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Autor Thema: Ich erzähle  (Gelesen 1623 mal)

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Angie Finch Johnson

  • Gast
Ich erzähle
« am: 09 März 2019, 10:48:04 »

Zunächst einmal Danke, dass ihr euch Zeit nehmt, um das hier zu lesen. Das ist nicht selbstverständlich.

Ich hatte im letzten Halbjahr ziemlich viele Probleme, die ich nicht lösen konnte, und ich möchte jemandem davon erzählen. Deshalb schreibe ich euch, weil ich weiß, dass viele von euch die Probleme nachvollziehen können.

1.Meine (beste) Freundin
Wir sind etwa 3 Jahre richtig innig befreundet gewesen, von der 5. bis zur 7. Klasse, aber auf einmal ga es so einen Abbruch. Etwa ein halbes bis ein dreiviertel Jahr.
Wir redeten weniger, trafen uns kaum.
Es wurde immer schlimmer.
Ich habe sie so oft gefragt, was los sei, habe versucht, Kontakt aufzubauen.
Viele von euch können sich vermutlich vorstellen, wie das ist: ich musste Wochen- und Monatelang mit ansehen, wie meine ehemals beste Freundin zu den anderen ging, mit ihnen lachte und redete.
Man kann jetzt sagen: Freunde kommen und gehen.
Aber um mein Problem zu verstehen, muss man auch verstehen, wie viel mir meine beste Freundin bedeutet.
Ich bin nicht wirklich hübsch, noch sonderlich beliebt. Ich bin oft nicht nett und habe so gut wie nie gute Laune. Ich bin oft ohne ersichtlichen, oder aus lächerlichen, Gründen traurig oder wütend.
Und dann ist da meine beste Freundin. Nett. Hübsch. Beliebt. Hat viele Freunde. Und ist einfach unglaublich nett. So unglaublich. Sie hat mir so oft geholfen, wenn ich schlechte Laune hatte.
Sie ist eine der zwei Sachen, die mir wirklich etwas bedeuten. Durch sie habe ich mein Aussehen, meine Sprache, mein Denken geändert.
Ich denke,ihr könnt nachvollziehen, wie die "Trennung" für mich war.
Ich war in der Zeit vollkommen verzweifelt.
Ein emotionales Wrack. Ich habe in der Schule, wenn etwas nicht gleich klappte, losgeheult und mich gefragt, was es für einen Sinn macht, das noch zu tun, oder noch irgendetwas zu tun, wo sie mich doch nicht mehr mag.
Und dann kam der Nachmittag am Deich. Wir waren für eine halbe Stunde dort und haben geredet. Sie meinte, dass sie von meinem Exfreund (mit dem ich damals noch zusammen war) immer so genervt ist, da er ständig alle neckt und ärgert.
Und wenn sie so genervt ist, habe ich immer nur mit meinem Ex geredet. Deshalb hat sie sich von mir distanziert, weil sie dachte, ICH mag SIE nicht mehr. Dass war das schlimmste.
Dass ich schuld bin. Ich bin schuld an Monatelanger Verzweiflung. Ich bin an allem schuld...
Ich habe ihr das geschrieben, und sie fragte ob alles so sie wie früher. Ich sagte ja, aber das ist es nicht.
Seit der "dunklen Zeit" unserer Freundschaft nistet in mir der Gedanke, dass sie mich nicht mehr mag. Ich habe es nicht geschafft, diesen Gedanken loszuwerden, und das werde ich auch niemals.
Und ich bin schuld.

2. Mein(Ex)Freund
Ich war lange Zeit (auf den Tag genau 16 Monate) mit jemandem zusammen, den ich nicht liebte. Schön nach einiger Zeit wurde mir klar, dass ich Schluss machen möchte, aber ich habe es nicht getan. Aus Angst, ihn freundschaftlich zu verlieren, denn er ist ein wirklich netter Typ. Mittlerweile ist es zum Glück beendet. Er hat gesagt, dass wir lieber gute Freunde sein sollen. Aber seit dem  ignoriert er mich komplett. Er versteht sich super gut mit meiner Zwillingsschwester und die beiden grenzen mich in der Schule regelrecht aus.
Habe ich mit meinem Freund den einzigen Menschen verloren, von dem ich dachte, dass er mich braucht und mag, so wie ich bin?

3. Neue Liebe

Während ich noch mit meinem Freund zusammen war, habe ich mich erneut verknallt.
Aber in ein Mädchen. Ich kenne sie aus der Gemeinde (Ich habe aktuell Konfirmandenunterricht, sie ist Teamerin). Sie ist ein paar Jahre älter als ich und in gewisser Weise ähnlich wie meine beste Freundin. Eine Zeit lang habe ich mir nicht sehnlicher gewünscht, als mich an ihre Schulter zu lehnen und ihr von mir zu erzählen.
Aber natürlich war ich zu feige, um es ihr zu gestehen und mittlerweile liebe ich sie nicht mehr so.
Aber ich glaube, ich habe mich in sie verliebt, weil ich in der Zeit ohne meine Freundin, die mir sehr zugesetzt hat, einen Menschen brauchte, der ihr ähnlich war.

3.Meine Familie
An sich ist meine Familie sehr normal. Also gesund, keiner nimmt Drogen oder so und eigentlich sind alle glücklich.
Eigentlich.
Meine Eltern streiten sich nämlich dauernd. Nicht wegen was schlimmen, sondern wegen vergessenen Sachen, einem misslungenen Essen, einfach Kleinigkeiten.
Sie schreien sich an. Sie sind beleidigt. Meine Mutter weint, mein Vater geht weg.
Dauernd.
Ich halte das einfach nicht mehr aus.  Warum lassen sie sich nicht scheiden?
Ich habe das Gefühl, wenn sie sich streiten, zerspringt mein Herz und anschließend wird es notdürftig mit Kleber repariert. Aber bevor es richtig heilen kann, streiten sie sich erneut und mein Herz geht wieder kaputt.
Ich fühle mich dann immer so hilflos und renne weg.

Das schlimmste ist: ich empfinde keine wirkliche Zuneigung mehr für meine Familie. Ich streite täglich mit meiner Zwillingsschwester, finde es nervig, von meinen Eltern umarmt zu werden. Ich finde es lästig, mit ihnen zu reden oder auch nur zusammen zu sein.
Klar löst man sich in der Pubertät oft etwas von den Eltern, aber man empfindet dich noch Liebe zu ihnen? Ich nicht.

4.Niemand versteht mich
Wahrscheinlich kennen viele von euch das Gefühl: niemand kann euch verstehen, alle denken, ihr seid seltsam. So ist das jedenfalls bei mir.

5. Niemand mag mich
Das Verhältnis zu meiner besten Freundin ist falsch, mein Freund hat Schluss gemacht, mit meiner Familie geht völlig den Berg hinab was die Beziehung zu mir angeht, ich bin bei niemandem aus der Klasse beliebt.
Neulich habe ich gegen ein beliebtes Mädchen aus meiner Klasse Federball im Sportunterricht gespielt, ich mag die meiste Zeit vorn. Nur ganz am Schluss hat sie mich überholt. ALLE haben sie angefeuert, sie bejubelt, mich ausgelacht. Sogar meine Freundin, von der ich dachte, dass sie mich lieber mag als die beliebte Person.
Ich habe einfach das Gefühl, dass niemand mich braucht und dass ich da, wo ich hingehe, schlechte Laune verbreite.


Diese Probleme (und noch einige andere kleine, die ich nicht aufzähle) klingen zwar nicht viel im Vergleich zu dem, was manche von euch durchmachen,  aber mich machen sie vollkommen fertig. Ich habe das Gefühl, alle meine positiven Eigenschaften sind verschwunden.
Ich schaffe es nicht, die Erlebnisse hinter mir zu lassen und durch die monatelange Belastung sind leichte Depressionen entstanden, die ich immer deutlicher spüre. Ich habe Angst  davor, dass sie schlimmer werden, ich habe Angst davor, dass es nie besser wird.


Wenn Du bis hierher gelesen hast: Danke.
Ich weiß das zu schätzen.
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Bella

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Re: Ich erzähle
« Antwort #1 am: 09 März 2019, 11:53:20 »

Hallo liebe Angie,

ich habe deinen Bericht gelesen. Ich möchte dir sagen, dass ich dich sehr gut verstehe und mich in dich hineinversetzen kann. Du erinnerst mich an mich selbst, als ich in deinem Alter war. Da ging es mir in vielen Bereichen ähnlich wie dir jetzt gerade. Du bist also nicht die Einzige, die sowas erlebt und sich deswegen deprimiert fühlt. Ich wünsche dir sehr, dass du in deinem Umfeld Hilfe und Verständnis findest. Vielleicht könnte tatsächlich deine Vertrauenslehrerin eine erste Anlaufstelle sein. Ich wünsche dir Mut, dass du es schaffst, sie anzusprechen.

Natürlich darfst du auch hier weiter erzählen. Du wirst gelesen. Du bist nicht allein.

Liebe Grüße
von Bella
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Ich kämpfe bis zum Sieg.

Angie Finch Johnson

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Re: Ich erzähle
« Antwort #2 am: 09 März 2019, 12:54:43 »

Danke für die lieben Worte!
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine leichte Depression habe und ich hoffe, dass sich das bessert. Deine Worte geben mir Mut, vielleicht genug Mut, um meine Vertrauenslehrerin anzusprechen...
Falls das nicht zu persönlich ist, würde ich gern fragen, ob du auch Depressionen hast oder hattest... wenn ja, was hilft dir dabei?
Viele Grüße,  Angie
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Bella

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Re: Ich erzähle
« Antwort #3 am: 09 März 2019, 13:26:46 »

Ja, ich hatte als Jugendliche Depressionen und habe auch heute noch welche. Ich hatte damals leider keinerlei Hilfe, obwohl ich sie dringend gebraucht hätte. Dadurch wurden die Depressionen bei mir leider chronisch und ich kämpfe bis heute immer wieder damit. Damit es dir nicht  auch so geht, rate ich dir wirklich sehr, dir JETZT Hilfe zu suchen. Jetzt ist noch Zeit und du kannst noch gegensteuern. Warte nicht, bis es schlimmer wird. Von alleine wird es nicht weggehen.

Ich wünsche dir viel Kraft und Mut
Bella
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Ich kämpfe bis zum Sieg.

hardworking fool

  • Gast
Re: Ich erzähle
« Antwort #4 am: 09 März 2019, 13:43:11 »

Hallo Angie,

ich glaube, dass vieles was du erzählst nahezu jedem schon mal passiert ist, vor allem in einer Zeit in der man sich über so vieles erst klar werden muss, in der man nicht mehr Kind aber auch noch nicht erwachsen ist. Die Pubertät ist wirklich eine schwierige Zeit. Ich erinnere mich noch gut daran wie es mir damals ging (grauenhaft!) und mit meinem Sohn war (und ist) es ähnlich. Vielleicht tröstet es dich, dass die meisten das relativ unbeschadet überleben. ;-)

Warte nicht, bis es schlimmer wird. Von alleine wird es nicht weggehen.

Ja, und nein. Eine leichte Depression kann auch unbehandelt wieder verschwinden, aber du solltest wirklich schauen, dass du jemanden findest mit dem du reden kannst. Vielleicht gibt es ja jemanden in deiner Gemeinde dem du vertraust, ansonsten kannst du versuchen dir (auch anonym) Hilfe zu suchen, z.B. beim sozialpsychiatrischen Dienst, bei der Nummer gegen Kummer 08001110333 usw.

Alles gute für dich! Und schreib weiter!

LG Fool
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Angie Finch Johnson

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Re: Ich erzähle
« Antwort #5 am: 09 März 2019, 14:53:11 »

Ihr gebt mir mit euren Antworten das erste Mal seit Wochen das Gefühl verstanden zu werden...
Ich habe für mich persönlich auch schon Dinge entdeckt, die mir helfen:
1. Musik. Ich kann nicht anders, meine Lieblingslieder und Songs von der Band Coldplay Münzen mich immer etwas auf
2. Glaube. An Gott zu glauben hat mir wirklich geholfen. Es ist schön, zu wissen, dass immer jemanden geben wird, dem du nicht egal bist, und der dich mag, wie du bist. Für Atheisten mag das dumm klingen, aber der Glaube stärkt lich.
3. Die Natur. Stundenlange Spaziergänge im Wald, Naturgeräusche über Kopfhörer, frische Luft atmen: das beruhigt mich ungemein.

Ich denke, ich werde mal mit meiner Vertrauenslehrerin über meine Probleme und Sorgen reden. Wozu gibt es Vertrauenslehrer sonst, als dass man sich ihnen anvertrauen kann?

Vielen Dank für eure aufbauenden Worte. Ihr habt nicht, wie gut mir das tut :)

Angie
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Bella

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Re: Ich erzähle
« Antwort #6 am: 09 März 2019, 15:19:28 »

Musik, Glaube, Natur - ja das sind wunderbare Dinge, die einem in schweren Zeiten helfen können. Schön, dass du sie schon für dich entdeckt hast. Gerade der Glaube und die Musik haben mir auch immer wieder geholfen, und auch Spaziergänge in der Natur. Wir haben hier einen wunderschönen Wald, in dem ich zu Zeiten stundenlang herum gelaufen bin mit meiner Lieblingsmusik auf den Ohren. Das war pures Glück. Ich finde es schön, dass du an Gott glauben kannst. Ich tue das auch. :) Coldplay ist übrigens auch eine meiner Lieblingsbands. :)
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Angie Finch Johnson

  • Gast
Re: Ich erzähle
« Antwort #7 am: 09 März 2019, 15:33:34 »

Als die Tochter einer Pastorin ist es für mich selbstverständlich gewesen, dass Gott da ist. Später habe ich dann realisiert, dass ich wirklich daran glaube.
Ich habe eine Kette mit einem Engel-anhänger,  die ich jeden Tag trage. Wenn es mir schlecht geht oder ich das Gefühl habe, dass wieder einmal die ganze Welt gegen mich steht, schließe ich sie ganz fest in meine Hand.
Das hilft Auch!:(
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Adrenalinpur

  • Gast
Re: Ich erzähle
« Antwort #8 am: 09 März 2019, 22:21:06 »

super Angie
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Adrenalinpur

  • Gast
Re: Ich erzähle
« Antwort #9 am: 09 März 2019, 22:29:36 »

Das ist echt ein wirklich hilfreicher Thread über deine Lebensgefühle und Infos, die manche leider nicht geben (können)
danke

ich werde dazu noch antwortenbesonders zu den Eltern

die Darstelung der Threads ist voll unübersichtlich geworden, vielleicht bin auch ich Schuld nachdem ich das nimmer administrativ verwalte keine Ahnung ist auch egal, gute Nacht
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Angie Finch Johnson

  • Gast
Re: Ich erzähle
« Antwort #10 am: 09 März 2019, 22:50:36 »

Ich hab mir beim Text Mühe gegeben, damit er verständlich ist...
Auch habe ich schon ziemlich oft Passagen im Kopf aufgesagt und für Gespräche geübt, die ich doch ne geführt habe.
Na ja trotzdem danke für das Lob .
Ich wünsch euch auch eine Gute Nacht!
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Ina

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Re: Ich erzähle
« Antwort #11 am: 10 März 2019, 06:06:06 »

 
Liebe Angie,

toll, dass Du es geschafft hast, das alles aufzuschreiben! Danke, dass Du uns so ausführlich an Deinen Gedanken teilhaben lässt.

Ich habe mich damals, als ich in Deinem Alter war, ähnlich gefühlt. Insbesondere was die Erlebnisse mit der "besten Freundin" und die schlimme Situation zu Hause betrifft, erkenne ich da einige Parallelen und glaube daher, gut nachempfinden zu können, wie traurig und verzweifelt Du bist.



Ich bin nicht wirklich hübsch, noch sonderlich beliebt. Ich bin oft nicht nett und habe so gut wie nie gute Laune. Ich bin oft ohne ersichtlichen, oder aus lächerlichen, Gründen traurig oder wütend.
Und dann ist da meine beste Freundin. Nett. Hübsch. Beliebt. Hat viele Freunde. Und ist einfach unglaublich nett. So unglaublich. Sie hat mir so oft geholfen, wenn ich schlechte Laune hatte.

Du vergleichst Dich mit ihr. Vielleicht ein bisschen zu sehr? Ich glaube, mit 14 ist es normal, dass man sich mit anderen vergleicht – wahrscheinlich gehört es irgendwie dazu, wenn man sich selbst noch nicht so recht gefunden hat. Dennoch: Du bist DU! Jeder hat seine eigenen Vorzüge und Stärken. Du auch, ganz sicher! Die muss man nur erstmal erkennen, klar...

Hübsch, nett und beliebt zu sein, ist nach außen hin natürlich erstmal eine tolle Sache. Und doch gibt es so viel Wichtigeres und Bedeutungsvolleres!
Ist es Dir bei anderen Menschen wichtig, dass sie toll aussehen und von möglichst vielen gemocht werden? Müssen sie nicht doch ein bisschen mehr zu "bieten" haben, z.B. einen gewissen Tiefsinn, reflektierte Gedanken (auch in Bezug auf sich selbst), Humor usw.?


Sie ist eine der zwei Sachen, die mir wirklich etwas bedeuten. Durch sie habe ich mein Aussehen, meine Sprache, mein Denken geändert.

Inwiefern hast Du diese Dinge geändert? Hast Du Dich Deiner Freundin in diesen Punkten angepasst / angeglichen? Wenn dem so sein sollte: Würde es Dir nicht mehr geben, wenn Du die aus Dir "machst", die Du bist und selber wirklich sein möchtest? Ich weiß nicht, ob ich gerade so gut in Worte fassen kann, was ich meine, und versuche es deshalb mit einem Beispiel: Weiter oben schriebst Du, Du seist nicht sonderlich hübsch – und etwas später, dass Du Dein Aussehen durch Deine Freundin geändert hast. Hast Du es so verändert, dass Du Dich selbst wohler damit fühlst oder hast Du Dinge verändert, die andere Leute an Deiner Freundin hübsch finden? Was an ihr hübsch ist, muss es an Dir noch lange nicht sein. Wie würdest DU Dir selbst gefallen? Wenn Du Dich mit Deinem Aussehen wohlfühlst, strahlst Du das auch aus!


Dass war das schlimmste.
Dass ich schuld bin. Ich bin schuld an Monatelanger Verzweiflung. Ich bin an allem schuld...
[...]
Und ich bin schuld.

Rede Dir nicht ein, dass Du "schuld" bist. Das führt zu gar nichts, außer dass Du Dich noch schlechter fühlst.

Das Problem war mangelnde Kommunikation – und dazu gehören immer zwei. Deine Freundin hätte Dich auch darauf ansprechen können, was sie stört. Das hat sie aber nicht getan. Im Gegenteil, sie hat sich von Dir distanziert und Dich im Unklaren gelassen. Das tut weh und ist sehr enttäuschend! Mach Dir also bitte keine Selbstvorwürfe...

Ich kann Dir hier nur für die Zukunft den Rat mit auf den Weg geben, mit den Menschen, die Dir wichtig sind, zu reden, wenn sich etwas komisch / schlecht anfühlt, Du verunsichert bist oder etwas blöd gelaufen ist. Ein ehrlicher, offener Umgang in zwischenmenschlichen Beziehungen (ganz gleich welcher Art) ist in meinen Augen das Allerwichtigste und hilft mehr als alles andere dabei, Probleme zu lösen und Missverständnisse zu vermeiden.


Meine Eltern streiten sich nämlich dauernd. [...]
Sie schreien sich an. Sie sind beleidigt. Meine Mutter weint, mein Vater geht weg.
Dauernd.
Ich halte das einfach nicht mehr aus.

Wenn ich könnte und dürfte, würde ich Dich jetzt ganz fest in den Arm nehmen und Dir sagen: Ich verstehe Dich so gut...
Ich habe das auch jahrelang erlebt, aber da war ich noch jünger als Du. Es war schrecklich und ich habe sehr darunter gelitten!


Ich habe das Gefühl, wenn sie sich streiten, zerspringt mein Herz und anschließend wird es notdürftig mit Kleber repariert. Aber bevor es richtig heilen kann, streiten sie sich erneut und mein Herz geht wieder kaputt.

Für diesen Absatz möchte ich Dir danken. Das ist eine so schöne (wenn auch traurige) Metapher, die wunderbar zum Ausdruck bringt, wie Du Dich fühlst. Genauso ging es mir auch immer und immer wieder (nicht nur in Bezug auf meine Eltern)!


4.Niemand versteht mich
Wahrscheinlich kennen viele von euch das Gefühl: niemand kann euch verstehen, alle denken, ihr seid seltsam. So ist das jedenfalls bei mir.

Diesen Punkt kannst Du jetzt definitiv von Deiner Auflistung streichen. ;)
Wie Du siehst, gibt es viele, die ähnliches erlebt haben, Deine Gedanken und Gefühle (von früher) kennen und Dich sehr wohl verstehen!


5. Niemand mag mich
[...]
Ich habe einfach das Gefühl, dass niemand mich braucht und dass ich da, wo ich hingehe, schlechte Laune verbreite.

Das Gefühl kennen hier wahrscheinlich sehr viele. Auch ich dachte so, als ich noch zur Schule ging.


Ich habe das Gefühl, alle meine positiven Eigenschaften sind verschwunden.

Das sind sie nicht. Du siehst sie zurzeit nur nicht, möglicherweise weil Du Dich selbst nicht besonders magst. Und vielleicht auch, weil Du zu sehr auf andere schaust und bei ihnen Dinge siehst, die Du selbst eben NICHT hast.

Dass Du Dich uns geöffnet und so offen und ehrlich über Deine Gefühle geschrieben hast, empfinde ICH jedenfalls schon mal als SEHR positive und sympathische Eigenschaft!

Ich glaube, Du brauchst etwas, was Dein Selbstbewusstsein stärkt. Eine Aufgabe, die Dir Spaß macht und wo Du bestenfalls mit anderen Leuten zu tun hast, die Deine Interessen teilen. Als ich 15 oder 16 war, habe ich mich einer Schauspielgruppe angeschlossen, die mit der Schule nichts zu tun hatte. Da war ich dann mit Menschen in meinem Alter zusammen, die nichts über meine Vergangenheit wussten und mir nicht von vornherein mit Vorurteilen begegnet sind, weil sie xyz von Person a, b oder c gehört haben. Und zudem haben sie meine Leidenschaft, das Theaterspielen, geteilt. Es hat mir unheimlich gut getan und sehr viel Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit gegeben, eine außerschulische Beschäftigung zu haben, mein Können zeigen zu dürfen, Anerkennung dafür zu bekommen und von Menschen umgeben zu sein, die sich treffen, weil sie ein gemeinsames Ziel haben und ihre Zeit nicht damit verschwenden, über andere herzuziehen und sie nach Äußerlichkeiten zu beurteilen.

Es gibt so viele Angebote für Jugendliche – je nach Deinen Interessen und Hobbies wird es sicher auch eine Gruppe o.ä. geben, die sich für Dich eignet! Vielleicht magst Du Dich diesbezüglich ja mal ein wenig informieren? Du hast u.a. geschrieben, dass Du die Natur liebst. Da fällt mir spontan der NABU (Naturschutzbund) ein, bei dem es sehr viele Möglichkeiten gibt, sich für die Natur einzusetzen; und der allerlei tolle Veranstaltungen wie Fledermauswanderungen, gemeinsame Ausflüge zur Beobachtung von Vögeln und anderen Tieren usw. anbietet (auch ohne Mitgliedschaft möglich).

Ich könnte mir vorstellen, dass es Dir gut täte, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen und einem gemeinsamen Hobby nachzugehen.


Ich hoffe, dass ich Dir ein bisschen helfen konnte und wünsche Dir einen schönen Sonntag, liebe Angie!

Liebe Grüße
Ina
 
« Letzte Änderung: 10 März 2019, 06:13:36 von InaDiva »
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Angie Finch Johnson

  • Gast
Re: Ich erzähle
« Antwort #12 am: 10 März 2019, 07:37:49 »

Wow.
Und ich dachte, mein Text sei lang!
Danke, dass du dir Zeit genommen hast, das alles zu schreiben...

Das, was du zu den positiven Eigenschaften geschrieben hast, mag teilweise stimmen, aber es stimmt auch folgendes:
Ich bin wirklich oft aus dummen Gründen sauer. Oft auf mich selbst. Das lasse ich dann an den anderen aus. Beschimpfe sie.
Ich weiß nicht, woher das kommt. Früher war ich nicht so. Ich habe schon viel versucht, um die Seite unterzukehren, aber...
Das seltsame ist ja, dass ich mit fremden Menschen viel besser zurechtkomme als mit meiner Familie und teilweise auch mit meinem Freunden.
Zum Beispiel bin ich hier viel offener als ich es gegenüber meiner Schwester wäre. Ich würde ihr nie so etwas erzählen.
Irgendwie ist es mir vor meiner Familie peinlich, dass ich diese Probleme habe und nicht fertigkriege.
Durch dieses ständige Streiten ist die Bindung weg...

Was meine beste Freundin angeht, habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt: ich will nicht so sein, wie sie, durch sie habe ich entdeckt, wie ich sein möchte.
Das klingst irgendwie total gleich, aber vielleicht ist es trotzdem verständlich.
Sie ist humorvoll, schlau, hilfsbereit. Sie sieht in den Menschen stets nur das beste.
So möchte ich sein. Es macht fast nie jemand bei meinen Witzen, eher machen sie Witze über mich.
Hilfsbereitschaft. Habe ich kaum. Und ich sehe in Situationen und Menschen oft nur das schlechte.
Das will ich nicht!

Aber danke. Danke für alles.
Hier werde ich mit offenen Armen empfangen, hier bauen mich die Leute auf.
Ihr gebt mir so viel Mut! Vielleicht genug, um am Montag meine Vertrauenslehrerin anzusprechen.

Ich halte euch auf dem laufenden, Angie
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