Hallo,
inwieweit man Schuld an Depressionen sein kann, weiß ich nicht. Klar, kann jeder und alles dafür eine Ursache sein, aber ich finde nicht, dass man jemandem die Schuld an einer Krankheit geben kann.
Es kann natürlich sein, dass jemand gewisse Mechanismen fördert, welche dies letztlich auslösen.
„Schuld“ ist ein großes Wort und ich finde, es wird viel missbraucht.
Würde bei dem beschrieben Fall eher von Mitursächlichkeit sprechen. Aber auch hier kann dies wohl kaum einer wirklich beantworten, weil man dazu das Innenleben der Betroffenen genau kennen müsste und wie sich das verhalten ihres Partners darauf ausgewirkt hat.
Ich denke ebenfalls, dass es am wichtigsten ist, für den Partner da zu sein.
Von Kontrolle über den Partner würde ich nicht so leicht reden. Ich finde, da müssen schon gravierendere Sachen hinzukommen, als jemanden etwas abzunehmen.
Vor allem gehört hierzu auch ein Kontrollierenwollen, denn ohne dies kontrolliert man nicht wirklich. Vielleicht steuert man jemanden unbewusst, aber mehr nicht.
Und selbst Steuern finde ich für eine normale Beziehung ein Wort, welches man nicht so einfach in den Mund nehmen sollte.
Man nimmt gerade als Mann der Partnerin gerne einiges ab. Behörden, schwere Arbeiten usw. In vielen Beziehungen übernimmt der Mann eine Rolle, welche vieles nach außen regelt. Dafür macht die Frau viel Haushalt und so. Es ist einfach ein Geben und Nehmen und oft macht jeder das, was er am besten kann. Dieses typische Geschlechterdenken bleibt teilweise automatisch aufrecht.
Während er die Reifen am gemeinsamen Auto oder auch an ihrem wechselt, kocht sie das Essen.
So gesehen könnte man von gegenseitiger Kontrolle sprechen. Denn der Mann lernt so auch nicht gewisse Sachen zu machen.
In einer ausgeglichenen Beziehung hilft man sich einfach gegenseitig.
Bei uns gibt’s auch manches, was ich nicht kann oder gerne mache, was meine Freundin macht und umgekehrt.
Einiges macht man auch gemeinsam oder hilft dem anderen, gewisse Sachen zu lernen, damit er es auch kann.
Sicher geht es automatisch in eine gewisse Unselbständigkeit, wenn nur einer gewisse Sachen immer macht.
Bevor man sagen kann, dass der Ehemann im gesagten Beispiel die Depressionen durch seine Hilfe – wie ich es mal nenne – gefördert hat, muss man meiner Meinung nach die genauen Ursachen für ihre Depression finden.
Könnte ja auch sein, dass sie nicht durch Unterforderung (nichts zu tun haben), durch Überforderung entstanden sein, weil sie vielleicht zu viel Stress auf der Arbeit hat, vergangene Erlebnisse nicht bewältigt hat oder ähnliches.
Dann hätte er die Depressionen ja unter Umständen gemindert, indem er ihr gewisse Sachen abnahm.
Ich denke, es lebt kaum einer das Leben, was er sich erträumt hat oder noch erträumt. Oft spielen da Faktoren mit, welche wir nicht beeinflussen können.
Dann gehören immer noch zwei Leute dazu, wenn jemand einen anderen kontrolliert. Der Kontrolleur und der Kontrollierte, welcher sich kontrollieren lässt.
Sicher ist eine übertriebene Fürsorge geeignet, jemanden in eine Unselbständigkeit zu treiben. Man kann aber auch sagen, dass man gewisse Sachen machen will und eben nicht unselbständig werden möchte. Ein verständiger Partner lässt den anderen dann auch das selbst machen oder zeigt ihm, wie es geht.
Wenn man von seinem Partner fordert, er solle essen, rausgehen usw. ist das ein normaler Vorgang, welcher nicht gleich eine Krankheit oder etwas Richtung Kontrolle/Beherrschung intus hat. Man macht sich doch um den Partner, den man liebt, Sorgen, wenn bei ihm was nicht so läuft. Man gibt einfach Tipps, um ihm zu helfen. Ob diese immer richtig sind, sei mal dahingestellt.
Ich finde halt, es sind oft normale Sachen. Man kann nicht immer gleich denken, dass da mehr dahinter steckt.
Sicher, wenn man gewisse Erfahrungen gemacht hat, vermutet man hinter vielem mehr, als was gegeben ist. Vielleicht sieht man viele Dinge auch nicht mehr als „normal“ an, sondern liest gleich etwas hinein.
Ich denke, man sollte mit sowas sehr vorsichtig sein, weil man sonst schnell jemandem etwas unterstellt, was nicht da ist und so eine gute und schnelle Lösung des Problems verbaut und mehr hineininterpretiert, als der Sache gut tut.
Natürlich ist mir klar, dass manche Menschen Erfahrungen gemacht haben, welche einen nur noch in eine Richtung denken lassen, was ja auch ok ist.
Ich denke eben, dass es nicht die perfekte Beziehung gibt und sobald man eine Freundschaft, Bekanntschaft, Partnerschaft mit jemanden eingeht, verändert man automatisch das eigene und fremde Leben.
Solange jeder noch bei Sinnen ist, kann man dem anderen auch keinen Vorwurf machen, da man dann auch gewisse Sachen bewusst hinnimmt.
Und in gewissem Grad ist auch jeder verantwortlich, wenn er sich von dem anderen einfach – wenn auch unbewusst – beeinflussen lässt.
Umso schwächer jemand ist, umso leichter kann man ihn natürlich kontrollieren und beeinflussen.
Dann brauch man seinem Partner nur einen Vorwurf machen und er glaubt dann, er habe was falsch gemacht. Leider gibt es natürlich immer Menschen, die dies dann zu ihren Vorteilen ausnutzen und leider gibt es hierbei Menschen, die einfach Hilfe von außen brauchen, weil sie sich nicht selbst helfen können.
Sobald ein Partner krank ist, ist es immer eine schwerere Beziehung und manchmal wird automatisch mehr Rücksicht als geboten genommen. Einfach, weil man nichts falsch machen möchte und der Partner einem vielleicht auch leid tut.
@Epines
„Wie kann man sich verhalten ohne sich selbst zu verlieren, ohne dass man die Freude am Leben auch verliert?
Ist dies überhaupt möglich?“
Es tut mir echt leid für dich, dass du so negative Erfahrungen gemacht hast.
Ich beantworte deine Frage mit einem klaren JA.
Einfach, weil ich die Erfahrung gemacht habe und sehr viele Menschen kenne, denen es ähnlich geht.
Es ist das, was man eine Beziehung nennt, welche von zwei Menschen geführt wird, welche sich gegenseitig respektieren und sich einfach gegenseitig lieben, wie sie sind.
Natürlich gibt es in jeder Beziehung Eckkanten und es gibt sicher nicht die Bilderbuchbeziehung.
Man kann aber lernen, mit den Macken des anderen auszukommen, wobei dies auf Gegenseitigkeit beruhen muss.
Wünsche dir und allen anderen, dass sie eines Tages eine intakte Beziehung führen können, in denen jeder seine Werte und Vorstellungen leben kann, so dass sie beidseitig gewollt ist.
Eine Beziehung ist für mich etwas, das einen Halt gibt. Klar, muss man Rücksicht nehmen, aber auch dies nicht in einem unnatürlichen Rahmen, wie du es beschrieben hast.
Gruß
DreiPunkte