Nur Ruhe - Selbsthilfeportal über Depressionen und Selbstmord

Erweiterte Suche  
Seiten: [1]

Autor Thema: Depression als Jahresarbeit?  (Gelesen 1696 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Whiskey

  • Gast
Depression als Jahresarbeit?
« am: 16 Juni 2017, 00:27:18 »

Hallo, ich möchte mich euch kurz vorstellen.
Ich heiße May und bin 16 Jahre alt.
Ich habe selbst eine einjährige Depression hinter mir, von der bis heute auf eine Person niemand etwas weiß.
Das volle Programm mit Essstörung, Selbstverletzung nur die Suizidgedanken konnte ich bisher ausschließen.
So viel dazu. Ich hab das auch alles irgendwie alleine hinbekommen, bis vor zwei Wochen da bin ich kurz rückfällig geworden, aber auch hier auf dem Weg der Besserung. (=meine Depression ist inoffiziell wenn man so will)

Jetzt ist es so, dass wir in der 11. Klasse eine Jahresaebeit machen müssen. Schriftlich ca. 20 Seiten und einen praktischen Teil.
Ich möchte gerne Depressionen als Thema wählen, der Grund dafür denke ich ist, dass 1. der "Durchschnittsmensch" zu wenig darüber weiß.
2. Das Thema wird (bis auf dieses und andere Foren) totgeschwiegen.
3. Man wird als Mensch in eine Schubalde gesteckt (ich sag nur Emo) und das geschieht hauptsächlich aus Unwissenheit oder Unsicherheit, was ich aber nicht richtig finde.
4. Die Betroffenen trauen sich nur selten darüber zu reden, eben aus der Angst kategorisiert zu werden, oder andere Leute damit zu überfordern. Das war zumindest bei mir so.

Und ich hoffe dass ich auf diese Weise irgendwann damit abschließen kann.
Mein Problem ist, für den praktischen Teil habe ich nichts. Deshalb wollte ich fragen, ob wohl jemand hier im Forum bereit wäre mir eine Art Interview zu geben? Alter, Geschlecht, Stadium, überwundene Depression, am Anfang... völlig egal!
Es wäre selbstverständlich alles anonym und die Arbeit wird auch nicht veröffentlicht oder so was. Den Interessenten würde ich das dann nochmal näher erklären.
 
Jetzt zu meiner eigentlichen Frage: Was denkt ihr darüber?

In der Hoffnung euch nicht verschreckt zu haben,
May :)
Gespeichert

Nellysun

  • Gast
Re: Depression als Jahresarbeit?
« Antwort #1 am: 16 Juni 2017, 13:34:49 »

Ich finde die Idee gut, das Thema in der Schule als Jahresarbeit zu behandeln, denn wie du sagst, beschäftigen sich viel zu wenig Menschen damit. Ich würde mich auch für Dein Interview zur Verfügung stellen, will aber nur eine Frage noch vorweg schicken - was würde passieren, wenn Deine Mitschüler Dich nach der Vorstellung der Jahresarbeit als Depri-Tante mobben (wie Du ja bei 3. geschrieben hast - Menschen stecken andere gerne in Schubladen - bzw. auch 4. dass man sich schwer tut über so etwas zu reden) - würdest du dann offen damit umgehen oder wäre das dann eine schlimme Belastung für Dich?

Liebe Grüße
Nelly
Gespeichert

hardworking fool

  • Gast
Re: Depression als Jahresarbeit?
« Antwort #2 am: 16 Juni 2017, 18:16:44 »

Also ich würde dir auch empfehlen das Thema relativ neutral zu behandeln und nicht zu erwähnen, dass du betroffen bist.
LG Fool
Gespeichert

Ina

  • YaBB Administrator
  • Senior Member
  • *****
  • Online Online
  • Geschlecht: Weiblich
  • Beiträge: 29.135
  • Alone in the dark!
Re: Depression als Jahresarbeit?
« Antwort #3 am: 16 Juni 2017, 18:57:57 »

Hallo May.

ich finde es toll, dass Du in Deiner Jahresarbeit Depressionen zum Thema machen und darüber aufklären möchtest!

Du hast Dir da natürlich ein sehr vielschichtiges und komplexes Thema ausgesucht, welches intensive Recherchen voraussetzt, denn auch wenn es Klassifikationssysteme wie ICD-10 und DSM-IV gibt, ist eine Depression letztlich doch immer etwas Individuelles. Grundsätzlich denke ich aber: Wer könnte eine solche Arbeit besser schreiben, als ein Betroffener? Von daher wünsche ich Dir viel Glück und Erfolg bei Deinem Vorhaben und würde Dich gerne unterstützen, indem ich an Deinem Interview teilnehme!

Liebe Grüße

Ina
Gespeichert
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

Ina

  • YaBB Administrator
  • Senior Member
  • *****
  • Online Online
  • Geschlecht: Weiblich
  • Beiträge: 29.135
  • Alone in the dark!
Re: Depression als Jahresarbeit?
« Antwort #4 am: 16 Juni 2017, 23:22:32 »

Dass Depressionen totgeschwiegen werden, würde ich übrigens nicht sagen. Auf jeden Fall hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren schon viel zum Positiven verändert. Problematisch ist allerdings, dass oft ein falsches Bild vermittelt wird, insbesondere von den Medien. Und da Medien nun mal massenwirksam sind und "Unwissende" solche "Informationen" leider oftmals einfach so "schlucken", ohne sie zu hinterfragen, ist ihre Einstellung zum Thema wohl eher negativ behaftet. Das wiederum kann dazu führen, dass sie von vornherein ablehnend reagieren und sich der Thematik gar nicht erst öffnen möchten.

Wie man es im familiären Kreis oder unter Freunden handhabt, liegt immer auch an einem selbst. Ich bin der Meinung, wenn jemand seine Depression verschweigt und dauerhaft hinter einer fröhlichen Fassade verbirgt. also eine Maske trägt, "darf" (sollte) er nicht sagen, dass ihn ja niemand versteht, sich keiner für ihn interessiert oder dass alle wegschauen. Man darf von seinen Mitmenschen nicht erwarten, dass sie Gedanken lesen können – und ein besonders ausgeprägtes Maß an Empathie ist nun mal auch nicht jedem gegeben. Wie die Menschen, denen man davon erzählt, letztlich darauf reagieren, ist natürlich eine andere Frage... Aber ich denke, dass jeder Betroffene in irgendeiner Form dazu beitragen kann, dass Depressionen weniger tabuisiert werden.

(Nur ein kleiner Gedankenanstoß am Rande...)
Gespeichert
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

Whiskey

  • Gast
Re: Depression als Jahresarbeit?
« Antwort #5 am: 16 Juni 2017, 23:45:18 »

Dass Depressionen totgeschwiegen werden, würde ich übrigens nicht sagen. Auf jeden Fall hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren schon viel zum Positiven verändert. Problematisch ist allerdings, dass oft ein falsches Bild vermittelt wird, insbesondere von den Medien. Und da Medien nun mal massenwirksam sind und "Unwissende" solche "Informationen" leider oftmals einfach so "schlucken", ohne sie zu hinterfragen, ist ihre Einstellung zum Thema wohl eher negativ behaftet. Das wiederum kann dazu führen, dass sie von vornherein ablehnend reagieren und sich der Thematik gar nicht erst öffnen möchten.

Wie man es im familiären Kreis oder unter Freunden handhabt, liegt immer auch an einem selbst. Ich bin der Meinung, wenn jemand seine Depression verschweigt und dauerhaft hinter einer fröhlichen Fassade verbirgt. also eine Maske trägt, "darf" (sollte) er nicht sagen, dass ihn ja niemand versteht, sich keiner für ihn interessiert oder dass alle wegschauen. Man darf von seinen Mitmenschen nicht erwarten, dass sie Gedanken lesen können – und ein besonders ausgeprägtes Maß an Empathie ist nun mal auch nicht jedem gegeben. Wie die Menschen, denen man davon erzählt, letztlich darauf reagieren, ist natürlich eine andere Frage... Aber ich denke, dass jeder Betroffene in irgendeiner Form dazu beitragen kann, dass Depressionen weniger tabuisiert werden.

(Nur ein kleiner Gedankenanstoß am Rande...)

Da hast du ganz und gar recht. Wobei ich oben eher aus Erfahrung gesprochen habe. Nicht, dass ich erwarte, dass man meine Gedanken liest (um Gottest Willen!!!), aber ich habe noch nie einen einzigen Menschen über Depressionen sprech hören. Also zum Beispiel gerade in der Schule finde ich, sollte das Thema zumindest einmal angestoßen werden.
Gespeichert

Felidae

  • Gast
Re: Depression als Jahresarbeit?
« Antwort #6 am: 17 Juni 2017, 12:09:01 »

aber ich habe noch nie einen einzigen Menschen über Depressionen sprech hören. Also zum Beispiel gerade in der Schule finde ich, sollte das Thema zumindest einmal angestoßen werden.

Hallo ihr Lieben,

ich möchte gerne kurz was dazu sagen, weil ich eine Mutter bin. An sämtlichen Schulen ist es heutzutage so, dass es einen Schulsozialarbeiter/in gibt, der/die bei sämtlichen persönlichen Problemen von den Schülern selbst angesprochen werden darf. Diese Probleme der einzelnen Schüler werden ernst genommen und bei Bedarf an die zuständigen Stellen weitergeleitet. So etwas gab es bei mir früher nicht.

An Berufsschulen ist es inzwischen so, dass die Schüler am Anfang des Schuljahrs und immer mal wieder zwischendurch nach ihrem persönlichen Befinden gefragt werden und ob sie mit irgendetwas unzufrieden sind. Darauf wird ernsthaft eingegangen und diese Angelegenheiten mit dem jeweiligen Schüler gemeinsam geklärt.

Und in meiner Gemeinde sind solche Themen wie Depressionen, Selbstverletzung, Ängste etc. schon seit einigen Jahren kein Tabuthema mehr, sondern man kann ganz offen aufeinander zugehen und fragen, wie der oder die damit zurechtkommt, welche Medis helfen können, und dann lässt man noch ein paar aufmunternde Worte da.

lg
Feli


/edit: Habe Deine beiden Beiträge zusammengefügt und Deinen Text aus dem Zitat herausgenommen (da ist wohl was schief gegangen beim Zitieren ;)).
« Letzte Änderung: 17 Juni 2017, 12:22:12 von InaDiva »
Gespeichert

Ina

  • YaBB Administrator
  • Senior Member
  • *****
  • Online Online
  • Geschlecht: Weiblich
  • Beiträge: 29.135
  • Alone in the dark!
Re: Depression als Jahresarbeit?
« Antwort #7 am: 18 Juni 2017, 04:24:42 »

Da hast du ganz und gar recht. Wobei ich oben eher aus Erfahrung gesprochen habe. Nicht, dass ich erwarte, dass man meine Gedanken liest (um Gottest Willen!!!) [...]

Hallo May,

ich hoffe, Du hast Dich davon:

Ich bin der Meinung, wenn jemand seine Depression verschweigt und dauerhaft hinter einer fröhlichen Fassade verbirgt. also eine Maske trägt, "darf" (sollte) er nicht sagen, dass ihn ja niemand versteht, sich keiner für ihn interessiert oder dass alle wegschauen. Man darf von seinen Mitmenschen nicht erwarten, dass sie Gedanken lesen können – und ein besonders ausgeprägtes Maß an Empathie ist nun mal auch nicht jedem gegeben.

...nicht persönlich angesprochen gefühlt! Das war nur ein grundsätzlicher Gedanke zum Thema "Depressionen werden totgeschwiegen" und nicht direkt auf Dich bezogen. Es fällt mir einfach sehr oft auf (nicht nur hier im Forum), dass sich Betroffene beklagen, niemand würde sich für ihr Leid interessieren usw. – und später stellt sich heraus, dass sie dieses aber auch nicht zeigen, sondern vor jedem verstecken und alles überspielen, was darauf schließen lassen könnte, wie schlecht es ihnen geht. Ich kann es von der Logik (eines Betroffenen) her zwar teilweise nachvollziehen (Angst, darüber zu sprechen und zugleich der Wunsch, dennoch "gehört" und "gerettet" zu werden), finde es aber nicht "richtig", sondern kontraproduktiv, denn zielführend kann es nicht sein.


[...] aber ich habe noch nie einen einzigen Menschen über Depressionen sprech hören. [...]

Das soll jetzt wirklich nicht blöd klingen, aber ich glaube, das hat auch (!) etwas mit dem Alter zu tun. Als ich 16 war, hat in meinem Umfeld auch niemand über Depressionen gesprochen. Es schien für niemanden Bedeutung zu haben oder es hat sich keiner getraut, darüber zu reden. Ich hatte das Gefühl, die einzige zu sein, in deren Welt dieses Thema derart viel Raum einnimmt, dass sie darunter zu zerbrechen droht. Meine damaligen Freunde wirkten größtenteils unbeschwert, außer sie hatten mal Liebeskummer oder so... Also "nur" die ganz "normalen" Probleme, die man in dem Alter halt so hat und die mit der Zeit von allein wieder verschwinden.

Als ich die Schule beendet hatte, zu Hause ausgezogen bin und mir endlich selber aussuchen konnte, mit welchen Menschen ich mich umgebe und von wem ich mich besser fernhalte, hat sich das schlagartig geändert. Das lag sicher nicht zuletzt daran, dass ich selbst viel offener mit meiner Depression umgegangen bin. Wirklich interessant, wie viele Leute mir dann offenbart haben, dass sie ebenfalls psychische Probleme haben. Es gab Phasen, da kam es mir vor, als sei ich ein Magnet für Menschen mit Depressionen, Suchterkrankungen oder sonstigen psychischen Störungen – und das, obwohl mir so oft gesagt wurde, man würde mir nicht "ansehen", wie schlecht es mir geht.

Wie dem auch sei... Ich glaube jedenfalls, dass sich die Gedanken vieler Jugendlicher um ganz andere Dinge drehen und deshalb wenig Interesse an solchen Themen bestehen (Wissen darüber schon gar nicht). Oder ihre Probleme werden von ihren Eltern / ihrem Umfeld einfach auf die Pubertät geschoben und nicht ernst (genug) genommen. Was leider auch nicht selten vorkommt, ist, dass ihnen von den Eltern eingeredet wird, über sowas dürfe man nicht sprechen bzw. so etwas sollte man besser für sich behalten ("Was sollen denn die Nachbarn denken?" und so...). Es gibt sicher noch viele weitere Gründe dafür, dass junge Menschen sich nicht trauen oder keine Möglichkeit sehen, darüber zu sprechen.


[...] Also zum Beispiel gerade in der Schule finde ich, sollte das Thema zumindest einmal angestoßen werden.

Das sehe ich ganz genauso, May! Ich denke, das wäre schon ein großer Fortschritt und nicht nur hilfreich für Nicht-Betroffene, Depressionen (zumindest im Ansatz) zu verstehen, sondern auch für Betroffene, ihr Schweigen zu brechen und sich zu öffnen – und dann ja vielleicht sogar auf verständnisvolle Ohren zu treffen.


Liebe Grüße

Ina
Gespeichert
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)
Seiten: [1]