Leben
Wie schwer es doch ist zu Leben. Man bekommt es "geschenkt", ob man es haben will oder nicht. Meine Eltern waren einfach der Meinung,
mich auf diese Welt setzen zu müssen.
Ich bin hier in dieses Forum gestolpert, als es mir nicht gut ging und ich wieder einmal darüber nachgedacht hab, für was ich eigentlich
leben soll. Der Tod würde doch so vieles einfacher machen. Keine Sorgen mehr, keine Verpflichtungen mehr, keine Schmerzen mehr.....
Gerade in solchen Augenblicken sehe ich kein Sonnenschein mehr. Ich habe das Gefühl in einem tiefen dunklen Tunnel zu sitzen, mit engen
Wänden und der Blick nach oben Richtung Himmel ist sooooo weit weg. Winzig klein. Und die Wände kommen immer mehr auf mich zu,
es scheint immer enger zu werden.
Kurz zu mir, ich bin 31 Jahre alt, weiblich und habe vor 4 Jahren die Diagnose Borderline bekommen. Begleitet von Depressionen und einer
posttraumatischen Belstastungsstörung. Dazu eigentlich noch eine Essstörung aber die habe ich mittlerweile im Griff. Essstörung im Sinne
von Binge Eating. Fresssucht.
Ich hoffe, ihr habt ein bissl Zeit zu lesen, ich muss mir grad so viel von der Seele schreiben und ich habe das Gefühl, bei euch kann ich
das einfach mal machen, denn allein mein Tagebuch reicht mir nicht mehr aus und mein einziger bester Freund hat momentan seine eigene
Meinung zu mir und meinem Verhalten und ist mir deshalb keine besondere Stütze. (Ich muss aber dazu sagen, er hat auch schon viel Mist
mit mir durchgemacht, in den fast 10 Jahren in denen wir uns nun kennen)
Aktuell bin ich in keiner Therapie, weil meine Therapeutin meinte, in meinem Zustand kann sie keine Therapie mit mir machen. Es würde
nichts bei mir ankommen und an meinem Verhalten sich nichts ändern. Ich sehe das anders. Aus meinen stationären Aufenthalten konnte
ich einiges für mich mitnehmen, was mir auch meist hilft, aber eben nicht immer.
Vllt noch etwas zu mir. Schon während der Schule wurde ich gemobbt, weil ich ein pummeliges, dickliches Kind war, das zudem früh in
die Pubertät kam und mit großen Brüsten "gesegnet" wurde. Im Sport wurde ich deswegen regelmäßig gehänselt. Auch sonst war ich
mehr bei den Lehrern als meinen Mitschülern beliebt. Ich war eben gut in der Schule. Mir ist das zugefolgen. Ich musste nichts dafür tun.
Deutsch und Musik schloss ich mit 1,0 ab. Dafür war ich eine Null in Mathe. Da reichte es nur für eine 4,0. Egal. Ich rutschte in der Pubertät
ein wenig ab. Ich kam in einen falschen Freundeskreis. Für mich war er damals nicht falsch. Dort war ich endlich jemand. Ich wurde von
den Leuten akzeptiert. Ich war wie ein Familienmitglied. Hat mich einer schief angeschaut, wurde ihm von meinen Freunden prügel angedroht.
Die Leute hatten das erste Mal Respekt vor mir. Doch es kam wie es kommen musste. Meine ach so tollen Freunde beklauten eines Tages
mich bzw. meine Familie und es kam zum Bruch zwischen uns. Es war als wäre ich aus der Mafia ausgestiegen. Sie drohten mir Prügel an,
verrieben Chipstüten in meinen Haaren oder nahmen verschneuzte Taschentücher und rieben sie mir ins Gesicht. Die Lehrer sahen weg,
meine alten Freunde (die ich in der Zeit wie Scheiße behandelt hab) ignorierten mich und mein Leid. Erst nach einem halben Jahr hörten
die Schikanen auf und meine alten Freunde standen wieder zu mir.
Ein weiterer riesen Punkt in meinem Leben war mein Berufsleben. Als ich nach der Lehre ausgestellt wurde, fing ich in einer anderen
Praxis an. Ich bin gelernte Zahnarzthelferin. Die Chefin war komisch und hatte schon viele Helferinnen vor mir. Ich konnte ihr nichts recht
machen. Hab ich heute gesagt, das Gras ist grün, war es morgen blau. Sie hat mich regelmäßig vor Patienten zusammen geschissen,
weil ich wieder was nicht so gemacht hab, wie sie das wollte. Als wenn ich das nach 1 Woche dort arbeiten schon alles wissen würde.
Irgendwann warf sie mich aus dem Zimmer und rief nach ihrer Auszubildenden. Die Einzige, die noch konstant in dieser Praxis war.
Die zweite Helferin, die dort mit mir anfing, bekam schon nach 2 Monaten die Kündigung, weil die Chefin nicht mit ihr klar kam. Da hatte
ich natürlich Angst, auch meinen Job zu verlieren. Ich bemühte mich wo es nur ging, aber es funktionierte nicht. So verbannte sie mich
komplett aus dem Behandlungszimmer und verfrachtete mich an den Empfang. Dort fühlte ich mich wohler, weg vom Schuss. Aber auch
da konnte ich ihr nichts Recht machen. Es wurde immer schlimmer. Ich war psychisch am Ende. Fuhr abends nur noch heulend nach Hause
und träumte immer mehr davon, mir das Leben zu nehmen. Es kam vor, dass Rechnungen, die ich tagsüber geschrieben habe, auf einmal
verschwunden waren und Karteikarteneinträge, die ich in den Computer eintrug auf einmal gelöscht waren. Genau die wollte sie am Abend
sehen und es war nichts (mehr) da. Das kam einige Male vor und sie fragte mich immer, was ich eigentlich den ganzen Tag über treiben würde.
Ich konnte nicht mehr. Mein letzter Ausweg hieß Tabletten. Ich nahm alles, was ich in der Hausapotheke finden konnte. Damals wusste ich
ja nicht, dass das Zeug unwirksam und sinnlos war....
Ich wurde so krank - psychisch - dass ich mehrere Wochen krank geschrieben wurde. So bekam auch ich die Kündigung. Das war wie
eine Befreiung. (Nach der Kündigung erfuhr ich vom Lehrling, dass sie Chefin sie dazu genötigt hat, diese Sachen zu machen. Sie drohte ihr
sie würde Ihre Lehrstelle verlieren, wenn sie nicht tun würde, was die Chefin von ihr verlangte. So wurde ich in Keller geschickt, um etwas
zu suchen, während die Rechnungen verschwanden oder die Karteikarteneinträge gelöscht wurden. Ich bekam davon nichts mit)
Damals wusste ich nicht, dass ich noch einmal eine Stelle bekommen werde, an der es mir nicht viel besser gehen würde. An der die
Chefin vor dem Patienten sagt "Die kleine dicke Helferin kann sich schon bissl bewegen" und der man absolut nichts richtig machen
konnte usw. Es kam zum erneuten Zusammenbruch.
Seit dem ist Schluss. Ich wurd zuerst in eine Tagesklinik überwiesen. Dort war ich 12 Wochen. Zuerst bekam ich nur die Diagnose Depressionen
aber es stellte sich (durch u.a. viele Selbstverletzungen) bald heraus, dass ich auch eine Borderline Persönlichkeitsstörung habe.
8 von 9 Kriterien treffen auf mich zu. Dazu kam die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Diese verdanke ich meinem
Ex-Freund. Der meinte eine Frau muss immer wollen wenn er will. Und wenn sie nicht will, nimmt man es sich eben gewaltsam. Ich kann
heute noch kaum drüber sprechen, daher ist es in einen Tresor gepackt und nicht "behandelbar" (fürs erste) laut meiner Therapeutin.
Denn kaum fing sie auch nur an, an der Oberfläche zu kratzen, wurden meine SV schlimmer und stärker.
Mein nächster Aufenthalt führte mich stationär zur Diagnostik nach Berlin. Ich dachte, je weiter weg von meiner Familie umso besser.
Doch das sollte täuschen. Ich hatte so mega Heimweh, dass die Therapie nach Abschluss der Diagnostik in München gemacht wurde.
12 Wochen DBT.
Danach folgte 1 Jahr später eine Reha von der Krankenkasse aus. Es hätte eigentlich eine Traumtherapie werden sollen, aber die Kasse
entschied damals anders und übergab das ganze Verfahren der Rentenversicherung. Nach 6 Wochen Reha wurde ich als arbeitsunfähig entlassen.
Entsprechendes Schreiben an die Krankenkasse sowie die Rentenversicherung.
So versuch ich nun mein Leben einigermaßen auf die Reihe zu kriegen. Ins Arbeitsleben muss ich zum Glück nicht (mehr) zurück.
Aber manchmal reichen mir Kleinigkeiten um mich völlig aus der Bahn zu werfen.
Aktuell haben sie bei meinem Großvater eine bösartige Krankheit festgestellt. Das stellt die ganze Familie auf den Kopf. Da heißt es
mach dies und mach das und das könntest du auch noch machen und fahr hier hin oder dort hin. Meine Belastungsgrenze ist schon längst überschritten.
Dazu kommen Schicksalsschläge gegen die ich nichts machen kann. Der tödliche Verkehrsunfall meiner besten Freundin. Der Suizid
meiner Freundin und die Suizide bekannter Personen (Robin Williams, Robert Enke oder jetzt aktuell Avicii).
Das zieht mir völlig den Boden unter den Füßen weg und ich denke auch wieder, wie schön wäre es doch, nicht mehr sein zu müssen.
Das alles nicht mehr aushalten zu müssen. Oft fehlt mir die Kraft noch etwas zu tun. Da starre ich aus dem Fenster und merke gar nicht
wie die Zeit vergeht. Oder bin extrem viel am Schlafen. Doch der Alltag muss ja weiter gehen.
Manchmal wünschte ich mir, ich könnte einfach meine Koffer packen und dem allen mal ein paar Wochen entfliehen. (Doch leider hab ich
niemand, zu dem ich reisen könnte)
Bitte entschuldigt, dass es so lange geworden ist, aber es tat gut, einfach mal die Finger über die Tastatur zu schicken und die ganze Scheiße
los zu werden.....