkt automatisch Gewalt ausübt, aber ich könnte trotzdem keinen Mann küssen, der ein Bier getrunken hat.
Vielleicht versuchst du bewusst einmal dabei zu bleiben, wenn dein Freund eines trinkt, damit er dir beweisen kann, dass er nicht so ist wie dein Ex.
**Ich möchte so sein wie ich früher mal war**
Ich weiss nicht ob so etwas möglich ist, denn alles hinterlässt ja seine Spuren und man verändert sich, aber du hast viele Gründe für die es sich zu leben lohnt. Deine Kinder lieben dich und sie verdienen es, dass du alles versuchst, damit du die Verletzungen verheilen lassen kannst.
Alles braucht einfach sehr viel Zeit und man darf nicht zu viel auf einmal wollen. Was uns so lange von innen heraus vergiftet hat, lässt uns nicht in ein paar Monaten los, manchmal braucht man Jahre dafür, aber man kann es schaffen, gib einfach nicht auf!
Alles Liebe
Epines