Liebe Fee
Habe auch gerade ziemlich lachen müssen bei deinen Schilderungen. Der Umgang mit Betrunkenen ist nicht immer einfach und manchmal auch wirklich zum lachen, manche sind auch echt drollig, andere gar doof.
Vor meinem Lieblingslokal, es nannte sich Bierkeller standen wir zusammen nach Mitternacht noch am Quatschen, da wurde ein Besoffener ziemlich unsanft rausgeworfen, was einige von uns zu einem :" Heh, heh!" veranlasste. Man kann jemanden auch anders heraus befördern.
Auf jeden Fall schritt er torkelnd auf uns zu und sah mich an und sagte:" Ich glaube ich mach mir in die Hose." Worauf ich grinsend entgegnete:" Na dann los!"
Muss lachen wenn ich daran denke...
Plötzlich bildete sich vorne an der Hose ein dunkler Fleck der sich rasch ausbreitete und unten lief es aus den Hosenstößen in den Straßengraben, er guckte total erstaunt, wie wenn er es nicht fassen könne was da passierte. Wir alle mussten heftig lachen, bis ein Passant "du Schwein" zu ihm sagte, worauf er zurück in den Bierkeller torkelte.
Aber zurück zum Thema. Spät nachts traf ich am Bahnhof auf einen älteren Mann der ziemlich verwirrt schien und auch nicht mehr gut gehen konnte. Da keine Züge und bald auch keine Strassenbahnen mehr fuhren fragte ich ihn wo er denn hin wolle.
Er sei aus München und hätte spontan seine Schwester besuchen wollen, nun sei die aber nicht da und gehe nicht ans Telefon und er habe kein Geld und wisse nicht weiter. Er hatte einen Schlaganfall gehabt und war ganz schlecht zu Fuss, also bot ich ihm spontan an in unserem Gästezimmer zu schlafen, wissend dass dies Ärger mit meinem Mann geben würde (der hat mich nachher tatsächlich verdächtigt mit dem älteren Herrn etwas zu wollen...). Schon im Auto roch es dann stark nach Urin, na ja es brauchte danach eine gründliche Reinigung. Betrunken war der Herr jedoch nicht.
Ich legte ihm dann einen Bettnässermolton unter das Leintuch, den ich noch von meiner Nichte hatte, als sie klein war.
Am nächsten Morgen erheiterte mich der Mann mit allerlei Geschichten aus seinem Leben und nach dem Frühstück fuhren wir bei seiner Schwester vorbei. Sie war da, schien aber nicht wirklich erfreut ihn zu sehen, na ja adoptieren konnte ich ihn nicht.
Also einen jungen gesunden Mann hätte ich nie spontan bei mir aufgenommen, nicht dass ihr nun denkt ich würde dies bei jedem machen :-). Ich nehme auch ältere Autostopperinnen oft mit.
Man kann auch im kleinen total unspektakulär helfen, aber manchmal kann einmischen sich auch als Boomerang für das Opfer erweisen.
Als ich in einer Stadtwohnung lebte hoch über den Dächern, wohnte eine spanische Familie gegenüber die zwei kleine Kinder hatte. Das ältere war mit dem Downsyndrom geboren und war regelrecht der Prügelknabe der Familie. Die Kinder hielten sich oft auf der Dachterasse auf und so wurde ich mehrfach Zeuge wie der Kleine wegen Bagatellen heftig verprügelt wurde. Einmal hatte er nur einen Papierschnipsel über die Brüstung geworfen und zugesehen wie der runter flatterte, beim zweiten kam die Mutter hinaus gestürmt und hat ihn heftigst verprügelt. Ich fühlte mich wie schon einige Male zuvor sofort in meine eigene Kinderzeit versetzt und so war ich nicht in der Lage etwas zu sagen. Aber ich habe am Tag darauf beim Jugendamt angerufen.
Die Antwort, man könne nichts machen, sondern erst wenn der Junge tatsächlich schwer verletzt würde, ließ mich heftig zittern...
Als es wieder vorkam, habe ich über die Dächer gerufen, dass sie sofort aufhören solle und dass ich ansonsten die Polizei rufen würde.
Am nächsten Tag haben sie ihre Dachterasse mit einem Sichtschutz versehen, so dass ich nur noch das leise Weinen und Wimmern der Kinder hören konnte, bald darauf zogen sie dann aus.
Die Kinder wurden wohl zusätzlich geschlagen wenn sie künftig laut waren mutmaßte ich, denn so war es seinerzeit bei mir auch gewesen, meine Mutter wollte vor den Nachbarn auch nicht als böses Monster dastehen und so gab es zusätzliche Schläge wenn ich weinte, bis zu einem gewissen Alter wirkte dies gut, aber irgendwann merkte ich, dass laut wie am Spieß schreien doch weniger Prügel bedeutete.
Ich bin der Meinung, dass alles Gute was man anderen antut, irgendwann von ganz anderer und unerwarteter Stelle zurück kommt, bei mir ist es auf jeden Fall so, darum lohnt es sich immer sich für Hilflose einzusetzen, auch weil man sich dann selber respektieren kann. Wegsehen ist so was von feige und ich frage mich oft, was die Wegsehenden fühlen und ob sie überhaupt fühlen können.
Alles Liebe Dir
Epines