Ich habe auch mal eine Therapie gemacht. Ich fand das sehr schwierig, sehr anstrengend, aber ich kann meinem Therapeuten nicht viel vorwerfen. Wir waren nicht immer einer Meinung, aber haben die des jeweils anderen respektiert und letztendlich war es immer meine Therapie und meine Entscheidung. Das fand ich gut.
Ich wollte ein konkretes Verhalten umlernen. Ich habe mich sehr gequält und sehr bemüht, aber es hat nicht funktioniert bis mein Therapeut meinte, es wäre sinnvoller zu lernen, dies als meine Eigenart zu akzeptieren, als mich so sehr zu quälen. Das kann ich aber nicht. Wir haben dann versucht darüber zu reden, was denn so furchtbar schlimm daran ist- aber das konnte ich dann auch nicht.
Insofern war diese Therapie nicht besonders erfolgreich- sehr traurig. Trotzdem möchte ich gerne etwas Positives aus dieser Therapie berichten. Denn ich denke, eine positive Erfahrung ist es doch wert, erzählt zu werden.
Also: ich habe dann versucht zu reden und es ging nicht. Also habe ich- wie das meine Art ist- nach Lösungsansätzen für dieses Problem gesucht. Ich habe Stichworte gemacht, Texte vorgeschrieben, Karteikarten geschrieben, Themen vorab gemailt, eine PowerPoint-Präsentation gemacht, Analogien in der Literatur gesucht, Comics gemalt.... letztendlich hat es nicht wirklich geklappt. Ich war entsprechend frustriert. Mein Therapeut hat mir dann Einhalt geboten und gesagt, er wünsche, ich würde mal völlig unvorbereitet zur Therapie kommen und im Idealfall mich ein wenig wohlfühlen. Ich solle mir keine Gedanken um ihn machen, er würde das schon aushalten, wenn es mir schwer fällt, wenn ich nichts sage oder weine, ich solle einfach mal überlegen, was mir gut tut, es ginge schließlich um mich und sei meine Therapie.
„Hä? Was ist damit gemeint? Was soll das überhaupt? Wenn ich keine Erfolge sehen kann und keinen Plan habe, brauche ich mich doch nicht weiter mit der Therapie zu quälen“, sagte mein eines Ich.
Aber da gibt es immer noch das andere Ich, das sagt: „Du bist traurig, er will dir helfen, versuch doch einfach mal dich darauf einzulassen. Vielleicht stellst du einfach mal den Kampf-/Verteidigungsmodus aus und gehst einen anderen Weg.“
Also habe ich überlegt, was fände ich denn schön? Ich bin in die Stadt gegangen, habe eine Kerze gekauft und Wachsplatten und Schokolade. Zur nächsten Therapiestunde hatte ich dann meine selbstverzierte Kerze und Schokolade dabei. Ich war sehr, sehr nervös. Natürlich- keine Überraschung hier- fand mein Therapeut das nett und keineswegs lächerlich oder von einer Person wie mir unpassend und albern. Ich wusste das natürlich eigentlich. Aber es ist schon noch einmal etwas anderes, das zu erfahren, als es nur theoretisch zu wissen.
Das war für mich eine positive Erfahrung. Wichtig ist aber, das dann auch ins eigene Leben zu übertragen. Und vielleicht hat diese kleine Begebenheit jetzt in einer anderen Diskussion mit mir selbst, das richtige Ich bestärkt.
Also: eine Studienfreundin von mir hat vor ein paar Monaten ein Kind bekommen. Ich war (natürlich ;-)) völlig überfordert mit der Situation. Was macht man? Schenkt man etwas? Schreibt man eine Karte? Was darf ich? Was darf ich nicht?... Da habe ich erst einmal ne Mail geschrieben, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
Sagt mein eines Ich:
-„Du gönnst es ihr nicht, weil sie das hat, was du immer wolltest“
-„Keiner will, dass du dich meldest“
-„Es ist dir sowieso egal“
-„Mach dich nicht lächerlich“
-„Jetzt ist es schon so lange her, jetzt brauchst du dich auch nicht mehr zu melden“
-„Du weißt sowieso nicht, was man schenkt“
Aber mein anderes Ich, weiß dass das gelogen ist:
-„Ja, ich bin traurig, weil ich das nie haben werde, aber wenn ich ehrlich bin, gönne ich es ihr trotzdem von ganzem Herzen“
-„Natürlich freut sie sich, wenn ich was schenke“
-„Das ist mir auch nicht egal“
-„Es ist niemals lächerlich, jemandem eine Freude machen zu wollen“
-„Und das geht auch nach ein paar Monaten noch“
-„Du kannst ja mal versuchen, dich einzufühlen, dann fällt dir vielleicht auch ein Geschenk ein“
-„Du bist ja einfach nur unsicher und fühlst dich wertlos, aber du weißt, dass das nicht bedeutet, dass du niemandem etwas schenken darfst“
-„So, wie du bei der Kerze in der Therapie eigentlich wusstest, dass du das darfst“
Ich habe dann eine kleine Holzkiste gekauft und bemalt. Dann habe ich eine Kette gekauft, die ich reintun konnte. Denn ich habe gedacht, sie ist so eine liebe Person, sie wird eine tolle Mutter sein, dafür braucht sie nichts. Aber vielleicht braucht sie etwas, um daran erinnert zu werden, dass sie selbst auch wichtig ist.
Ich habe dann ein Päckchen geschickt und habe den Eindruck meine Freundin hat sich sehr gefreut. Und ich mich dann auch. Das war schön.
Ich denke, ich hätte ohne nachdenken zu müssen, wissen müssen, dass ich das darf und frage mich: „Ja, aber, was hast du von einem Käferschritt auf dem Weg von hier nach Kairo?“
„Du machst ein Theater mit Kram, der für jeden selbstverständlich ist. Du gehst mir auf die Nerven. Du brauchst dir keine Mühe zu geben- gib auf“
Trotzdem denke ich auch: „Muss man es so negativ ausdrücken? Ja, es ist ein winziger Schritt und ich sehe in meinem Leben auch keine Hoffnung. Aber: es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und das ist doch nicht nichts.“
Und im Fazit, sehe ich es insgesamt so: „Das kann man so oder so sehen. Aber: ich konnte jemandem eine Freude machen und das war wirklich schön.“
Vielleicht hätte ich das auch ohne die Therapie gekonnt, aber die Erfahrung dort hat mich auf jeden Fall bestärkt und dafür bin ich- trotz allem- dankbar.