Hallo,
ich hoffe es ist okay, wenn ich hier auch ein paar Worte dazu schreibe, denn ich lese schon länger mit und das alles ist/war auch mein Thema. Vor 10 Jahren hatte ich meinen Tiefpunkt erreicht, Posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen, starke Ängste. Seither befinde ich mich in Therapie, mein Thera hat mich mit seinen Notfallstunden durch Therapiepausen geschleust.
Als das alles bei mir los ging war mein Sohn 15 Jahre alt. Mich erwischte es vermeintlich aus dem "Nichts", heute weiß ich, es war eine extrem schwierige, belastende Zeit... dazu später vielleicht mehr, denn ich überlege gerade, mich hier anzumelden.
Ich war mir so fremd, kannte mich nicht mehr...eigentlich immer ein aktiver, kommunikativer Mensch...hatte ich nun Angst vor Menschen (außer aller engster Kreis), konnte alleine nicht mehr das Haus verlassen, Wortfindungsstörungen (für meinen Beruf war Sprechen extrem wichtig und vor dem Tag X war ich darin ziemlich gut), ein kaum mehr vorhandenes Kurzzeitgedächnis etc. und ein schreckliches Gedankenkarussell...mein Selbstwertgefühl nicht mehr vorhanden...ich war schuld an allem, unfähig, zu sensibel...eine Zumutung für alle. Ich hatte mich verloren, dachte auch die wenigen Menschen die liebte verloren zu haben...weil "sie so wie ich war nichts mehr für mich empfinden können, ich nur Last/Belastung für sie sei, es ihnen ohne mich besser gehen würde".
Ich wäre so gerne gegangen, gleichwohl in wenigen "mehr klaren" Momenten erkannte ich, ginge ich, müßte mein Kind zu all den Menschen zurück, die in mir den Grundstock gelegt hatten, dass ich nun so war, wie ich war...und das konnte ich ihm nicht antun. Also machte ich mir einen "Masterplan"...irgendwie durchhalten bis er 18 Jahre ist...dann mußte er nicht mehr dahin zurück...dann, durchhalten bis er Abi hat...Bachelor, Master... du kannst nicht gehen, sonst "verbaust" du ihm die Zukunft, denn wir lieben uns sehr und das würde ihn zurückwerfen. Seit dem Bachelor ist es bei mir eh nicht mehr so schlimm, die Gedanken sind nicht mehr ständig in mir...heute sind es Phasen, wo ich müde bin und hoffnungslos bin.
Mittlerweile ist die Möglichkeit "zu gehen" meine "Rettungsring"...eine Option, wenn garnichts mehr gehen sollte...aber derweil bin ich auch schon weiter gekommen, aber ich brauche das Gefühl noch immer... es gibt mir Sicherheit, das Leben zu versuchen...schwierig zu erklären.
Ich dachte oft, ich bin eine schlechte Mutter. Andere Muttis waren aktiv, fuhren ihre Kinder durch die Gegend, machten tolle Sachen mit ihnen...ich konnte nur für das allernötigste das Haus verlassen...danach brauchte ich Tage um mich davon zu erholen...weil alles soviel Kraft kostete. Immer Angst, berührt mich wer...und immer Scham...ich kann nicht mal mehr einen Satz gerade sprechen.
Mein Thera hat gefühlte 10000 Mal versucht mir zu erklären, dass ich keine schlechte Mutter bin. Dass es nicht darauf ankommt, seinem Kind die Welt zu schenken, es zu chauffieren...ganz schwer das zu begreifen, weil ich es mir für mein Kind anders vorgestellt hatte. Unbeschwert und leicht...
Im Nachhinein gab es Gespräche mit meinem Sohn...er meinte, ich sei immer für ihn da gewesen...und seine Freunde hätten mich immer total cool gefunden ( ich lief eigentlich immer mit Sonnenbrille draußen rum...auch ein Schutz...aber für mich auch eine Notwendigkeit, da ich generell verheult aussah vom vielen weinen), habe mich nur recht wenig in das Leben meines pubertierenden Sohnes eingemischt ( wurde besonders positiv erwähnt, eigentlich war ich nur bei Alkohol streng und das ausgemachte Zeiten eingehalten wurden und das man spricht, wenn was ist).
Mein Thera meinte auch oft, die Depression hätte meinen Sohn auch gestärkt. Er ist ein sehr empathischer, lieber, offener Mensch geworden (und vieles mehr :-) ) mit einer großen inneren Ruhe und Gelassenheit.
Ich denke, man sollte sich von dem Bild ein wenig befreien, dass die Gesellschaft vorgibt....dann muß man sich auch nicht ständig Vorwürfe machen, wie schlecht man ist und was man seinem Kind antut usw. Kann ich heute im Nachhinein leichter sagen, klar...wollte es auch mehr als Beispiel sagen, macht euch keine Sorgen, es ist nicht so negativ wie ihr es vielleicht gerade fühlt. Ich habe mir sehr viele gute und schöne Momente durch meine ständigen Selbstzweifel genommen...
Mir hat beim Thema Ängste geholfen, mich ihnen zu stellen. Panikattacken anzunehmen und sie zu überstehen...und zu sehen, es ist nichts passiert.
Bei den Depressionen war es langwieriger...zuerst mußte ich mich finden. Das funktionierte bei mir sehr gut übers Laufen und fühlen. Mich beim Laufen gezielt hinstellen, den Wind fühlen, den Regen, die Sonne... beim Laufen, was tut es in mir. So habe ich mich zumindest über das Körperliche wieder kennen gelernt. Laufen über den Punkt der Erschöpfung hinaus macht auch glücklich... und die Momente versuchte ich tief in mir einzuschließen und sie bei Bedarf hochzuholen. Beim Laufen konnte ich mich später auch sehr gut sortieren. Sich selbst zu mögen, mit den eigenen Fehlern und trotz der eigenen Fehler ist, glaube ich, auch ein guter Grundstock um Depressionen in ihre Schranken zu weisen. Und jeden Tag sich selbst wenigstens einmal im Spiegel anlächeln. Ist alles nur ein kleiner Schritt, aber ich glaube, zumindest war es bei mir so...es verändert auf Dauer die Sicht auf sich selbst.
Das alles soll nicht heißen, dass ich keine Depressionen mehr hätte. Oft knallen sie mit einer Wucht auf mich ein, meist dann, wenn ich denke, prima läuft gerade gut. Oder sobald ich hart an meine Grenzen gehe oder drüber....die Quittung folgt.
Was mich aber nicht davon abhält es von Zeit zu Zeit zu tun. Weil ich ehrlich gesagt nicht glaube, dass ich jemals wieder dauerhaft ohne Depression leben werden kann. Darum versuche ich auch nicht mehr, wie es hier, ich glaube hardworking fool schrieb, sie auszurotten...weil ich dann auch einen Teil von mir bekämpfen würde. Das führt bei mir nur zu einer Verstärkung. Mir hilft, gut zu mir zu sein und milde/nachsichtig und zu schauen, was tut mir gut und was nicht. Was nicht heißt mich gehen zu lassen, nur nicht immer so furchtbar streng mit sich zu sein.
Vor 16 Jahren hatte ich Krebs...das war mein Feind, den konnte man rausschneiden...genauso ging ich auch in einer Phase gegen meine Depri vor....hat alles nur verschlimmert...sie ist nun mal da, ist in mir, ich muß mit ihr Leben, darf ihr aber nicht zuviel Raum geben. Mal ein paar miese Tage...aber dann...das innerliche "jetzt reicht es"...
Sorry, muß schließen es läutet, ist eh viel zu lang geworden...hoffe, nicht zu lange
Liebe Grüße Leah