Liebe Frau Stumm,
mir scheint, du kannst in mein Herz schauen, so hätte ich meine Gefühle nie ausdrücken können, du beschreibst wirklich alles, so als wärst Du in mir. Diese Mauer, ich empfinde sie immer als gläserne Wand, ich kann dem Leben draußen zuschauen aber der Zugang ist mir versperrt. Ich bin nur noch ein Zuschauer, mich berührt nichts mehr. Dabei war ich vorher so ein mitfühlender Mensch wenn ich z. B. eine alte, vom Leben gekrümmte Omi oder Opi auf der Strasse gesehen habe dann hatte ich oft das Gefühl ich müsse sie in den Arm nehmen und herzlich drücken, mir kamen vor Rührung die Tränen oder wenn ich gesehen habe, dass Leute ihr Kind geohrfeigt haben dann bin ich wie eine Furie auf die los, egal ob mitten in der Stadt, ich habe sie laut beschimpft und vor allen Menschen bloßgestellt.
Jetzt sehe ich es wie in einem Film, es berührt mich aber es ist mir nicht möglich zu reagieren. Ich bin so traurig
weil ich ein wirklich guter Mensch war, glaube ich, und jetzt bin ich nur noch eine Maske.
Ja, das mit dem Egoismus, was Du darüber schreibst, das glaube ich ist genau der Punkt.
Es gibt wohl einen "gesunden" Egoismus und einen "krankhaften" Egoismus.
Der gesunde Egoismus ist der, welcher das Individuum in die Lage versetzt, die Persönlichkeit und den Körper zu schützen, also gewissermaßen den Punkt zu setzen- bis hierher und nicht weiter -. Er sorgt dafür, dass das Individuum für seinen Körper und seine Seele genug bekommt um im Einklang gesund zu bleiben.
Der kranke Egoismus, das sind die, die nicht genug bekommen, welche sich mehr und mehr "betäuben" in der Raffgier. Sie sind krank in dem Sinne, dass sie keine Regulierung mehr in sich haben die mitteilt, - das Maß ist voll -.
Und dann gibt es noch diejenigen, die keinen gesunden Egoismus entwickelt haben.
Sie opfern sich auf, sie sind nicht in der Lage "Stopp" zu sagen wenn sie im Grunde garnicht mehr die Kraft haben zu helfen. Diejenigen, welche bei einem Mahl niemals die gereichte Schüssel lehren, welche nie sich satt essen würden wenn noch jemand anderes es haben möchte, welche von Freunden in der Nacht aus dem Schlaf sich wecken lassen um deren Liebeskummer anzuhören ohne sich darüber zu beklagen. Welche sich im Berufsleben jede Dreckarbeit aufladen lassen, die Arbeit, welche die Kollegen nicht machen möchten.
Ich habe lange darüber nachgedacht.
Es liegt die Ursache, denke ich, an der Prägung in der Kindheit. Es betrifft sehr oft die mittleren Kinder, aber immer die Kinder denen man vermittelt sie seien nicht erwünscht.
Kinder die zurückstehen müssen, gegenüber was auch immer ihren Eltern wichtiger ist. Kinder, die zu früh Verantwortung übernehmen weil ihre Eltern dazu nicht imstande sind.
Es sind die Kinder, die gelernt haben, sich dünn zu machen, sie wissen sie haben nicht das Recht, Ansprüche zu stellen, sie haben ein Schuldgefühl wegen ihrer Existenz da man ihnen klargemacht hat es sei besser gewesen, sie hätten nicht das Licht dieser Welt erblickt da sie damit nur Probleme gebracht haben.
Diese Kinder entwickelt keinen gesunden Egoismus, sie entwickeln Schuldgefühle für ihr dasein und folglich beweisen sie den Rest des Lebens die Daseinsberechtigung unter anderem damit, dass sie sich für andere aufopfern und immer Höchstleistung bringen.
Für die Mitmenschen hat das zu Folge, dass sie sich daran gewöhnen, dieser Mensch steht immer zur Verfügung, Tag und Nacht. Er zeigt keine schwächen also hat er keine, er zeigt keine Bedürfnisse also hat er keine.
Und wenn dieser Mensch dann plötzlich zusammenbricht, versetzt er seine Mitmenschen in Verwirrung denn für die ist das eine Situation mit der sie so plötzlich nicht mehr umgehen können.
Es war doch so toll so einen seelischen Mülleimer zu haben, einen Problemloser für alle Fälle, was fällt denn dem jetzt ein hier einen auf schwach zu machen. Nein, schwach ist man doch selber, so jemanden muß man sich jetzt nicht auch noch antun, da ziehen wir uns mal ganz schnell zurück, das wird uns zu sehr herunterziehen, das tun wir uns nicht an.
So ist meine Situation, besser hätte sie der Therapeut wohl auch nicht herausgefunden.
Eine mangelnde Bindung und Uhrvertrauen aus früher Kindheit ist nur bis zum 4. Lebensjahr korrigierbar, das wurde von der Wissenschaft belegt.
Nun wüsste ich gerne, wie mir ein Therapeut helfen kann, er wird in mir den ganzen Schmerz wieder aufwühlen, ich soll eine Verhaltenstherapie machen, die konfrontieren doch, das heisst, ich soll mich mit meinen so genannten Lieben aussprechen. mir sträuben sich alle Haare bei dem Gedanken daran, um keinen Preis werde ich das tun.
Liebe Fee, ich werde jetzt Deine Beiträge lesen und weiter nachdenken,
bis später
in Liebe
Emmi